Mir fallen beim Blick auf die Karte immer wieder Namen auf, die - verstreut - auf lateinisch / romanische Bezeichnungen zurück gehen könnten.
Um festzustellen, ob sie wirklich auf romanische Bezeichnungen zurück gehen können, sind zwei Schritte nötig:
1. Wir müssen die ältesten feststellbaren Formen eruieren
2. Wir müssen Möglichkeiten abstecken, auf welche früheren Formen sie möglicherweise zurückgehen könnten. Dazu ist es aber methodisch unabdingbar, sich an beweisbare sprachliche Lautwandel zu beschränken. (Man kann ja nicht einfach ad hoc einen Fantasiedialekt erfinden und behaupten, die Leute hätten damals diesen Dialekt gesprochen.)
Wenn man diese Methoden sauber anwendet, kann man tatsächlich verschwundene Dialekte rekonstruieren. Das ist z. B. im Fall des Moselromanischen anhand der dort zahlreich vorhandenen einwandfrei romanische Orts- und Flurnamen gelungen.
"Römisch" im Rheinland - Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte
Zu Schritt 1 gibt es seit Jahrzehnten umfangreiche Forschungsarbeiten:
Historisches Ortsnamenbuch: KBL
Hier ist für den Bereich Altbayern Wolf-Armin von Reitzenstein maßgeblich tätig.
Speziell mit Gewässernamen sowie mit keltischen und romanischen Ortsnamen in Bayern hat sich Albrecht Greule beschäftigt. Das jüngst erschienene Buch, aus dem ich öfter zitiere, ist:
Peter Wiesinger und Albrecht Greule, Baiern und Romanen. Zum Verhältnis der frühmittelalterlichen Ethnien aus der Sicht der Sprachwissenschaft und Namenforschung, Tübingen 2019
Hier steht eigentlich alles Wichtige zum Thema drin.
Bei einigen - Walchstadt am Wörthsee, Walchstatt bei Wolfratshausen, Pähl und Partenkirchen scheint das relativ unstrittig.
Also: Der Name
Walchstadt ist hunderprozentig deutsch, sowohl das Bestimmungswort "Walch-" wie auch das Grundwort "Stadt". (Die Romanen haben sich selber nicht als "Walchen" oder "Welsche" bezeichnet). Es gibt zwei Möglichkeiten: Der Ort wurde nach einem Personennamen Walcho benannt (siehe dazu:
Romanisch-germanische Sprachgrenzen im frühen Mittelalter ) oder die ersten germanischen Siedler haben hier noch Romanen angetroffen und in ihrer Sprache den Ort als "Walchen-Stätte" bezeichnet. In diesem Fall muss man konstatieren, dass der romanische Name des Orts
nicht überliefert worden ist.
Bei dritten (Kochel, Köchel) nimmst Du eine germanisierte Herkunft an
Ich nehme gar nichts an, sondern stelle fest, dass es sich um
deutschsprachige Namen handelt. Ob es romanische Namen gegeben hat, wissen wir nicht. Falls es sie gegeben hat, wurden sie nicht überliefert.
Ich versuche weiter deutlich zu machen, dass diese romanische Restbevölkerung mit einer isolierten, inselartigen Verbreitung wohl in einem Zeitraum, der von den Historikern den Herrschaftszeiten der Agilolfinger (591 bis 788) & Merowinger (5. Jh. bis ca. 750) zugerechnet wird, bestand.
Wem versuchst Du das deutlich zu machen, und warum? Hat das jemand bestritten?
Zur These von Heydenreuter, der die "pontes Tesseninos" bei Penzberg verortet, könnte der 1275 (also Jahrhunderte später) belegte Ortsname "Poennespergh" passen. Er würde ein Namenspaar aus einem tradierten romanischem Sprachrest (Poennes) und dem germanischen (pergh) darstellen.
Er passt halt nicht.
Es gibt nicht den geringsten Hinweis darauf, dass ein romanisches Wort "poennes" jemals existiert haben könnte. Du "argumentierst" mit einem Wort aus einer Fantasiesprache. Wie soll man darüber ernsthaft diskutieren?
Sicher ist, dass das Grundwort germanisch (bairisch) ist; der Ortsname kann also nicht romanisch sein. Ein romanischer Hintergrund des Bestimmungsworts ist natürlich nicht auszuschließen, es wäre aber eher nach einer Form *bon- zu suchen.
Du argumentierst, dass die sprachliche Verbindung über die (2. deutsche) Lautverschiebung (ab ca. 600 bis 8. Jh.) nicht passt
Ich stelle fest, dass die nach heutigem Kenntnisstand romanischen Ortsnamen im oberbayerischen Voralpengebiet (z. B. Pähl, Peiß etc.) alle die Lautverschiebung mitgemacht haben, mit Ausnahme der kleinen Ecke im Südosten, wo wir anhand der Namen tatsächlich eine spätere Eindeutschung nachweisen können. Ein schönes Beispiel wäre Marzoll (ad Marciolas), das in der 1. Hälfte des 11. Jahrhunderts ins Bairische integriert wurde.
Zum Stichwort "Sprachinseln": Damit Sprachinseln eine längere Zeit fortbestehen können, muss entweder eine geographische (oder soziale) Isolation vorliegen, oder die Sprachinsel muss zumindest so groß sein, dass die meisten Sprecher mit ihren Nachbarn kommunizieren können, ohne eine Fremdsprache zu benutzen.
Im Übrigen verhalten sich isolierte Dialekte im Allgemeinen eher konservativ. Zu den konservativsten Sprachen gehören das Isländische (Beispiel für eine germanische Sprache) oder das Sardische (Beispiel für eine romanische Sprache).