Deutsche Aktivitäten zur Herbeiführung des russisch-japanischen Krieges 1904

Ja?...Welche? Vor allem im Bezug auf die deutsche Flottenrüstung?...
Da sieht mir mehr nach einer Anpassung an die außenpolitischen Situaionen vor allem im Bezug auf den russisch-japanischen Krieg, als auf das zweite deutsche Flottengesetz von 1900.

Es geht nicht um die (machbare) Reaktion - Stichwort "Financial Crisis" 1899/1903 - sondern um die politische Wertung der deutschen Flottenrüstung in Großbritannien. Dass sich diese mischt mit den zeitgleich befürchteten verstärkten russischen und französischen Rüstungen, ist für den Zeitraum klar und verschärft die Wahrnehmung der deutschen Rüstung nur. Unabhängig von Kiellegungs-Zählungen (die eben kein vollstädniges Bild bieten, siehe oben) vervielfachten sich aber die britischen Ausgaben bereits zwischen 1896 und 1906.

Aber, wie gesagt, abseits der Zahlen ging es hier um die Frage, wie die künftige Bedrohung bei Realisation der Flottenprogramme eingeschätzt wurde.
 
Es geht nicht um die (machbare) Reaktion - Stichwort "Financial Crisis" 1899/1903 - sondern um die politische Wertung der deutschen Flottenrüstung in Großbritannien.

Um das abseits der Finanzen noch etwas weiter zu erläutern:

- 1900 wurde in den RINA diskutiert, dass die deutsche Stahlproduktion die britische seit 1890 überholt habe. Außerdem seien nunmehr eine größere Zahl der deutschen Werke in der Lage, Stahlplatten größeren Querschnitts und von hoher Festigkeit zu produzieren. Dieser industrielle Faktor bestimme die künftige Marinerüstung.

- Im Brasseys 1902 wurde auf eine Publikation vom deutschen "Militär-Wochenblatt" Bezug genommen, dass die Bedingungen einer amphibischen Invasion Englands untersucht. Abgesehen vom unrealisitschen Hintergrund: ein Vorläufer der Navy-Scares nicht in der Yellow Press, sondern in einer der angesehensten maritimen Jahresschriften. Großbritannien weise dagegen eine global verstreute Flotte auf. Die Publikationen 1900 und 1901 erläuterten ausführlich das geplante Bauprogramm 1900/1916.
 
Wozu es 1905 auch noch gar nicht in der Lage war.
Och, wieso eigentlich nicht? Das DR hatte 1905 doch auch schon Schlachtschiffe, die hätten doch mit der russ. Ostseeflotte nach Japan schippern können. ;)

Hören wir hierzu doch Turgot:
Nichts gegen Turgot, aber als Beleg würde ich das nicht gelten lassen. :D

Ist die Frage, ob Deutschland sich das wirklich hätte gefallen lassen sollen. Prinzipiell hat Land A genausoviel Recht eine Flotte zu bauen wie Land B. Dass die Flotte gegen England gerichtet war, konnte England nur annehmen, aber nicht sicher wissen.
Das geht aber an der eigentlichen Fragestellung völlig vorbei. Der Punkt ist nicht, ob das DR das Recht hatte eine Schlachtflotte zu bauen, sondern ob es politisch klug war solches zu tun. Und die politischen Folgen richten sich nunmal danach was GB glaubt, nicht was es weiß.
Gerade das DR hat immer wieder das Machtprinzip hochgehalten und wollte sich "nur auf sein gutes Schwert" verlassen und nicht auf internationales Recht und Schiedsgerichte und solche lächerlichen Einrichtungen.
Dann muss es aber auch mit den Folgen leben und wenn man GB die Seeherrschaft sauer macht, indem man es zwingt mehr teure Schiffe zu bauen, dann hat GB doch jedes "Recht" dem DR mit gleicher Münze heimzuzahlen und seine militärische Lage an Land auch mal ein bisschen zu erschweren.

So gesehen war das Knüpfen von Bündnissen, oder wie immer man diese Übereinkommen nennen mag, von Großbritannien gegen Deutschland so überflüssig wie kontraproduktiv.
So überflüssig und kontraproduktiv wie die deutsche Flotte, richtig.

Wie in meinem Szenario eine Vereinbarung zu Lasten Dritter. Nur, dass hier nicht Asiaten, sondern andere Europäer die Opfer sind. Macht die Sache nicht einfacher. Ein derartiges Angebot hätte außerdem von Seiten GBs kommen müssen. Kam aber nie.
Doch, das wurde von GB mehrmals angeboten oder zumindest "in den Raum gestellt". Die Deutschen sind aber nie darauf angesprungen, weil eben der Verzicht auf den Flottenbau der Preis gewesen wäre.

Aber es war doch so: Erst gibt es irgendwelche Übereinkommen, dann engere Beziehungen und Handeln mit der gleichen Zielsetzung, dann erste Verhandlungen zwischen den Generalstäben, dann +/- konkrete Vereinbarungen über Truppenunterstützung...
Richtig, aber dieses Vorgehen hat das DR gegenüber GB eben nicht ernsthaft versucht. Man hat sich nie klar entschieden, ob man die Briten nun erpressen wollte oder sie befrieden wollte.

Der Schlachtflottenbau konnte GB nie wirklich gefährden. Die Positionierung GBs im Gegnerlager hatte also andere Gründe.
Aber er war lästig. Das Wettrüsten verschlang Geldmittel und zwang die Briten den Großteil ihrer Flotte in den Nordsee zu konzentrieren. Und außerdem - nicht zu unterschätzen - der verbissene Versuch die brit. Flotte zu überflügeln machte ja die Intention der Deutschen, irgendwie am brit. Thron zu sägen, überaus deutlich.

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Ich sehe nicht, wie und vor allem warum das Deutsche Reich einen Krieg zwischen Japan und Russland hätte herbeiführen wollen. Zum einen ist das Risiko der Aufdeckung groß und würde mehr schaden als eventuell gewonnen werden könnte.
Da könnte man im Vergleich das Zimmermann-Telegramm heranziehen, also den Versuch einen Krieg zwischen USA und Mexiko anzuzetteln. ;)
Solche "Schwachsinnsaktionen" würden mich nicht überraschen bei der Reichsleitung.

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und für den Schutz des Handels ganz sicher auch nicht.
Naja unter Schutz des Handels hat man doch "Schutz vor einer (brit.) Blockade" verstanden. Und das hätte die Flotte schon leisten können, wenn sie denn stärker als die brit. geworden wäre.
Handelsrouten in Übersee kann man doch wohl nicht mit Schlachtschiffen schützen, oder?
 
Zuletzt bearbeitet:
Naja unter Schutz des Handels hat man doch "Schutz vor einer (brit.) Blockade" verstanden. Und das hätte die Flotte schon leisten können, wenn sie denn stärker als die brit. geworden wäre.
Handelsrouten in Übersee kann man doch wohl nicht mit Schlachtschiffen schützen, oder?

Nein gewiss nicht, dazu hätte es einer entsprechender Kreuzerflotte bedurft. Und dafür widerum hätte man Stützpunkte benötigt.

Der Schutz des Handels, ich habe mich wahrscheinlich zu undeutlich ausgedrückt :), war doch eines der offiziellen Argumente der Reichsleitung für das interessierte deutsche Publikum. Darauf habe ich mich bezogen.
 
Bülow hatte ja den deutschen Kapitalmarkt für die Russen dichtgemacht und erst nach Abschluß des Vertrages wieder für das Zarenreich öffnen lassen. Das war wichtig für die Russen, auch wenn die Franzosen den Russen Kapital zur Verfügung gestellt hatten, reicht dies nicht für dem Krieg aus.
 
(muss aus techischen Gründen in zwei Teile aufgeteilt werden)

Entscheidend war, das die Militärkonvention einen defensiven Charakter hatte. Wenn Russland alleine gegen Österreich-Ungarn wegen der andauerenden Balkanstreitigkeiten marschiert wäre, wäre Frankreich also zu nichts verpflichtet gewesen...
Manchmal habe ich den Eindruck, ich lese politisch unkorrekte Autoren. Aber den "Neitzel" habt Ihr mir doch selbst empfohlen? Darf man den zitieren? "Kriegsausbruch. Deutschlands Weg in die Katastrophe 1900-1914" (2002), S. 150:
"Der französische Generalstabschef Joffre erhielt damit (dem Dienstpflichtgesetz, H.) endlich die Kapazitäten, die er zur Verwirklichung seines offensiven "Plans XVII" benötigte. Dieser trat nach zwei Jahren Vorbereitung im Februar 1914 in Kraft und setzte ganz auf den Primat der Offensive. Seit August 1911 hatten die Generalstäbe in Paris und St. Petersburg an einer gemeinsamen Kriegsstrategie gearbeitet, die im September 1913 ihre endgültige Form erhielt und die bislang defensiv ausgerichtete Zweierallianz, analog zum deutsch-österreichischen Zweibund, in ein Offensivbündnis umwandelte."

So konnte das Zarenreich beispielsweise bequem in Persien "zur Sache" gehen. Auch in China legte man sich keine große Hemmungen auf.
Es geht um die Phase ab 1907. Hier wären ein paar Einzelheiten erwünscht.

(1)Woran GB interessiert war, war primär der Erhalt seines Empire. (2)Dazu musste insbesondere die russische Bedrohung von Indien genommen werden. (3)GB befand sich wirtschaftlich auf dem absteigenden Ast, auch gegenüber D, und musste sich was einfallen lassen. (4)Es war also am Zusammenprall der Interessen Ds und Rs auf dem Balkan interessiert. (5)Was nicht notwendigerweise Krieg bedeuten musste, aber sehr wohl konnte.
Das scheint, aus meiner Sicht, der bisher wichtigste Punkt in Deinen Ausführungen zu sein, weil es für mich persönlich Deine restlichen Ausführungen endlich erklärt.

Eine ausgesprochen gewagte These, wie ich meine, für die sicherlich auch Literatur, Quellen bzw. Dokumente vorhanden sind, um ein wenig Deiner eigenen Forderung nachzukommen, oder gehört diese These in den Bereich Deiner Interpretation?
Punkt Interpretation: Ich habe 5 Sätze geschrieben (sieher Nummerierung oben). Jedem kann man prinzipiell etwas entgegnen. Silesia zweifelt beispielsweise an Nr. 3, darauf gehe ich unten noch mal ein. Eingangs der Diskussion habe ich schon die These vertreten, dass die Großmächte D, GB und R daran interessiert waren, sich gegenseitig auszuspielen. Das ist bei der damaligen Politik auch absolut logisch. Finde ich zumindest. Daraus ergibt sich beispielsweise Satz 4 automatisch.
Punkt Literatur: Ich habe schon oben gesagt, ich zweifle an der politischen Korrektheit meiner Quellen. Da ich nicht gern in die rechtskonservartive Ecke gedrängt werden möchte, bin ich gern bereit, das hier nicht weiter zu vertiefen, schlagen werde ich mich für diese Thesen jedenfalls nicht. Silesia erwähnt öfter "die deutsche Kriegsschuldliteratur der 1920er." Was ich habe, ist durchaus neueren Datums. Ich habe Silesia PMs geschickt, und ihn um eine Einschätzung gebeten. Leider hat er (noch) nicht geantwortet.
Weiterhin möchte ich betonen, dass auch die Buchautoren interpretieren.

Ich sehe nicht, wie und vor allem warum das Deutsche Reich einen Krieg zwischen Japan und Russland hätte herbeiführen wollen. Zum einen ist das Risiko der Aufdeckung groß und würde mehr schaden als eventuell gewonnen werden könnte. Zum anderen waren viele Gegensätze zwischen den Großmächten klar und brauchten kaum der Mitwirkung der Reichsregierung. ... Daher kann ich kein herbeiführen erkennen, wohl aber ein "wir hätten nichts dagegen und wollen daraus Vorteile holen".
A) meinem Verständnis nach belegt Silesia das Mitwirken am "Herbeiführen" im Eingang des Threads
B) ist der von Dir befürchtete Schaden ja auch tatsächlich eingetreten. Die deutsche Politik hat damals nicht sehr klug gehandelt, darüber besteht hier wohl weitestgehende Einigkeit.

Und einmal ganz allgemein: Die poltische, diplomatische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Geschichte des Kaiserreichs ist wirklich hervorragend erforscht, so das hier kaum Raum für Interpretationen ist.
Meiner Einschätzung nach ist gerade in einem Diskussionsforum Raum für Interpretationen. Elektronisch gespeicherte Diskussionsbeiträge kann man zwar nicht wirklich verbrennen, man kann aber unangenehme Intoleranz durchblicken lassen.

Ach das ist aber Schade (dass für Interpretationen nach Turgot "kaum Raum" ist, H.), denn micht hätte doch dringend interessiert, wie der Krieg oder Kriegsbeginn verlaufen wäre, wenn z.B. die Detachierte Division...
Interpretationen historischer Sachverhalte und "what if" sind zwei paar Stiefel. "What if" haben wir auch schon anderweitig gespielt. In einem passenden neuen Thread zum Ersten Weltkrieg kannst Du bestimmt entsprechende Überlegungen anstoßen.

Belege bitte. (für meine Behauptung, effektive Unterstützung für R durch D war 1905 nicht drin, H.)
Es ist doch bekannt, dass Deutschland sich darauf beschränkt hat, mittels eigener Handelsschiffe die russische Flotte mit Brennstoff zu versorgen. Die deutsche Flotte war für eine Auseinandersetzung im Pazifik sicher nicht verwendbar, sagst Du unten doch selbst. Der Gedanke an den Einsatz deutscher Bodentruppen in der Mandschurei hat etwas Absurdes. Was Deutschland hätte sonst noch tun können, weiß ich auch nicht.

Diese Tatsachen waren natürlich auch den Briten bekannt. Das Deutsche Reich wollte mit Hilfe der Flotte seinm Anspruch auf Weltmacht nachdrücklich geltend machen.Zum Status einer Weltmach gehörten im Zeitalter des Imperialismus u.a.Kolonien und über das größte Kolonialreich gebot Großbritannien.
Stimmt.

Nach Lage der Dingen konnte dieser deutsche Anspruch nur zu Lasten der anderen Weltmächte, hier eben Großbritannien, gehen. Großbritannien war aber eben nicht bereit so ohne weiteres das Feld zu räumen. Lesen wir hierzu einmal Auszüge aus Bülows Reichtstagrede vom 06.12.1897:

"Die Zeiten, wo der Deutsche dem einen seiner Nachbarn die Erde übeließ, dem anderen das Meer und sich selbst den Himmel reservierte, wo die reine Doktrin thron, diese Zeiten sind vorüber." (1)

Das ist doch eine sehr deutliche Aussage.

Und nicht zu vergessen, die deutsche Schlachtschifflotte wurde von Tirpitz so konzipiert, das sie die Entscheidungsschlacht gegen die Royal Navy in der Deutschen Bucht schlagen konnte und sollte. Der Aktionsradius reichte auch nicht wesentlich weiter.
Ja, klar. Das lief zwar so, aber hat es unbedingt so laufen müssen? Ausführlicher unten zu Silesia.

Die Frage ist falsch gestellt. Sie muss lauten, sollte sich Großbritannien als Weltmacht von dem Newcomer Deutschland so herausfordern lassen? Die Antwort kennst du. Und im Zeitalter des Imperialismus hatte eben Land A höchstens das theoretische Recht so viele Kriegsschiffe zu bauen wie Land B. Und wenn land B das nicht gefällt, wird die Flotte von Land A auch schon mal versenkt, so lange sie nicht fertig und somit keine Bedrohung darstellt. Auswärtige Politik hat damals ganz anders funktioniert als heute. Auswärtige Politik war u.a. auch knallharte Machtpolitik.
Und eben diese Art der Politik führt direkt in den Ersten Weltkrieg. Wenn man sich fragt, wie der hätte vermieden werden können, muss man sich Alternativen zu den eingeschlagenen Wegen vorstellen. Und sich beispielsweise fragen, ob ein "vernünftiger deutscher Imperialismus" denkbar gewesen wäre. Und ob die anderen großen Mächte nicht vielleicht besser daran getan hätten, Deutschland zu ihnen aufrücken zu lassen.

"GB hätte sich ..." Das GB gibt es nicht.
Bereits der Hinweis ist aufgrund der Regierungswechsel problematisch. 1906/1909 fuhr man eine Politik zugunsten der Sozialausgaben, bis man in der Öffentlichkeit realisierte, in Rückstand zu geraten.
Generell differenzierst Du zuviel. Natürlich gab (und gibt) es das GB. Außerhalb irgendwelcher revolutionärer Randfiguren gilt die Staatsräson für die gesamte politische Klasse. Nur die Gewichtungen können sich natürlich verschieben.

Es gab britischerseits zwei koloniale/imperialistische Interessenausgleiche sowie ein anti-russisches Bündnis mit Japan. Wenn man in Deutschland die These vertrat, sie seien gegen das Deutsche Reich gerichtet, ist dies dem Umstand geschuldet, dass man deutscherseits nun nicht mehr wie zu Bismarcks Zeiten von Friktionen zwischen den anderen Mächten leben und damit für die Durchsetzung eigener Interessen spielen konnte.

Die deutsche Kriegsschuldliteratur der 1920er hat sich dann intensiv und erfolglos damit beschäftigt, den Briten 1904/1907 antideutsche Bündnisse zu unterstellen.
Diese Interessenausgleiche zogen militärische Kooperationen nach sich. Das ist belegbar, und ich hatte angenommen, das wäre allgemeiner Stand der Kenntnis. In der Folge wirkten die Interessenausgleiche gegen Deutschland, und waren zumindest von Fraktionen innerhalb der britischen Politik auch so angelegt bzw. verwendet.

Eine Korrektur: dass die deutsche Flottenrüstung gegen Großbritannien gerichtet war, daran herrschte in Großbritannien seit dem ersten Flottengesetz 1898 nicht der leiseste Zweifel, auch wenn die "Nordsee" zunächst nicht einmal im Fokus stand (das ist eher eine Entwicklung nach 1904). In den DFBP-Akten sind übrigens haufenweise Analysen zu finden, die sich mit der Stützpunktfrage und der britischen Gegenpolitik gegen deutsche Optionen auf solche (Kanal-Westafrika-Kap-Ostafrika) zu finden.
Das ist falsch (ich sagte: der Schlachtflottenbau konnte GB nie wirklich gefährden.), weil der Ausgang nicht nur vom deutsch-britischen Rüstungswettlauf abhängt, sondern auch von der weiteren politischen Großwetterlage. 1914 im Zuge der letzten britisch-russischen Gespräche herrschte Aufregung über die russischen Rüstungsprogramme auf britischer Seite, und die Perspektive eines dt.-russischen Bündnisses. 1912 waren jedenfalls die Verhältnisse noch so eng gewesen, dass man sich - einmaliger Vorgang! - quasi aus dem Mittelmeer flottenseitig zurückzog. Der kürzeste Seeweg nach Indien war damit der französischen Flotte überlassen, ein ungeheuerlicher Vorgang für die britische Politik. Das zeigt bereits, wie diese Nordsee-Flottenrüstung Großbritannien regelrecht an die Seite Frankreichs quetschte.
Aber er war lästig. Das Wettrüsten verschlang Geldmittel und zwang die Briten den Großteil ihrer Flotte in den Nordsee zu konzentrieren. Und außerdem - nicht zu unterschätzen - der verbissene Versuch die brit. Flotte zu überflügeln machte ja die Intention der Deutschen, irgendwie am brit. Thron zu sägen, überaus deutlich.
Deutschland wollte um die Weltmachtrolle rivalisieren, soviel ist klar. Dass man dazu eine große Flotte brauchte, stellte man sich eben vor. Dass man damit Großbritannien herausforderte, hätte man sich denken können. Dass sich Großbritannien aber wirklich herausfordern ließ, war Großbritanniens Entscheidung. Ich habe ja selbst schon "what if" gespielt und behauptet, eine effektive Herausforderung Großbritanniens wäre nur durch ein deutsch-russisches Bündnis, auch flottenbauseitig, möglich gewesen. Das stand aber nie wirklich zur Debatte, gerade nach 1905 nicht mehr und 1914 gleich zweimal nicht, und das hätte britischerseits bekannt sein müssen. Entsprechende "Aufregungen" würde ich also entweder als Mega-Phobie oder als Intrige einschätzen.
Soweit ich weiß, gab es nie deutsche Pläne, "am britischen Thron zu sägen" (vorbehaltlich irgendwelcher rein militärischer Planspiele, die mir nicht bekannt sind). Die deutsche Flotte sollte also Großbritannien nicht gefährden, wenigstens nicht Großbritanniens Existenz, höchstens Großbritanniens maritimen Führungsanspruch. Die deutsche Flotte konnte Großbritannien auch nicht gefährden, weil deutscherseits die nötigen Baukapazitäten nicht vorhanden war und nach den Entwicklungen um 1910 auch nicht zu erwarten war, dass sie geschaffen würden. Diese Überlegungen hätten in GB bekannt sein und in die politischen Überlegungen mit einfließen können.
Die weitestgehende Räumung des Mittelmeeres durch die britische Flotte geschah m.e. nicht unter dem Zwang einer Bedrohung, sondern weil infolge der fortgeschrittenen Bündnissituation mit F Großbritannien sich schlicht diese Möglichkeit der Kräftekonzentration eröffnete.

(2. Teil folgt)
 
(2. Teil)

Die Positionierung GBs im Gegnerlager hatte also andere Gründe.
GB befand sich wirtschaftlich auf dem absteigenden Ast, auch gegenüber D, und musste sich was einfallen lassen. [1]

Es war also am Zusammenprall der Interessen Ds und Rs auf dem Balkan interessiert. Was nicht notwendigerweise Krieg bedeuten musste, aber sehr wohl konnte.[2]
[1] das ist falsch, auch wenn es neuerdings in einzelnen oberflächlichen Darstellungen wie von Ferguson wieder kolportiert wird. Ein Tipp: hier sollte man auf rein wirtschaftshistorische Monographien zurückgreifen, die von Verursachungsdebatten nicht ideologisch aufgeladen sind. Es öffnet sich der Blick, wenn man Fakten nicht selektiv präsentiert bekommt.

[2] das Interesse mag es temporär gegeben haben, temporär auch nicht (Management der Balkankrisen). Für den Zusammenprall bedurfte es keiner Einwirkung Großbritanniens (die im Übrigen nirgends nachweisbar ist), sondern der Gegensatz wurde von D und RUS bereits selbst betrieben. Die deutsche Interessenpolitik auf dem Balkan (ROM, diverse Anleihen selbst für Serbien und Griechenland, Einwirkung auf Bulgarien etc.) war insoweit höchst logisch, wenn man die imperiale Einflußnahme durch militärisches, ökonomisches und politisches Engagement im Osmanischen Reich verfolgte. Der Balkan liegt eben zwischen Berlin und Bagdad.
[1] Das ist mir nicht besser bekannt, weil ich die Wirtschaftsstatistiken für den Beginn des 20.Jh. nicht selbst gefälscht habe. Die Überlegenheit der britischen Flottenrüstung würde Deine These stützen. Das mit der Stahlproduktion
- 1900 wurde in den RINA diskutiert, dass die deutsche Stahlproduktion die britische seit 1890 überholt habe. Außerdem seien nunmehr eine größere Zahl der deutschen Werke in der Lage, Stahlplatten größeren Querschnitts und von hoher Festigkeit zu produzieren.
sie wieder in Frage stellen.
[2]Das kann man auch anders interpretieren. Im Frühjahr wird es wärmer, nicht wahr? Es kann aber auch sein, dass auf einen wärmeren wieder ein kälterer Tag folgt. Bezogen auf die britische Politik kann man das so sehen, dass es die langfristige Richtung des Interesses einerseits, kurzfristiges Steuern aus temporären Gründen in die Gegenrichtung andererseits gab. Sicher, der deutsch-russische Zusammenprall auf dem Balkan bedurfte der britischen Nachhilfe nicht. Er kam GB aber höchst gelegen, lenkte er doch Russland von asiatischen Zielen ab.

Och, wieso eigentlich nicht? (effektive Unterstützung Rs durch D, H.) Das DR hatte 1905 doch auch schon Schlachtschiffe, die hätten doch mit der russ. Ostseeflotte nach Japan schippern können. ;)
Ja, auch grins. Erstens waren die deutschen Schiffe laut Turgot für einen solchen Einsatz nicht gedacht. Zweitens hätte das Eingreifen Deutschlands in den Russisch-Japanischen Krieg für GB den Bündnisfall ausgelöst. Die britische Flotte hätte die vereinigte deutsch-russische in künstliche Riffe umgewandelt, zur Freude der Unterwasserfauna (nicht zu große Sinktiefe vorausgesetzt).

Das geht aber an der eigentlichen Fragestellung völlig vorbei. Der Punkt ist nicht, ob das DR das Recht hatte eine Schlachtflotte zu bauen, sondern ob es politisch klug war solches zu tun. Und die politischen Folgen richten sich nunmal danach was GB glaubt, nicht was es weiß.
Gerade das DR hat immer wieder das Machtprinzip hochgehalten und wollte sich "nur auf sein gutes Schwert" verlassen und nicht auf internationales Recht und Schiedsgerichte und solche lächerlichen Einrichtungen.
Dann muss es aber auch mit den Folgen leben und wenn man GB die Seeherrschaft sauer macht, indem man es zwingt mehr teure Schiffe zu bauen, dann hat GB doch jedes "Recht" dem DR mit gleicher Münze heimzuzahlen und seine militärische Lage an Land auch mal ein bisschen zu erschweren. ....
So überflüssig und kontraproduktiv wie die deutsche Flotte, richtig.
Tusch!

Doch, das (z.B. portugiesischer Kolonialbesitz wird deutsch, H.) wurde von GB mehrmals angeboten oder zumindest "in den Raum gestellt". Die Deutschen sind aber nie darauf angesprungen, weil eben der Verzicht auf den Flottenbau der Preis gewesen wäre.
Du hast Recht, das hatte ich nicht mehr parat. Hat aber trotzdem irgendwie ein Gschmäckle. Außerdem: ausgedehnter Kolonialbesitz, aber keine Flotte, um ihn zu verteidigen...?

Richtig, aber dieses Vorgehen (Bündnisse zu schließen, H.)hat das DR gegenüber GB eben nicht ernsthaft versucht. Man hat sich nie klar entschieden, ob man die Briten nun erpressen wollte oder sie befrieden wollte.
Eben. Man kann deutscherseits eine größere Kette unklugen Verhaltens feststellen.


Grüße, Holger
 
HolgerXX schrieb:
Manchmal habe ich den Eindruck, ich lese politisch unkorrekte Autoren. Aber den "Neitzel" habt Ihr mir doch selbst empfohlen? Darf man den zitieren? "Kriegsausbruch. Deutschlands Weg in die Katastrophe 1900-1914" (2002), S. 150:
"Der französische Generalstabschef Joffre erhielt damit (dem Dienstpflichtgesetz, H.) endlich die Kapazitäten, die er zur Verwirklichung seines offensiven "Plans XVII" benötigte. Dieser trat nach zwei Jahren Vorbereitung im Februar 1914 in Kraft und setzte ganz auf den Primat der Offensive. Seit August 1911 hatten die Generalstäbe in Paris und St. Petersburg an einer gemeinsamen Kriegsstrategie gearbeitet, die im September 1913 ihre endgültige Form erhielt und die bislang defensiv ausgerichtete Zweierallianz, analog zum deutsch-österreichischen Zweibund, in ein Offensivbündnis umwandelte."

Der Plan XVII trat erst im April 1913 in Kraft. Das russissch-französische Bündnis datiert aber immerhin schon aus dem Jahre 1892/94. Des Weiteren tangieren die internen französischen Planungen ja nicht den eigentlichen defensiven Charakter der Vereinbarung. Die französische Planung sah u.a. eben vor, das im Kriegsfalle die französischen Operationen offensiv geführt werden würden. Im Klartext man würde gegen Lothringen vorgehen. Die Franzosen wollten den Deutschen also jenen Liebesdienst erweisen, den gemäß Schlieffen sie (die Franzosen) den Deutschen nie erweisen würden.

Anzumerken ist, das sich die Franzosen durchaus ihre Gedanken zu den jüngsten beträchtlichen deutschen Heeresverstärkungen gemacht haben. Dies ist sicher ein grund für die Abänderung der französischen Planungen, da das französische Heer möglichst rasch tätig werden sollte, ehe die deutschen Reserven in Form der umfänglichen Reseristen das Schlachtfeld betreten. Das belgische Problem wurde dadurch reduziert, das die Briten auf dem französischen Boden antreten und zwar würden sie am linken der Franzosen erscheinen.

Das Ergebnis der französischen- russischen Besprechungen, wie im Kriegsfalle vorgegangen werden sollte, betraf nicht den Bündnisfall als solches! Es wurde nach massiven Drängen der Franzosen festgelegt, dass das zaristische Heer 16 Tage nach Beginn des Krieges eine Offensive gegen Ostpreussen starten würden. Und die Russen haben sich geweiget, dies in Form einer schriftlichen Abmachung zu gießen.

Die französischen Militärs erhofften sich eine Bindung von 5-6 deutschen Armeekorps. Eine fatale Fehleinschätzung wie wir wissen.

So, es geht nachher weiter, in Moment habe ich keine Zeit mehr.
 
HolgerXX schrieb:
Es geht um die Phase ab 1907. Hier wären ein paar Einzelheiten erwünscht.

Hier die ganzen Einzelheiten zu referieren, würde dem Rahmen sprengen. Drücken wir es einmal so aus: Das Zarenreich wardurchaus nicht gewillt, sich an die Vereinbarungen von 1907 zu halten. Sie nutzten dabei ganz gezielt die fehlende Alternative Großbritanniens knallhart aus. Des Weiteren fehlte es den Briten auch ganz konkret in Asien an einer entsprechenden Truppenpräsenz.
Die Russen konnten aber sehr nervös und plötzlich entgegenkommend werden, als auch nur die Möglichkeit eines deutsch-englischen Ausgleiches wie beispielsweise 1912 im Raume stand. Ich habe hier noch zwei Literaturhinweise für diesen Themenkomplex:

Hauser, Deutschland und der Englische-Russische Gegensatz

Wormer; Großbritannien, Rußland und Deutschland

HolgerXX schrieb:
Meiner Einschätzung nach ist gerade in einem Diskussionsforum Raum für Interpretationen. Elektronisch gespeicherte Diskussionsbeiträge kann man zwar nicht wirklich verbrennen, man kann aber unangenehme Intoleranz durchblicken lassen.

Aha, wenn ich also ausführen, das 2x2=4 ist und eben nicht 5 dann ist das unangnehm intolerant. Dein Problem ist, das du in eine vertiefte Disskusion über die außenplitischen Großwetterlage von 1890 bis 1914 begonnen hat, ohne über einen fachlich entsprehenden Unterbau zu verfügen. Und deinen Ausführungen nach zu urteilen, hast du aus Zeitmangel nicht vor, dies abzuändern. Das ist schade, aber du solltest schon zur Kenntnis nehmen, das deine Mitdiskutanten sich das ihr Fachwissen über viele Jahre hinweg angeeigent haben. Das läßt sich nämlich nicht so im Schnelldurchlauf und Querlesen bewerkstelligen.

HolgerXX schrieb:
Es ist doch bekannt, dass Deutschland sich darauf beschränkt hat, mittels eigener Handelsschiffe die russische Flotte mit Brennstoff zu versorgen. Die deutsche Flotte war für eine Auseinandersetzung im Pazifik sicher nicht verwendbar, sagst Du unten doch selbst. Der Gedanke an den Einsatz deutscher Bodentruppen in der Mandschurei hat etwas Absurdes. Was Deutschland hätte sonst noch tun können, weiß ich auch nicht.

Hier habe ich deine Ausführungen missverstanden.


HolgerXX schrieb:
Und eben diese Art der Politik führt direkt in den Ersten Weltkrieg. Wenn man sich fragt, wie der hätte vermieden werden können, muss man sich Alternativen zu den eingeschlagenen Wegen vorstellen. Und sich beispielsweise fragen, ob ein "vernünftiger deutscher Imperialismus" denkbar gewesen wäre. Und ob die anderen großen Mächte nicht vielleicht besser daran getan hätten, Deutschland zu ihnen aufrücken zu lassen.

Du musst die damalige Politik aus der Zeit heraus versuchen zu verstehen. Du kannst nicht mit heutigen Maßstäben die Poltik der Jahre 1890 bis 1914 bewerten. Das führt zu nichts. Damals hat man ein grundlegend anderes Verständnis von der zu führenden Außenpoltik, das galt insbesondere für die Groß- und Weltmächte, gehabt.

HolgerXX schrieb:
Dass sich Großbritannien aber wirklich herausfordern ließ, war Großbritanniens Entscheidung.

Es entsprach Großbritanniens Selbstverständis als See- und Weltmacht, das die Royal Navy so stark sein müsse, wie zweit- und drittstärkste Flotte zusammen. Das war der deutschen Reichsleitung auch durchaus bekannt. Man darf das deutsche Handeln hier durchaus als Provokation bezeichnen. Jedenfalls hatte Großbritannien eben aus diesem Grunde bereits im Jahre 1889 den Two Power Standard verabschiedet, also lange Zeit bevor die kaiserliche Marine im Fokus fer britischen Aufmerksamkeit gelangte.
 
Zuletzt bearbeitet:
HolgerXX schrieb:
Die weitestgehende Räumung des Mittelmeeres durch die britische Flotte geschah m.e. nicht unter dem Zwang einer Bedrohung, sondern weil infolge der fortgeschrittenen Bündnissituation mit F Großbritannien sich schlicht diese Möglichkeit der Kräftekonzentration eröffnete.

Das ist unzutreffend. Die Route durch das Mittelmeer war einer der Schlagadern des Empire und deren Schutz überläßt man nicht so ohne weiteres einen Partner. Es war die handfeste Drohung durch die deutsche Flotte.

Lloyd George hatte in einer Rede am 04.Februar 1912 in London die Velegung des Mittelmeergeschwaders in die Nordsee bekanntgegeben und u.a. aussgeführt:" Wir sind nicht die einzigen, die die aus der internationalen Atmossphäre entspringenden Gefahren erkennen.." (1)

Albert Hopmann (Hrsg Michael Epkenhans), Das ereignisreiche Leben eines Wilhelminers, S.195
 
Zuletzt bearbeitet:
Des Weiteren tangieren die internen französischen Planungen ja nicht den eigentlichen defensiven Charakter der Vereinbarung. Die französische Planung sah u.a. eben vor, das im Kriegsfalle die französischen Operationen offensiv geführt werden würden.
Aha. Offensive zur eigentlichen Defensive. So habe ich das auch noch nicht gesehen.

Das Ergebnis der französischen- russischen Besprechungen, wie im Kriegsfalle vorgegangen werden sollte, betraf nicht den Bündnisfall als solches!
Klar. Es ist auch ein kleiner, aber feiner Unterschied, ob man jetzt gemeinsam einen Banküberfall plant oder sich konkret zu einem solchen verabredet. Ich gestehe jedenfalls der deutschen Führung zu, diese Planungen als Angriffsabsichten zu deuten.

Hier die ganzen Einzelheiten zu referieren, würde dem Rahmen sprengen.
3-4 Stichpunkte, Einzeiler mit (ungefähren) Datumsangaben würden mir für hier genügen. Ansonsten würde ich für die Thematik einen eigenen Thread anregen.

Aha, wenn ich also ausführen, das 2x2=4 ist und eben nicht 5 dann ist das unangnehm intolerant. Dein Problem ist, das du in eine vertiefte Disskusion über die außenplitischen Großwetterlage von 1890 bis 1914 begonnen hat, ohne über einen fachlich entsprehenden Unterbau zu verfügen. Und deinen Ausführungen nach zu urteilen, hast du aus Zeitmangel nicht vor, dies abzuändern. Das ist schade, aber du solltest schon zur Kenntnis nehmen, das deine Mitdiskutanten sich das ihr Fachwissen über viele Jahre hinweg angeeigent haben. Das läßt sich nämlich nicht so im Schnelldurchlauf und Querlesen bewerkstelligen.
Wenn man sich mal Deine obigen Ausführungen zum französisch-russischen Bündnis durchliest, dann sind das zwar mehr Details als bisher, aber nichts, was mich zu einer Änderung meiner Einschätzung bewegen könnte. Sicher, es gibt erfahrenere und weniger erfahrene Hobby-Historiker. Ich gehöre vielleicht zu den letzteren. Dennoch: Wenn ich etwas falsch machen sollte, erhoffe ich mir, nicht abgekanzelt zu werden, sondern sachlich auf die Fehler hingewiesen zu werden. Noch entscheidender ist es aber, wenn es sich um verschiedene Möglichkeiten der Interpretation handelt. Ich fordere hier nicht mehr für mich, als ich anderen zugestehe, nämlich ein Recht auf die eigene Sichtweise. Bleiben da Differenzen, und das ist unvermeidlich, wäre es fair zu sagen: wir einigen uns darauf, uns nicht einigen zu können.

Du musst die damalige Politik aus der Zeit heraus versuchen zu verstehen. Du kannst nicht mit heutigen Maßstäben die Poltik der Jahre 1890 bis 1914 bewerten. Das führt zu nichts. Damals hat man ein grundlegend anderes Verständnis von der zu führenden Außenpoltik, das galt insbesondere für die Groß- und Weltmächte, gehabt.
Mein Standpunkt ist: Wer kritisieren will, muss sich Alternativen wenigstens vorstellen können.

Es war die handfeste Drohung durch die deutsche Flotte.
Es wäre ein Fakt, wenn Du sagen könntest, es gab eine konkrete deutsche Drohaktion (großes Flottenmaneuver z.B.), die die Briten zur Konzentration ihrer Flotte veranlasste. Gab es die aber nicht, bleibt deutscherseits nur die allgemeine Provokation, bei der wir uns einig sind. Die weitere Einschätzung des Ereignisses ist für mich eine Interpretation, und da müssen wir uns, wie gesagt, nicht einig sein.

Grüße, Holger
 
Ich habe ja selbst schon "what if" gespielt und behauptet, eine effektive Herausforderung Großbritanniens wäre nur durch ein deutsch-russisches Bündnis, auch flottenbauseitig, möglich gewesen.
Da gab es theoretisch durchaus noch andere Varianten. Das Besetzen der Kanalküste zwecks U-Bootkrieg oder die Ausschaltung Frankreichs und Russlands, um alle Mittel auf den Schiffsbau konzentrieren zu können.

Soweit ich weiß, gab es nie deutsche Pläne, "am britischen Thron zu sägen" (vorbehaltlich irgendwelcher rein militärischer Planspiele, die mir nicht bekannt sind). Die deutsche Flotte sollte also Großbritannien nicht gefährden, wenigstens nicht Großbritanniens Existenz, höchstens Großbritanniens maritimen Führungsanspruch.
Was aber de facto auf das Gleiche hinausläuft. Ohne Armee war GB Sicherheit völlig vom maritimen Führungsanspruch abhängig. Und der maritime Führungsanspruch plus Kolonien ist das was ich mit "britischem Thron" gemeint habe.

Ja, auch grins. Erstens waren die deutschen Schiffe laut Turgot für einen solchen Einsatz nicht gedacht. Zweitens hätte das Eingreifen Deutschlands in den Russisch-Japanischen Krieg für GB den Bündnisfall ausgelöst. Die britische Flotte hätte die vereinigte deutsch-russische in künstliche Riffe umgewandelt, zur Freude der Unterwasserfauna (nicht zu große Sinktiefe vorausgesetzt).
Aber das wäre doch durchaus im Interesse der Deutschen gewesen. Hätte die brit. Flotte die russische und deutsche weggebombt, dann hätte das Kriegserklärungen zur Folge gehabt. Russland und das DR vs Japan und GB. Wenn Frankreich da neutral bleibt (was wahrscheinlich ist), ist die Entente dann vermutlich Geschichte.
Das wäre die Chance gewesen die Entente zu sprengen, da muss man dann halt auch mal was riskieren und nicht wie in den lächerlichen Marokkokrisen mit leeren Drohungen hausieren gehen.


Du hast Recht, das hatte ich nicht mehr parat. Hat aber trotzdem irgendwie ein Gschmäckle. Außerdem: ausgedehnter Kolonialbesitz, aber keine Flotte, um ihn zu verteidigen...?
Geschmäckle. ;)
Der Einmarsch in Belgien, der hatte Geschmäckle. Schwächeren Staaten die Kolonien wegzuziehen, das haben die USA vs Spanien doch so schön vorgemacht, das war doch ein Kavaliersdelikt.
Und wer hätte denn außer GB eine deutsche Kolonie in Afrika angreifen wollen? Frankreich, Japan, Russland oder die USA?

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Die französischen Militärs erhofften sich eine Bindung von 5-6 deutschen Armeekorps. Eine fatale Fehleinschätzung wie wir wissen.
Wieso? Das dürfte doch etwa hingekommen sein. Drei Korps kamen bei Tannenberg zum Einsatz und zwei wurden dann noch abgezogen von der Westfront, also 5-6.

Du musst die damalige Politik aus der Zeit heraus versuchen zu verstehen. Du kannst nicht mit heutigen Maßstäben die Poltik der Jahre 1890 bis 1914 bewerten.
Ich würde das Problem eher darin sehen, dass das DR zu einem "vernünftigen" Imperialismus, also ohne das bisherigen System umzustoßen, nicht so wirklich geneigt war. Logisch wäre m.E. gewesen, zu versuchen den Flottenbau gegen politische Zugeständnisse abzubrechen, als absehbar wurde, dass GB nicht zu überrüsten ist. Statt dessen hat man sinnlos weiter Schlachtschiffe gebaut bis 1914.
Es gibt von Tirpitz so ein schönes Argument, ich glaube anlässlich der Haldane-Mission. Da meint er sinngemäß, wenn man den Flottenbau jetzt abbrechen würde, dann wäre ja alle vorangegangen Anstrengungen sinnlos gewesen, der ganze Flottenbau umsonst. So als ob eine sinnlose Strategie dadurch sinnvoll wird, dass man nur stur genug daran festhält.
 
El Mercenario schrieb:
Wieso? Das dürfte doch etwa hingekommen sein. Drei Korps kamen bei Tannenberg zum Einsatz und zwei wurden dann noch abgezogen von der Westfront, also 5-6.

Die 8.Armee war u.a. in das I.Armeekorps, das XVII.Armeekorps und dasXX.Armeekorps gegliedert. Hinzu kam noch das I.Reservekorps.

Die beiden am 26.08 verlegten Korps hatte ich nicht mitgezählt, da ich davon ausging, das Joffre von einer Bindung sprich Entlastung der französischen Grenze zu Beginn der Offensive im Sinne hatte. Aber gut. So betrachtet hast du recht.

Logisch wäre m.E. gewesen, zu versuchen den Flottenbau gegen politische Zugeständnisse abzubrechen, als absehbar wurde, dass GB nicht zu überrüsten ist. Statt dessen hat man sinnlos weiter Schlachtschiffe gebaut bis 1914.
Es gibt von Tirpitz so ein schönes Argument, ich glaube anlässlich der Haldane-Mission. Da meint er sinngemäß, wenn man den Flottenbau jetzt abbrechen würde, dann wäre ja alle vorangegangen Anstrengungen sinnlos gewesen, der ganze Flottenbau umsonst. So als ob eine sinnlose Strategie dadurch sinnvoll wird, dass man nur stur genug daran festhält.

Zu einem Abbruch war Tirpitz eben definitiv nicht bereit. Das wäre nur ohne Tirpitz möglich gewesen. Tirpitz wollte sich nicht sein Lebenswerk ruinieren lassen.
 
Zuletzt bearbeitet:
HolgerXX schrieb:
Aha. Offensive zur eigentlichen Defensive. So habe ich das auch noch nicht gesehen.

HolgerXX schrieb:
Klar. Es ist auch ein kleiner, aber feiner Unterschied, ob man jetzt gemeinsam einen Banküberfall plant oder sich konkret zu einem solchen verabredet. Ich gestehe jedenfalls der deutschen Führung zu, diese Planungen als Angriffsabsichten zu deuten.

Ich weiß wirklich nicht wo dein Problem liegt. Die russisch französische Militärkonvention sah eine Mobilmachung vor, nach dem eine Macht des Dreibundes die Mobilmachung in die Wege geleitet hat.


Das ist wichtig. Weshalb sollen dann die miliätischen Operationen der Franzosen und Russen dann defensiv bleiben?

HolgerXX schrieb:
3-4 Stichpunkte, Einzeiler mit (ungefähren) Datumsangaben würden mir für hier genügen. Ansonsten würde ich für die Thematik einen eigenen Thread anregen.

Ein paar Stichpunkte habe ich schon im Verlauf des Threads geleifert. Aus Post #137:

Turgot schrieb:
Nein, das waren sie eben nicht und wenn nur sehr vorgergründig. Wie schon gesagt, hilft hier eine vertiefende Auseinandersetzung der weiteren Entwicklungen in Persien, beispiehaft sind u.a. die Vorgänge in der neutralen Zone, den Personen Mohammed Ali Mirza oder Morgan Shusters oder die russische Bombardierung der Moschee von Meschhed etc.etc., China und des Orients weiter.

HolgerXX schrieb:
Es wäre ein Fakt, wenn Du sagen könntest, es gab eine konkrete deutsche Drohaktion (großes Flottenmaneuver z.B.), die die Briten zur Konzentration ihrer Flotte veranlasste.

Die starke Präsenz der deutschen Flotte in der Nordsee wurden von den Briten ganz eindeutig und unmissverständlich als Bedrohung verstanden.
 
Ich weiß wirklich nicht wo dein Problem liegt. Die russisch französische Militärkonvention sah eine Mobilmachung vor, nach dem eine Macht des Dreibundes die Mobilmachung in die Wege geleitet hat.
Das ist wichtig. Weshalb sollen dann die miliätischen Operationen der Franzosen und Russen dann defensiv bleiben?
Du stellst das so hin, als wäre es eine freiwillige Selbstverpflichtung der Zweierkonstellation gewesen, erst eine Mobilmachung des Gegners abzuwarten, bevor man selbst aktiv wird. Aber genau das war es nicht. Dazu habe ich mal zum "Plan XVII" gegoogelt. Schnapp Dir mal die Google-Vorschau von Stefan Schmidt, Frankreichs Außenpolitik in der Julikrise 1914, dort S. 247, und weiterblättern auf S. 248/249: Frankreichs Aussenpolitik in der ... - Google Bücher
Dort steht zum Artikel II der Vereinbarung, dass die Mobilmachung des Habsburgerreiches den Bündnisfall ausgelöst hätte. Nicht darin steht (zumindest sehe ich nichts dergleichen), dass eine Nicht-Mobilmachung (so etwas gibt es natürlich nicht, gemeint ist also der Normalzustand ohne Mobilmachung) die Zweierkonstellation am Handeln gehindert hätte. Eine Mobilmachung des Gegner zwingt dagegen die Zweierkonstellation ihrerseits zum Handeln.
Konfrontiert mit diesem Bündnis musste das Deutsche Reich dagegen eine sogar noch schlimmere Entwicklung befürchten, als sie im Juli 1914 tatsächlich eintrat. Da es diese "freiwillige Selbstverpflichtung" gar nicht gab, diese auch im Zweifel keiner noch so geringen Belastung standgehalten hätte, musste das Deutsche Reich jetzt mittelfristig einen unmotivierten Angriff auf seine Grenzen befürchten. Ein Eindruck, der sich mit dem Bekanntwerden der Verhandlungen über die britisch-russische Marinekonvention, die ebenfalls offensiven Charakter hatte, noch wesentlich verstärkte (Silesia mit seiner Sachkenntnis mag da widersprechen, ich interpretiere aus meiner Kenntnis und meiner Einschätzung der handelnden Personen). Für Deutschland stand es damit der Sache nach fest, angegegriffen zu werden. Nur der genaue Zeitpunkt war noch nicht klar. Eiskalt abwarten wollte man deutscherseits diese Entwicklung nicht. Deshalb schaltete man in der Julikrise 1914 dann auf "Krieg"

den Personen Mohammed Ali Mirza oder Morgan Shusters oder die russische Bombardierung der Moschee von Meschhed etc.etc., China...
Mirza, Shusters und "Meschhed" sind mir nicht bekannt. Nach denen werde ich bei Gelegenheit googeln. Noch ein kleines Detail zu "China"? Bitte, bitte?:serenade:

Die starke Präsenz der deutschen Flotte in der Nordsee wurden von den Briten ganz eindeutig und unmissverständlich als Bedrohung verstanden.
Bei ihrer Flottenübermacht konnten die Briten aber durchaus entscheiden, wie sie das verstehen wollen. Man kann ja mal die Anzahl der deutschen und der britischen Großkampfschiffe in der Nordsee 1912/14 feststellen und fragen, ob sich (aus der zu erwartenden zahlenmäßigen deutschen Unterlegenheit) objektiv gesehen eine Bedrohung GBs daraus ableiten lässt. Wird auf jeden Fall eine Interpretation.

Da gab es theoretisch durchaus noch andere Varianten. Das Besetzen der Kanalküste zwecks U-Bootkrieg oder die Ausschaltung Frankreichs und Russlands, um alle Mittel auf den Schiffsbau konzentrieren zu können.
Also: Uneingeschränkter Angriffskrieg Deutschlands auf die Kontinentalmächte, um mit GB fertig zu werden. Hust!

Was aber de facto auf das Gleiche hinausläuft. Ohne Armee war GB Sicherheit völlig vom maritimen Führungsanspruch abhängig. Und der maritime Führungsanspruch plus Kolonien ist das was ich mit "britischem Thron" gemeint habe.
Den Führungsanspruch gab man dann heimlich, still und leise an die USA ab. Und das, was ich mit "britischem Thron" meine, existiert noch heute. Eine "friedliche britische Koexistenz" mit einer großen deutschen Flotte, oder eine Akzeptanz der Juniorpartnerrolle GBs gegenüber D wären m.e. auch denkbar gewesen, und das ohne jedes Blutvergießen.

Aber das wäre doch durchaus im Interesse der Deutschen gewesen. Hätte die brit. Flotte die russische und deutsche weggebombt, dann hätte das Kriegserklärungen zur Folge gehabt. Russland und das DR vs Japan und GB. Wenn Frankreich da neutral bleibt (was wahrscheinlich ist), ist die Entente dann vermutlich Geschichte.
Das wäre die Chance gewesen die Entente zu sprengen, da muss man dann halt auch mal was riskieren und nicht wie in den lächerlichen Marokkokrisen mit leeren Drohungen hausieren gehen.
Du immer mit Deinen Schauerszenarien! :w00t1: Was Du da beschreibst, hätte den Kriegseintritt Frankreichs auf Seiten der Kontinentalmächte und den der USA auf Seiten der Seemächte zur Folge haben können. Auch das hätte ordentlich gegongt, soviel ist sicher. Wenigstens Marokkokrisen hätte man sich dann wirklich sparen können. Oder, wer sagt denn das? "Operation Torch" schon 1906????

Schwächeren Staaten die Kolonien wegzuziehen, das haben die USA vs Spanien doch so schön vorgemacht, das war doch ein Kavaliersdelikt.
Und wer hätte denn außer GB eine deutsche Kolonie in Afrika angreifen wollen? Frankreich, Japan, Russland oder die USA?
"Vernünftiger Imperialismus" hätte halt nicht nur einer Macht-, sondern auch einer moralischen Komponente bedurft, auch wenn es eine rassistische gewesen wäre. Behandeln sich Europäer erst mal gegenseitig so (die USA gehören ja nicht dazu, äh, oder so...:pfeif:) ist einer rücksichtslos auf Grenz- und Machtverschiebungen gerichteten Politik von wem auch immer Tür und Tor geöffnet.
Außerdem, das Reich hätte sich dann wieder mit der Juniorpartnerrolle gegenüber GB abfinden müssen. Dazu war man deutscherseits aber nicht bereit.
In einem Bündnis mit Russland hätte man ein "Durchdringungsszenario" laut Silesia ins Werk setzen können. Das verstaubte Zarenreich sowohl zur Erneuerung als auch zur (u.U. zynischen) Vernunft zu bringen hätte Deutschland wirklich ganz neue Möglichkeiten eröffnet.

Grüße, Holger
 
Mit Poincarè Amtsantritt als Außenminister und Ministerpräsident im Jahre 1912 hatte sich die französische Außenpolitik geändert. Die französische Diplomatie hat sich noch bis 1911 geweiget, für russische Balkaninteressen in einem Krieg einzusteigen.

Poincarè war gewisse kein Freund des Deutschen Reiches. Er hat auch ohne Frage sein Beitrag zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges geleistet, in dem er im Juli 1914 in Petersburg entsprechend Stimmung machte.

Poincarè war bereit den Bündnisfall auszudehnen, was insbesondere für das Pulverfass Balkan galt. Ich denke, man muss das wohl auch vor dem Hintergrund der unseligen Aktion von Kiderlen Wächter, Stichwort 2.Marokkorkrise, sehen. Auf jeden Fall war das eine bedeutende Kehrtwendung in der französischen Außenpolitik. Entscheidend war seine, Poincarè, Meinung nach aber noch die vorherige Mobimachung des Deutschen Reiches. Wichtig ist auch noch immer: Es war keine Verabredung zu einer gemeinsamen Offensive. Es war eine geplante offensive Reaktion. Man dachte hierbei wohl an eine Aktion österreichs-Ungarns, die vom Deutschen Reich unterstützt würde, gegen Serbien. Es ist aber doch recht unwahrscheinlich, dass das Deutsche Reich sich an einem lokalen militärischen Konflikt Österreich-Ungarn gegen Serbien eingeschaltet hat. Wilhelm II. hatte ja auch beispielsweise keine großen Probleme damit, wenn Serbien an der Adria ein Hafen erhalten hätte. Wie die Österreicher darüber dachten ist bekannt.

Interessant ist dann der praktische Anwendungsfalle, nämlich die Tatsache, dass Frankreich im Juli/August 1914, nach der Mobilmachung Österreich-Ungarn und des Deutschen Reiches nicht mobil machte!

Und Frankreich hatte schon zuvor im Zuge der Liman-von-Sanders-Krise in Petersburg reichlich Minuspunkte eingesammelt. Die Russen hatten eine deutlich stärkere Unterstützung von Paris erwartet. Die Beziehungen waren an einem Tiefpunkt angelangt, von denen sie sich auch nicht so schnell erholten.

HolgerXX schrieb:
Mirza, Shusters und "Meschhed" sind mir nicht bekannt. Nach denen werde ich bei Gelegenheit googeln. Noch ein kleines Detail zu "China"? Bitte, bitte?

Mandschurei.

Bei ihrer Flottenübermacht konnten die Briten aber durchaus entscheiden, wie sie das verstehen wollen. Man kann ja mal die Anzahl der deutschen und der britischen Großkampfschiffe in der Nordsee 1912/14 feststellen und fragen, ob sich (aus der zu erwartenden zahlenmäßigen deutschen Unterlegenheit) objektiv gesehen eine Bedrohung GBs daraus ableiten lässt. Wird auf jeden Fall eine Interpretation.

Die britische Flotte hatte weltweit Aufgaben zu erfüllen und konnte nicht so ohne weiteres einen zu großen Anteil des schwimmenden Materials in der Nordsee konzentrieren.
 
Zuletzt bearbeitet:
Also: Uneingeschränkter Angriffskrieg Deutschlands auf die Kontinentalmächte, um mit GB fertig zu werden. Hust!
Richtig. Das Vorgehen das Napoleon versucht hat und später dann Ludendorff. Warum Hust?

Den Führungsanspruch gab man dann heimlich, still und leise an die USA ab. Und das, was ich mit "britischem Thron" meine, existiert noch heute. Eine "friedliche britische Koexistenz" mit einer großen deutschen Flotte, oder eine Akzeptanz der Juniorpartnerrolle GBs gegenüber D wären m.e. auch denkbar gewesen, und das ohne jedes Blutvergießen.
Denkbar schon aber unattraktiv. Im Zweifel war GB eher bereit die Führungsrolle an die USA abzutreten als an Deutschland, was ich übrigens durchaus nachvollziehen kann. Ich wäre, in GBs Lage, auch lieber Juniorpartner der USA als der von Willhelm 2 gewesen. Zumal das DR gar nicht die Potenz der USA hatte und einem Juniorpartner ergo auch wenig zu bieten gehabt hätte.
Die "friedliche Koexistenz" halte ich allerdings für widersinnig, da die deutsche Flotte nunmal gegen GB gebaut worden war.

Du immer mit Deinen Schauerszenarien! :w00t1: Was Du da beschreibst, hätte den Kriegseintritt Frankreichs auf Seiten der Kontinentalmächte und den der USA auf Seiten der Seemächte zur Folge haben können. Auch das hätte ordentlich gegongt, soviel ist sicher. Wenigstens Marokkokrisen hätte man sich dann wirklich sparen können. Oder, wer sagt denn das? "Operation Torch" schon 1906????
Frankreich tritt in einen Krieg gegen das DR, Russland und womöglich ÖU ein? Viel Feind viel Ehr oder wie? Und was hätten die USA denn da dabei zu gewinnen?
Aber selbst wenn man diesen allerungünstigsten Fall annimmt, ist die Konstellation immer noch günstiger als die von 1914.

In einem Bündnis mit Russland hätte man ein "Durchdringungsszenario" laut Silesia ins Werk setzen können. Das verstaubte Zarenreich sowohl zur Erneuerung als auch zur (u.U. zynischen) Vernunft zu bringen hätte Deutschland wirklich ganz neue Möglichkeiten eröffnet.
Warum ich ein deutsch-russisches Bündnis für damals unmöglich halte, habe ich ja schon geschrieben. Zumal auch Russland das DR am liebsten in einer Juniorpartnerrolle gesehen hätte wie vormals Preußen und den Gleichberechtigungsanspruch der Deutschen nie so wirklich geteilt hat.
Das Problem ist ein ganz grundsätzliches, Russland und Frankreich stellten nunmal aufgrund ihrer Lage eine existenzielle Bedrohung für das DR dar und umgekehrt. Ein Bündnis war darum immer schwierig - noch umso mehr, wenn es beinhaltet hätte, den Bündnispartner aufzurüsten und stark zu machen.
Frankreich konnte Russland aufrüsten, weil es von Russland nicht direkt gefährdet werden konnte. Deutschland konnte ÖU stärken, weil ÖU zu schwach war, dem DR gefährlich zu werden.
Deswegen hätten sich ÖU, GB, USA, Italien und Japan als Bündnispartner für das DR angeboten.
 
Wichtig ist auch noch immer: Es war keine Verabredung zu einer gemeinsamen Offensive. Es war eine geplante offensive Reaktion. Man dachte hierbei wohl an eine Aktion österreichs-Ungarns, die vom Deutschen Reich unterstützt würde, gegen Serbien.
Das mag schon richtig sein. Noch wichtiger ist aber, wie man das in Berlin sah. Heute Bündnis zur offensiven Reaktion, morgen zur offensiven Aktion...

Es ist aber doch recht unwahrscheinlich, dass das Deutsche Reich sich an einem lokalen militärischen Konflikt Österreich-Ungarn gegen Serbien eingeschaltet hat.
So kam es dann aber doch im Juli 1914!

Interessant ist dann der praktische Anwendungsfalle, nämlich die Tatsache, dass Frankreich im Juli/August 1914, nach der Mobilmachung Österreich-Ungarn und des Deutschen Reiches nicht mobil machte!
Ich weiß nicht, ob es jetzt die Frage ist, was man GENAU unter Mobilmachung zu verstehen hat. Es gab sicher überall Vorbereitungen hinter den Kulissen, es gab Teilmobilmachungen und es gab die offiziellen Verkündungen der Generalmobilmachungen. Zeitlich gesehen kamen die Generalmobilmachungen zum Ersten Weltkrieg in dieser Folge:
31.08.1914 (Uhrzeit nicht bekannt, wird auf Wunsch zu ermitteln versucht) Österreich-Ungarn
31.08.1914 12:00 Russland (Teilmobilmachungen in großem Umfang schon 1 Tag früher)
01.08.1914 15:40 Frankreich (Quelle: First World War.com - On This Day - 1 August 1914)
01.08.1914 17:00 Deutsches Reich
So wie Du es darstellst, kann man es also nicht stehen lassen. Das Deutsche Reich macht, offiziell zumindest, als letzter (der Konstellation R-F-D) mobil. Es ist strittig, ob eine Mobilmachung bereits eine Kriegshandlung darstellt oder nicht. Im Normalfall ist sie es m.e. nicht. Mein Standpunkt zu den obigen Ereignissen: Bei Vorliegen eines Offensivbündnisses ist die Generalmobilmachung eine Kriegshandlung. Das Deutsche Reich hatte somit gegen R und F einen objektiven Kriegsgrund.

Und Frankreich hatte schon zuvor im Zuge der Liman-von-Sanders-Krise in Petersburg reichlich Minuspunkte eingesammelt. Die Russen hatten eine deutlich stärkere Unterstützung von Paris erwartet. Die Beziehungen waren an einem Tiefpunkt angelangt, von denen sie sich auch nicht so schnell erholten.
Ein halbes Jahr ist m.e. keine Zeit, wo man ein "nicht so schnell" konstatieren könnte. Wenn Du aber Recht hast, dann bedeutet das, Extra-Druck auf Frankreich, zu seinen Bündnisverpflichtungen zu stehen. Was Poincare´ bei seinem Besuch in St. Petersburg wohl auch deutlich gemacht hat.

Ich kann für die mandschurische Geschichte für den Zeitraum zwischen 1905 und 1914 überhaupt nichts online herausfinden. Bitte nenne eine russische Aktion in der Mandschurei zwischen 1907 und 1914 mit absichtlich oder tendenziell anti-britischer Zielrichtung.

Die britische Flotte hatte weltweit Aufgaben zu erfüllen und konnte nicht so ohne weiteres einen zu großen Anteil des schwimmenden Materials in der Nordsee konzentrieren.
Nach den Flottenvereinbarungen mit Frankreich konnte sie sehr wohl. Es ist sogar die Frage, ob diese britische Flottenaufstellung nicht offensiv gemeint war, d.h., dass im Kriegsfall Landungen an den deutschen Küsten stattfinden sollten, oder auch ein zweites "Kopenhagen", ungeachtet dessen, dass solche Aktionen im Ersten Weltkrieg nicht stattfanden und m.e. auch undurchführbar bzw. ohne konkrete Aussicht auf Erfolg gewesen wären.

Richtig. Das Vorgehen das Napoleon versucht hat und später dann Ludendorff. Warum Hust?
Bei Vorschlägen zu uneingeschränkten Angriffskriegen legt sich mir immer so ein komischer Druck auf die Lunge, ich kann dagegen nichts machen...da, jetzt schon wieder! Hust! ;-)

Denkbar schon aber unattraktiv. Im Zweifel war GB eher bereit die Führungsrolle an die USA abzutreten als an Deutschland, was ich übrigens durchaus nachvollziehen kann. Ich wäre, in GBs Lage, auch lieber Juniorpartner der USA als der von Willhelm 2 gewesen. Zumal das DR gar nicht die Potenz der USA hatte und einem Juniorpartner ergo auch wenig zu bieten gehabt hätte.
Magst Du richtig sehen, aber "attraktiver" war der Erste Weltkrieg m.e. auch nicht, zumal er sowohl GB im Speziellen schwer geschadet hat und dem Imperialismus insgesamt den ersten ordentlichen Knacks verpasst hat.

Frankreich tritt in einen Krieg gegen das DR, Russland und womöglich ÖU ein? Viel Feind viel Ehr oder wie? Und was hätten die USA denn da dabei zu gewinnen?
Aber selbst wenn man diesen allerungünstigsten Fall annimmt, ist die Konstellation immer noch günstiger als die von 1914.
Nö, Frankreich kämpft mit D und R (+ evtl. ÖU) gegen USA, GB und J (+ evtl. TR). Kriegsschauplätze: vom Atlas bis zum Hindukusch und in China. Die USA positionieren sich als machtpolitischer Gegenschwerpunkt zum eurasischen Kontinentalblock (müssen sie, GB und J packen das nicht allein). Solange Briten und Amerikaner keine Landung auf dem europäischen Festland versuchen ("Normandie" schon 1907???), spielt sich der Krieg zum allergrößten Teil außerhalb Europas ab. Kann trotzdem jede Menge Menschenleben kosten.
Was manchmal übersehen wird: die USA waren der entscheidende Faktor beim Ende des Russisch-Japanischen Krieges (kann ich leider im Moment nicht exakt zitieren). Trotz "Tsushima", die Russen kämpften zu Lande weiter, und die Japaner wären ihnen dort auf Dauer unterlegen gewesen. Erst die Drohung eines amerikanischen Eingreifens machte R endgültig friedensbereit, und nicht ohne Grund wurde der Friedensvertrag auf dem Gebiet der USA abgeschlossen.

Die "friedliche Koexistenz" halte ich allerdings für widersinnig, da die deutsche Flotte nunmal gegen GB gebaut worden war.
Schon, aber (s.o.) auch nicht widersinniger als Krieg...

Zumal auch Russland das DR am liebsten in einer Juniorpartnerrolle gesehen hätte...
Es wäre die Frage geschickter Politik gewesen, sich in Russland einzuschleichen, unentbehrlich zu machen, den Schein der russischen Führung wenigstens eine Zeitlang zu wahren und die Fäden so zu ziehen, dass deutsche Interessen bedient worden wären. Sicher schwierig, aber vielleicht nicht unmöglich.

...wie vormals Preußen und den Gleichberechtigungsanspruch der Deutschen nie so wirklich geteilt hat.
Saupreißn!!!! (bayerischer Smilie leider nicht vh.)

Das Problem ist ein ganz grundsätzliches, Russland und Frankreich stellten nunmal aufgrund ihrer Lage eine existenzielle Bedrohung für das DR dar und umgekehrt.
Das ist wohl der große Denkfehler der damaligen Zeit.

Deswegen hätten sich ÖU, GB, USA, Italien und Japan als Bündnispartner für das DR angeboten.
ÖU: wurde Bündnispartner
GB: verfolgte die konträre Politik
USA: sah zu dem Zeitpunkt sicher keinen Sinn in einem Bündnis mit D (erst nach 1945...)
I: war Dreibundpartner, aber in der Wolle gefärbt opportunistisch und gleichzeitig leistungsschwach
J: dazu war es noch zu früh, später wurde ja was draus, aber auch zum gegenseitigen Verhängnis.


Grüße, Holger
 
Was hat der Ablauf 1914 mit dem Thema des Stranges zu tun? :S

Solwac

Gute Frage, ich glaube unser User HolgerXX hat selbst den Faden verloren...Ständig widersprechen ist halt nicht einfach, vor allem wenn einem die Argumente ausgehen.

Da ich auch den Überblick hier verloren habe, aber das Thema eigendlich sehr intressant finde, frage ich mal wieder nach einem Zwischenfazit, vielleicht hat sich etwas zu den bisherigen Erkenntnissen verändert.
 
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