Arminius = Siegfried ?

Wieso, der liegt doch im Rhein...? Irgendwer wollte doch mal tatsächlich den Nibelungenschatz heben, weil er die Überlieferung tatsächlich für historisch (plausibel) hielt und meinte zu wissen, wo er versenkt sei.:autsch:
 
Ave El Quijote,

EL Quijote schrieb:
Wieso, der liegt doch im Rhein...? Irgendwer wollte doch mal tatsächlich den Nibelungenschatz heben, weil er die Überlieferung tatsächlich für historisch (plausibel) hielt und meinte zu wissen, wo er versenkt sei.

Yep, die angebliche Entdeckung bzw. todsichere Vermutung, wird immermal wieder kolportiert. Sei es dass ein Taucher ein paar Schrottteile im Bingerloch findet und beim Verscheuern der Teile auffällt, oder dass einer hier in der Eifel unweit der Schlacht von Zülpich den Schatz verbuddelt wähnt.

Ich glaube aber schon dass der Schatz einen historischen Hintergrund hat. Das Schatzthema ist in der Nibelungensage ja äusserst vordergründig. Er erschien den Urhebern der Sage als absolut gigantisch. An dutzenden Stellen im Lied sind Szenen eingebaut wo mit wahnwitzigen Mengen an Gold und Geschmeide aus unterschiedlichen Quellen geprahlt wird. Und der eigentliche Nibelungenhort sollte dabei immer noch alle anderen Schätze bei weitem übertreffen. Er war in den Augen der Urheber quasi unendlich, nicht versiegbar, gigantisch gross.

Aufgrund der naheliegenden Ursprungsvermutung der Siegfriedsage in der Arminius/Varusgeschichte darf man die ehemalige Existenz des Schatzes (Varusbeute) durchaus als realistisch ansehen. Nur darf man ihn, falls denn noch Reste davon existieren, dann nicht im Rhein suchen.

Beste Grüsse, Trajan.
 
Das Binger Loch (eine schmale Schifffahrtsrinne) gibt es erst, seitdem das dort befindliche Riff im 18. Jhdt. aufgesprengt würde.

Also ich sehe den historischen Kern des Nibelungenkreises immer noch in der Spätantike und nicht bei der Varusschlacht. Wie leicht historische Stoffe, die zu Sagen werden, überformt werden, das kann man etwa am Rolandslied ermessen, zu dem wir den zeitgenössischen historischen Bericht haben (Annales Regnis Francorum; Vita Caroli Magni) und das Rolandslied bzw. das frühere Chanson du Roland. Zwischen den Ereignissen in Roncevalles 778 und dem Abfassungsdatum des Chanson du Roland (~1060 - 1110) liegen "nur" 300 Jahre. Zwischen den spätantiken Ereignissen nach 451 und der Abfassung des Nibelungenliedes (~1180 - 1210) liegen etwa 600 Jahre. Wir sehen also, bei dem völlig entstellten Stoff des Rolandsliedes ist der historische Kern gerade noch erkennbar, um wieviel mehr muss der historische Kern des Nibelungenliedes entstellt sein?
Speziell zu den Schätzen: nehmen wir den Cantar de Mio Cid. Die historischen Ereignisse sind gut belegt, liegen zwischen 1065 und 1099. Ab 1207 ist das Cid-Epos belegt, wobei der spanische Historiker Ramón Menéndez Pidal annahm, dass es eine mündliche Tradition seit 1140 gab. Dies ist inzwischen widerlegt, weil zentrale Stellen des Cid-Epos auf Ereignisse des späten 12. Jahrhunderts verweisen. Im Cid-Epos wird aus dem Cid ein strahlender Held, der vollkommen ungerechtfertigt von Alfons VI., der auf höfische Intrigen hereinfällt, verstoßen wird und nun, obwohl aus der Vasallentreue entlassen, weiter für seinen König streitet. Bei seinen Eroberungen häuft er dabei unermessliche Schätze an und schickt immer einen Vertrauten zum Hofe Alfons, damit dieser einen Teil der Kriegsbeute als Geschenk und Beweis der Vasallentreue erhält. Mit jeder Eroberung und jeder Schlacht werden auch die Schätze und damit die Geschenke größer. Dabei sind manche der geschilderten Eroberungen und Schlachten historisch. Nur: in einem befestigten maurischen Bauerndorf sind solche Reichtümer, wie uns der Cid-Epos suggerieren möchte, nicht zu erwarten. Da einige der Anlagen bekannt sind, kann man sich durchaus ein Bild machen, wie realistisch der Cid-Epos hier ist.
Und zwischen dem Tod des Cid 1099 und dem spätesten anzunehmenden Abfassungsdatum des Epos 1207, liegen gerade mal 108 Jahre.
 
Ave Ei Quijote,

El Quijote schrieb:
Also ich sehe den historischen Kern des Nibelungenkreises immer noch in der Spätantike und nicht bei der Varusschlacht. Wie leicht historische Stoffe, die zu Sagen werden, überformt werden, das kann man etwa am Rolandslied ermessen, .....Wir sehen also, bei dem völlig entstellten Stoff des Rolandsliedes ist der historische Kern gerade noch erkennbar, um wieviel mehr muss der historische Kern des Nibelungenliedes entstellt sein? ....


Du hast in letzterem absolut recht, die Stoffe sind allesamt schrecklich entstellt, natürlich auch das Nibelungenlied. Das macht die zweifellos vorhandene historische Grundlage ja so nebulös. So sind die sicheren völkerwanderungszeitlichen Bezüge, hier insbesondere Etzel/Attila und Dietrich/Theoderich, kein Grund die Siegfriedsage auch in diese Zeit des 5. Jhd. anzusiedeln. Die Siegfriedsage ist philologisch mit Sicherheit älter.

Aus genau diesem Grunde ist es auch nicht sinnvoll sich ohne archäologischen Belege auf eine These, z.B. die Spätantike, festzulegen. Man verstellt sich damit nur den Weg auf eventuell hochinteressante Forschungen.

El Quijote schrieb:
...Speziell zu den Schätzen: nehmen wir den Cantar de Mio Cid. Die historischen Ereignisse sind gut belegt, liegen zwischen 1065 und 1099. Ab 1207 ist das Cid-Epos belegt, ..... Nur: in einem befestigten maurischen Bauerndorf sind solche Reichtümer, wie uns der Cid-Epos suggerieren möchte, nicht zu erwarten. ....
Und zwischen dem Tod des Cid 1099 und dem spätesten anzunehmenden Abfassungsdatum des Epos 1207, liegen gerade mal 108 Jahre.


Richtig, es reichen schon wenige Jahre um eine mündlich weitergereichte Geschichte zu entstellen. Für das Nibelungenlied gilt dass noch vielmehr: rund 800 Jahre waren seit der Völkerwanderung und 1200 Jahre seit der römsichen Okkupationszeit vergangen. Der Unterscheid macht da wirklich nicht mehr den Kohl fett!

Das Schatzthema ist solchen Sagen in der Tat inhärent, eigentlich kein Wunder, die Mehrzahl der Rezipienten der Stories waren wahrlich arme Schlucker. Da sehnt man sich nach Fettlebe und wirtschaftlicher Sicherheit. Das ist selbst in heutigen Soapoperas kaum anders, meist spielen die in einem sehr wohlhabenden Milieu, schliesslich will der Zuschauer sich nicht im eigenen Elend wälzen sondern von wunderbaren Möglichkeiten träumen. Im Nibelungenlied ist das Schatzthema aber nicht nur inhärent, es ist wahrlich penetrant. Kaum eine Seite Text, wo nicht schon wieder irgendeiner mit Gold und Geschenken zugeschüttet wird, er ist neben dem romatischen Frauenthema Dreh- und Angelpunkt aller Handlungen. Letzteres wird übrigens durch die tragisch-romantische Arminius/Thusnelda-Story bestens abgedeckt. Und der Varusschatz dürfte im Kontext der Arminiuszeit wirklich so gewaltig erschienen sein, dass er den damaligen Personen als unversiegbarer Hort galt.

Fazit: Aufgrund des Entstellungsgrades der Nibelungengeschichte lässt sich zwar trefflich darüber streiten, welcher der dutzenden von Personen der schriftlichen Niederlegung des 13. Jhd. welchen ungezählten historischen Personen (angeblich) zuzuordnen sei. Keinesfalls angezeigt ist aber die grundsätzliche Verwerfung der Arminius/Siegfriedvariante als Urstoff der Geschichte.

Nimmt man den Zusammenhang Varusbeute=Nibelungenschatz einfach mal als denkbare Arbeitshypothese an, so kann man archäologisch relevante Schlussfolgerungen ziehen. Die könnten noch sehr interessant werden.

Beste Grüsse, Trajan
 
Aufgrund der naheliegenden Ursprungsvermutung der Siegfriedsage in der Arminius/Varusgeschichte darf man die ehemalige Existenz des Schatzes (Varusbeute) durchaus als realistisch ansehen. Nur darf man ihn, falls denn noch Reste davon existieren, dann nicht im Rhein suchen.


So naheliegend ist die Ursprungsvermutung keineswegs. Fast alle "Gemeinsamkeiten" beruhen auf Spekulation oder sind sogar an den Haaren herbeigezogen.
Bei näherem Hinsehen beschränken sich die Gemeinsamkeiten darauf, daß der Held einem Mordanschlag zum Opfer fällt. Und dann ist da noch irgendwas mit einem Schatz: In einem Fall der Silberschatz eines feindlichen Feldherren, im anderen Fall ein Schatz aus Gold und Edelsteinen, der von Zwergen in einer Höhle bewacht wird...
 
So sind die sicheren völkerwanderungszeitlichen Bezüge, hier insbesondere Etzel/Attila und Dietrich/Theoderich, kein Grund die Siegfriedsage auch in diese Zeit des 5. Jhd. anzusiedeln. Die Siegfriedsage ist philologisch mit Sicherheit älter.


Älter als das 5. Jahrhundert?
Wie sieht denn die "sichere" philologischen Beweislage aus?
 
Die Siegfriedsage ist philologisch mit Sicherheit älter.

Warum? Die Tochter des Westgotenkönigs Athanagild, Brunichildis, heiratet 566 Sigibert, der ist König des austrasischen (also östlichen Frankrenreiches), was an Sachsen grenzt. Der Siegfried des Nibelungenliedes kämpft gegen die Sachsen. Siegfried wird in einem Komplott ermordet, Sigibert wird in einem Komplott ermordet. Die Parallelen sind recht eindeutig.

Kommen wir zur Frage des Drachenmotivs. Es wird immer auf dem Lindwurm herumgeritten, der angeblich den römischen Heereszug widerspiegele. Was aber ist mit dem Hl. Gregor dem Drachentöter? Gregor besiegt in dem Drachen das Teuflische, was ist so abwegig daran, dass Siegfried in seinem Drachenkampf das Heidnische besiegt? Immerhin steht er am Anfang der Christianisierung. Ich würde hier also zumindest eine Parallele, vielleicht sogar einen direkten Einfluss der Heiligenlegende auf das Nibelungenlied sehen.
 
Ave Hyokkose,

Hyokkose schrieb:
... Fast alle "Gemeinsamkeiten" beruhen auf Spekulation oder sind sogar an den Haaren herbeigezogen. ....

Schon richtig, es ist lediglich die Frage wie viele Haare eine spezielle Interpretation tatsächlich braucht oder eben nicht.

Ohne archäologische/quellenmässige Anknüpfung bleibt aber jede Spekulation Makulatur. Ein bischen dazu gibt es ja, den Tacitus, die skandinavischen Bildsteine, der Nikulas. Ich sage aber mal provokativ: „was wäre denn, wenn man nun im Weserbergland irgendwo einen Hort von (ehemals) 50 Tonnen augusteiischen Krempel findet ?“. Das hätte dann doch schon einige Belegkraft.

Im Rhein, am Rhein und um den Rhein herum hat man jedenfalls nichts passendes gefunden, und im Grossraum Weserbergland wird man auch nichts finden, solange man nicht ernsthaft die Möglichkeit ins Auge fasst. Gut möglich auch, dass er längst nicht mehr existiert weil er komplett verbraucht wurde, vielleicht hat es ihn sogar nie gegeben, was ich aus verschiedenen Gründen aber nicht glaube. Die theoretische Möglichkeit ist aber so verlockend, dass man sich schon ernsthafte Gedanken darum machen sollte.

Hyokkose schrieb:
...Älter als das 5. Jahrhundert? Wie sieht denn die "sichere" philologischen Beweislage aus? ....

Da fällt mir jetzt auf Anhieb der Philologe Otto Höfler ein, Siegfried, Arminius und der Nibelungenhort, Wien 1978; aber es gibt auch noch andere Referenzen, da müsste ich in meinem Fundus nachwühlen.

Sinngemäss erinnere ich mich: philologisch ist danach die Siegfriedstory deutlich im Stil abgesetzt. Sie ist ausserordentlich mystisch, ganz im Gegensatz dazu die Story nach Siegfrieds Tod, die sich rund um den Verbleib des Schatzes sowie Rache der Kriemhild und Untergang der Nibelungen/Burgunden dreht, die vergleichsweise scheinbar sehr real und gegenständlich, und mit dutzenden von zeitgenössischen Anlehnungen, ausgeführt ist.

Die Annahme, dass die Siegfriedstory aufgrund der stilistischen Andersartigkeit daher deutlich älter ist, liegt auf der Hand.

Beste Grüsse, Trajan
 
Auf Höfler basiert ja letztendlich der gesamte Thread bzw. die Grundfragestellung, weniger die Widerlegungsversuche. Trotzdem bleibt die Frage, warum der andere Stil darauf hinweist, dass der Siegfriedkreis älter ist, als der Burgundenkreis? Aufgrund der Sigibert/Brunichildis-Verweise würde ich eher sagen, dass er jünger ist.
 
Aufgrund der naheliegenden Ursprungsvermutung der Siegfriedsage in der Arminius/Varusgeschichte darf man die ehemalige Existenz des Schatzes (Varusbeute) durchaus als realistisch ansehen. Nur darf man ihn, falls denn noch Reste davon existieren, dann nicht im Rhein suchen..


Wie zahlreiche Beiträge in diesem Thread - unter anderem meine - gezeigt haben, ist das überhaupt keine "naheliegende Ursprungsvermutung", sondern eine von mehreren kontrovers diskutierten Hypothesen bzw. Spekulationen.
 
Ich denke auch, dass in der Siegfriedfigur durch Verwechslungen verschiedene Personen zusammenfallen. Sigibert I. hatten wir schon, der mit Brunichildis verheiratet war. Sigibert III. hatte eine Frau namens Chimnechild, was imho die Vorlage dafür sein könnte, dass Siegfried erst Brunhilde die Ehe verspricht, dann aber sie für Gunter wirbt und selber Kriemhild ehelicht.
 
Ave El Quijote,

El Quijote schrieb:
... Die Tochter des Westgotenkönigs Athanagild, Brunichildis, heiratet 566 Sigibert, der ist König des austrasischen (also östlichen Frankrenreiches), was an Sachsen grenzt. Der Siegfried des Nibelungenliedes kämpft gegen die Sachsen. Siegfried wird in einem Komplott ermordet, Sigibert wird in einem Komplott ermordet. Die Parallelen sind recht eindeutig. ....
Aber an sehr vielen Haaren herbeigezogen. Erstens lebt dieser Sigibert mehr als hundert Jahre nach dem Tod Etzels/Attilas, was man nicht gerade als chronologisch bezeichnen kann. Er gibt auch nicht die notwendige Grösse ab, um bis nach Island als der grösste Held aller (germanischen) Zeiten zu gelten. Und das irgend jemand im Komplott ermordert wird, ist in Adelskreisen damals nicht die Ausnahme, sondern fast schon die Regel gewesen. Übrigens hat Haetius/M.Braun den gut 100 Jahre früher gestorbenen Sigibert von Köln zu seinem Siegfried gemacht, der aber als Provinzkönig unter Chlodwig auch nicht viel hergibt.

El Quijote schrieb:
...Kommen wir zur Frage des Drachenmotivs. Es wird immer auf dem Lindwurm herumgeritten, der angeblich den römischen Heereszug widerspiegele. Was aber ist mit dem Hl. Gregor dem Drachentöter? Gregor besiegt in dem Drachen das Teuflische, was ist so abwegig daran, dass Siegfried in seinem Drachenkampf das Heidnische besiegt? Immerhin steht er am Anfang der Christianisierung. Ich würde hier also zumindest eine Parallele, vielleicht sogar einen direkten Einfluss der Heiligenlegende auf das Nibelungenlied sehen....
Zu Georg existieren aber zwei Überlieferungen. In der älteren tötet er keinen Drachen, er stirbt lediglich unter der Folter und wird seines Mutes gerühmt. Erst in einer deutlich jüngeren Form der Sage bekommt er es mit einem Drachen zu tun. Ausserdem spielt seine Geschichte unter Diokletian in Südeuropa und Kleinasien. Er ist daher auch an sehr vielen Haaren herbeigezogen.

El Quijote schrieb:
...Auf Höfler basiert ja letztendlich der gesamte Thread bzw. die Grundfragestellung, weniger die Widerlegungsversuche. ...

Wie kommst Du da drauf ? Der Höfler hat damit nicht wirklich etwas zu tun, denn die Arminius=Siegfriedthese war die erste, die gleich nach der Wiederentdeckung und Neuveröffentlichung des Siegfriedliedes aufkam, spätestens seit 1820 war sie bekannt. Die Sigibertthese kam erst später auf. Wobei ich zudem bei einigen Autoren auch noch den Verdacht haben, dass sie Sigibert von Köln und Sigibert I. durcheinander bringen.

El Quijote schrieb:
...Trotzdem bleibt die Frage, warum der andere Stil darauf hinweist, dass der Siegfriedkreis älter ist, als der Burgundenkreis? Aufgrund der Sigibert/Brunichildis-Verweise würde ich eher sagen, dass er jünger ist....
Nun, da zäumst Du aber das Pferd von hinten auf. Der Sigibert/Brunichild-Verweis ist ja bereits eine konkrete Folgerung/Vermutung, die kannst du nicht einfach zur Voraussetzung erheben. Was das Alter angeht: Je mysthischer/verschwommener, desto älter. Eigentlich logisch.

Übrigens die Sig- namen finden wir unter den überlieferten Cheruskern sehr häufig, später finden wir sie wieder bei den Franken, aber ehr ausnahmsweise.
Sigibert von Köln hatte als Vorganger Childerich, Nachfolger Chloderich, Sigibert I entsprechend Clothar und Childebert, Sigibert II den Theuderich und Clothar II, Sigibert III den Dagobert und Childebertus. Bei denen war also eher der Clo- stamm gängig, trotzdem gönnte man sich immerwieder mal einen Sigi. Keiner von denen hatte aber je eine wirklich grosse Bedeutung, die für einen internationalen(!) Helden herhalten konnte. Vielmehr ist anzunehmen das die Franken sich heir gerne auf einen Urahn beriefen, eben den Helden Siegfried aus längst vergangener frühantiker Zeit.

Nunja, wird sind uns jawohl darin einig, dass jede historische Anlehnung aufgrund der uralten Entstellung des Nibelungenstoffes fragwürdig ist. Das ist ja nicht bestreitbar.
Das einzige was man machen kann, ist nach neuen Anknüpfungspunkten zu suchen, und dass kann man nur, wenn man offen für vielversprechende Ansätze bleibt.

Beste Grüsse, Trajan.
 
Erstens lebt dieser Sigibert mehr als hundert Jahre nach dem Tod Etzels/Attilas, was man nicht gerade als chronologisch bezeichnen kann.

Ach!?!?!? Plötzlich wird ein Anachronismus zum Problem? Was sind 100 Jahre gegenüber 400 - 500 Jahren?

Er gibt auch nicht die notwendige Grösse ab, um bis nach Island als der grösste Held aller (germanischen) Zeiten zu gelten.

Hier muss man Dir wohl zustimmen. Wenn man aber in Siegfried verschiedene Könige (die Sigiberts, vielelicht auch noch den Burgunder Sigismund) zusammenfallen sieht (Brunichildis-Chimnechild-Argument), dann könnte dieses Gegenargument zumindest abgefedert werden. An den Haaren herbeigezogen ist da gar nichts. Es handelt sich stattdessen um auffällige Namensübereinstimmungen bzw. -ähnlichkeiten. Ob sich daraus dann am Ende tatsächlich eine Herkunft des Siegfried ableiten lässt, ist dann eine ganz andere Frage.
Nehmen wir Diedrich von Bern. Ohne Zweifel handelt es sich hier um den Ostgotenkönig Theoderich den Großen, der sich durch die Rabenschlacht (Schlacht um Ravenna, Odoaker vs. Theoderich) leicht identifizieren lässt. Jetzt gehen wir aber einen Schritt weiter. Wir haben den Horizont des fünften Jahrhunderts mit der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern und der Schlacht um Ravenna bzw. Belagerung und wir haben einen Horizont, der auf das sechste Jahrhundert verweist. Auch hier haben wir wieder einen Theuderich. Diesmal ein Franke. Schwiegersohn des Burgunden Sigismund und Sohn von Chlodwig der Sigibert von Köln erschlug. Wer sagt uns, dass nicht Elemente dieses Theuderich auch in die Figur des Dietrich von Bern eingeflossen sind, ganz einfach, weil in einer durch orale Überlieferung geprägten Gesellschaft die hinter historischen Ereignissen stehenden Personen nichte mehr auseinander gehalten werden?

Zu Georg existieren aber zwei Überlieferungen. In der älteren tötet er keinen Drachen, er stirbt lediglich unter der Folter und wird seines Mutes gerühmt. Erst in einer deutlich jüngeren Form der Sage bekommt er es mit einem Drachen zu tun. Ausserdem spielt seine Geschichte unter Diokletian in Südeuropa und Kleinasien.

Aber die Geschichte kommt mit den Kreuzzügen auch in unsere Breiten und bei einer Abfassung des Nibelungenliedes um 1180 bis 1210 sind wir gerade in der Zeit des dritten Kreuzzuges.

Edit: damit kein falscher Eindruck entsteht: Theuderich erschlug nicht den Sigismund, das war sein Vater. Mir ging es eher um die Verbreitung der Namen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich denke auch, dass in der Siegfriedfigur durch Verwechslungen verschiedene Personen zusammenfallen. Sigibert I. hatten wir schon, der mit Brunichildis verheiratet war. Sigibert III. hatte eine Frau namens Chimnechild, was imho die Vorlage dafür sein könnte, dass Siegfried erst Brunhilde die Ehe verspricht, dann aber sie für Gunter wirbt und selber Kriemhild ehelicht.


Ja, das ist wohl am ehesten der Kontext, in den man das Nibelungenlied sowie den Personenkreis Siegfried/Kriemhild/Brunhild zu stellen hat. Die frühe fränkische Geschichte ist der eigentliche Boden, aus dem das ganze hervorwächst, zumal sich auch zeitlich alles in einem Rahmen von etwa 150 Jahren bewegt - angefangen vom Untergang der Burgunder bis hin zu dem großen fränkischen Königsdrama um Brunichilde, Sigibert und Fredegunde.

Eine Figur war mir im übrigen noch nicht bekannt, nämlich die von dir benannte Königin Chimnechild. In ihr fließen mit ziemlicher Sicherheit die mörderische Fredegunde sowie auch Ildico - die letzte Frau von Attila - zusammen.
 
Ich sage aber mal provokativ: „was wäre denn, wenn man nun im Weserbergland irgendwo einen Hort von (ehemals) 50 Tonnen augusteiischen Krempel findet ?“. Das hätte dann doch schon einige Belegkraft.


Ich antworte mal provokativ: Der Wert einer These, deren Verfechter auf die Frage nach Belegen nicht mehr zu bieten haben als die Auskunft "Ja, wenn wir Belege hätten, dann wären sie ganz toll und von durchschlagender Beweiskraft", liegt für mich ausschließlich im Unterhaltungswert.



Sinngemäss erinnere ich mich: philologisch ist danach die Siegfriedstory deutlich im Stil abgesetzt. Sie ist ausserordentlich mystisch, ganz im Gegensatz dazu die Story nach Siegfrieds Tod, die sich rund um den Verbleib des Schatzes sowie Rache der Kriemhild und Untergang der Nibelungen/Burgunden dreht, die vergleichsweise scheinbar sehr real und gegenständlich, und mit dutzenden von zeitgenössischen Anlehnungen, ausgeführt ist.


Aus den zeitgenössischen Anlehnungen läßt sich allenfalls herauslesen, daß hier eine stärkere zeitgenössische Überarbeitung vorliegt. Über den Ursprung der Sagenmotive und vor allem über deren absolute Datierung sagt das nicht das geringste aus.
 
Übrigens hat Haetius/M.Braun den gut 100 Jahre früher gestorbenen Sigibert von Köln zu seinem Siegfried gemacht, der aber als Provinzkönig unter Chlodwig auch nicht viel hergibt.

Meines Erachtens würde aber der ältere Sigibert zumindest näher liegen als Vorlage als die Arminius-Variante: er herrschte tatsächlich am Niederrhein, wurde mittels einer Intrige von seinen Familienmitgliedern umgebracht, und zwar, als er auf einer Reise weilte. Und über Schätze verfügte er laut Gregor von Tours auch... Na ja. Das nur mal als Anregung.

Ansonsten wiederhole ich, was ich schon einmal geschrieben habe: die Arminius-Theorie wird niemals beweisbar sein. Folgende Punkte der Kette werden sich nie schließen lassen:
- es lässt sich weder historiografisch noch etymologisch herleiten, das Arminius Siegfried ist.
- die Schilderung des Nibelungen-Horts ist zu unspezifisch, als dass sie sich jemals mit irgendeinem der durchaus zahlreichen römischen Schatzhorte verbinden lässt; da hilft auch kein Schatzfund im Wesergebiet weiter - wenn man schon so argumentiert, gibt es keine sinnvolle Begründung dafür, warum nicht auch der Schatzfund von Neupotz am Rhein (3. Jahrhundert) der Nibelungen-Schatz sein sollte. Abgesehen davon stammt der Schatz nun mal von den Nibelungen, womit sicher keine Römer gemeint waren, sondern eher ein germanisches, (mythisches) Geschlecht.
- am waghalsigsten sind aber Versuche, den Drachen der Nibelungensage zum Heereszug umzudeuten; Drachen haben nun mal in den nordeuropäischen Epen des Mittelalters eine reiche Tradition, es sei an Beowulf, die Midgard-Schlange oder die Drachen in den Sagen um Artus und Merlin erinnert.
 
Meines Erachtens würde aber der ältere Sigibert zumindest näher liegen als Vorlage als die Arminius-Variante: er herrschte tatsächlich am Niederrhein, wurde mittels einer Intrige von seinen Familienmitgliedern umgebracht, und zwar, als er auf einer Reise weilte. Und über Schätze verfügte er laut Gregor von Tours auch... Na ja. Das nur mal als Anregung. .


Das ist im ganzen Thread meine Rede! Vor allem hat mir keiner schlüssig erklären können, warum der Held plötzlich Siegfried heißt und seinen Namen "Arminius" nicht beibehalten hat. Es gibt doch keine Veranlssung, eine berühmte Persönlichkeit plötzlich umzubenennen. Immerhin blieb auch der Burgunderkönig Gundahar "Gunther" und der Ostgotenkönig Theoderich "Dietrich von Bern".

Gänzlich an den Haaren herbeigezogen ist aber die Erklärung des "Lindwurms" mit dem römischen Heerestross!
 
Zuletzt bearbeitet:
Ave zusammen,


El Quijote schrieb:
.... Plötzlich wird ein Anachronismus zum Problem? Was sind 100 Jahre gegenüber 400 - 500 Jahren?


Es geht mir nicht um die Anzahl der Jahre, sondern um die Reihenfolge der Geschehnisse. Siegfried liegt im NL vor Etzel, Sigibert I aber nach Attila, das ist anachronistisch. Anders Arminius, der kommt klar vor Attila. Beweisen tut das alleine freilich nichts, es ist aber dass zusätzliche Haar dass die Sigibertthese zum ziehen braucht.


El Quijote schrieb:
Wer sagt uns, dass nicht Elemente dieses Theuderich auch in die Figur des Dietrich von Bern eingeflossen sind, ganz einfach, weil in einer durch orale Überlieferung geprägten Gesellschaft die hinter historischen Ereignissen stehenden Personen nichte mehr auseinander gehalten werden?


Ohne Zweifel ist dass so. Die historischen Anbindungen gehen offensichtlich kunterbunt durcheinander. Sie tun das vorallendingen in der späteren Kriemhild/Burgunden-Story, nicht so sehr in der Siegfriedstory. Das liegt natürlich an den ständigen Überprägungen des Liedes mit aktuellen Bezügen.


Ich muss aber nocheinmal erinnern: Es geht mir nicht darum, ob Dietrich mit Theoderich oder Theuderich oder mit sonst wem zu identifizieren ist, dass sei gerne zugestanden, warum auch nicht. Es geht mir einzig um die Frage, welches historische Ereignis der AUSLÖSER des Sagenkreises war, der dann nach vielen Jahrhunderten später, nach dutzenden Überprägungen, Anlehnungen, Erweiterungen etc pp. in das Nibelungenlied mündete.


Der Auslöser ist natürlich nur noch rudimentär vorhanden und speziell das Siegfriedlied und Sigmundlied (Vater nach Tacitus: Sigimund(us)) sind als Quelle dafür interessant.



Hyokkose schrieb:
Ich antworte mal provokativ: Der Wert einer These, deren Verfechter auf die Frage nach Belegen nicht mehr zu bieten haben als die Auskunft "Ja, wenn wir Belege hätten, dann wären sie ganz toll und von durchschlagender Beweiskraft", liegt für mich ausschließlich im Unterhaltungswert...


Kein Missverständnis bitte, ich will nicht mit nichtvorhandenen Funden argumentieren, dass wäre natürlich inhaltsleerer Quatsch:


Meine Zielrichtung ist lediglich anzuregen, sich definitiv Gedanken um den Varusschatz zu machen. Es gibt gute Gründe anzunehmen, das Arminius erhebliche Anteile davon für sich hortete. Und dieser Hort könnte noch teilweise vorhanden sein. Man sollte dass nicht einfach von der Hand weisen, man kann sich darum kümmern. Die Chance besteht inzwischen, man muss „nur“ den möglichen Verbringungsort auf ein paar Quadratkilometer eingrenzen. Ein empfindliches Protonen-Magnetometer würde dann schon weiterhelfen können.



Hyokkose schrieb:
...Aus den zeitgenössischen Anlehnungen läßt sich allenfalls herauslesen, daß hier eine stärkere zeitgenössische Überarbeitung vorliegt. Über den Ursprung der Sagenmotive und vor allem über deren absolute Datierung sagt das nicht das geringste aus....


Die philologisch erkennbaren Unterschiede der Siegfriedstory zur Kriemhild/Burgunden-Story sagen sehr wohl etwas aus, wenngleich die Folgerungen daraus nicht unbedingt für jeden zwingend erscheinen müssen. Höflers Annahme des älteren Siegfriedstoffs ist ja gut begründet, ich kann das die Tage nochmal nachlesen, und andere Wissenschaftler haben sich dem ja durchaus angeschlossen. Natürlich lang nicht jeder, aber was heisst dass schon.

Es ist jedenfalls eine Spur, der man nachgehen kann. Insbesondere da die Rhein/Wormsspur archäologisch bis heute nichts brauchbares gebracht hat! Der durchaus hochinteressante Rhein-Schatzfund von Neupotz ist aber kein Nibelungenschatz, denn er ist im Vergleich zur literarischen Darstellung nur billiges Gerümpel. Der Hildesheimer Silberfund dagegen gibt eine kleine Vorstellung der Qualität, die man erwarten sollte.




Ashigaru schrieb:
...Ansonsten wiederhole ich, was ich schon einmal geschrieben habe: die Arminius-Theorie wird niemals beweisbar sein. Folgende Punkte der Kette werden sich nie schließen lassen: ....


Das gilt natürlich für jede Theorie zum NL. Wackelige „Beweisketten“ haben alle, man kann sich nur darüber unterhalten, wo es am wenigsten wackelt. Beweisen im strengen Sinne (Popper) lässt sich sowieso keine, es geht nur darum, die wahrscheinlichste zu finden. Um in der Frage weiterzukommen brauchen wir jedenfalls neue Belege.


Ich möchte nur einen Anreiz geben darüber nachzudenken. Wer suchet, der findet.



Beste Grüsse, Trajan.
 
Ave Dieter,


Dieter schrieb:
...Vor allem hat mir keiner schlüssig erklären können, warum der Held plötzlich Siegfried heißt und seinen Namen "Arminius" nicht beibehalten hat. Es gibt doch keine Veranlssung, eine berühmte Persönlichkeit plötzlich umzubenennen.....


Die Erklärung habe ich bereits an anderer Stelle vorgebracht: Arminius hiess bei den Germanen nicht Arminius, dass war sein römischer Name. Er konnte also gar nicht umbenannt werden, er behielt in der germansichen Überlieferung einfach seinen richtigen Namen, wie immer der auch war, sicher nicht Arminius. Das diese Überlieferung auch im Jahre 100 noch aktiv war, belegt Tacitus mit der Aussage, das er bei den Germanen immer noch besungen werde.


Mommsen, Buch 8: „....Von den weiteren Vorbereitungen haben wir keine Kunde; daß der Adel und vor allem die adlige Jugend auf der Seite der Patrioten stand, versteht sich von selbst und findet darin deutlichen Ausdruck, daß Segestes' eigene Tochter Thusnelda wider das Verbot ihres Vaters sich dem Arminius vermählte, auch ihr Bruder Segimundus und Segestes' Bruder Segimer sowie sein Neffe Sesithacus bei der Insurrektion eine hervorragende Rolle spielten....“


Der Sig/Seg- stamm war bei den Cheruskern üblich, Arminius Vater war Sigimund, welcher genau so im NL als Sigmund auftaucht. Wir haben hier also wenigstens schon die fünf cheruskischen Namen Sigimund, Segestes, Segimundus, Segimer und Sesithacus in der Führungsclique. Die Söhne des Sigimunds erhielten aber römische Ersatznamen, nämlich Flavus und Arminius, die von Tacitus verwendet wurden. Das der Name Siegfried oder so ähnlich dem Arminius eigen war, liegt also nahe, und dass wird seit 1820 bis heute von einigen Historikern vertreten.


Ohne einen z.B. epigraphischen Beleg ist der Name Siegfried zwar nicht zwingend, dagegen aber der Hinweis, dass er eben nicht Arminius hiess und deswegen so auch gar nicht im NL vorkommen sollte. Es wäre ja wenig nachvollziehbar, wenn man ihm den ungeliebten Feindesnamen angeklebt hätte, anstatt ihn bei seinem richtigen Namen zu nennen.


Die späteren vier fränkischen Sigiberts, die in ihrer historischen Bedeutung im Vergleich zu Arminius schwach bleiben, dürften meiner Meinung nach lediglich auf die Bewahrung dieses kulturellen Erbes durch die Franken zurückzuführen sein. Es kann ja auch durchaus sein, dass der eine oder andere Sigibert dem Verfasser vom 13. Jhd. noch etwas wert war, so dass er ein paar Anklänge einbaute. Als tiefsten Ursprung des grandiosen Epos geben sie imho aber nicht genügend Substanz her.



Beste Grüsse, Trajan.
 
Der Sig/Seg- stamm war bei den Cheruskern üblich, Arminius Vater war Sigimund, welcher genau so im NL als Sigmund auftaucht. Wir haben hier also wenigstens schon die fünf cheruskischen Namen Sigimund, Segestes, Segimundus, Segimer und Sesithacus in der Führungsclique. Die Söhne des Sigimunds erhielten aber römische Ersatznamen, nämlich Flavus und Arminius, die von Tacitus verwendet wurden. Das der Name Siegfried oder so ähnlich dem Arminius eigen war, liegt also nahe, und dass wird seit 1820 bis heute von einigen Historikern vertreten.

By the way:

Der Vater des Arminius war nicht Segimundus, sondern hieß ebenfalls Segimarus. Ob er mit dem gleichnamigen Segestes-Bruder identisch ist, scheint jedoch mehr als zweifelhaft, Tacitus hätte eine so enge Verwandschaft zwischen Arminius und Segestes vermutlich nicht unterschlagen. Vielmehr scheint der Wortteil Sieg- bei der Namensgebung vieler Mitglieder der stirps regia der Cherusker einfach beliebt gewesen zu sein.

Zudem muss der germanische Name des Arminius nicht unbedingt den Sieg-/Seg-/Sig-Stamm beinhalten, immerhin hieß sein Onkel väterlicherseits Inguiomerus (Bruder des Segimarus), dabei wäre genausogut der mar-Stamm in die Überlegung bzgl des Namen des Arminius miteinzubeziehen.
 
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