Erstmal ein Lob an alle Beteiligten, eine sehr schöne und sachliche Diskussion. Lange nicht mehr so viel Freude an einer Diskussion gehabt.
Meine Gedanken zu dem Thema:
1. Grass verdient großen Respekt, dass er freiwillig (ob nun vor oder in seinem Buch) mit etwas herauskam, dass in Dtl. in weiten Teilen immer noch als Schandfleck gilt. Und das, obwohl wir uns in dieser Gesellschaft doch eigentlich der Differenziertheit rühmen, der Tatsache einen jeden Menschen als Persönlichkeit zu betrachten ohne zu pauschalisieren.
Möglicherweise hat Grass damit auch eine Diskussion erneut angestoßen, die eigentlich in die Vergessenheit geriet oder niemals wirklich geführt wurde.
Ein wenig paßt dies dann doch wieder ins Bild seines "Moralapostels".
2. Ich finde es keineswegs verwerflich, das er "erst" jetzt damit rauskommt. Auch hier will man scheinbar nicht wissen, wie viele nie zugaben und zugeben werden, bei Waffen-SS oder Schlimmeres gedient haben.
Warum auch? Gab man ihnen Anlaß? Selbst wenn sie, wie Grass, nicht mal einen Schuß abgaben oder nachweislich nur irgendwo Post verteilten oder Kaffe kochten wurden sie für die Runen auf der Uniform angefeindet.
Auch Grass wird gewußt haben, was für eine Welle er da lostritt, und trotzdem hat er sich ihr jetzt gestellt.
3. Eines der Dinge die ich nicht verstehe in Deutschland und nie verstehen werde ist die Art mit der Vergangenheit umzugehen. Es scheint mir manchmal, es gibt vorwiegend zwei extreme: totale Verdrängung und Leugnung / Hochjubeln und resolute und unerbittliche Ablehnung und Verfolgung.
Ich bin in erster Linie glücklich, nicht in der Haut derjenigen gesteckt zu haben, die dies alles miterlebten.
Ich sehe heute das Leid auf der Welt und schäme mich (selten genug) nichts dagegen zu unternehmen, im Gegenteil, äußere mitunter recht kaltblürige Sätze wie "Frieden wirds da unten erst geben, wenn eine der Seiten vernichtet ist" in sachlichem Ton. Und dann lese ich wieder von der Mitschuld aller Deutschen oder der Kollektivschuld der SS Angehörigen, oder den Kriegsverbrechern Wehrmachtssoldaten usw. usf.
Kurzum, ich bin ein wenig dankbar für diese Welle, denn sie regt wieder zum nachdenken an, wer und was ist Schuld.
Und letztlich ein Gedanke eines Militärhistorikers: die Wahrscheinlichkeit, dass er als Flakhelfer beitrug zum Tode von Menschen ist mindestens genauso hoch wenn nicht höher als bei einer mehrwöchigen Tätigkeit als Kanonenfutter.