Muss die römisch-germanische Geschichte umgeschrieben werden?

Ave Zusammen,

Mit den neuen Münzfunden ist nun die Zeit der Schlacht relativ klar, etwa ab 230 und spätestens, würde ich sagen, kurz vor Postumus 260, aber auch noch Postumus selbts, im Feldzug 262-263.

Das Schlachtfeld wirft erstmals einen Einblick in das unbekannte Jahrhundert im Innern Germaniens. Denn nach Arminius Tod um 20 werden die Berichte aus dieser Gegend sehr dünn. Berichtet wird noch einiges über den endlichen Untergang der Cherusker, zuletzt in den Domitianischen Kriegen gegen die Chatten, die dann ab etwa 85 die Reste der Cherusker endgültig verschwinden lassen. Über die Zeit von etwa 100 bis 230 ist so gut wie nichts bekannt.

Dann tauchen aber scheinbar urplötzlich die Franken und Alemannen auf, die sich in dem Cheruskischen Vakuum derweil gebildet haben. Im Jahre 260 fielen diese dann plündernd in Gallien ein, in dem Chaos der Invasion wurde der Gallier Postumus zum Kaiser ausgerufen. Er bildete eine erhebliche Abspaltung von Rom, das Gallische Sonderreich, und liess sich als Retter Galliens feiern.

siehe: Postumus ? Wikipedia

Die Schlacht zählt also zu diesen, die neu entstandene germanische Gefahr nach Arminius abzuwehren. Entweder im Vorfeld der Invasion von 260 oder kurz danach. Hier können also noch ganz entscheidende Hinweise auf das dunkle 2. Jhd. gefunden werden!

Wer waren die Gründer der Nachfolgeverbände der Franken und Alemannen? Was geschah nach der Auflösung der Cherusker in dem Mitteldeutschen Gebiet? Jedes noch so kleine Detail ist echt spannend.

Beste Grüße, Trajan.
 
@ Trajan

naja .. Postumus halte ich zunächst mal für eine eher wilde Spekulation! ;)

Die aktuelle Fundsituation (incl. der Severer Münzen) deutet zielgenau auf das Jahr 235 ( Frank Berger) hin,
für das literarisch der Germanienfeldzug des Maximinus Thrax gesichert ist.

Die Koinzidenz von literarischer Quelle und archäologischer Evidenz ist frappierend.

FG :winke:
 
...deutet zielgenau auf das Jahr 235 ....der Germanienfeldzug des Maximinus Thrax ....

Ave Florian,

es spricht natürlich nichts gegen Maximinus Thrax. Aber zielgenau? dafür muss schon noch mehr Futter her. Bislang ist nur klar das es nach den 220er Jahren war, und 262 ist da auch nicht weit.

Interessant wäre dazu aber der Abnutzungsgrad der gefundenen jüngsten Münzen. Waren die quasi prägefrisch oder schon arg abgegriffen?
Das würde zwar weder den einen noch den anderen beweisen, aber schon mal wahrscheinlicher machen.

Beste Grüsse, Trajan.
 
Ave Florian,

Interessant wäre dazu aber der Abnutzungsgrad der gefundenen jüngsten Münzen. Waren die quasi prägefrisch oder schon arg abgegriffen?
Das würde zwar weder den einen noch den anderen beweisen, aber schon mal wahrscheinlicher machen.

Abbbildungen der neuen Fundmünzen
Aktuell aus der Region: Kalefeld - zeitliche Einsortierung der Römerschlacht möglich - HNA Online
zur Vergrösserung einfach auf die kleine Abb. links im Artikel klicken

FG :winke:
 
Abbbildungen der neuen Fundmünzen
Aktuell aus der Region: Kalefeld - zeitliche Einsortierung der Römerschlacht möglich - HNA Online
zur Vergrösserung einfach auf die kleine Abb. links im Artikel klicken

FG :winke:


Wenn man sich allein auf diese Münzfunde stützt, dürfte die Schlacht wohl unter Severus Alexanders Herrschaft stattgefunden haben. Bei der geringen Zahl gefundener Münzen würde ich mit einer endgültigen Prognose aber noch vorsichtig sein.

@ Trajan

Ist es durch die Verwitterung der Münzen überhaupt noch möglich, den Abnutzungsgrad zu bestimmen?
 
Ist es durch die Verwitterung der Münzen überhaupt noch möglich, den Abnutzungsgrad zu bestimmen?

Mir sind keine Ablations-Tabellen für Bodenfund - Münzen bekannt.
Das wird auch ziemlich kompliziert wegen der Unreinheiten der
Münzmetalle und dem jeweiligen Säuregehalt der Böden an unterschiedlichen
Fundorten.
Die Ausprägungsqualität ( als Hinweis auf die Umlaufzeit )gibt wohl noch am
ehesten etwas her , falls es sich um Goldmünzen handelt.
 
...
Ist es durch die Verwitterung der Münzen überhaupt noch möglich, den Abnutzungsgrad zu bestimmen?

Ave Cato,

nur so ungefähr. Auf den Münzen sind die obenliegenden erhabenen Details Haare, Ohren, Haarband noch wirklich gut erkennbar. Die nutzen am ehesten ab. Die gezeigten Münzen dürften daher kaum mehr als 10 bis 20 Jahre im Umlauf gewesen sein. Bei einer guten Münze könnte man noch sagen, Zufall, hier sind aber alle ganz gut. Die Frage wäre natürlich noch zu klären, lagen diese guten Münzen alle beieinander oder weiter gestreut? Lagen sie alle beieinander, wäre noch an Zufall zu denken, sonst eigentlich nicht.

Severus Alexander war 222-235, kaum Nutzung, um die 235 ist daher tatsächlich eine nachvollziehbare Annahme. Deswegen würde ich mich prinzipiell F. Berger anschliessen solange nichts gegenteiliges vorliegt.

Beste Grüsse, Trajan.
 
Im Band Konflikt zur Ausstellung Imperium - Konflikt - Mythos befindet sich auch ein Artikel zum Schlachtfeld am Harzhorn: Roms vergessener Feldzug. Das neu entdeckte Schlachtfeld am Harzhorn in Niedersachsen. Beteiligte Verfasser sind Michael Geschwinde, Henning Haßmann, Petra Lönne, Michael Meyer und Günter Moosbauer. Der Artikel befindets ci aufden Seiten 228 - 232 und in der Literaturangabe sind zwie weitere Artikel angegeben, einer von allen Autoren gemeisnam, einer nur von P. Lönne und M. Geschwinde in Archäologie in Dtld. Der Artikel von allen Autoren mit einem Leicht abgeänderten Titel Roms vergessener Feldzug. Die Entdeckung eines römischen Schlachtfeldes des 3. Jahrhunderts am Harzhorn bei Kalefeld erschien in Berichte zur Denkmalpflege in Niedersachsen 1/2009, ich gehe davon aus, dass er - die Länge würde jedenfalls passen - mehr oder weniger identisch ist mit dem aus dem Ausstellungsband.

In dem Artikel wird bestätigt, dass Holzschaftreste in den Pfeil und Bolzenspitzen gefunden wurden, und anhand dieser die C-14-Methode angewandt werden konnte, mit der der Zeitraum der Schlacht auf 130 - 250 AD eingegrenzt werden konnte. Da durch andere Funde der tpq auf 225 präzisiert werden kann, bleibt für die Schlacht nur der Zeitraum 225 - 250 AD.
Davon, dass die Hölzer afrikanischen Ursprungs wären - wie in den Pressenachrichten zum Teil -, ist nirgendwo die Rede.
Nur die orientalische Herkunft der Bogenschützen wird aus den dreiflügeligen Pfeilspitzen hergeleitet, die man besondes bei Reflexbögen brauche. Für die Schlacht stehen in dem eingrenzbaren Zeitraum zwei Kaiser zur Auswahl, Alexander Severus und Maximus Thrax, der eine in den Quellen als Schlacht im Moor bezeichnete Schlacht schlug, bei der auch die maurischen und persischen Kontingente anwesend waren, weshalb dahin tendiert wird, die Ereignisse am Harzhorn in diesen Kontext zu setzen (was allerdings nicht heißen soll, dass die Ereignisse am Harzhorn die Schlacht im Moor darstellten). Letztlich basiert diese Zuordnung aber wohl nur auf den Pfeilspitzen.
 
Gestern kam eine Doku über 30 Minuten in Eins Extra (?)
Interessant war, dass bei den Funden Nahkampfwaffen "vermisst" werden, d.h. es sind nur ein paar gefunden worden.
Es muss sich vor allem um ein Distanzgefecht gehandelt haben.
 
Oder es gibt eine andere Erklärung für das fehlen der Nahkampfwaffen. Warum sollte der Sieger nicht über das Schlachtfeld gewandert sein und die Waffen/Waffenreste eingesammelt haben? Setz natürlich voraus das der Sieg ziemlich Eindeutig war. Schwerter und Dolche werden nicht billig gewesen sein. Und Bruchstücke kann man auch wieder flicken.

Apvar
 
Und warum haben die dann die Geschosse nicht eingesammelt?
Die Theorie ist zur Zeit, das man durchgebrach und weitergezogen ist, dabei aber nicht aufgesammelt hat.
Auf alle Fälle ist es interessant, sollte es so sein, wie interpretiert, dass die Römer auf den Fernkampf gesetzt haben. Eine Taktik, bei der die Gegenseite nicht mithalten konnte...
 
Pfeile/Wurfspeere sind Verbrauchsgüter und meißtens in Menge vorhanden.
Waffen nicht. Das war sicherlich Methode.

Zu den Pfeilen muss auch noch gesagt werden dass es viel zu aufwändig ist, immerhin stecken viele in Feinden/Boden/Bäumen und es sind auch bedeutend mehr.

Das wurde vermutlich nur bei allerhöchster Knappheit gemacht und nicht nach einem größeren Gefecht.

Das muss nicht heißen dass das gerade hier zugetroffen haben muss, es gibt weit mehr Erklärungen dafür. Ich will nur zeigen, dass diese Theorie so abwegig nicht ist.
 
Gestern kam eine Doku über 30 Minuten in Eins Extra (?)
Interessant war, dass bei den Funden Nahkampfwaffen "vermisst" werden, d.h. es sind nur ein paar gefunden worden.
Es muss sich vor allem um ein Distanzgefecht gehandelt haben.


Ich bin leider nicht fündig auf der Suche nach der Dokumentation geworden, weiß jemand, ob dieser Film noch irgendwo im Netz oder in einer Mediathek stecken könnte?
 
Ich bin leider nicht fündig auf der Suche nach der Dokumentation geworden, weiß jemand, ob dieser Film noch irgendwo im Netz oder in einer Mediathek stecken könnte?
Das war wahrscheinlich die Reihe "Die Germanen". Vor ein paar Wochen lief die auch im hr-fernsehen. Vermutlich taucht sie wieder mal in einem 3. Programm auf.
 
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