Die Außenpolitik im Kaiserreich: Vergleich Bismarck u. Wilhelm II

Kreuzerflotte scheidet beim Deutschen Reich allein schon wegen der geographischen Lage aus. Die Treibstoffschwierigkeiten der SMS Dresden z.B. sind bezeichnend.
Wohl allein Frankreich und die USA wären in der Lage gewesen, einen mehr oder weniger erfolgreichen Kreuzerkrieg zu führen. Wie der Krieg es dann gezeigt hat, sind U-Boote dafür geeigneter gewesen.
Dreadnoughts hat jeder gebaut der es sich leisten konnte (und manche die es nicht konnten), in der Anzahl in der man es sich grad' noch leisten konnte. Daher könnte man sagen, das so gut wie jede halbwegs ernstzunehmende Flotte "auf Schlachtschiffe gesetzt" hat. Keine größere Marine hat darauf verzichtet, zumal Dreadnoughts zum politischen Prestigeobjekt wurden. Engländer, Deutsche, Franzosen, Russen, Amerikaner, Italiener, Japaner und Österreicher, alle haben Dreadnoughts gebaut. Und eine Reihe anderer Staaten haben welche bestellt, "des Gleichgewichts wegen".
 
Da warte ich immer noch auf Quellen bzw. Hinweise, dass die Flotte - siehe Bemerkung oben - Druckmittel gegen England sein sollte. :grübel:

In dem "Emser Memorandum" von 1897, gibt es einen Artikel von Tirpitz über "Allgemeine Gesichtspunkte bei der Feststellung unserer Flotte nach Schiffsklassen und Schiffstypen".
In dieser Schrift wird zum ersten mal die Gegenerschaft Englands in die weltpolitischen Optionen der kaiserlichen Marine eingefügt, zusätzlich werden die prinzipiellen Konstruktionsanforderungen für die großen Kampfschiffe im Rahmen der anvisierten Flottengesetzorganisation:

"Die militärische Situation gegen England erfordert Linienschiffe in so hoher Zahl wie möglich [Artikel 6]....Die Linienschiffe unserer Geschwader müssen für den Kampf in der Linie geeignet sein, dazu gehört vor allem gute Drehfähigkeit, schwere Artillerie und ein so starker Panzer, daß das Durchsieben verhindert wird. In der Größe der Linienschiffe werden wir wegen der Kosten und wegen der Tiefenverhältnisse unsrerer Gewässer zweckmäßig nicht weiter gehen, als eine gute Geeignetheit für den Kampf in der Linie bedingt [Artikel 8]."
 
Ich möchte nochmals auf die Kreuzerflotte zurück kommen. Gab es damals eine bedeutende Marine, die auf eine Kreuzerflotte setzte?

Nach meinen - allerdings beschränkten - Kenntnissen hat auch Frankreich auf Schlachtschiffe gesetzt. Italien und Österreich-Ungarn - die recht spät aufgerüstet haben, also vermutlich in Kenntnis der Galster-Schrift - ebenso. USA und England ohnehin. Rußland weiß ich nicht - ist wohl auch wegen der Binnenmeere (Ostsee, Schwarzes Meer) ein Sonderfall; allerdings auch interessant, weil sie die Erfahrungen von 1905 verarbeiten konnten.

Die Idee der Kreuzerflotte entstammt dem seestrategischen Denken der Jeune Ecole.
Diese sah vor, eine massive Kreuzerflotte zum Handelskrieg sowie der Einsatz von einer großen Zahl von Torpedobooten zum Küstenschutz. Das Schlachtsschiff gehörte bei der Schule der Jeune Ecole zum "alten Eisen".
Hierbei wurde vor allem die neue Waffe des Torpedos überbewertet.
Frankreich wie auch Russland waren starke Anhänger dieser opertiven Doktrien und richtete somit auch den Aufbau ihrer Marinen entsprechend auf. Aber auch neuere Marinen wurden davon beeinflußt, so auch die kaiserliche japanische Marine.
So besahs Russland noch bis in die 80iger Jahre kein großes Panzerschiff, dafür legte man 1873 mit der General Admiral die sog. ersten Panzerkreuzer auf Kiel.
Durch die Vernachlässigung der Schiffsklasse des Schlachtschiffes bzw. Linienschiffes verpassenden allerdings Russland wie auch Frankreich den Anschluß, was den Technologiefortschritt angeht. Man erkannte zu spät, daß der Bau von Schlachtschiffen als Kern einer Flotte notwendig war, somit waren folgende Konstruktionen der beiden Länder leidliche Schiffe.

Der Kreuzerkrieg wird nochmals vom Lord Fisher 1904 in der britischen Marine überbewertet, was dazu führte, das die sog. Schlachtkreuzer der Invincible-Klasse gebaut wurden. Doch auch im 1.WK bewiesen diese Schiffe nur einen bedingt nutzbaren Gefechtswert.

Siehe auch hier:

http://www.geschichtsforum.de/f328/dreadnought-oder-invincible-revolution-20870/
 
Ausgangspunkt der Diskussion ist, ob Deutschland nach damaligen Kenntnisstand auf eine Schlachtflotte (Tirpitz) oder Kreuzerflotte (Galster, Maltzahn) setzen sollte. Da man sich (mit großer parlamentarischer Mehrheit) für eine Schlachtflotte entschieden hat, stellt sich die Frage, ob eine Kreuzerflotte eine ernsthafte Alternative gewesen war. Um nicht im theoretischen zu bleiben, wollte ich wissen, ob eine andere große - das ist wichtig - Flotte auf den Kreuzerkrieg setzte. Es kommt auf die Strategie an, die die jeweilige Marine verfolgte (nicht darauf, ob andere Marinen auch Kreuzer hatten). M.E. ist wirklich vergleichbar nur Frankreich (bis 1904), und da weiß ich nicht, ob Frankreich seinen Schwerpunkt auf Kreuzer (Handelskrieg) oder Schlachtschiffe (Entscheidungsschlacht) legte (oder gar eine dritte Variante, reiner Küstenschutz).

Im Bezug auf diese Frage, werde ich diesen Beitrag und die Beantwortung von mir in passenderes Thema mitnehmen, denn das alles hat mit der Außenpolitik Bismarcks nicht viel zu tun.

http://www.geschichtsforum.de/f58/der-streit-um-das-b-renfell-maltzahn-21102/#post336522
 
Noch ein paar Anmerkungen zu den Möglichkeiten der Schlachtflotte.

Wenn man - wie damals fast alle Staaten und auch die große Mehheit in Deutschland - die Schlachtflotte zu Lasten der Kreuzerflotte wählt, stellt sich die Frage ihres Aufbaus. Hier hatte das Reich eine hervorragende Persönlichkeit zur Verfügung. Die Taktik ist - wohl auch aufgrund der Überlegenheit Englands - nicht sehr gepflegt worden. Hier hat Tirpitz großes geleistet. Das fängt an beim Fahren in einer Linie, endet mit schwierigen Dingen wie Nachtkampf und der Gefechtskehrtwendung. Nachtkampf konnten die Engländer nicht wirklich, Gefechtskehrtwendung (Herumdrehen einer ganzen Linie in die entgegengestzte Richtung) gar nicht. Letzteres ist nichts anderes als die schärfste Waffe in der Seeschlacht (crossing the T) verpuffen zu lassen. Die Herbeiführung einer crossing the T Situation hat durchaus auch mit Glück zu tun. Die Deutschen konnten entkommen (mehrmals vor dem Skagerrak), die Engländer hätten nicht entkommen können (bei der Qualität der deutschen Artillerie hätte das durchaus das Ende der englischen Flotte bedeuten können - und Jellicoe wusste das).
Eine weitere Möglichkeit zahlenmäßige Unterlegenheit wett zumachen ist das Material. Auch hier waren die Deutschen überlegen, insbesondere hinsichtlich der Sinksicherheit und Artillerie (Zielgeräte, Spenggranten).

Beim Eintritt in den Krieg ist zu beachten, dass die politische Leitung eine gänzlich andere Strategie als Tirpitz verfolgte. Man kann schon sagen, sie ist Tirpitz entgegengesetzt. Die einzige Kriegshandlung von Tirpitz ist die Aufstellung des Marinekorps.

Das Übergang Englands von der Nah- zur Fernblockade ist ein Erfolg von Tirpitz, kein Mißerfolg. Nur eine Nahblockade wirkt schnell, sicher und unmittelbar, nur eine Nahblockade könnte weitere Staaten auf Englnds Seite treiben (Dänemark). Die Nablockade war aber nicht mehr möglich. Die Fernblockade ist schwierig, unsicher und sehr langwierig. Außerdem musste Italien das Lager wechseln, damit auch der Süden abgeschnitten werden kann (und Frankreich durfte nicht geschlagen werden und Rußland musste Kriegspartei bleiben). Ein - eher nebensächlicher - Punkt hat mich besonders interessiert. Jellicoe wies die Admiralität auf ein Problem der Fernblockade besonders hin. Ein eintöniger Dienst ohne Feindkontakt, der sich negativ auf die Moral auswirkt (also ein Problem, das Deutchland bewußt herbeigeführt hat). Jellicoe ließ sich seine Entscheidung schriftlich absegnen und verwahrte eine Kopie des Schreibens im Tresor seiner Bankers (nach Massie, Castles of Steel).

Demgegenüber hatte Deutschland sehr wohl Möglichkeiten England den Kampf aufzuzwingen. Es war die Reichsleitung- unterstützt vom Kaiser-, die das verhindert hat. Die defensive Haltung, von der Tirpitz lt.seiner Erinnerungen nichts wußte (hier muss die unglückliche Organisationsstruktur der Marine in Erinnerung gebracht werden), führte dazu, dass es nicht einmal eine Untersuchung über die Kanaltransporte und die Möglichkeiten ihrer Störung gab. Vielleicht gab es für die Marine keine effektive Möglichkeit die Kanltransporte zu stören (behauptet Scheer), allerdings war die englische Marine wegen der Transporte aufgeteilt und ein Angriff auf die Teilflotte wäre ideal für die Hochseeflotte gewesen (behauptet Scheer). Nur aufgrund der defensiven Weisung hat sich niemand darum gekümmert herauszufinden wo die englischen Flottenteile sind.

Die Niederlage in der Schlacht von Helgoland war ebenfalls auf die defensive Strategie zurückzuführen (hier besonders unverständlch, da man die englische Fltte genau da hatte wo man sie haben wollte).

Die folgenden Operationen gingen von der Annahme aus, dass die englische Flotte Angriffe der deutschen auf Englands Küsten schon innenpolitisch nicht dulden konnte. Die Deutschen konnten Ort und Zeit festlegen und - zumindest anfangs - mit der nicht bekannten Reichweite der U-Boote arbeiten. Am greifbarsten war der Erfolg bei Scarborough - er tratt nicht ein wegen der defensiven Direktive des Kaisers, der wiederum von Bethmann beeinflusst war. Die Direktive wurden kurioserweise geändert als es für die deutschen Schiffe wirklich ungünstig wurde. So fand 1916 die größte Seeschlacht unter allerungünstigsten Bedingungen - zu dem noch Pech dazu kam - statt. Es war zu spät, die Fehler nicht mehr korrigierbar.

Das ist ja alles schön und gut, aber salop gesagt:
Was hat es denn entscheiden zum 1.WK teilgetragen....nüscht!

Diese Worte von
  • die Deutsche Flotte war Quantitativ und in der taktischen Ausbildung überlegen,
  • konnte die Skagerrakschlacht für sich entscheiden,
  • sie war immer im Vorteil und konnte auch bei den Vorstößen an die englische Küste immer einen Vorteil ausspielen
kann ich nicht befürworten. Hier wird eine Augenwischerei betrieben, mehr nicht.
Die deutsche Flotte war eine stumpfe Waffe und hatte in den Zusammentreffen mit gleichstarken englischen Kräften mehr Glück als Verstand gehabt, sich dem Versenken zu entziehen.

Das größte Problem war einfach dies, daß die Funktelegraphie nicht richtig eingesetzt und falsch bewertet wurde, was von britsicher Seite her optimal genutzt wurde, ohne das man bei der kaiserlichen Marine wußte, das die Briten über fast jeden Schritt der deutschen Flotte bescheid wußten und dies begann schon mit dem Verlust der Magdeburg 1914.
Und diese Schlamperei war nicht der einzigste Fall in der kaiserlichen Marine...

Also bitte keine Heroisierung der deutschen kaiserlichen Marine!
 
Der Kreuzerkrieg wird nochmals vom Lord Fisher 1904 in der britischen Marine überbewertet, was dazu führte, das die sog. Schlachtkreuzer der Invincible-Klasse gebaut wurden. Doch auch im 1.WK bewiesen diese Schiffe nur einen bedingt nutzbaren Gefechtswert.

Wieso wurde der Kreuzerkrieg überbewertet:

Sah die britische Doktrin auch vor 1914 nicht stets den Schutz der lebenswichtigen Handelslinien als Priorität gegenüber der Entscheidungsschlacht an - der u.U. sogar ausweichen war? Dazu diente der Panzerkreuzerbau - in der damaligen falschen Einschätzung, sowohl der Bedrohungslage als auch deren Abwehr. Dazu diente die Handelsschiffbewaffnung. Dazu diente die zweigleisige britische Rüstung. War das nicht pure Umsetzung dieser Priorität in Jellicoes Zögern am Skagerrak, um die Hauptfunktion der Schlachtflotte nicht zu gefährden, auch wenn ein Sieg greifbar erschien - der nebensächlich gewesen wäre?

Die Diskussion hatten wir auch schon hier:
Robert Massie: Dreadnought – Britain, Germany and the coming of the Great War.
http://www.geschichtsforum.de/f328/dreadnought-oder-invincible-revolution-20870/


Aber jetzt gerät das hier völlig OT und sollte dort weiter fortgesetzt werden.


Zurück zu Bismarck und der Außenpolitik: steht die Tirpitzsche Risikoflotte hier in Tradition (ich habe das auch in dem anderen Thema vorgebracht)?

Nach Bismarck werden die deutschen Kolonien, die deutschen globalen Interessen gegen Frankreich bei Metz verteidigt. Für Großbritannien seien stets politische Lösungen offen?

Ersetzte ("technisierte") Tirpitz diese politische Lösung in einer Risikoflotte, aufgrund derer GB sich nicht gegen das Deutsche Reich stellen, sondern sich nur mit dem Deutschen Reich außenpolitisch bewegen könne? Ein faktischer Zwang zum Bündnis, eine Zuspitzung und Absicherung dieser Politik?

War das ein Denken politischer Amateure?
 
Grundsätzlich gilt es festzuhalten, das an den Maßstäben der damaligen Zeit gemessen, der deutsche Wunsch nach einem Weltreich genauso berechtigt war, wie der französische oder britische oder amerikanische.

Frage: Warum war das Deutsche Reich bloß nur so sehr auf den Status einer Weltmacht fixiert? Das vorhandene Kolonialreich war doch von seiner Größe ganz ansehnlich, man war zumindest eine anerkannte Großmacht und gleichzeitig auch führende europäische Kontinentalmacht. Weshalb also unbedingt Weltmacht?

Aber das Problem war nun einmal, "das die Welt nun einmal zum aller größten Teil bereits verteilt war." Es gab nicht mehr viel freie Flecken. Und wenn man nun sein Kolonialreich vergrößern wollte, konnte dies nur zu Lasten der anderen Kolonialmächte gehen. Das war einen Bismarck vollkommen klar und deshalb lehnte er eigentlich, von der kurzen Phase in den 80zigern einmal abgesehen, Kolonien auch ab. Für ihn stand immer die Sicherheit des Deutschen Reiches im Vordergrund.

Die Politik mit der Brechstange hat Deutschland nicht wesentlich weiter gebracht, eher das Gegenteil, man hat sich gründlich zwischen alle Stühle gesetzt und verfügte über keine feste Bindung mehr auch nur zu einer Weltmacht. Man muss sich nur das Bündnissystem Bismarcks betrachten und dann das System von 1907. Die Unterschiede sind unübersehbar und zwar zu Ungunsten der deutschen Lage im Jahre 1907.

Die Gedanken und Überlegungen von den Herren Tirpitz, Bülow und Wilhelm haben eben nicht oder nicht ausreichend die Möglichkeit in Betracht gezogen, warum eigentlich nicht?, das Großbritannien beispielsweise mit Russland seine Spannungen abbauen könnte, ebensowenig, das Großbritannien eben doch eine adäquate Antwort auf die deutschen Flottenpolitik finden könnte. Die Reichsleitung ist bei der Konzeption der so genannten Weltpolitik wohl von falschen Grundüberlegungen ausgegangen und war dann nicht in der Lage auf sich verändernde Situation entsprechend zu reagieren.
 
köbis17, ich bin weniger daran interessiert, ob Du meine Argumente befürwortest, sondern an fundierten, eigenen Gegenargumenten. Gerade die taktische Ausbildung, besonders die in der Seeschlacht so wichtige Gefechtskehrtwendung wäre ich interessiert. Warum konnte das (nach meinen Informationen) nur die deutsche Flotte? Die enorme Bedeutung des Manövers scheint mir evident. Das ist doch ein möglicherweise entscheidender Vorteil, oder sehe ich etwas falsch?
 
Gerade die taktische Ausbildung, besonders die in der Seeschlacht so wichtige Gefechtskehrtwendung wäre ich interessiert. Warum konnte das (nach meinen Informationen) nur die deutsche Flotte? Die enorme Bedeutung des Manövers scheint mir evident.

Die Forderung nach Homogenität/Geschwaderbildung forcierte die theoretische Beschäftigung mit der Entscheidungsschlacht, sie war zunächst Ergebnis dieser Analysen. Die geplante und geübte Reaktion auf "Crossing the T" ist dann ein Abfallprodukt.


Das hat aber nichts mit der außenpolitischen Komponente der Tirpitz-Planung zu tun.
 
on request:

Noch ein paar Anmerkungen zu den Möglichkeiten der Schlachtflotte.

Wenn man - wie damals fast alle Staaten und auch die große Mehheit in Deutschland - die Schlachtflotte zu Lasten der Kreuzerflotte wählt, stellt sich die Frage ihres Aufbaus. Hier hatte das Reich eine hervorragende Persönlichkeit zur Verfügung. Die Taktik ist - wohl auch aufgrund der Überlegenheit Englands - nicht sehr gepflegt worden. Hier hat Tirpitz großes geleistet. Das fängt an beim Fahren in einer Linie, endet mit schwierigen Dingen wie Nachtkampf und der Gefechtskehrtwendung.
Nachtkampf konnten die Engländer nicht wirklich, Gefechtskehrtwendung (Herumdrehen einer ganzen Linie in die entgegengestzte Richtung) gar nicht. Letzteres ist nichts anderes als die schärfste Waffe in der Seeschlacht (crossing the T) verpuffen zu lassen.
Würde ich nicht überbewerten. Einerseits, ja, die Engländer hatten lausige Nachtschießkünste. Trotzdem ging die "Pommern" bei Nacht durch Torpedotreffer verloren.
Was die "Gefechtskertwendung angeht, war das ein durch Not geborener Manöver, nachdem sich Scheer, von Jelicoe hat ausmanövrieren lassen (das Manöver war eine Antwort auf das Crossing-T).
Mal gefragt: Wieviele Treffer gab's in der englischen HKL? Nicht viele fürchte ich.
Ich habe leider keinen allzugrossen Respekt vor Scheers Manövrierleistungen, nicht nachdem der Gegner ein Crossing-T hinlegt.
Die Herbeiführung einer crossing the T Situation hat durchaus auch mit Glück zu tun. Die Deutschen konnten entkommen (mehrmals vor dem Skagerrak), die Engländer hätten nicht entkommen können (bei der Qualität der deutschen Artillerie hätte das durchaus das Ende der englischen Flotte bedeuten können - und Jellicoe wusste das).
Es hat was mit Aufklärung zu tun. Und bei allem Respekt vor der kaiserlichen Marine, ohne Plasmakanonen und Photonentorpedos wäre eine Vernichtung der englischen Flotte bei Jütland nicht 'drin gewesen.
Durch Geschützfeuer schon grad' dreimal nicht. Da hätten zahlreiche Torpedoboote viele Treffer landen müssen. In Wirklichkeit waren's wieviele? ich glaub' einer.
Eine weitere Möglichkeit zahlenmäßige Unterlegenheit wett zumachen ist das Material. Auch hier waren die Deutschen überlegen, insbesondere hinsichtlich der Sinksicherheit und Artillerie (Zielgeräte, Spenggranten).
jein. Das deutsche System hat das Ermitteln der Schussweite begünstigt, das englische das im Ziel halten. Garantiert bietet das deutsche System Vorteile. Ist jedoch nicht entscheidend gewesen. Keiner der englischen Schlachtenkreuzer ist durch die ersten Salven versenkt worden.
Ebenso, stimmt es, das englische Granaten die Tendenz hatten, beim Aufschlag zu zerbersten (was in Prinzip die kaiserliche Hochseeflotte gerettet hat, denn die Engländer haben mehr Treffer gelandet). Allerdings sind recht wenige Schiffe unbeschädigt wieder nach Hause gekommen.

Das Übergang Englands von der Nah- zur Fernblockade ist ein Erfolg von Tirpitz, kein Mißerfolg. Nur eine Nahblockade wirkt schnell, sicher und unmittelbar, nur eine Nahblockade könnte weitere Staaten auf Englnds Seite treiben (Dänemark). Die Nablockade war aber nicht mehr möglich. Die Fernblockade ist schwierig, unsicher und sehr langwierig. Außerdem musste Italien das Lager wechseln, damit auch der Süden abgeschnitten werden kann (und Frankreich durfte nicht geschlagen werden und Rußland musste Kriegspartei bleiben). Ein - eher nebensächlicher - Punkt hat mich besonders interessiert. Jellicoe wies die Admiralität auf ein Problem der Fernblockade besonders hin. Ein eintöniger Dienst ohne Feindkontakt, der sich negativ auf die Moral auswirkt (also ein Problem, das Deutchland bewußt herbeigeführt hat). Jellicoe ließ sich seine Entscheidung schriftlich absegnen und verwahrte eine Kopie des Schreibens im Tresor seiner Bankers (nach Massie, Castles of Steel).
sehe ich auch so.
Demgegenüber hatte Deutschland sehr wohl Möglichkeiten England den Kampf aufzuzwingen. Es war die Reichsleitung- unterstützt vom Kaiser-, die das verhindert hat. Die defensive Haltung, von der Tirpitz lt.seiner Erinnerungen nichts wußte (hier muss die unglückliche Organisationsstruktur der Marine in Erinnerung gebracht werden), führte dazu, dass es nicht einmal eine Untersuchung über die Kanaltransporte und die Möglichkeiten ihrer Störung gab. Vielleicht gab es für die Marine keine effektive Möglichkeit die Kanltransporte zu stören (behauptet Scheer), allerdings war die englische Marine wegen der Transporte aufgeteilt und ein Angriff auf die Teilflotte wäre ideal für die Hochseeflotte gewesen (behauptet Scheer).
Scheer hatte recht. Die "Doverpatroullien" haben gezeigt, dass die Kanaleinfahrten vermint waren. Das ist eine tödliche Umgebung. Ich weise dezent auf die Minenschäden bei der Operation Albion hin, wobei da, ein fast besiegter Gegner gegenüberstand. Die Kanaltransporte wären wenn, dann durch U-Boote zu stören gewesen.
Die Niederlage in der Schlacht von Helgoland war ebenfalls auf die defensive Strategie zurückzuführen (hier besonders unverständlch, da man die englische Fltte genau da hatte wo man sie haben wollte).
ganz viele Schlachten wurden magels Informationen verloren. Fällt unter "Fog of War". Mit sowas muss man rechnen.
Die folgenden Operationen gingen von der Annahme aus, dass die englische Flotte Angriffe der deutschen auf Englands Küsten schon innenpolitisch nicht dulden konnte. Die Deutschen konnten Ort und Zeit festlegen und - zumindest anfangs - mit der nicht bekannten Reichweite der U-Boote arbeiten. Am greifbarsten war der Erfolg bei Scarborough - er tratt nicht ein wegen der defensiven Direktive des Kaisers, der wiederum von Bethmann beeinflusst war.
allerdings waren diese Operationen ein "near miss". Die englische Flotte war in See gestochen, hatte jedoch keine genauen informationen über die Position der Deckungseinheiten.
Die Direktive wurden kurioserweise geändert als es für die deutschen Schiffe wirklich ungünstig wurde. So fand 1916 die größte Seeschlacht unter allerungünstigsten Bedingungen - zu dem noch Pech dazu kam - statt. Es war zu spät, die Fehler nicht mehr korrigierbar.

und auch Glück. Jellicoe war kein Nelson. Letzterer hätte Scheer verfolgt und das ein oder andere Schiff kassiert.

Am Ende des Tages konnte Scheer stolz sein. Zumindest ein Unentschieden (oder einen taktischen Sieg) gegen die stärkste Seemacht der Welt seit über 200 Jahren ist ein Erfolg.
Nur geändert hat er nichts.
 
Zuletzt bearbeitet:
silesia schrieb:
Das hat aber nichts mit der außenpolitischen Komponente der Tirpitz-Planung zu tun.

100 % Zustimmung!:)

Loudon schrieb:
sehe ich auch so.

Interessant. Dass das ganze Konzept, Tirpitz sein Konzept, auf dem die Flotte aufgebaut worden und nun gleich zu Beginn des Krieges gescheitert war, ist also ein Erfolg. Ich verstehe unter Erfolg etwas anderes.
Nur weil die Engländer einer großen Seeschlacht ausweichen, kann man diese Entscheidung doch nicht als Erfolg für Tirptiz deklarieren. Die Fernblockade hat ja auch immerhin so ein paar Auswirkungen, ziemlich unangenehme, auf das Deutsche Reich gehabt. Bitte lies mein Post #127.

Loudon schrieb:
Nur geändert hat er nichts.

Und das war entscheidend! Die Anzahl der versenkten Schiffe interessiert doch nur marginal. Ausschlaggebend ist , was erreicht wurde und das war eben gar nichts.
 
# 148 meine Auffassung zu quantitaiven und taktischen Überlegenheit beruht u.a. auf einem hervorragenden Kenner der deutschen Marine, nämlich Jellicoe. Er wußte sehr wohl um die Gefahren eines Zusammenstosses mit den Deutschen und hat seine defensive Strategie gegen viele Widerstände durchgesetzt.. Und im Gefecht gibt es immer lück und Pech, und Pech konnte das Ende des Empire bedeuten (Jellicoes Auffassung über die deutsche Marine wird von Massie, Castles of Steel, beschrieben).
Zur dem Codebuch der Magdeburg vgl. die Ausführungen zur Magdeburg in Deutsches Kaiserreich, Deutsche Schutzgebiete (Kolonien), Kaiserliche Marine, Donaumonarchie, Schweiz, Liechtenstein. Offensichtlich war das Problem für die Deutschen sehr schwer zu erkennen.

# 153 Den Ausführungen zum crossing the T muss ich widersprechen. Aufklärung halfen Jellicoe gerade nicht, die Signalgebung war seht dürftig. Jellicoe machte eine fifty/fifty Entscheidung (Abdrehen nach Backbord oder Steuerbord) und lag zufällig richtig (beschrieben wiederum von Massie, Castles). The supreme moment of the naval war sagte Corbett, der offizielle Historiker der Navy. Supreme ist nicht decisive, Jellicoe konnte nämlich nichts mit seiner eigentlich alles entscheidenden Situation anfangen. Hätte er anders entchieden, wäre er möglicherweise vor Scheer gelaufen (der, nebenbei bemerkt, nichts von der Anwesenheit der Grand Fleet, wußte, Jellicoe war über Room 40 bestens informiert). Und er hätte Scheer - das ist das entscheidende - nicht entfliehen können. Überlegene Feuerkraft - falls vorhanden - hilft beim crossing the T gerade nicht, das ist doch der Sinn des Manövers.
 
Überlegene Feuerkraft - falls vorhanden - hilft beim crossing the T gerade nicht, das ist doch der Sinn des Manövers.
hängt von der Entfernung ab.
der der das crossing T durchführt, hat alle Geschütztürme zur Verfügung, der andere nicht.

aber, wie gesagt, Jellicoe war kein Nelson.
 
joh, gehört eigentlich ins ww1-Forum. und da ich dort 'eh kein Schreibrecht habe, lassen mer's lieber.
 
köbis17, ich bin weniger daran interessiert, ob Du meine Argumente befürwortest, sondern an fundierten, eigenen Gegenargumenten. Gerade die taktische Ausbildung, besonders die in der Seeschlacht so wichtige Gefechtskehrtwendung wäre ich interessiert. Warum konnte das (nach meinen Informationen) nur die deutsche Flotte? Die enorme Bedeutung des Manövers scheint mir evident. Das ist doch ein möglicherweise entscheidender Vorteil, oder sehe ich etwas falsch?

Also wenn du meine Beiträge genauer liest, kannst du feststellen, daß ich nicht befürworter deiner Theorien bin.

Kuckst Du:
Diese Worte von
  • die Deutsche Flotte war Quantitativ und in der taktischen Ausbildung überlegen,
  • konnte die Skagerrakschlacht für sich entscheiden,
  • sie war immer im Vorteil und konnte auch bei den Vorstößen an die englische Küste immer einen Vorteil ausspielen
kann ich nicht befürworten. Hier wird eine Augenwischerei betrieben, mehr nicht.

Hinzu kommt, dass ich die Überberwertung dieser Gefechtskehrtwende überhauptnicht nachvollziehen kann.
Schaust Du dir das Manöver genauer an, stellst man fest, daß aus zwei Grundmanöver besteht, aus dem Fahren in Linie und dem Drehen in Dwarsline um dannach wieder in Linie zu fahren, und das zweimal in die gleiche Richtung.

Was soll daran so besonders sein?...Ausserdem nutzt einem dieses Manöver nur, wenn man sich vom Feind lösen möchte, auf Deutsch, man will sich verdrücken...nicht sehr Ruhmvoll, Herr admiral.;)
 
Wieso wurde der Kreuzerkrieg überbewertet:

Sah die britische Doktrin auch vor 1914 nicht stets den Schutz der lebenswichtigen Handelslinien als Priorität gegenüber der Entscheidungsschlacht an - der u.U. sogar ausweichen war? Dazu diente der Panzerkreuzerbau - in der damaligen falschen Einschätzung, sowohl der Bedrohungslage als auch deren Abwehr.

Sicherlich waren die Handelswege für die britischen Inseln lebensnotwig und sollten beschützt werden. Bedroht wurden diese Handelsrouten nach britischer Sicht nur von Frankreich und Russland, doch mit der Bündnispolitik der Briten, konnte man a.) die Gefahr der Handelswege beiseite räumen und b.) gab es so die Möglichkeiten, das Groß der Royal Navy in den britischen Gewässern anzusammeln, da die Gefahr nun aus Richtung Deutschland kam.

Was ich aber mit überbewertet genau meinte, waren die neuen Panzerkreuzer bzw. Schlachtkreuzer die nach Fishers vorlagen gebaut wurden und wohl nur einmal ihr Ziel erreichten, als sie das Ostasiengeschwader bei den Falklands versenkte, ansonsten unbrauchbar.
 
Helgoland nicht vergessen. oder Dogger Bank.

Die Doktroin war: Versenken was schwächer war, abhauen vor dem was stärker war. Das Problem war, dass Schlachtenkreuzer wie Schlahtschiffe aussahen und wie Schlachtschiffe bewaffnet waren. Deshalb wurden sie wie Schlachtschiffe behandelt.
 
Zuletzt bearbeitet:
köbis17, ganz sicher ist, dass Gefechtskehrtwendung nichts mit Außenpolitik zu tun hat. Ich will es hier auf sich bewenden lassen. Bekomme ich Schreibrechte im Weltkrieg, werde ich mich an geeigneter Stelle hierzu äußern.
 
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