Segelschiffe

kleinerKurfürst schrieb:
Natürlich hat das (Merchant-) Schiff auch Schwachpunkte:
Erstens, es sind Ruder gezeigt, die der "Kreuzen-These" etwas wiedersprechen. Zweitens, das Segel ist riesig, und hat keine Reff-Möglichkeit?
Drittens, das Schiff ist weitgehend offen, bei richtig schwerem Wetter steigen Seen ein und das Boot kentert/säuft ab...

Die Abbildung des Merchant Ships (ab 1.500 v. Chr.) erinnert sehr an die Bemühungen der Ägypter ihre Flussschiffe mittelmeertauglich zu machen.

Als ersten Hinweis darauf sehe ich, dass das Segel mit dieser Takelage scheinbar nur aufgezogen, oder eben nicht aufgezogen werden konnte. Segelbetrieb war also nur mit dem Wind vorgesehen. - Ansonsten benötigte man die Ruder, ganz wie die Ägypter.

Der Zweite Hinweis ist die Verspannung des Mastes über Bug und Heckspitze. Die Ägypter bauten ihre Schiffe aus kurzen Planken. Das war stabil genug für den Wellengang auf einem Fluss, aber nicht genug für den Seegang auf dem Mittelmeer. Um die Stabilität ihrer Schiffe zu verbessern verwendeten sie ein Spannseil zwischen Bug- und Heckspitze, bezw. verspannten den Mittelmast mit Bug und Heck.

Wie es aussieht, haben die Phönizier die ägyptische Bauweise übernommen und weiterentwickelt.

Daraus kann man aber nicht schliessen, dass diese Schiffe gegen den Wind kreuzen konnten. Dafür sehe ich keinen wirklichen Hinweis.

Dem gegenüber steht, auch wenn ich es durchaus für möglich halte, dass Phöniker nach Südamerika gelangt sind, dass jeder Befund fehlt, dass südamerikanische Produkte (Mais. Kartoffel, Tomate, Kunstgegenstände) nach Europa gelangt wären.

Was die Bauweise der Kriegsschiffe betrifft, so wurde das phönizische Ruderkriegsschiff von allen Mittelmeeranrainerstaaten übernommen. (Galeere)
 
Zuletzt bearbeitet:
Tschuldigung, ich verstehe Dein Posting nicht so ganz. Vielleicht reden wir nicht ganz die gleiche Sprache?
Ich erlaube mir mal, etwas zu kommentieren:

Jürgen schrieb:
.. erinnert sehr an die Bemühungen der Ägypter ihre Flussschiffe mittelmeertauglich zu machen
Da sehe ich keinen Hinweis, insbesondere der grosse Tiefgang widerspricht klar dem Aufbau eines Fluss-Schiffs

dass das Segel mit dieser Takelage scheinbar nur aufgezogen, oder eben nicht aufgezogen werden konnte
Das verstehe ich jetzt nicht. Meinst Du: Die Segel konnten nur gesetzt oder nicht gesetzt werden? Was soll das aber bedeuten, gibt es bei modernen Segelschiffen noch was anderes, als diese beiden Möglichkeiten?
Ausserdem sind deutlich die Schoten zu erkennen, die erlaubten, das Segel in jede Richtung zu bewegen.

Segelbetrieb war also nur mit dem Wind vorgesehen
Verstehe ich auch nicht. Soll das heissen:
1. Nur mit achterlichem Wind, oder:
2. Nur bei Wind?

Für 1. klares Nein.
Für 2. klares Ja, Segeln war nur bei Wind möglich.

Ansonsten benötigte man die Ruder, ganz wie die Ägypter.
Sicher, Ruder benötigte man immer, als Steuer. Darum heisst das Steuer beim Schiff ja auch "Ruder". Die anderen heissen Riemen. Die gezeigte klassische Anordnung ist ein Doppel-Ruder, die aus den normalen Riemen entwickelt wurden, welche man dann in Fahrtrichtung umgelegt hatte. Genauso, wie die Ägypter, Griechen, Römer, Wikinger usw. auch gesteuert haben.

die Verspannung des Mastes über Bug und Heckspitze. Die Ägypter bauten ihre Schiffe aus kurzen Planken. Das war stabil genug für den Wellengang auf einem Fluss, aber nicht genug für den Seegang auf dem Mittelmeer. Um die Stabilität ihrer Schiffe zu verbessern verwendeten sie ein Spannseil zwischen Bug- und Heckspitze, bezw. verspannten den Mittelmast mit Bug und Heck.)

Da ist was durcheinander. Kommt das vielleicht von Thor Heyerdahl, der hatte nämlich bei seinen Papyrus-Booten Schwierigkeiten mit der mechanischen Stabilität des Rumpfes ?
Bei einem Holzboot ist das - Entschuldige die Formulierung - blanker Unsinn. Das, was gezeigt ist, ist ein sogenanntes Vorstag und Achterstag. Das wird gebraucht, um die Kräfte, die vom Wind auf den Mast übertragen werden, abzufangen und in den Rumpf weiterzuleiten. Mit anderen Worten, falls es das nicht gibt, fällt der Mast um.
Mit dem Seegang hat das auch überhaupt nichts zu tun. "Stabilität" bei Seegang beschreibt die dynamischen Eigenschaften eines Schiffskörpers bei Bewegungen im Wellengang. Also zB ob der Schiffskörper sich wieder aufrichtet, wenn er von einer Welle gekränkt wird, oder ob er von einer Welle angehoben wird oder eintaucht.

Wie es aussieht, haben die Phönizier die ägyptische Bauweise übernommen und weiterentwickelt.
Kann sein oder auch nicht. Sagt aber nichts aus.

Daraus kann man aber nicht schliessen, dass diese Schiffe gegen den Wind kreuzen konnten. Dafür sehe ich keinen wirklichen Hinweis.

Doch, genau dafür habe ich versucht, die Hinweise zu nennen.
 
kleinerKurfürst schrieb:
Tschuldigung, ich verstehe Dein Posting nicht so ganz. Vielleicht reden wir nicht ganz die gleiche Sprache? ...
Stimmt, wir reden nicht die gleiche Sprache. Ich kann nämlich nicht segeln.

Ich hatte gemeint, dass nur mit dem Wind gesegelt wurde.

Aber das Ganze resultiert eigentlich aus der Abbildung eines "Phoenician Merchant Ships" (1.500 v. Chr.) auf der Internetseite http://www.cedarland.org/ships.html, die du als Anschauungsmaterial herangezogen hast.

Das "Merchant Ship" ist die erste Abbildung auf vorgenannter Seite, und erinnert mich verblüffend an die Abbildungen von ägyptischen Schiffen aus einem Buch, das ich gelesen habe. (Da ist übrigens auch die Sache mit dem Verspannen von Bug und Heck drin enthalten.)

Die Abbildungen sind, was die Formgebung von Rumpf, Ruder, "Riemen", Takelage, Rahen und Segeln betrifft, sehr ähnlich. Zum Beispiel scheint die Rah aus zwei, am Fußende überlappend zusammengebundenen jungen Baumstämmen zu bestehen; - so wie bei den Ägyptern. Das Ganze findet sich noch mal an der Unterkante des Segels (oder heisst das Unterliek); - so wie bei den Ägyptern.

Da es mir, wie du ja schon gemerkt hast, an Fachbegriffen mangelt, habe ich versucht eine entsprechende Abbildung eines ägyptischen Schiffes zu finden.

Das ist mir bis jetzt leider nicht gelungen. Auch das Buch habe ich noch nicht wiedergefunden. Aber ich denke, du hättest gern eine Antwort von mir. Deshalb antworte ich mit dem, was mir im Moment zur Verfügung steht.

Viel Zeit für weitere Ermittlungen wird mir im Winterhalbjahr auch nicht bleiben. (Winterdienst)

mfG

Jürgen
 
*thread ausbuddel*
Die Diskussion ist hier zwar schon ein ganzes Weilchen her, aber ich möchte noch eines anmerken:
Es wurde gesagt, daß es mit Rahschiffen nahezu unmöglich sei, zu kreuzen. Das stimmt so nicht ganz. Beim Kreuzen werden die Segel anders "verwendet" als beim normalen Segeln vor dem Wind. Der Wind fällt nicht mehr von hinten in das Segel ein, sondern streicht am Segel entlang. Durch die Wölbung des Segels ergibt sich dann ein Sog an der gewölbten Seite, der das Schiff nach vorne zieht. Das ist im Prinzip ähnlich wie eine Flugzeugtragfläche.
Damit das aber funktioniert, müssen die Segel recht eng beieinander stehen, damit sich eine Art Düse zwischen den Segeln ergibt. Das ist bei den schratgetakelten Schiffen (bei denen alle Segel in Längsachse des Schiffes stehen) recht einfach.
Bei einem reinen Rahsegler funktioniert dieses Düse-Prinzip dagegen nicht. Die Rahen können nicht weit genug gedreht werden, da sie dann irgendwann an den Wanten (seitliche Abspannung der Masten) hängen bleiben. Die ersten Rahsegler taten sich deshalb sehr schwer darin zu kreuzen. Lange Zeit war ja auch der Besan noch Latein-getakelt.
Später wurden dann aber auch auf den rahseglern zusätzlich Schratsegel geführt, vor allem als Vorsegel (Klüver, Flieger, etc) und an dern Stagen zwischen den Masten. Ich hab jetzt leider nicht gefunden, wann das eingeführt wurde, aber zumindest im 17. jahrhundert gab es schon solche Segel, wenn auch noch nciht in voller Ausprägung. Ein Vollschiff in seiner besten Ausprägung hatte dann eine ganze Menge solcher Segel.
Mit Rah- und schratsegeln zusammen konnten aber auch Rahsegler ganz gut kreuzen, wenn sie auch nie so wendig waren, wie rein schratgetakelte Schiffe. Dafür waren sie aber vor dem Wind schneller.
 
Shay schrieb:
*thread ausbuddel*
Die Diskussion ist hier zwar schon ein ganzes Weilchen her, aber ich möchte noch eines anmerken:
Es wurde gesagt, daß es mit Rahschiffen nahezu unmöglich sei, zu kreuzen. Das stimmt so nicht ganz. Beim Kreuzen werden die Segel anders "verwendet" als beim normalen Segeln vor dem Wind. Der Wind fällt nicht mehr von hinten in das Segel ein, sondern streicht am Segel entlang. Durch die Wölbung des Segels ergibt sich dann ein Sog an der gewölbten Seite, der das Schiff nach vorne zieht. Das ist im Prinzip ähnlich wie eine Flugzeugtragfläche.
Damit das aber funktioniert, müssen die Segel recht eng beieinander stehen, damit sich eine Art Düse zwischen den Segeln ergibt. Das ist bei den schratgetakelten Schiffen (bei denen alle Segel in Längsachse des Schiffes stehen) recht einfach.
Bei einem reinen Rahsegler funktioniert dieses Düse-Prinzip dagegen nicht. Die Rahen können nicht weit genug gedreht werden, da sie dann irgendwann an den Wanten (seitliche Abspannung der Masten) hängen bleiben. Die ersten Rahsegler taten sich deshalb sehr schwer darin zu kreuzen. Lange Zeit war ja auch der Besan noch Latein-getakelt.
Später wurden dann aber auch auf den rahseglern zusätzlich Schratsegel geführt, vor allem als Vorsegel (Klüver, Flieger, etc) und an dern Stagen zwischen den Masten. Ich hab jetzt leider nicht gefunden, wann das eingeführt wurde, aber zumindest im 17. jahrhundert gab es schon solche Segel, wenn auch noch nciht in voller Ausprägung. Ein Vollschiff in seiner besten Ausprägung hatte dann eine ganze Menge solcher Segel.
Mit Rah- und schratsegeln zusammen konnten aber auch Rahsegler ganz gut kreuzen, wenn sie auch nie so wendig waren, wie rein schratgetakelte Schiffe. Dafür waren sie aber vor dem Wind schneller.

Stimmt sicher, aber diese Schiffe hatten auch einen ausgeprägten Kiel. Der war ja bei antiken Schiffen noch nicht entwickelt.

mfG Jürgen
 
Also ich weiß jetzt nicht, ob diese Frage ernst gemeint war? Abgesehen davon, daß der Schiffstyp mir jetzt nichts sagt (was allerdings nicht unbedingt etwas zu sagen hat, da ich mich bei antiken Modellen nicht auskenne), kann allerdings kein Segelschiff direkt gegen den Wind segeln. Es währe wohl denkbar, daß es aufgrund der Aufstellung und Form der Segel und der Beschaffenheit des Unterwasserschiffs außergewöhnlich hoch am Wind segeln kann, aber dagegen sicherlich nicht.
 
Wie funktionierte eigentlich die Novelle?
Die konnte doch angeblich gegen den Wind segeln

Scherzkeks! :trost:

Um gegen den Wind segeln zu können muss man das Segel abnehmen, ins Meer absenken, und dort in einer Strömung plazieren, die gegen die Windrichtung fliesst.

mfG Jürgen
 
Zuletzt bearbeitet:
...Es währe wohl denkbar, ...

"Wäre" selbstverständlich ohne "h"...wie unangenehm;-)

Scherzkeks! :trost:

Um gegen den Wind segeln zu können muss man das Segel abnehmen, ins Meer absenken, und dort in einer Strömung plazieren, die gegen die Windrichtung fliesst.

mfG Jürgen

Oder so...was dann allerdings nicht mehr sehr viel mit der Ausnutzung der Windkraft zu tun hätte;-)
 
Mit Galeeren kann man nicht gegen den Wind segeln, sie haben zuwenig Tiefgang und keinen Kiel. Kap Hoorn und das Kap der Guten Hoffnung konnte man damit nicht umrunden. Galeeren konnten wohl selbst im 18. Jahrhundert auf der Ostsee oder im Mittelmeer noch erfolgreich sein, sie waren billig und relativ schnell zu bauen, man konnte Soldaten als Marineinfanteristen verwenden.
Peter der Große hat das sehr erfolgreich praktiziert, um die Schweden von der Ostsee und dem Ladogasee zu vertreiben. Die letzte große Galeerenschlacht war die von Lepante 1571. Eine Galeere hätte gegen gegen ein Segelschiff mit Kiel nur eine Chance wenn es in eine Kalme gerät und die Galeere schräg von hinten zum Entern oder Rammstoß ansetzt.
Eine Atlantiküberquerung mit einem Galeerengeschwader, das wäre wirklich eine nette Kaffeefahrt! Rechnet euch aus, was man dafür an Wasser nur für die Ruderer braucht. eine Galeere mochte maximal 6-7 kn Höchstgeschwindigkeit erreichen, ein Segler schaffte gut und gerne das doppelte.
Das Ladevolumen war auf Seglern sehr groß, noch um 1900 konnten Segelschiffe rentabel wirtschaften und hatten meist sogar ein größeres Ladevolumen als Dampfschiffe.
Die Segelschiffe des 18. 19. Jahrhunderts konnten maximal sechs Strich am Wind segeln. Das heißt, sie konnten höchstens soweit luven, daß der Wind in einem Winkel von 67 1/2° von vorn gerechnet einfiel. Wenn ein Schiff dann eine Seemeile am Wind zurücklegte, "machte es maximal 1/3 Seemeile Luv.
Man sieht also, wie Schwierig es war, Luv zu gewinnen, Luv bedeutete Handlungsfreiheit für das Schiff, nach Lee kam man von ganz alleine, wurde abgetrieben.
Es war die Fähigkeit der Holländer und Engländer schnelle, gut getakelte Schiffe mit Kiel bauen zu können, die ihnen im 16. und 17. Jahrhundert die Möglichkeit gab, die Spanier und Portugiesen zu überflügeln.
 
Zuletzt bearbeitet:
Der Schiffstyp hieß Karavelle. Die Portugiesen hatten dabei das Modell der arabischen Dhau perfektioniert.
Das sind Küstensegler, die in den Golfstaaten heute noch gebaut werden. Sie waren mit einem Kiel und Lateinersegeln ausgestattet. Das Entscheidende ist der Kiel, der ermöglicht, daß das Schiff im Zickzack auch gegen den Wind fahren konnte.
Die Karavellen wurden dann vom Typ der Galeonen abgelöst. Der Gipfel der Entwicklung waren dann die Linienschiffe und Fregatten des 18. frühen 19. Jahrhunderts und schließlich die britischen und amerikanischen "Teeklipper" um die Mitte des 19. Jahrhunderts.
Also Steuerbord rechts, Backbord links und Luv ist da, wo man nicht schiffen sollte, alles ganz einfach, wenn mans weiß
 
Ich bin neu und blättere gerade mal so meine Lieblingsthemen durch. Zum Thema Segelschiffe ist zwar schon lange nichts geschrieben worden, aber vielleicht interessiert's noch jemanden.
Die Frage, warum sich das Segelschiff gegenüber dem geruderten Schiff, respektive der Galeere, durchsetzte, ist durch die Betrachtung der Leistungsfähigkeit der Schiffstypen und der Ansprüche der zu befahrenden Gewässer zu beantworten, wobei ich kleine Fahrzeuge für den Hafen- und Küstenbetrieb (Ruderkanonenboote u.ä.) aus meiner Betrachtung ausklammern möchte:
Die Galeere (ob als venezianische Handelsgaleere, Galeasse, Kriegsgaleere etc.) war ein sehr schlankes niederbordiges Schiff, das nur bedingt hochseefähig und für lange Reisen ohne Aufenthalt geeignet war. Die Notwendigkeit, viele Ruderer effizient unterzubringen, bedingte diese Bauart. Es gab wie erwähnt etliche Abarten, die teilweise auch eine recht umfangreiche Beseglung aufwiesen, aber das Prinzip war immer dasselbe. Damit war die Galeere ein typisch mittlemeerischer Schiffstyp, zugeschnitten auf die dortigen Bedingungen: Relativ ruhige Gewässer, kurze Reisen mit beliebig vielen Zwischenhäfen und unsichere Windverhältnisse. Demzufolge war die Galeere der beherrschende Schiffstyp auf dem Mittelmeer bis ins 16. Jahrhundert. Selbst danach konnte sie sich sehr lange in dieser Region halten, noch bis Anfang des 19. Jahrhunderts unterhielt z. B. Spanien einige Galeeren oder Frankreich diverse Schebecken (ein der Galeere ähnelnder Schiffstyp, der sowohl gesegelt wie auch gerudert werden konnte) für den Zolldienst.
Der nordeuropäische Seeraum stellte völlig andere Ansprüche: Das Klima war viel rauher und kühler, die See wesentlicher stürmischer, die Nordsee und der Atlantik wiesen Gezeiten auf, es gab eine vorherrschende Westwindsituation und die Küsten waren nautisch sehr anspruchsvoll. Zunächst waren die nordeuropäischen Schiffe daher vor allem Segelschiffe, selbst die einfache Nef der Wikinger war vor allem ein Segelschiff. Der beherrschende Schiffstyp des Mittelalters, die Kogge, war sogar ein reines Segelschiff.
Nachdem die südliche von der nördlichen Schiffsbautradition das Mittelalter über fast völlig voneinander getrennt blieb, änderten sich die Umstände im 16. Jahrhundert: Mit den ersten Entdeckungen in Übersee wurden die Ansprüche an die Hochseeschiffahrt erheblich größer und die Entwicklungsmöglichkeit zum modernen Hochseeschiff gab es nur beim Segelschiff. Das Endprodukt dieser Entwicklung ist die Galeone, in die vielfältige Erfahrungen einflossen (wobei ich hier unmöglich die komplexe Entwicklung über Karavellen, Karracken etc. beschreiben kann) und die ab Ende des 16. Jahrhunderts zum ausschließlichen Großsegelschiffstyp wurde (ich bitte an dieser Stelle für diese Verallgemeinerung um Nachsicht, denn natürlich gab es weiterhin viele Typen großer Segler wie Fleuten, Fregatten, Pinassen usw., aber sie alle wiesen die generellen Charakteristika des Galeonentypus auf, wenn auch Einzelmerkmale abwichen). Noch die Viktory Nelsons war prinzipiell eine Galeone.
Dieser Schiffstypus vereinigte in sich alle notwendigen Eigenschaften für die moderne Seefahrt: Er war robust und eigentlich jedem Wetter gewachsen, konnte gegen den Wind kreuzen, monatelang in See bleiben, an seinen Breitseiten konnte starke Artillerie aufgestellt werden und die Ladekapazität war groß. Die Nachteile wie die relative hohe Verwundbarkeit von Bug und Heck oder der hohe Bauaufwand waren demgegenüber unerheblich. Ende des 16. Jahrhunderts schied sich dann auch endlich das Kriegs- vom Handelsschiff: Waren vorher Schiffe für Kriegszwecke gechartert und und für den Enterkampf umgerüstet worden, baute man nun gutsegelnde Kriegsgalonen mit maxilmaler Artillriebestückung, um durch überlegene Segeleigenschaften und starken Beschuß den Gegener idealerweise zur Aufgabe zu zwingen oder enterreif zu schießen. Die englische Flotte wandte diese Strategie mit ihren modernen Galeonen zum ersten Mal 1588 gegen die spanische Armada an und ein spanischer Kapitän notierte entsetzt: "Ihre Galeonen schlagen mühelos nur unter Besan- und Toppsegeln unsere besten Segler!"

Das reicht glaube ich, ich komme viel zu leicht ins Schwafeln! Hoffentlich nutzt es noch etwas.
 
Du schwafelst keineswegs! Es ist zwar schon ein älterer Thread, aber ich hab mir Deinen Beitrag gerne angesehen. Leider kann ich dich nicht schon wieder bewerten.
 
Ich fand gerade einen überaus lesenswerten Beitrag zum Galeerenthema mit einigen Ausblicken auf die Segelschifffahrt:
Rubrik "Sonstiges im Mittelalter": "Galeeren" von Quintus Fabius aus 2004. Diesen Beitrag kann ich allen Schiffbauinteressierten nur wärmstens aufgrund empfehlen, denn er stellt die Entwicklung der Galeere sehr gut dar, ist hervorragend recherchiert und liefert wesentlich mehr Hintergrundinformationen, als ich das in meinem kleinen Beitrag getan habe.
 
Und noch ein Nachtrag: Da ist mir ein peinlicher Flüchtigkeitsfehler unterlaufen: In meinem Artikel zum Schiffbau habe ich kurz die Wikinger erwähnt, deren betreffendes Schiff war die Knorr und nicht eine Nef, wie ich fälschlicherweise geschrieben habe. Entschuldigung!
 
Ich möchte gern eure Meinung zu einer Textstelle aus Joseph Needhams Buch Science and Civilization in China von etwa 1960 hören. Er beschreibt die europäischen Segelschiffe sehr abfällig und da dieses Buch nachweislich sehr viele Fehler enthält, interessiert es mich, ob sich Needham auch hier “absichtlich” irrt.


Die Chinesen waren wohl die größten Seefahrer der Menschheitsgeschichte. Fast Jahrtausende lang besassen sie so fortschrittliche Schiffe und Segeltechniken, dass das, was andere Völker der Erde auf diesem Gebiet entwickelt hatten, kläglich wenig erscheint. Im Westen holte man den Vorsprung der Chinesen schließlich auf, weil man die chinesischen Erfindungen in der einen oder anderen Form übernahm. Die längste Zeit in der Geschichte benutzten die Europäer jedoch Schiffe, die den chinesischen in jeder Hinsicht unterlegen waren. Sie hatten keine Ruder, keine Seitenschwerter, keine wasserdichten Schotten, hatten Einzelmasten und Rahsegel, wodurch sie äußerst stark von den Winden abhängig waren. Bis ins 19. Jahrhundert hatte sich an dieser Situation nicht viel geändert. Noch um 1800 mußte man etwa gelegentlich bis zu drei Monate lang in Hamoaze warten, um in den Sund von Plymouth segeln zu können. Und das war lange nach der Einführung des Lateinersegels am Besanmast.

Die chinesischen Segel waren den westlichen von Grund auf überlegen. Sie ließen sich fast wie eine mit Stoff bespannte Jalousie aufziehen und einholen. Hierdurch wurde das Segeln sehr vereinfacht, denn die Seeleute mussten nicht jedesmal in die Rahen steigen, um bei einer Änderung des Windes Segel zusammen- oder auszurollen. Alle Arbeiten konnten mit Winden und Falleinen vom Deck aus erledigt werden.

Der größte Fortschritt bei den chinesischen Segeln war der Übergang von der Grundform des querschiffs gestellten Rahsegels zur längsschiffs angeordneten Schonertakelung und die Verwendung eines Luggersegels. Dieses Segel kennt man von chines. Dschunken. Einige Segler halten das leistungsverstärkte Luggersegel chines. Dschunken für das beste Segel, das jemals erfunden wurde. Seine moderne Variante ist das Gaffelsegel; die vordere Kante dieses Segels beginnt direkt am Mast (Luvseite) und nicht leicht davor.

Moderne Segelyachten haben ein Gaffel- und Schratsegel, wobei die Form des zweiten etwa der hinteren Hälfte des Luggersegels entspricht, d. h. es bildet ein aufrecht stehendes Dreieck. Es ist keines Falls sicher, dass eine solche moderne Yacht schneller ist als eine für Rennen umgebaute Dschunke mit der traditionellen Besegelung aus Luggersegeln mit Bambusleisten. Ein Rennen zwischen zwei solchen Schiffen könnte sehr interessant und aufschlussreich sein. Die Dschunke ist die direkte Vorläuferin der Yacht, könnte aber dennoch vom Aufbau und der Anlage her das bessere Schiff sein.

Für das Kreuzen gegen den Wind benötigt man eine Schonertakelung. Ein Segel also, das im wesentlichen parallel und nicht quer zur Kiellinie des Schiffes angebracht ist. Bei einer solchen Takelung dient der Mast nicht länger bloß als ein Pfahl, an dem das Rahsegel aufgehängt ist. Vielmehr dient er hier als Art Achse, um die das Segel beim Kreuzen von einer auf die andere Seite des Schiffes gewendet werden kann. Die alten Chinesen beherrschten diese Segeltechnik schon.

Beim Kreuzen gegen den Wind erfährt das Schiff unter Umständen eine erhebliche Abtrift. Es wird also weit seitlich abgetrieben und macht zu wenig Fahrt in Kursrichtung. Um diese Abtrift klein zu halten, entwickelten die Chinesen als erste das Seitenschwert. Hierbei handelt es sich um eine Platte, die auf der Leeseite (windabgewandte Seite des Schiffes) ins Wasser gelassen wurde. Ein Schwert erhöht den Wasserwiderstand des Bootes quer zum Kiel und verringert die Abtrift in diese Richtung; das Schwert sorgt auch für eine geringere Schräglage des Schiffes.

Seitenschwerter gab es in China spätestens seit dem 8. Jahrh., sie wurden in Europa erst ab 1570 eingeführt, und zwar von den Holländer und Portugiesen, die damals mit China Handel trieben. Als schließlich mehr und mehr Europäer China bereisten und dort die Schiffe mit ihren vielen Masten und der Schonertakelung sahen, waren sie nachhaltig beeindruckt. Die ersten Versuche, das Gesehene zu kopieren, führten dann zum Bau von Schiffen mit mehreren Masten, deren vordere Masten mit Rahsegeln bestückt waren, aber am Heck einen Besanmast mit Schonertakelung aufwiesen. Da das arabische Lateinersegel bekannt und verfügbar war, diente es bei den ab 1304 - also kurz nach Marco Polos Rückkehr aus China - gebauten Dreimastern als Besegelung für den Besanmast. Dieses neue Verfahren wurde nur langsam von den Europäern aus China übernommen und hatte sich erst etwa zwei Jahrhunderte später voll durchgesetzt.

Christoph Kolumbus segelte auf einem solchem Schiff 1492 nach Amerika. Alle im 16. und 17. Jahrhundert im Westen gebauten Dreimaster waren achtern mit Lateinersegeln ausgestattet. Später wurde dann das Lateinersegel durch das bessere Gaffelsegel am Besanmast ersetzt. Das chines. Luggersegel tauche in Europa offenbar erstmals im 16. Jahrhundert auf, und zwar an der Adria. Einige der traditionellen venezianischen Bootstypen mit Luggersegeln sind ganz offenbar genaue Nachbauten chinesischer Schiffe.

Der Marinehistoriker Smyth sagte über diese venezianischen Schiffe, dass sie “zu den besten seetüchtigen Luggern der Welt” gehörten. Vermutlich sind sie anhand von Zeichnungen chines. Schiffe gebaut worden, die Marco Polo und andere Italiener mit in ihre Heimat zurückgebracht haben. Doch außerhalb dieser Region fanden die Lugger keine Verbreitung. Die Entwicklung des europäischen Schiffbaus zeigt, dass man lediglich die Grundidee der Chinesen übernahm, nicht aber die tatsächliche Konstruktion des chines. Schiffes. Das war sicherlich ein Fehler, denn die großen europäischen Segelschiffe waren den seetüchtigen chines. Dschunken hoffnungslos unterlegen. Smyth bemerkt dazu: “Wohl kaum ein anderer Schiffstyp neben der chines. Dschunke eignet sich so hervorragend als Transportmittel für Mensch und Fracht auf hoher und stürmischer See und auf weitläufigen Binnengewässern gleichermaßen. Zweifellos unübertroffen sind die straffen Segel und die einfache Handhabung der chines. Takelung.” Das chines. Balancelugger gehört zu den großartigsten Fortschritten bei der Nutzbarmachung der Windkraft durch den Menschen.

Möglicherweise konnte sich das Luggersegel mit Leisten deshalb nicht überall in Europa durchsetzen, weil man dort keinen Bambus hatte, sondern fanden nur im Adriaraum und bei den portugiesischen lorchas aus dem 16. Jahrhundert Anwendung. Der chines. Einfluss auf die europäische Segelschiffahrt war daher nicht so nachhaltig, wie er es gewesen wäre, wenn man die Takelung und die Masten genau von den Chinesen kopiert hätte. Der Marinehistoriker Clowes fasst diese Entwicklung mit den folgenden Worten zusammen:

“Noch um 1400 waren die Schiffe aus dem Norden völlig auf günstigen Wind angewiesen. Sie waren unfähig, gegen den Wind zu segeln, und dies wurde auch nie versucht. Bereits vor 1500 waren die europäischen Schiffe dann für lange Ozeanreisen tauglich, was zu der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus, der Umseglung des Kap der Guten Hoffnung durch Diaz und die Öffnung des Seehandelsweges nach Indien durch Vasco da Gama führte. Auch andere wissenschaftliche Fortschritte - wie die Einführung des Schiffskompasses aus China - bildeten eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg dieser Reisen. Ohne die tiefgreifenden Verbesserungen an Segeln und Masten hätten die großen Entdecker ihre Taten jedoch niemals vollbringen können.”


So weit Joseph Needham. Manches halte ich schlichtweg für ausgemachten Blödsinn und bei anderen Dingen, die er erzählt, bin ich nur skeptisch. Die antike Schifffahrt des Westen war sicherlich der Schifffahrt der Chinesen zur gleichen Zeit Haus hoch überlegen. Um 1000 n. Chr. würde ich sicherlich das genaue Gegenteil annehmen, zumal Dschunken nun wirklich gute Schiffe sind. Aber genau dies änderte sich doch im Hochmittelalter. :grübel:

Also: Waren die europäischen Schiffe bis 1800 wirklich technologisch unterlegen ? Waren chinesische Dschunken wirklich solche Hightech-Wunder ? Und haben wir Europäer unsere Schiffbaukenntnisse wirklich von den Chinesen geklaut ? So, dass Kolumbus fast schon in einem chinesischen Schiff sass, als er Amerika erreichte, dass nur dummerweise von einem hinterwäldlerischen Europäer kommandiert wurde ? Was ist falsch an Neehams Darstellung und was Realität ? Ich kenne mich leider nicht so in der Geschichte des Schiffbaus aus, ich weiß nur, dass Neeham oft ziemlichen Müll erzählt!
 
Needham schrieb:
Noch um 1800 mußte man etwa gelegentlich bis zu drei Monate lang in Hamoaze warten, um in den Sund von Plymouth segeln zu können. Und das war lange nach der Einführung des Lateinersegels am Besanmast.
Hm... da kann ich mir jetzt zwei logische Gründe vorstellen: für Schiffsreisende gab es Charterschiffe. Das konnte schon mal dauern, dass genug Reisende für eine Passage zusammenkamen, so dass man halt Wartezeiten hatte. Zum anderen wurde in der Nordsee im Winter die Schifffahrt eingestellt. Zu Petri (22. Februar) begann die Saison wieder. Wartezeiten hatten also wirtschaftliche oder klimatische Gründe.

So weit Joseph Needham. Manches halte ich schlichtweg für ausgemachten Blödsinn und bei anderen Dingen, die er erzählt, bin ich nur skeptisch. Die antike Schifffahrt des Westen war sicherlich der Schifffahrt der Chinesen zur gleichen Zeit Haus hoch überlegen. Um 1000 n. Chr. würde ich sicherlich das genaue Gegenteil annehmen, zumal Dschunken nun wirklich gute Schiffe sind. Aber genau dies änderte sich doch im Hochmittelalter. :grübel:

Also: Waren die europäischen Schiffe bis 1800 wirklich technologisch unterlegen? Waren chinesische Dschunken wirklich solche Hightech-Wunder?
Tja, zu den technischen Details kann ich nicht viel sagen, nur hört sich die Geschichte mit den venezianischen Schiffstypen etwas konstruiert an, zumal Marco Polo nicht unumstritten ist. Wie lange die Chinesen den Europäern im Schiffsbau überlegen waren kann ich auch nicht sagen. Aber immerhin gelangten sie mit ihren neunmastigen Dschunken bis Mosambique und konnte mächtige Tribute einfahren, was man nicht zuletzt auch auf die imposante Erscheinung ihrer Schiffe zurückführt. Aber dann schloss sich das Reich der Mitte von der Außenwelt weitgehend ab - zumindest seefahrtsmässig - was auch zu einem Niedergang des Dschunkenbaus geführt haben dürfte. Kenntnisse, die nicht gepflegt werden, verkümmern. Aber Du wirst diese Details der chinesischen Geschichte weitaus besser kennen als ich
 
Zuletzt bearbeitet:
Eine ausgesprochen anspruchsvolle Frage, denn ihre Beantwortung erfordert nicht nur die Kenntnis der Geschichte zweier Schiffbauschulen, sondern auch das fundierte Wissen eines Schiffbauingenieurs. Zwar gehört die Geschichte des Schiffbaus zu meinen Steckenpferden, aber bis ins letzte Detail kenne ich mich da nicht aus. Außerdem habe ich mich bislang noch nicht mit dem traditionellen chinesischen Schiffbau befaßt und über wissenschaftliche Erkenntnisse der Schiffskonstruktion verfüge ich ebenfalls nicht, trotzdem möchte ich mal "so aus dem Stegreif" eine Antwort versuchen:

Zunächst einmal bin ich der Meinung, daß Mr. Needham entweder von falschen Erkenntnissen ausgeht oder stark übertreibt. Man müsste mal den Stil des gesamten Buches unter die Lupe nehmen, wenn dort überall die chinesischen Leistungen derart einseitig hervorgehoben werden, müsste man das Werk wegen Voreingnommenheit mit größter Skepsis behandeln.

Auf der anderen Seite hat Mr. Needham nicht Unrecht, wenn er die Vorteile der Dschunkenbauweise anspricht, unter anderem dürften dazugehören:
Gute strömungstechnische Durchbildung des Rumpfes, wasserdichte Unterteilung und effiziente Besegelung. Bei europäischen Schiffen (wobei ich hier die großen Hochseeschiffe betrachte, die sich bis ca. 1800 von der Galeone herleiten, natürlich mit diversen Abarten) liegt die größte Rumpfbreite in der vorderen Hälfte bei einem stark ausgerundeten Bug, der nur bis zur Höhe des Großdecks geschlossen ist. Diese Konstruktion soll strömungstechnisch nicht ganz vollkommen sein, der runde Bug hingegen teilt das Wasser und gibt gleichzeitig genug Auftrieb, um das Schiff nicht zu stark einsetzen zu lassen. Bei Dschunken liegt die größte Breite knapp hinter der Mitte, was der ideale Bereich sein soll, beim Klipperbau wurde diese Erkenntnis meines Wissens nach auch berücksichtigt. Der Bug der Dschunke ist flach wie ihr Boden und soll die Dschunke über das Wasser gleiten lassen. Ob das von Vorteil ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Ein weiterer Unterschied der Rumpfform ist weiterhin, daß die Dschunken flache Böden haben, was einerseits den Tiefgang verringert, andererseits die Segeleigenschaften beeinträchtigt, da der Gegendruck zu den Segeln fehlt, der sonst durch den Kiel hergestellt wird. Die von Mr. Needham gepriesenen Seitenschwerter sind daher keine geniale Neuerung, sondern ein cleverer Notbehelf, um die konstruktionsbedingten Nachteile des Schiffes zu umgehen. Die Flachbödigkeit der Dschunke deutet auf einen weiteren entscheidenden Nachteil hin, den ich aber nur vermuten kann: Diese Schiffe haben keinen Kiel und sind nur formstabil, d.h. sie lassen sich nur bis zu einem gewissen Punkt neigen, dann kentern sie ohne sich wieder aufrichten zu können. Sollte ich richtig vermuten, wäre dies eine bedeutende Einschränkung der Seefähigkeit. Sämtliche europäischen Hochseesegler wurden immer mit festem Kiel erbaut, selbst die mittschiffs flachbödige Kogge hatte scharfgebaute Steven unter Wasser und brauchte keine Seitenschwerter. Über die mittelalterlichen Schiffe gibt es zu wenig authentisches Material, aber ich erlaube mir die These, daß spätestens seit dem 16. Jahrhundert alle großen europäischen Schiffe gewichtsstabil gebaut wurden und damit gute Hochsseeigenschaften hatten.
Inwieweit die Bauweise mit wasserdichten Unterteilungen im Zeitalter der hölzernen Schiffe große Bedeutung hatte, vermag ich nicht zu beurteilen.
Zudem würde mich interessieren, ob Dschunken "flexibel" gebaut wurden, also mit vernähten Planken, und ob dies ggf. Grundlage der enormen Größenentwicklung der Schiffe war.
Bliebe noch die Takelung. Grundsätzlich ist das Dschunkensegel eine sehr gute Konstruktion, die sehr einfach zu bedienen ist und dem Schiff ermöglicht, hoch am Winde zu segeln; letztere Eigenschaft wird allerdings durch die Flachbödigkeit wieder eingeschränkt. Das Rahsegel des nordeuropäischen Schiffbaus bedarf einer größeren Mannschaft und kann nicht soweit zum Wind eingestellt werden wie ein Dschunkensegel oder die im Mittelmeerraum gebräuchlichen Lateinersegel. Es birgt eigentlich nur den Vorteil, daß es bei raumem Wind (Wind "von hinten" und "schräg von hinten", wenn ich mich recht entsinne) optimalen Vortieb gewährleistet. Die Nord- und Ostseeschifffahrt ging bei kleineren Schiffen schon früh zu anderen Segelformen über, vor allem zum Sprietsegel, aus dem sich später das Gaffelsegel entwickelte, welches der Vorfahre unserer modernen Yachttakelung ist. Große Schiffe wurde mit einer Kombination aus Rah-, Gaffelsegel und diversen Zusatzsegeln ausgerüstet, die dem Schiff zumindest gute Segeleigenschaften verliehen haben müssen. Das Rahsegel hat sich im Großschiffbau sogar bis zuletzt gehalten, und ich kann mir nicht vorstellen, daß dies nur durch Tradition begründet ist. Zudem waren die Rahsegler durchaus in der Lage zu kreuzen und am Winde zu segeln, denn ihr scharf gebautes Unterwasserschiff gab ihnen sehr gute Schwimmeigenschaften. Versuche mit dem Nachbau der Bremer Kogge haben ergeben, daß dieses Schiff mit seiner einfachen Takelage durchaus kreuzen kann, wenn es auch nicht sehr hoch am Winde zu liegen vermag.

Zuletzt möchte ich noch ein Wort zur gegenseitigen Beeinflussung der beiden Schiffbautraditionen verlieren: Einen frühzeitigen Einfluß etwa durch Marco Polo halte ich für abwegig. Vor dem späten 16. Jahrhundert war der maritime Kontakt derart gering, daß eine Beeinflußung im Schiffbau meiner Ansicht nach ausgeschlossen werden kann. Welche Ideen und Baumerkmale später im Einzelnen ausgetauscht wurden (oder auch nicht), entzieht sich meiner Kenntnis, aber ich meine, daß die europäische massive Rumpfkonstruktion in machen Regionen von den Chinesen adaptiert wurde. Darüberhinaus würde ich vorsichtig vermuten, daß die Dschunkentakelung unserer Vorfahren zumindest angeregt hat.

Und bevor ich es vergesse: Meiner Ansicht nach muß jede Schiffskonstruktion vor dem Hintergrund ihres Zwecks und der Gewässer, für die sie erdacht wurde, beurteilt werden.
 
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