Mode im 18. Jahrhundert

Gepuderte Justaucorps?

Ein früherer und älterer Beitrag hat es ja schon mal angeschnitten und erwähnt, daß scheinbar auch Justaucorps hin und wieder gepudert wurden. Ich bin gerade bei Maureen Waller (2000) in 'Huren, Henker, Hugenotten' darüber gestolpert, auf Seite 155 (im englischen Original, da mir das Buch zu Deutsch nicht vorliegt) und wundere mich gerade etwas darüber, da sich mir Sinn und Zweck des Ganzen nicht so recht erschließen, und mir die Vorstellung eines gepuderten Justaucorps eher unfreiwillig komisch vorkommt, ganz zu Schweigen von der- bitte um Entschuldigung- Sauerei die das doch im feuchten britischen Klima geworden sein muss, wenn man unversehens im Regen stand. Und wie sah es eigentlich nach wiederholten Pudern um den Stoff aus? So weit ich weiß, wurde Oberbekleidung ja nicht gewaschen, sondern primitiv 'chemisch gereinigt'. Wie hat das alles funktioniert, gab es da einen praktischen Hintergrund oder war es eine Modeerscheinung?
Haarpuder kommt auf den Gemälden ja immer wieder auf der Kleidung vor. Maler, die besonders akribisch malten, stellten die Rückstände von Puder auf den Schultern der Porträtierten dar wie im Falle von Gainsboroughs Bild von Robert Craggs (Ausgestellt in der Society of Artists 1761). Damit dokumentierte Gainsborough aber einen Fall, der tunlichst vermieden werden sollte, sich aber doch nicht ausschließen lässt (kenne ich aus eigener Erfahrung). Zum Pudern trug der Herr im englischen Sprachraum im 18.Jh. ein "Shaving or dressing apron" (zitiert nach Baumgarten*).

"Gentlemen wore aprons to protect their clothing while getting shaved or having their whigs powdered as in fig.18. ...."
**

Im Buch von Linda Baumgarten "What Clothes Reveal" wird eine solche Schürze abgebildet, die zwischen 1750 und 75 in Frankreich vermutlich entstanden ist. Daneben sieht man den Einsatz der Schürze zum Schutz der Kleidung auf der Karikatur "The Englishman in Paris" (gestochen von James Caldwell nach John Collet und Robert Sayer) aus London, 1770. Bei diesen Schürzen handelt es sich um rechteckige Tücher aus Baumwolle mit einer Halsaussparung, die im Nacken der zu pudernden Herren zusammen geknotetet wurden. Der Großteil der Schürze war dann vorn und schützte vor allem die Weste und die Vorderseite des Rockes.

Auch wenn durch die Schürze so während des Puderns selbst den Rock sehr wohl schützte, rieselt der Puder beim Aufsetzen des Hutes oder bei Bewegungen des Kopfes unwillkürlich immer wieder auf die Schultern und den Rücken des Rockes. Dadurch wird er sozusagen gepudert, aber das geschieht nur unbeabsichtigt und wie man im Einsatz der besagten Schürze erkennen kann, ganz entgegen dem Wunsch des gepuderten Herren.

Man kennt auch Abbildungen von Herren, die gepudert werden und die Puderschürze offensichtlich nicht tragen. Zum Beispiel gibt es einen kolorierten Gouache "En audiens medan peruken pudras" (von Pehr Nordqvist) von 1799, auf dem man einen eleganten Herren erkennt, der im Hausmantel (Robe de Chambre) von einem Burschen hinter ihm eingepudert wird. Lena Rangström nennt diesen Hausmantel "powder gown"***. Der Hemdskragen des Herren ist geöffnet und man erkennt keine Weste, vielleicht ist sie vom Mantel verdeckt. Interessanterweise wird hier der Herr nicht mit einer Puderpuste (auf Englisch "Powder Puff") sondern mit einer Puderquaste gepudert, wie sie auch in der Encyclopédie von Diderot zu sehen ist.

Beispiele für eine gepuderte Kleidung und dass man das als schön empfand kenne ich keine. Man muss dazu sicher schauen, welche Farben getragen wurden. Warum sollte man einen roten oder braunen Rock z.B. pudern? Gibt es Abbildungen, die ein absichtliches Pudern von Röcken zeigen? Gibt es Abbildungen die übermäßig mit Puder überzogene Röcke aus der Zeit zeigen?
Ich kenne durchaus ein paar Gemälde aus der Zeit, aber gepuderte Justaucorps kenne ich davon nicht.

Zumindest durch die deutsche Übersetzung habe ich allerdings den Eindruck, dass Maureen Waller die Mode der Zeit nicht so ganz begriffen hat oder wenn sie es tat, dies nicht wirklich artikulieren konnte.

* Linda Baumgarten: "What Clothes reveal: The language of clothing in colonial and federal America" The Colonial Williamsburg/Yale University Press, Williamsburg, 2003
S. 9
** ebenda
*** Lena Rangström in "Modelejon - Manligt Mode 1500-tal 1600-tal 1700-tal" Fälth & Hässler, Värnamon, 2002
S. 244 bzw. die engl. Übersetzung S. 390
 
@ brissotin

Vielen Dank für die ausführliche und lehrreiche Antwort. :) Ich fand es auch eher verwunderlich, und mir war es auch eher so vorgekommen, als liege da ein Missverständnis vor. Leider hat Maureen Waller in diesem Buch die Angewohnheit alle möglichen Quellen zu zitieren ohne diese genau anzugeben. Da kommt Freude beim Suchen auf, wenn sie mehrere Werke einer Person benutzt. :motz: :)

Auf jeden Fall habe ich mal gesucht und herausgefunden, daß sie die Sache mit den gepuderten Justaucorps tatsächlich wortwörtlich aus Mary Astell (1696) 'An Essay in Defence of the Female Sex' übernommen hat.

Dazu noch Beitrag #20 dieses Threads:

Gepudert wird von einigen um 1700 sogar der Rock des Cavaliers (Justeaucorps), nach Taubert nennt man das dann "einen Staat machen", weil man sich so höfisch fühlt. Aber daß die Leute ganz weiß sind, sollte mich wunder nehmen.

Leider scheint sich Demoiselle vor einiger Zeit verabschiedet zu haben, und hat keine weiteren Angaben zum zitierten Taubert gemacht, was es erschwert diese Quelle zu finden, und Google hat mich prompt zu ihrem Beitrag zurückgeführt. :fs:

Die einzige andere Referenz, die ich dazu finden konnte befindet sich hier:
French Fashions 1700 - 1789

(Leider ist der Text sehr lang, aber die relevante Stelle befindet sich kurz über dem Schnittmuster Justaucorps, Weste und Korsett für Jungen zu Zeiten Ludwigs XIV. "[...] But powder was the special attribute of the dandies, who never appeared in public without being powdered down even to their justaucorps. [...]" Anscheinend handelt es sich dabei um ein Zitat aus einem Buch von 1876, aber zu sagen wie zuverlässig das Alles ist, liegt ausserhalb meines Ermessens.)

Abbildungen habe ich keine gefunden, und ich verstehe auch nicht so ganz welchen beschönenenden Effekt das Pudern von Kleidung haben sollte, außer das es vielleicht Gerucheindämmend wirkte, aber ich glaube irgendwie nicht, daß ein 'Fop' um 1700 diese Gelegenheit nicht genutzt hätte sich eher mit mehr Parfüm einzudecken. Vielleicht handelte es sich um eine kurzlebige Modeerscheinung? Mary Astell macht sich ausdrücklich darüber lustig und schreibt diese Art der Kleidung den 'Fops' zu, während der obengenannte Autor das unzeitgemäße Wort 'Dandy' benutzt , also vielleicht eine kurzlebige Erscheinung unter jungen modebewussten Männern, die sich nicht durchgesetzt hat?
 
Gepuderte Justaucorps

Ich hatte heute just die Stelle bei Maureen Waller gefunden, um die es sich wohl handelt:

"Jeder macht sich über die Gecken lustig. Die Feministin Mary Astell war gnadenlos in ihrer Beschreibung:

Sei Spiegel ist das Orakel, das alle großen Zweifel und Skrupel löst. Er untersucht seinen Teint und frischt ihnauf, und ein Pickel entsetzt ihn mehr als Krebs. ... Seine Perrücke und sein Mantel [wohl Justaucorps] werden üppig gepudert, seine Handschuhe parfümiert, ebenso sein Taschentuch, und ist das erledigt und auch all der Rest, hat er schon daheim die Hälfte seines Tagwerkes vollbracht. ..."
*

Natürlich ist die Übersetzung immer zweifelhaft und eine genaue Datierung des Zitates bleibt Waller auch schuldig. Im Anhang finden sich drei Werke von Mary Astell von 1696 und 1706 angegeben.
Außerdem kann ich nicht hundertprozentig daraus lesen, dass die Stutzer ihre Röcke absichtlich einpuderten. Sie waren üppig eingepudert, das erfährt man. Aber es kann auch sein, dass dies nicht beabsichtigt war. Man macht sich ja auch hin und wieder über Pannen lustig, vielleicht passt es ja dazu.

@ Saint-Simone
Auch das Zitat von der von Dir verlinkten Homepage besagt für mich nicht einwandfrei, dass dieses Bepudern der Röcke absichtlich geschah.

Ansonsten ist die Homepage, die Du verlinkt hast, ganz nett. Leider sind die Primärabbildungen nicht direkt datiert, auch wenn ein halbwegs als Kenner der Mode versierter Leser die Abbildungen halbwegs einordnen kann. Aber präzise Datierungen sind immer besser und gerade bei Werken wie von Moreau le Jeune auch ziemlich leicht. :fs:

*Maureen Waller: "Huren, Henker, Hugenotten" Bastei-Lübbe, 2002, Bergisch Gladbach
S. 225 u. 227
 
Hallo =)

Ich muss eine Präsentation im Fach Deutsch über die Bürger im 18. Jahrhundert halten, natürlich will ich da auch zeigen was man so trug. Der ganze Vortrag soll aber nur 15 Minuten gehen und mode ist nur ein kleiner Teil von vielen, also brauche ich nur in paar allgemeine Informationen, für mehr wird die Zeit wohl nicht reichen.
Ich habe mir schon einige Quellen durchgelesen, allerdings gebe ich zu, das sich die z.T. auch nicht ganz so leicht verstehe und zum anderen immer wieder durcheinander komme ob das jetzt nur auf den Adel zutrift oder auch auf andere Bevölkerungsschichten.
Ich hoffe jemand kann mir helfen und weiß was das Bürgertum im 18. Jahrhundert trug, sowohl arme als auch reiche. Vielleicht hat ja jemand eine Seite für mich, die sich hauptsächlich mit den Bürgern beschäftigt oder kann mir so etwas dazu erzählen?
Wäre schön udn schon mal im Vorraus danke!

LG, Rapunzel
 
@Rapunzel:
Uff, das ist ziemlich schwierig in zwei Sätzen abzuhandeln:
Man kann zusammenfassen: das gehobene Bürgertum trug das gleiche wie Adelige, denn man konnte es sich leisten.
Am Hof von Friedrich II von Preussen war es sogar gern gesehen, wenn sich Bürgerliche aufwändiger kleideten als Adelige, denen Friedrich gerne seine eigene Knausrigkeit aufdrücken wollte. Aber das ist halt nur so ein Auswuchs.

Die Mittelschicht versuchte die Kleidung der hohen Stände zu immitieren, natürlich konnte eine Frau die arbeiten musste keine große Robe tragen und ein Krämer z.B. keinen Anzug aus Seide.
Aber auch diese Leute wollten nicht in Sack und Asche daher kommen, farbenfrohe Kleider waren beliebt, auch einfache Frauen trugen Schnürleiber (Korsetts) und bisweilen sogar Reifröcke (Paniers)

Es gab einen florierenden Second-Hand-Markt und die Kleidung die einst Adlige trugen wurde so Stufe im Stufe im sozialen Gefüge nach unten gereicht, von jedem Träger wurde die Kleidung umgeändert, bzw. modernisiert bis nurnoch Lumpen übrig waren.

Guck dir mal diese Seite an:
La Couturire Parisienne
 
Dankeschön, das hat mir sehr geholfen =)
Ja das geht mir schon im ganzen Vortrag so, auf nichts kann man näher eingehen weil die Zeit fehlt, echt schade. Das Thema konnte ich mir leider nicht aussuchen...
 
Natürlich ist die Übersetzung immer zweifelhaft und eine genaue Datierung des Zitates bleibt Waller auch schuldig. Im Anhang finden sich drei Werke von Mary Astell von 1696 und 1706 angegeben.
Außerdem kann ich nicht hundertprozentig daraus lesen, dass die Stutzer ihre Röcke absichtlich einpuderten. Sie waren üppig eingepudert, das erfährt man. Aber es kann auch sein, dass dies nicht beabsichtigt war. Man macht sich ja auch hin und wieder über Pannen lustig, vielleicht passt es ja dazu.


Im Englischen Original heißt es: "...When his eyes are set to a languishing air, his motion all prepar'd according to art, his wig and his coat abundantly powder'd, his gloves essenc'd, and his handkercher perfum'd and all the rest of his bravery rightly adjusted, the greatest part of the day, as well as the business of it at home is over ..." Waller (2000:155).

Das Zitat stammt im Original und wortwörtlich so aus 'An Essay in Defence of the Female Sex' von Mary Astell (1696). (Das musste ich aber selbst herausfinden, da wie du auch schon bemerkt hast, Waller mehrere von Astells Werken verwendet ohne ihre Zitate mit Quellen zu versehen.)

Die Übersetzung die anscheinend auf Deutsch vorliegt ist nicht ganz genau, aber trifft es schon, und das Perücke und 'Mantel' gepudert werden, ist wortwörtlich übersetzt.

Für mich hört sich das nach wie vor Alles etwas dubios an, und abgsehen des oben schon erwähnten Links, habe ich herzlich wenig gefunden.
Leider ist es mir bisher auch nicht gelungen den oder die von Demoiselle identifizierte/n 'Taubert' ausfinding zu machen, weswegen ich mich langsam frage ob es nicht vielleicht einfach eine überspitzte Darstellung Mary Astells war, die in der von Waller (2000:155) zitierten Passage auch schreibt:

"...down he comes, scented like a perfumers shop, and looks like a vessel with all her riggings under sail without ballast..."

(Aus: Mary Astell (1696) 'An Essay in Defence of the Female Sex', Neuauflage von 1970, Source Books)

Meine Übersetzung: "...er steigt herab, duftend wie eines Parfumiers Laden, und sieht aus wie ein aufgetakeltes Schiff unter vollen Segeln ohne Ballast..."

Was ja eigentlich bedeutet, daß sie dem 'Fop' keinen Tiefgang zuspricht, also könnte man vielleicht mutmaßen, wie du schon bemerkt hast, daß sich der gepuderte Justaucorps darauf bezieht, daß ein 'Fop' sich zwar die größte Mühe gibt, sich aber keinen Puderraum leisten kann, da es ihm generell an Tiefe und an Mitteln fehlt? Und vielleicht hat es Paul Lacroix (1876) im obigen Link einfach von Mary Astell übernommen?
 
1.
Leider ist es mir bisher auch nicht gelungen den oder die von Demoiselle identifizierte/n 'Taubert' ausfinding zu machen, weswegen ich mich langsam frage ob es nicht vielleicht einfach eine überspitzte Darstellung Mary Astells war, die in der von Waller (2000:155) zitierten Passage auch schreibt:

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Was ja eigentlich bedeutet, daß sie dem 'Fop' keinen Tiefgang zuspricht, also könnte man vielleicht mutmaßen, wie du schon bemerkt hast, daß sich der gepuderte Justaucorps darauf bezieht, daß ein 'Fop' sich zwar die größte Mühe gibt, sich aber keinen Puderraum leisten kann, da es ihm generell an Tiefe und an Mitteln fehlt?

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Und vielleicht hat es Paul Lacroix (1876) im obigen Link einfach von Mary Astell übernommen?
1.
Dieser Taubert ist ein Herr aus dem 20.Jh., wenn ich nicht irre. Er verarbeitete zum Beispiel die Tänze des sehr verdienstvollen John Playford (1623-1686) - Du kennst als Britin vielleicht "The English Dancingmaster".
Hier zu Taubert: Autorenportrait Karl Heinz Taubert

2.
Das würde zumindest zu manchen Karikaturen von Beaus aus dem 18.Jh. passen, deren Prioritäten karikiert wurden: sie leben zwar in beschämend ärmlichen Verhältnissen einer Dachkammer, aber sie legen höchsten Wert auf das Äußerliche.

3.
Kann gut sein. Manchmal werden ja Sekundärquellen zitiert, als ob es Primärquellen wären und diese Sekundärquellen beziehen sich eben auf die selbe Primärquelle, die man ohnehin schon kennt.
Eine etwas überspitzte Interpretation der Aussage von Mary Astell wäre:
Sie sah so über und über gepuderte Gecken, deren Kleider von der übertriebenen Puderlust völlig mit Puder bedeckt waren, dass sie sich dachte: jetzt pudern die auch noch ihre Röcke! Oder sie sah übermäßig gepuderte Stutzer und dachte sich, bald pudern sie sich noch ihre Röcke gänzlich, wenn sie so weiter machen und sie malte das Ganze dann aus.

Gerade wenn eine Mode beginnt, was im Falle des Puderns der Haare ja in der zweiten Hälfte des 17.Jh. der Fall war, so übertreiben diejenigen, welche selber nicht auf der Höhe der Mode sind und die Neuerungen ablehnen, die Auswüchse der Neuheiten.

(Ich enthalte mich einmal Beispiele aus neuerer Zeit herran zu bringen.)
 
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Dieser Taubert ist ein Herr aus dem 20.Jh., wenn ich nicht irre. Er verarbeitete zum Beispiel die Tänze des sehr verdienstvollen John Playford (1623-1686) - Du kennst als Britin vielleicht "The English Dancingmaster".
Hier zu Taubert: Autorenportrait Karl Heinz Taubert

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Das würde zumindest zu manchen Karikaturen von Beaus aus dem 18.Jh. passen, deren Prioritäten karikiert wurden: sie leben zwar in beschämend ärmlichen Verhältnissen einer Dachkammer, aber sie legen höchsten Wert auf das Äußerliche.

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Eine etwas überspitzte Interpretation der Aussage von Mary Astell wäre:
Sie sah so über und über gepuderte Gecken, deren Kleider von der übertriebenen Puderlust völlig mit Puder bedeckt waren, dass sie sich dachte: jetzt pudern die auch noch ihre Röcke! Oder sie sah übermäßig gepuderte Stutzer und dachte sich, bald pudern sie sich noch ihre Röcke gänzlich, wenn sie so weiter machen und sie malte das Ganze dann aus.

Gerade wenn eine Mode beginnt, was im Falle des Puderns der Haare ja in der zweiten Hälfte des 17.Jh. der Fall war, so übertreiben diejenigen, welche selber nicht auf der Höhe der Mode sind und die Neuerungen ablehnen, die Auswüchse der Neuheiten.


1. Danke :) . Dann hatte ich doch den richtigen 'im Visier', aber konnte bei ihm keine Referenz zum Thema finden, weswegen ich dann bei anderen Tauberts gesucht habe.

2. Im Verlaufe meiner Suche bin ich auch mehr und mehr zu dem Schluß gekommen, daß es sich dabei um eine Überspitzung handelt, und dieses Portrait des Fops einem bestimmten Zwecke Mary Astells dient. Vielleicht hat sie sich dabei bei Colley Cibbers 'Love's Last Shift' welches ebenfalls 1696 auf die Bühne kam, und eine übertriebene Darstellung eines Fops names 'Sir Novelty Fashion' beinhaltete, angelehnt. Oder 'Lord Foppington' aus Vanbrughs 'Relapse' ebenfalls des gleichen Jahres. Wie dem auch sei, war der Beau/Fop/Geck auf der Bühne ein beliebstes Ziel für Spott, also schon als Zielscheibe etabliert, und nützlich für Mary Astell? :grübel:

3. Das wäre eine Interpretation der ich mich durchaus anschließen kann. So sehr ich meine Phantasie auch anstrenge, kann ich mir wirklich nicht vorstellen, daß es sich bei gepuderten Justaucorps um eine wirkliche Modeerscheinung handelte... in einem so regnerischen Klima, in dem auch noch mit Holz und Kohle geheizt wird. Vermutlich also wirklich eine kleine Übertreibung, die nie dazu gedacht war auf die Goldwaage gelegt zu werden.
 
@ Caro1
Sehr gut an dem von Dir verlinkten Buch finde ich die Betonung der "Schönheit" in der Mode des 18.Jh.. Dasselbe wird auch in "Lockenpracht und Herrschermacht" betont. Natürlich ist "Schönheit" rational kaum fassbar, war aber sicherlich eine Maxime der Mode, in einem Maße wie man es sich im 21.Jh., in welchem Allwetterkleidung aus synthetischen Fasern bei manchen vorherrschen, kaum vorstellen kann.
 
Ja, der Wunsch nach Schönheit der Kleidung (und auch der Haarpracht!) gipfelte natürlich darin, dass man sich damit vom Bürgertum und vielmehr noch vom Volk absetzen wollte. Es sollte äusserlich schon von weitem sichtbar sein, welchem Stand man angehörte. :)
 
Hab mal eine Frage: Wer trug Bärte? Gab es im Bereich des Militärs bestimmte Regelungen dafür? Sehe immer wieder auf Darstellungen, dass die Offiziere keinen Bart haben. "Verwegene" Truppen wie Grenadiere jedoch sehr oft mit einem Schnurrbart. Ich hatte da auch mal etwas zu gelesen, finde das Buch aber nicht wieder.

Gruß An Dro
 
Hab mal eine Frage: Wer trug Bärte? Gab es im Bereich des Militärs bestimmte Regelungen dafür? Sehe immer wieder auf Darstellungen, dass die Offiziere keinen Bart haben. "Verwegene" Truppen wie Grenadiere jedoch sehr oft mit einem Schnurrbart. Ich hatte da auch mal etwas zu gelesen, finde das Buch aber nicht wieder.

Gruß An Dro


Ich kenne zwar keine Regelungen, aber so weit ich das in Erinnerung habe, waren Bärte für die höheren Klassen einfach nicht in Mode. Als Offizier wäre man miit Vollbart wäre vermutlich einfach schief angeschaut worden.

Anscheinend hat Alexander der Große darauf bestand bartlose Soldaten zu haben, da man im Nahkampf den Bart des Gegners schnappen konnte. (Quelle: Victoria Sherrow (2006) 'Encyclopedia of Hair: A cultural history', Greenwood Publishing Group.) Vielleicht ein weiterer Anhaltspunkt?

Die einzige Regelung aus dem 18. Jahrhundert die ich finden konnte, bezieht sich auf die Infantrie Würtembergs und besagt, daß jeder Soldat einen schwarzen, gewachsten Schnurrbart haben musste, unabhängig der eigenen Haarfarbe und des Bartwuchses. (Quelle: John Childs (1982) 'Armies and Warfare in Europe 1648- 1789' Manchester University Press)

Was die einfachen Soldaten angeht war das vermutlich etwas anders, alleine aufgrund des Aufwandes. Jedenfalls in der 'Warrior' Serie von Osprey wird das in 'British Redcoat: 1740-93' in einer Bildunterschrift auf Seite 4 impliziert.
 
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Hab mal eine Frage: Wer trug Bärte? Gab es im Bereich des Militärs bestimmte Regelungen dafür? Sehe immer wieder auf Darstellungen, dass die Offiziere keinen Bart haben. "Verwegene" Truppen wie Grenadiere jedoch sehr oft mit einem Schnurrbart. Ich hatte da auch mal etwas zu gelesen, finde das Buch aber nicht wieder.

Gruß An Dro
Grundsätzlich war das Barttragen im 18.Jh. bis auf regionale Besonderheiten wie in Polen und Ungarn und in bestimmten Schwarzwaldtälern, in den Alpen usw., wo es sozusagen zur Nationaltracht gehörte, unüblich bis auf die erste und die letzte Dekade des Jahrhunderts.
Dann gab es noch spezifische Ausnahmen bei Kavallerietypen wie den Husaren. Dort trug auch der Großteil Bärte. Dennoch gibt es Abbildungen sowohl vom jungen Blücher, als auch von Zieten, auf welchen diese bsw. einmal keinen Bart trugen. Bei Hofe waren Bärte wohl eher weniger gern gesehen.
In der französischen Armee war es ausdrücklich in den letzten Reglements des Königreichs (vielleicht auch schon zuvor) den Grenadieren erlaubt, einen Schnurbart zu tragen. Es war also erlaubt, aber nicht unbedingt befohlen.
(Notfalls kann ich in zwei Wochen oder so wieder auf die Suche nach der Stelle im Reglement gehen.)
In der preußischen Armee hingegen griff die Erlaubnis zum Barttragen ab einem gewissen Alter. Ich glaube, das war um die 40.

Etwas wunderlich muten die verschiedenen extra ausgesprochenen Erlaubnisse zum Barttragen schon an, da diese implizieren, dass es wohl trotz der Abgewöhnung des Barttragens in der Zeit einen stillen Wunsch dannach gab.

Zu den Offizieren: Ich denke bei denen wird es so sein wie bei den Hofleuten. Offiziere waren eben nicht nur Offiziere, sondern auch Standespersonen, die entsprechend mit der (bartlosen) Mode gingen. Ich kenne auch kaum Bilder von Offizieren mit Bärten.

Bärte waren grundsätzlich in Europa Zeichen regionaler Eigenheiten, von Ungepflegtheit oder speziellen Stellungen in der Gesellschaft. So gibt es ein französisches Genrebild mit dem Auszug eines Wilderers, der wohl im alpinen Raum lebt oder aber keine Gelegenheit hatte sich zu rasieren und einen mächtigen Vollbart trug. Dann gab es hin und wieder Exoten wie Liotard, der seinen Vollbart von seinem Aufenthalt im Osmanischen Reich mitbrachte und ihn wohl als Erkennungsmerkmal und aus individuellen Geschmack in West- und Mitteleuropa auch an den Höfen weiterhin beibehielt, bis ihn angeblich seine Frau dazu brachte ihn abzunehmen. Grundsätzlich galt man mit Bart als Sonderling. Bezeichnenderweise ließen sich Theaterdarsteller von Mördern und Räubern extra Bärte stehen (man findet dazu eine Passage in den Memoiren von Casanova). Dann wieder hatten Juden weiterhin Bärte in verschiedener Form. Man denke an einen der größten jüdischen Denker des Jahrhunderts Moses Mendelssohn: File:Mendelssohn-Chodowiecki.JPG - Wikimedia Commons
 
Wie Brissotin schrieb, war es unterschiedlich. In England waren beim Militär Bärte jedweder Form bis 1840 verpönnt, Frankreich hatte seine besonderen Barttrachten, wie den "Henri quatre", siehe Bart [1] - Zeno.org
 
Zuletzt bearbeitet:
Aus einem Behördenrundschreiben aus dem März 1813 im Königreich Westfalen:
Mein Herr Steuerdirecteur ! Ich habe verschiedentlich wahrzunehmen Gelegenheit gehabt, daß mehrere Fonctionaires und Employes den Bart unterm Kinn und am Halse wachsen lassen...
Überhaupt sind solche auffallenden Auszeichnungen mit dem vorgeschriebenen Amtskleide nicht verträglich...
...daß das Stehenlassen des Bartes ein Kennzeichen der sogenannten Tugendfreunde sein soll...
Quelle: Die Befreiung 1813-1814-1815 (p. 161 f.); Langerwische & Brandt, Ebenhausen 1923

Auch wenn Bärte als suspekt und Ausdruck politischer Gesinnung galten, zumindest lange Koteletten sieht man doch oft auf Bildern aus dieser Zeit, auch in England.
 
Aus einem Behördenrundschreiben aus dem März 1813 im Königreich Westfalen:
Quelle: Die Befreiung 1813-1814-1815 (p. 161 f.); Langerwische & Brandt, Ebenhausen 1923

Auch wenn Bärte als suspekt und Ausdruck politischer Gesinnung galten, zumindest lange Koteletten sieht man doch oft auf Bildern aus dieser Zeit, auch in England.
Und was hat das mit der Barttracht des Militärs im 18.Jh. zu tun?

Dass Bärte ab der letzten Dekade des 18.Jh. aufkamen, sagte ich ja. Sogar ein Bild des Eulogius Schneider - gestorben 1793 ! - sah ich schon, auf welchem dieser schon einen Backenbart oder Koteletten trug. Aber der war ja auch Revoluzzer und bis weit in die 1790er hinein waren gepuderte Haare und Locken an den Seiten bei Personen von Bildung und Stand obligatorisch (siehe Porträts des Danton, Robespierre etc.).
 
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