[FONT=Times New Roman, serif]Eine Woche vergangen und keine Reaktion der Kritiker. Wundert mich nicht...[/FONT] :evil:
[FONT=Times New Roman, serif]Dann mache ich den Anfang und äußere mich zu einem Werk, das eigentlich keine Erwähnung verdient, das hier aber in unkritischer Verehrung schon in der ersten Antwort mit den folgenden Worten gefeiert wurde:[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]
[FONT=Times New Roman, serif]Mein Kommentar dazu: Wenn DAS „der Klassiker“ ist, dann hat die Geschichtswissenschaft jeden Sinn verloren. Wallachs Werk trägt nämlich nichts zum Verständnis des Ersten Weltkriegs bei. Im Gegenteil. [/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Der Kardinalfehler der Arbeit ist Wallachs Auslegung dessen, was Clausewitz über den Zusammenhang zwischen Politik und Krieg schreibt. Das mag auf den ersten Blick wie ein willkürlich herausgehobenes Detail wirken. Tatsächlich liegt hier aber der Kern des ganzen Problems. Sagt Wallach selbst immer wieder. Zwei besonders aussagekräftige Belege dafür. [/FONT]
„[FONT=Times New Roman, serif]Bei der Behandlung der Clausewitz´schen Theorie haben wir seine Auffassung über das Verhältnis zwischen Krieg und Politik ganz besonders hervorgehoben. Das war kein Zufall. Nach unserer Meinung stellt diese Konzeption einen der wesentlichen Bestandteile des ganze theoretischen Gebäudes bei Clausewitz dar.“ (S. 105)[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]und:[/FONT]
„[FONT=Times New Roman, serif]Wir haben schon festgestellt, dass die Forderung Clausewitz´ nach dem Primat der Politik gegenüber dem Kriege als die tragende Säule innerhalb seines theoretischen Gebäudes anzusehen ist.“ (S. 289)[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Hinweis: Hier erkennt man bereits einen „Wandel“ der Bedeutungen, die Wallach bestimmten Begrifflichkeiten zuweisen will. Dieses Bestreben ist typisch für sein ganzes Buch! Auf S. 105 schreibt er noch, dass Clausewitz eine „Auffassung“ vertreten habe, auf S. 289 ist daraus schon eine „Forderung“ geworden. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt...[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Dieses „semantische Umdefinieren“ von Begrifflichkeiten macht Wallach nicht „zweckfrei“. Ein sehr frühes Beispiel: [/FONT]
„[FONT=Times New Roman, serif]Hier könnte man fragen, ob die Beziehungen zwischen der zivilen und der militärischen Führung in Deutschland, besonders in Kriegszeiten, mit den Lehren Clausewitz´ in Einklang gewesen sind. Die Behandlung dieses äußerst wichtigen und schwierigen Problems wird einen wesentlichen Teil des zweiten Buches dieser Studie einnehmen. “ (S. 24)[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Man beachte die unterstrichenen Passagen. Schon hier, im ersten Kapitel (!), sagt Wallach unmissverständlich, was er beabsichtigt und was er in seinem Buch durchgehend tut: Er versucht, die GRUNDLEGENDEN Aussagen von Clausewitz´ über den Zusammenhang zwischen dem Krieg und dem „politischen Verkehr“ zwischen den Völkern semantisch umzudeuten und stattdessen die „Beziehungen zwischen der zivilen und der militärischen Führung“ für grundlegend zu erklären.
Dies tut Wallach mit einem klaren Ziel, das schon im 2. Kapitel sichtbar wird:
[/FONT]
„[FONT=Times New Roman, serif]Nach allem, was wir bereits über die Persönlichkeit Schlieffens und seiner Anschauungen wissen, sollte es uns nicht überraschen, wenn wir nun feststellen, dass das abstrakte Problem der Beziehungen zwischen Politik und Krieg seine Gedanken nie beschäftigt hat. Wie viele deutsche Soldaten nach ihm gab er sich völlig „unpolitisch“ und missachtete ganz und gar den Clausewitz´schen Grundsatz, dass der Krieg seine Grammatik hat, nicht aber seine eigene Logik, die von der Politik geliefert werden muss.“ (Wallach, S. 57)[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Der Zweck der Wallach´schen Semantik ist im letzten Wort des Zitats erkennbar: Clausewitz hat nämlich nirgendwo behauptet, dass die Politik eine Logik liefern MUSS. Vielmehr hat er es als Gesetzmäßigkeit beschrieben, dass die Politik (genauer: der politische Verkehr zwischen den Völkern) unvermeidlich diese Logik LIEFERT. [/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Dieses zweckgerichtete Umdefinieren von Wortbedeutungen zeigt sich in Aussagen Wallachs in seinem ganzen Buch:[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Auf S. 19 definiert er die Aussage von Clausewitz, dass der „Krieg die Fortführung der Politik mit anderen Mitteln“ sei, noch als „Feststellung“. Auf S. 105 spricht er von einer „Auffassung“. Auf S. 289 ist daraus schon eine „Forderung“ geworden. Wenige Seiten später (S. 294) wandelt sich der Begriff „Politik“ dann zu „Staatsmänner“ und aus der angeblichen Clausewitz´schen „Forderung“ wird eine „Zubilligung von Rechten“:[/FONT]
„[FONT=Times New Roman, serif]Es erscheint rätselhaft, dass deutsche Staatsmänner Clausewitz nicht gekannt und nicht gewusst haben, welche Rechte er ihnen zubilligte.“ (S. 294)[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Aus den „Staatsmännern“ wird dann letztlich die „Staatsführung“ und aus dem ursprünglichen Clausewitz´schen Primat der Politik gegenüber dem Krieg wird die Pflicht zur „bedingungslosen Anerkennung“ durch die Soldaten, dass sie sich der Staatsführung unterzuordnen hätten (eine Auffassung, die ich als Demokrat bedingungslos teile, die aber genau gar nichts mit Clausewitz zu tun hat!): [/FONT]
„[FONT=Times New Roman, serif]Es ist vor allem ein politisches Problem wie alle Beziehungen zwischen Nationen, Völkern und Ideologien. (….) Für Soldaten ist es schwer zu begreifen, dass sie sich trotz ihres fachlichen Könnens ,dummen Zivilisten´ unterordnen müssen. Ebenso scheuen sich auch Politiker leicht davor, ihr legitimes Recht der Mitsprache in militärischen Angelegenheiten auszuüben. Aber eine vernünftige Zusammenarbeit zwischen Soldaten und Staatsmännern und die bedingungslose Anerkennung, dass die Streitkräfte ein Instrument der Staatsführung sein müssen, sind von lebenswichtiger Bedeutung. Das deutsche Beispiel, wie es sich in zwei Weltkriegen manifestiert hat, ist zu abschreckend, um ignoriert zu werden.“ (Wallach, S. 449 f)[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Dass Wallach hier nicht mehr nur vom Ersten Weltkrieg spricht, sondern seine Sicht der Dinge auch schon auf den Zweiten Weltkrieg anwendet, sei nur am Rande vermerkt.[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Was erreicht Wallach mit der für ihn typischen Semantik? Er „belegt“ damit, dass Schlieffen und „seine Jünger“ (Zitat Wallach) den Clausewitz nicht gekannt oder nicht verstanden haben und dass sie deshalb die Welt in zwei blutige Kriege getrieben und Deutschland zwei katastrophale Niederlagen eingebrockt haben. Der Grundvorwurf: Schlieffen und „seine Jünger“ haben all dies getan, indem sie dem Krieg das Primat über die Politik verschafft, die Politik marginalisiert und völlig entmachtet haben. [/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Einer von vielen Belegen für dieses Urteil: [/FONT]
„[FONT=Times New Roman, serif]Der schlagendste Beweis dafür, dass Schlieffen den Primat der Politik gegenüber dem Kriege nicht anerkannt hat, ist seine Haltung in der Frage der belgischen Neutralität gewesen.“ (Wallach, S. 61)[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Am Ende seiner „Argumentationskette“ stellt Wallach folglich eine Behauptung auf, die in krassem Widerspruch zu allem steht, was Clausewitz je gesagt hat: Wallach behauptet, dass es überhaupt möglich ist, den Krieg über die Politik zu stellen, die Politik geradezu beiseitezudrängen und zu entmachten. Letztlich behauptet er damit, dass der Krieg „ein eigenes Ding“ ist, das unabhängig von der Politik existiert und eigenen und von der Politik unabhängigen Gesetzen folgt. Quasi ein Kisten-Teufel, den man nicht aus seiner Box lassen darf, weil er sonst Unsinn anstellt.[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Das ist die Kernaussage des Buchs „Das Dogma der Vernichtungsschlacht“. Diese Kernaussage stützt sich formal auf Clausewitz – und entstellt sein Werk dabei bis zur Gesichtslosigkeit, verkehrt die Grundaussagen von Clausewitz geradezu in ihr Gegenteil! [/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Wie schon weiter oben angedeutet, hat Clausewitz nämlich nicht die „Forderung“ gestellt, dass die Politik das Primat gegenüber dem Krieg haben müsse. Er hat durch empirisch-analytische Betrachtung der ihm bekannten Kriege die Gesetzmäßigkeit herausgearbeitet, dass Krieg grundsätzlich immer und unvermeidlich Ausdruck und Mittel des politischen Verkehrs zwischen Völkern/Nationen sei. [/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Die von Wallach aufgestellte These, dass Schlieffen und „seine Jünger“ stattdessen dem Krieg ein Primat gegenüber der Politik verschafft hätten, ist nach den Aussagen von Clausewitz völlig widersinnig weil unmöglich. Hierzu Clausewitz: [/FONT]
„[FONT=Times New Roman, serif]Diese Einheit nun [die zwischen Krieg und Politik] ist der Begriff, daß der Krieg nur ein Teil des politischen Verkehrs sei, also durchaus nichts Selbständiges.[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Man weiß freilich, daß der Krieg nur durch den politischen Verkehr der Regierungen und der Völker hervorgerufen wird; aber gewöhnlich denkt man sich die Sache so, daß mit ihm jener Verkehr aufhöre und ein ganz anderer Zustand eintrete, welcher nur seinen eigenen Gesetzen unterworfen sei.[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Wir behaupten dagegen, der Krieg ist nichts als eine Fortsetzung des politischen Verkehrs mit Einmischung anderer Mittel. Wir sagen mit Einmischung anderer Mittel, um damit zugleich zu behaupten, daß dieser politische Verkehr durch den Krieg selbst nicht aufhört, nicht in etwas ganz anderes verwandelt wird, sondern daß er in seinem Wesen fortbesteht, wie auch seine Mittel gestaltet sein mögen, deren er sich bedient ... “ (Buch 8, 6. Kapitel: B. Der Krieg ist ein Instrument der Politik)[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Dass der Krieg nach Ansicht von Clausewitz gar nicht als von der Politik getrennt gedacht werden kann, wird noch deutlicher in der folgenden Passage im selben Kapitel: [/FONT]
„[FONT=Times New Roman, serif]Und wie wäre es anders denkbar? Hören denn mit den diplomatischen Noten je die politischen Verhältnisse verschiedener Völker und Regierungen auf? Ist nicht der Krieg bloß eine andere Art von Schrift und Sprache ihres Denkens? Er hat freilich seine eigene Grammatik, aber nicht seine eigene Logik. [/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Hiernach kann der Krieg niemals von dem politischen Verkehr getrennt werden, und wenn dies in der Betrachtung irgendwo geschieht, werden gewissermaßen die Fäden des Verhältnisses zerrissen, und es entsteht ein sinn- und zweckloses Ding. [/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif](…) denn alle die Gegenstände, auf welchen er [der Krieg] ruht (…), sind sie nicht politischer Natur, und hängen sie nicht mit dem ganzen politischen Verkehr so genau zusammen, daß es unmöglich ist, sie davon zu trennen?“ [/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Die unterstrichene Passage soll belegen: Clausewitz sagt hier nicht, dass der Krieg sinn- und zwecklos wäre, wenn man ihn von der Politik trennen würde. Er sagt, dass eine Betrachtung, die ihn von der Politik trennen will, sinn- und zwecklos wäre. Außerdem wird unmissverständlich klar, dass Clausewitz mit „Politik“ nicht die Politiker oder die Staatsführung meint.[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Mein Urteil zu "Das Dogma der Vernichtungsschlacht": Wallach entstellt die Aussagen von Clausewitz, um seine These von einem angeblichen Dogma, das die Politik in Fesseln gelegt habe, und von der „Überschichtung“ der Politik durch das Militär aufrecht erhalten zu können. Nun könnte man einwenden, dass Clausewitz Unrecht hatte und Wallach die Sache besser verstanden hat. Selbst wenn dieser Einwand stichhaltig wäre, würde das aber nichts ändern, denn entscheidend ist, wozu das Vorgehen Wallachs führt:[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Wallach suggeriert, dass das Militär den Ausbruch und den Verlauf des Ersten Weltkriegs verursacht hat. Er sagt nicht, dass das Militär EINEN Anstoß zum Kriegsausbruch gegeben habe, sondern dass es DEN EINZIGEN Anstoß gegeben habe. Denn: Wenn das Militär die Politik entmachtet hat, dann muss man gar nicht mehr nach möglichen politischen Hintergründen für den Krieg fragen... [/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Folgerichtig fragt Wallach auch nicht danach. Mögliche politische Hintergründe nennt er überhaupt nicht. Er erwähnt nicht mal, dass es abseits der von ihm untersuchten militärischen Faktoren überhaupt noch politische Hintergründe gegeben haben könnte! In seiner Weltsicht (besser: in dem, was er davon zur Schau stellt) ist der ganze Krieg mit der „Erkenntnis“, dass Schlieffen dem Cannae-Wahn anhing und ein Dogma der Vernichtungsschlacht begründet hat, hinreichend erklärt. Weitere Fragen sind unnötig.[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Dass das osmanische Reich zerbröckelt ist, dass sich im Machtvakuum seiner ehemaligen Gebiete (insbesondere auf dem Balkan) Spannungen immer wieder in blutigen Kriegen entladen haben, dass diese Konflikte in das ethnisch ähnlich strukturierte Österreich-Ungarn hineingewirkt haben, dass Russland auf Kosten des osmanischen Reichs einen Zugang zum Mittelmeer herstellen wollte, dass England beim Versuch der Sicherung seiner weltbeherrschenden Stellung an die Grenzen seiner Kraft gestoßen war, dass Frankreich und Deutschland seit Jahrzehnten eine herzliche Feindschaft pflegten, dass Deutschland zur Weltmacht aufsteigen wollte und die anderen Mächte das nicht lustig fanden, dass die Verantwortlichen in Deutschland unter kollektiver Umzingelungsparanoia litten, dass innerhalb der Staaten „Machtverschiebungen“ vom alten Adel zum Bürgertum und weiter zur Arbeiterschaft stattfanden – all das und vieles mehr ist in Jehuda Wallachs Welt völlig nebensächlich! Es muss nicht mal erwähnt werden! Schließlich sind ja alle Fragen längst damit beantwortet, dass Schlieffen und „seine Jünger“ verbohrte Irre waren.
Fazit folgt...[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Dann mache ich den Anfang und äußere mich zu einem Werk, das eigentlich keine Erwähnung verdient, das hier aber in unkritischer Verehrung schon in der ersten Antwort mit den folgenden Worten gefeiert wurde:[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]
[/FONT]Der Klassiker ist sicherlich:
J. Wallach: Das Dogma der Vernichtungsschlacht.
[FONT=Times New Roman, serif]Mein Kommentar dazu: Wenn DAS „der Klassiker“ ist, dann hat die Geschichtswissenschaft jeden Sinn verloren. Wallachs Werk trägt nämlich nichts zum Verständnis des Ersten Weltkriegs bei. Im Gegenteil. [/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Der Kardinalfehler der Arbeit ist Wallachs Auslegung dessen, was Clausewitz über den Zusammenhang zwischen Politik und Krieg schreibt. Das mag auf den ersten Blick wie ein willkürlich herausgehobenes Detail wirken. Tatsächlich liegt hier aber der Kern des ganzen Problems. Sagt Wallach selbst immer wieder. Zwei besonders aussagekräftige Belege dafür. [/FONT]
„[FONT=Times New Roman, serif]Bei der Behandlung der Clausewitz´schen Theorie haben wir seine Auffassung über das Verhältnis zwischen Krieg und Politik ganz besonders hervorgehoben. Das war kein Zufall. Nach unserer Meinung stellt diese Konzeption einen der wesentlichen Bestandteile des ganze theoretischen Gebäudes bei Clausewitz dar.“ (S. 105)[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]und:[/FONT]
„[FONT=Times New Roman, serif]Wir haben schon festgestellt, dass die Forderung Clausewitz´ nach dem Primat der Politik gegenüber dem Kriege als die tragende Säule innerhalb seines theoretischen Gebäudes anzusehen ist.“ (S. 289)[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Hinweis: Hier erkennt man bereits einen „Wandel“ der Bedeutungen, die Wallach bestimmten Begrifflichkeiten zuweisen will. Dieses Bestreben ist typisch für sein ganzes Buch! Auf S. 105 schreibt er noch, dass Clausewitz eine „Auffassung“ vertreten habe, auf S. 289 ist daraus schon eine „Forderung“ geworden. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt...[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Dieses „semantische Umdefinieren“ von Begrifflichkeiten macht Wallach nicht „zweckfrei“. Ein sehr frühes Beispiel: [/FONT]
„[FONT=Times New Roman, serif]Hier könnte man fragen, ob die Beziehungen zwischen der zivilen und der militärischen Führung in Deutschland, besonders in Kriegszeiten, mit den Lehren Clausewitz´ in Einklang gewesen sind. Die Behandlung dieses äußerst wichtigen und schwierigen Problems wird einen wesentlichen Teil des zweiten Buches dieser Studie einnehmen. “ (S. 24)[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Man beachte die unterstrichenen Passagen. Schon hier, im ersten Kapitel (!), sagt Wallach unmissverständlich, was er beabsichtigt und was er in seinem Buch durchgehend tut: Er versucht, die GRUNDLEGENDEN Aussagen von Clausewitz´ über den Zusammenhang zwischen dem Krieg und dem „politischen Verkehr“ zwischen den Völkern semantisch umzudeuten und stattdessen die „Beziehungen zwischen der zivilen und der militärischen Führung“ für grundlegend zu erklären.
Dies tut Wallach mit einem klaren Ziel, das schon im 2. Kapitel sichtbar wird:
[/FONT]
„[FONT=Times New Roman, serif]Nach allem, was wir bereits über die Persönlichkeit Schlieffens und seiner Anschauungen wissen, sollte es uns nicht überraschen, wenn wir nun feststellen, dass das abstrakte Problem der Beziehungen zwischen Politik und Krieg seine Gedanken nie beschäftigt hat. Wie viele deutsche Soldaten nach ihm gab er sich völlig „unpolitisch“ und missachtete ganz und gar den Clausewitz´schen Grundsatz, dass der Krieg seine Grammatik hat, nicht aber seine eigene Logik, die von der Politik geliefert werden muss.“ (Wallach, S. 57)[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Der Zweck der Wallach´schen Semantik ist im letzten Wort des Zitats erkennbar: Clausewitz hat nämlich nirgendwo behauptet, dass die Politik eine Logik liefern MUSS. Vielmehr hat er es als Gesetzmäßigkeit beschrieben, dass die Politik (genauer: der politische Verkehr zwischen den Völkern) unvermeidlich diese Logik LIEFERT. [/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Dieses zweckgerichtete Umdefinieren von Wortbedeutungen zeigt sich in Aussagen Wallachs in seinem ganzen Buch:[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Auf S. 19 definiert er die Aussage von Clausewitz, dass der „Krieg die Fortführung der Politik mit anderen Mitteln“ sei, noch als „Feststellung“. Auf S. 105 spricht er von einer „Auffassung“. Auf S. 289 ist daraus schon eine „Forderung“ geworden. Wenige Seiten später (S. 294) wandelt sich der Begriff „Politik“ dann zu „Staatsmänner“ und aus der angeblichen Clausewitz´schen „Forderung“ wird eine „Zubilligung von Rechten“:[/FONT]
„[FONT=Times New Roman, serif]Es erscheint rätselhaft, dass deutsche Staatsmänner Clausewitz nicht gekannt und nicht gewusst haben, welche Rechte er ihnen zubilligte.“ (S. 294)[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Aus den „Staatsmännern“ wird dann letztlich die „Staatsführung“ und aus dem ursprünglichen Clausewitz´schen Primat der Politik gegenüber dem Krieg wird die Pflicht zur „bedingungslosen Anerkennung“ durch die Soldaten, dass sie sich der Staatsführung unterzuordnen hätten (eine Auffassung, die ich als Demokrat bedingungslos teile, die aber genau gar nichts mit Clausewitz zu tun hat!): [/FONT]
„[FONT=Times New Roman, serif]Es ist vor allem ein politisches Problem wie alle Beziehungen zwischen Nationen, Völkern und Ideologien. (….) Für Soldaten ist es schwer zu begreifen, dass sie sich trotz ihres fachlichen Könnens ,dummen Zivilisten´ unterordnen müssen. Ebenso scheuen sich auch Politiker leicht davor, ihr legitimes Recht der Mitsprache in militärischen Angelegenheiten auszuüben. Aber eine vernünftige Zusammenarbeit zwischen Soldaten und Staatsmännern und die bedingungslose Anerkennung, dass die Streitkräfte ein Instrument der Staatsführung sein müssen, sind von lebenswichtiger Bedeutung. Das deutsche Beispiel, wie es sich in zwei Weltkriegen manifestiert hat, ist zu abschreckend, um ignoriert zu werden.“ (Wallach, S. 449 f)[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Dass Wallach hier nicht mehr nur vom Ersten Weltkrieg spricht, sondern seine Sicht der Dinge auch schon auf den Zweiten Weltkrieg anwendet, sei nur am Rande vermerkt.[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Was erreicht Wallach mit der für ihn typischen Semantik? Er „belegt“ damit, dass Schlieffen und „seine Jünger“ (Zitat Wallach) den Clausewitz nicht gekannt oder nicht verstanden haben und dass sie deshalb die Welt in zwei blutige Kriege getrieben und Deutschland zwei katastrophale Niederlagen eingebrockt haben. Der Grundvorwurf: Schlieffen und „seine Jünger“ haben all dies getan, indem sie dem Krieg das Primat über die Politik verschafft, die Politik marginalisiert und völlig entmachtet haben. [/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Einer von vielen Belegen für dieses Urteil: [/FONT]
„[FONT=Times New Roman, serif]Der schlagendste Beweis dafür, dass Schlieffen den Primat der Politik gegenüber dem Kriege nicht anerkannt hat, ist seine Haltung in der Frage der belgischen Neutralität gewesen.“ (Wallach, S. 61)[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Am Ende seiner „Argumentationskette“ stellt Wallach folglich eine Behauptung auf, die in krassem Widerspruch zu allem steht, was Clausewitz je gesagt hat: Wallach behauptet, dass es überhaupt möglich ist, den Krieg über die Politik zu stellen, die Politik geradezu beiseitezudrängen und zu entmachten. Letztlich behauptet er damit, dass der Krieg „ein eigenes Ding“ ist, das unabhängig von der Politik existiert und eigenen und von der Politik unabhängigen Gesetzen folgt. Quasi ein Kisten-Teufel, den man nicht aus seiner Box lassen darf, weil er sonst Unsinn anstellt.[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Das ist die Kernaussage des Buchs „Das Dogma der Vernichtungsschlacht“. Diese Kernaussage stützt sich formal auf Clausewitz – und entstellt sein Werk dabei bis zur Gesichtslosigkeit, verkehrt die Grundaussagen von Clausewitz geradezu in ihr Gegenteil! [/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Wie schon weiter oben angedeutet, hat Clausewitz nämlich nicht die „Forderung“ gestellt, dass die Politik das Primat gegenüber dem Krieg haben müsse. Er hat durch empirisch-analytische Betrachtung der ihm bekannten Kriege die Gesetzmäßigkeit herausgearbeitet, dass Krieg grundsätzlich immer und unvermeidlich Ausdruck und Mittel des politischen Verkehrs zwischen Völkern/Nationen sei. [/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Die von Wallach aufgestellte These, dass Schlieffen und „seine Jünger“ stattdessen dem Krieg ein Primat gegenüber der Politik verschafft hätten, ist nach den Aussagen von Clausewitz völlig widersinnig weil unmöglich. Hierzu Clausewitz: [/FONT]
„[FONT=Times New Roman, serif]Diese Einheit nun [die zwischen Krieg und Politik] ist der Begriff, daß der Krieg nur ein Teil des politischen Verkehrs sei, also durchaus nichts Selbständiges.[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Man weiß freilich, daß der Krieg nur durch den politischen Verkehr der Regierungen und der Völker hervorgerufen wird; aber gewöhnlich denkt man sich die Sache so, daß mit ihm jener Verkehr aufhöre und ein ganz anderer Zustand eintrete, welcher nur seinen eigenen Gesetzen unterworfen sei.[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Wir behaupten dagegen, der Krieg ist nichts als eine Fortsetzung des politischen Verkehrs mit Einmischung anderer Mittel. Wir sagen mit Einmischung anderer Mittel, um damit zugleich zu behaupten, daß dieser politische Verkehr durch den Krieg selbst nicht aufhört, nicht in etwas ganz anderes verwandelt wird, sondern daß er in seinem Wesen fortbesteht, wie auch seine Mittel gestaltet sein mögen, deren er sich bedient ... “ (Buch 8, 6. Kapitel: B. Der Krieg ist ein Instrument der Politik)[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Dass der Krieg nach Ansicht von Clausewitz gar nicht als von der Politik getrennt gedacht werden kann, wird noch deutlicher in der folgenden Passage im selben Kapitel: [/FONT]
„[FONT=Times New Roman, serif]Und wie wäre es anders denkbar? Hören denn mit den diplomatischen Noten je die politischen Verhältnisse verschiedener Völker und Regierungen auf? Ist nicht der Krieg bloß eine andere Art von Schrift und Sprache ihres Denkens? Er hat freilich seine eigene Grammatik, aber nicht seine eigene Logik. [/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Hiernach kann der Krieg niemals von dem politischen Verkehr getrennt werden, und wenn dies in der Betrachtung irgendwo geschieht, werden gewissermaßen die Fäden des Verhältnisses zerrissen, und es entsteht ein sinn- und zweckloses Ding. [/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif](…) denn alle die Gegenstände, auf welchen er [der Krieg] ruht (…), sind sie nicht politischer Natur, und hängen sie nicht mit dem ganzen politischen Verkehr so genau zusammen, daß es unmöglich ist, sie davon zu trennen?“ [/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Die unterstrichene Passage soll belegen: Clausewitz sagt hier nicht, dass der Krieg sinn- und zwecklos wäre, wenn man ihn von der Politik trennen würde. Er sagt, dass eine Betrachtung, die ihn von der Politik trennen will, sinn- und zwecklos wäre. Außerdem wird unmissverständlich klar, dass Clausewitz mit „Politik“ nicht die Politiker oder die Staatsführung meint.[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Mein Urteil zu "Das Dogma der Vernichtungsschlacht": Wallach entstellt die Aussagen von Clausewitz, um seine These von einem angeblichen Dogma, das die Politik in Fesseln gelegt habe, und von der „Überschichtung“ der Politik durch das Militär aufrecht erhalten zu können. Nun könnte man einwenden, dass Clausewitz Unrecht hatte und Wallach die Sache besser verstanden hat. Selbst wenn dieser Einwand stichhaltig wäre, würde das aber nichts ändern, denn entscheidend ist, wozu das Vorgehen Wallachs führt:[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Wallach suggeriert, dass das Militär den Ausbruch und den Verlauf des Ersten Weltkriegs verursacht hat. Er sagt nicht, dass das Militär EINEN Anstoß zum Kriegsausbruch gegeben habe, sondern dass es DEN EINZIGEN Anstoß gegeben habe. Denn: Wenn das Militär die Politik entmachtet hat, dann muss man gar nicht mehr nach möglichen politischen Hintergründen für den Krieg fragen... [/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Folgerichtig fragt Wallach auch nicht danach. Mögliche politische Hintergründe nennt er überhaupt nicht. Er erwähnt nicht mal, dass es abseits der von ihm untersuchten militärischen Faktoren überhaupt noch politische Hintergründe gegeben haben könnte! In seiner Weltsicht (besser: in dem, was er davon zur Schau stellt) ist der ganze Krieg mit der „Erkenntnis“, dass Schlieffen dem Cannae-Wahn anhing und ein Dogma der Vernichtungsschlacht begründet hat, hinreichend erklärt. Weitere Fragen sind unnötig.[/FONT]
[FONT=Times New Roman, serif]Dass das osmanische Reich zerbröckelt ist, dass sich im Machtvakuum seiner ehemaligen Gebiete (insbesondere auf dem Balkan) Spannungen immer wieder in blutigen Kriegen entladen haben, dass diese Konflikte in das ethnisch ähnlich strukturierte Österreich-Ungarn hineingewirkt haben, dass Russland auf Kosten des osmanischen Reichs einen Zugang zum Mittelmeer herstellen wollte, dass England beim Versuch der Sicherung seiner weltbeherrschenden Stellung an die Grenzen seiner Kraft gestoßen war, dass Frankreich und Deutschland seit Jahrzehnten eine herzliche Feindschaft pflegten, dass Deutschland zur Weltmacht aufsteigen wollte und die anderen Mächte das nicht lustig fanden, dass die Verantwortlichen in Deutschland unter kollektiver Umzingelungsparanoia litten, dass innerhalb der Staaten „Machtverschiebungen“ vom alten Adel zum Bürgertum und weiter zur Arbeiterschaft stattfanden – all das und vieles mehr ist in Jehuda Wallachs Welt völlig nebensächlich! Es muss nicht mal erwähnt werden! Schließlich sind ja alle Fragen längst damit beantwortet, dass Schlieffen und „seine Jünger“ verbohrte Irre waren.
Fazit folgt...[/FONT]
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