Der Kult der Offensive

Ist in dieser Diskussion eigentlich schon das Verhalten des Kronprinz Rupprechts besprochen worden? Der sollte sich doch eigentlich in Lothringen defensiv verhalten bzw. sogar zurück gehen um die Französische Armee zu binden und deren Umfassung zu ermöglichen.

Stattdessen ging er ebenfalls offensiv vor un vermasselte den Plan.
 
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Interessant ist auch, das der belgische Kommandant der Festung Lüttich bereits begann diese ab dem 28.07.1914 in Kriegsbereitschaft zu bringen.
 
1916 sollte die französische Armee gemäß den Intentionen des deutschen Generalstabchefs Falkenhayn bei Verdun verbluten. Verdun sollte als "Blutmühle" dienen.
ja, das war mir bekannt - worauf ich hinaus wollte, ist nur die ganz naive Feststellung, dass die "Schlacht um Verdun" ganz und gar nicht in das Konzept des Schlieffenplans (auch nicht des modifizierten) hineinpasste.
 
Falkenhayn wollte die Franzosen sicher "nicht nur fürchterlich zur Ader lassen", sondern auch den Durchbruch und somit die Rückkehr zum Bewegungskrieg erreichen. Doch dafür hatte sein Pan ein beträchtliche Fehlkalkulation, die ihm vor der Offensive auch dringend vorgestellt wurde; es nützte aber nichts. Falkenhayn beharrte auf sein Plan.
 
Ist in dieser Diskussion eigentlich schon das Verhalten des Kronprinz Rupprechts besprochen worden? Der sollte sich doch eigentlich in Lothringen defensiv verhalten bzw. sogar zurück gehen um die Französische Armee zu binden und deren Umfassung zu ermöglichen.

Stattdessen ging er ebenfalls offensiv vor und vermasselte den Plan.

Nein, diese Sicht gehört eher in den Bereich nachträglicher Legendenbildung, die u.a. von Groener in diesem Sinne betrieben worden ist. Rupprecht - neben Moltke - wurde vor allem von den Schlieffen-Apologeten zum "Sündenbock" gestempelt, um Schlieffen und seinen "unfehlbaren" Plan zu rehabilitieren. Mit Schlieffen hätten wir den Krieg, so Gröner und andere, sicherlich gewonnen. :still:

Zu diesem Ergebnis kommt zumindest Storz. Sein Urteil kommt in folgendem Satz zum Ausdruck: "Die Westoperationen des Sommers 1914 wurde in Lothringen weder verdorben, noch blieben feldzugsentscheidende Chancen ungenutzt." (S. 203).

Folgt man der Darstellung von Storz, dann standen die Operationen des AOK 6, die 6. und 7. Armee, unter dem Kommando des bayrischen Kronprinzen Rupprecht, unter vielen negativen Voraussetzungen.

Die Aufmarschanweissung für die 6. Armee enthielt beispielsweise im Abschnitt IV unklare Vorgaben, die ihr operatives Agieren - "Festhalten und offensiv, sofern Voraussetzungen vorhanden" - im August und Anfang September problematisch gestaltet haben.

Ein "Zurückgehen" wäre aus der Sicht von Rupprecht mit der "Moral" einer auf Offensive gedrillten Armee nicht akzeptabel gewesen. Zumal die "Falle" für das "Cannae" eher eine Vision war, in die die französischen Truppen nicht reingelaufen wären.

Zudem: Es gab massive Konflikte zwischen der 6. und 7. Armee, v. Heeringen, die u. a. landsmannschaftlich (Preußen gegen Bayern) definiert waren.

Es gab massive Kommunikationsprobleme zwischen der OHL und dem AOK 6, die zu falschen Angriffszielen führten und zu umfangreichen Mittelzuweisungen an Punkte, an denen die OHL eigentlich keine Entscheidung erzwingen wollte.

In der Folge waren die Anforderungen an das AOK 6, die dazu führten dass ab dem 20. August offensiv vorgegangen wurde, widersprüchlich. Dabei deckte sich das Vorgehen durchaus mit den grundsätzlichen Anforderungen an das erwartete operative Verhalten. Zu diesem Zeitpunkt zogen die Franzosen Truppen aus der Front und verlegten sie in den Nordwesten an ihre "linke" Front gegegn die 1. und 2. dt Armee (vgl. Schlacht an der Marne)

Insgesamt war jedoch dieser Abschnitt der Front insofern von extremer Bedeutung, als in ihm der Übergang vom Bewegungskrieg, zum Stellungskrieg und zum Krieg im Umfeld gegen Festungen frühzeitig studiert werden konnte.

An diesem Punkt hätte man, im Gegensatz zum Kampf gegen die veralteten belgischen Festungen erkennen können, welche Auswirkungen der Kampf in einem Festungsbereich haben kann.

Man wäre dann in Bezug auf Verdun sicherlich vorsichtiger gewesen.

Dieter Storz: Zu den Kämpfen in Lothringen udn in den Vogesen im Sommer 1914, in: Ehlert, Epkenhans, Groß (Hrsg.) Der Schlieffenplan, 2006, S. 161ff
 
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Nein, diese Sicht gehört eher in den Bereich nachträglicher Legendenbildung, die u.a. von Gröner in diesem Sinne betrieben worden ist.
was hältst du davon:
Heute wissen wir, dass dieser Plan nicht funktioniert hat. Anders als von Moltke geplant, lockte der bayerische Kronprinz die französischen Armeen nicht nach Deutschland, sondern ging statt dessen ohne Befehl selbst in die Offensive. Die französischen Truppen wurden hinter ihre eigene Festungslinie zurückgeworfen. Folge: Mit der bayerischen Gegenoffensive wurde der Drehtüreffekt des deutschen Schlieffenplans blockiert. "Was taktisch ein Erfolg des deutschen Heeres war, erwies sich strategisch als ein verhängnisvoller Fehler, und mancher Analytiker meinte später, die Deutschen hätten die große Schlacht im Westen nicht an der Marne, sondern bereits in Lothringen verloren", so Münkler in seinem Buch.
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Was hat dies alles mit Mainz und Rheinhessen zu tun? Diese Frage stand im Mittelpunkt des Vortrags "Kriegspläne für Rheinhessen – Die Festung Mainz im Ersten Weltkrieg", zu dem der Mainzer Altertumsverein am 6. Januar 2014 eingeladen hatte. In seinem Vortrag zeigte Dr. Rudolf Büllesbach auf, dass die ursprünglichen deutschen und französischen Kriegsplanungen einen Kriegsschauplatz in Mainz und Rheinhessen vorsahen. Ein Krieg in den Weinbergen. Ein Stellungskrieg vor unserer Haustür. "Vorbereitet hierfür war alles", stellte Rudolf Büllesbach in seinem Vortrag fest.
Diese konkreten Vorbereitungen für einen möglichen Krieg hatten in Mainz und Rheinhessen bereits um 1900 begonnen. Der deutsche Kaiser hatte entschieden, dass in Rheinhessen eine moderne Festungsfront geplant werden sollte. Der Ausbau begann schließlich 1908 und an dessen Ende sich in Rheinhessen über 300 betonierte Festungswerke in einem Halbkreis von Heidenfahrt über Nieder-Olm bis Laubenheim befanden. Entlang dieser Hauptstellung der Festung Mainz hätte ein Angriff der französischen Truppen abgewehrt werden sollen.
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Bei einem Durchbruch durch diese rheinhessische Festungslinie wären die französischen Soldaten kurz vor Mainz auf einen zweite Verteidigungsring mit 14 kriegsbereiten Forts gestoßen. Diese Forts waren zur Zeit des Deutschen Bundes gebaut und gegen Ende des 19. Jahrhunderts mit einem hohen finanziellen Aufwand verstärkt worden (Bild linke: Fort Gonsenheim). So hatten beispielsweise viele Decken der Forts 1 m starke Sandpolster erhalten, auf denen 1,2 m dicke Betonschichten aufgebracht waren. Bei den Forts Weisenau, Hechtsheim, Mariaborn, Bingen, Hartenberg und Hartmühl wurden zusätzlich Granitblöcke eingebaut, was damals ein sehr teurer Baustoff war. Die gesamte Feuerstellung der Forts im inneren Verteidigungsring betrug fast 5.000 m. Eine für jeden Angreifer beeindruckende Zahl. "Diese Feuerlinie, verbunden mit dem relativ modernen Ausbaustand, hätte die Forts selbst nach dem Fall der Hauptstellung zu einem immer noch ernst zu nehmenden Hindernis für einen Angreifer gemacht. Unter dem Schutz dieser Forts hätte eine über den Rhein setzende deutsche Armee wertvolle Zeit gewinnen können, um sich – wie es der militärische Auftrag des Festung Mainz vorsah – neu zu sammeln und zu formieren", so Rudolf Büllesbach in seinem Vortrag.
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Der Referent ging abschließend noch der Frage nach, weshalb der bayerische Kronprinz ohne Befehl und abweichend von den Planungen Moltkes die französischen Truppen nicht zum Rhein gelockt hat. Die Antwort findet sich ebenfalls in dem Buch von Herfried Münkler. "Vielleicht spielten hier aber auch die Rivalitäten und Eifersüchteleien eine wichtige Rolle, und der Kronprinz von Bayern und sein Generalstabschef wollten nicht diejenigen sein, die mit ihren Truppen nach Deutschland zurückwichen, während der Kronprinz von Preußen mit seinen Einheiten nach Frankreich voranstürmte". Ob dies tatsächlich die entscheidenden Motive für die nicht geplante Offensive der deutschen 6. Armee in Lothringen war, wird heute nicht mehr abschließend zu klären sein. Fest steht aber, dass die Entscheidung des bayerischen Kronprinzen der Stadt Mainz und vielen rheinhessischen Ortschaften möglicherweise das Schicksal von Verdun erspart hat.
aus Erster Weltkrieg - Kriegspläne für Mainz und Rheinhessen
findet sich ähnlich auch in Bollwerk Mainz - Leseproben und Blick ins Buch
 
Anders als von Moltke geplant, lockte der bayerische Kronprinz die französischen Armeen nicht nach Deutschland, sondern ging statt dessen ohne Befehl selbst in die Offensive. Die französischen Truppen wurden hinter ihre eigene Festungslinie zurückgeworfen. Folge: Mit der bayerischen Gegenoffensive wurde der Drehtüreffekt des deutschen Schlieffenplans blockiert. "Was taktisch ein Erfolg des deutschen Heeres war, erwies sich strategisch als ein verhängnisvoller Fehler, und mancher Analytiker meinte später, die Deutschen hätten die große Schlacht im Westen nicht an der Marne, sondern bereits in Lothringen verloren", so Münkler in seinem Buch

Naja, ist für mich auch eher "Mythos" und Legendenbildung. Hat aber wenig mit der Realität der Intentionen der OHL, den Befehlen und der Sicht von Joffre zu tun und ich folge da ausschließlich der Darstellung von Storz.

Die Kontroverse um die "Extratour in Lothringen", wie Groener es polemisch bezeichnet hatte, als exponiertester Vertreter der "Schlieffen-Schule" (vgl. dazu beispielsweise Foley in der Einleitung) dreht sich um zwei Punkte.

http://books.google.de/books?id=deRZchZzHWcC&pg=PT5&dq=foley+Alfred+Von+Schlieffen%27s+Military+Writings&hl=de&sa=X&ei=E7eUU6ztBbDa4QS15IDoBA&ved=0CC8Q6AEwAA#v=onepage&q=foley%20Alfred%20Von%20Schlieffen%27s%20Military%20Writings&f=false

1. Warum ist die 6. Armee nicht vor den nach Lothringen hineindrängenden Franzosen - haltend - zurückgewichen und hat stattdessen einen frontalen Gegenangriff gestartet?

2. Der anschließende deutsche Gegenangriff zielte auf die stark befestigte Festungslinie Toul, Epinal und Belfort ab [es kommt selten vor, dass eine entsprechende Karte wichtig ist, aber hier ist sie relevant]. Dabei wurde thematisiert warum er stattfand und wieso er, trotz der unwahrscheinlichen positiven strategischen Auswirkungen, relativ lange fortgesetzt wurde. (Storz, S. 162).

Der Versuch einer Antwort zur Frage 1 und als Erwiderung auf Dekumatland.
Dem AOK 6 ging am 2. August 1914 die entsprechenden Befehle für die operativen Aufgaben der 6. und der 7. Armee zu.

Zentral als Aufgabe war, dass die 6. Armee links von Metz, die der Drehpunkt der offensiven Bewegung des rechten Flügels war, diese zu halten. Der 7. Armee fiel im wesentlichen die Verteidigung des Elsaß, südllich von Straßburg, zu.

Ergänzend unter Punkt 44. wurde eine offensive Aufgabe definiert, die ein Vorgehen gegen die Mosel umfaßte, inklusive das Zerstören der Sperrfort "Manonviller".

Sofern überlegene französische Kräfte offensiv vorgehen ist das durchaus positiv und es sollte hinhaltend - bindend - verteidigt werden. Die Linie Feste KW II, Straßburg ist dabei zu halten.

Und der Befehl setzt fort:
"Treffen die 6. und die 7. Armee nicht auf überlegene französische Käfte, so kann das Eingreifen von Teilen der 6. Armee ....über Metz...auf dem linken [!!!!] Moselufer in Frage kommen" (vgl. S. 164).

Insgesamt, so die Bewertung von Storz, waren unterschiedliche Szenarien für das AOK 6 durch die OHL definiert worden, die von der Qualität der "Feindaufklärung" abhingen und von der Beurteilung durch das AOK 6. Also eine Vielzahl sehr subjektiver Beurteilungen, auch durch Rupprecht, zuließ.

Wobei Rupprecht als durchaus qualifizierter und engagierter OB beschrieben wird.

Von Krafft (Chef des Stabes AOK 6) wurden diese Überlegungen in einem "Rebriefing" an Moltke geschickt und er schrieb, dass die Heeresgruppe unter keinen Umständen geschlagen werden darf, da sonst der rechte Flügel in Gefahr kam, und sie somit der "Schild" war, auf den sich die OHL auf der linekn Flanke verlassen muss.

An diesem Punkt kommt es zu unterschiedlichen Interpretationen über den "normalen" Auftrag und den von der "Norm" abweichenden Auftrag. Das "Reichsarchiv", und somit auch die Kritiker von Rupprecht, sahen im Angriff auf die Mosel die Ausnahme von der Norm, während sich Krafft und Rupprecht auf den gegenteiligen Standpunkt stellten und die Befehle der OHL eine offensive Lösung gegen die Mosel, unter Bedingungen, als die Norm ansahen. (Vgl. S. 168).

In diese gesamte Diskussion greifen auch Äußerungen von Ludendorff ein, der bestätigte, dass Moltke in OPerationsstudien auch eine Entscheidungsschlacht in Lothringen durchgespielt hätte (vgl. S. 169).

In diesem Sinne war die relative Stärke des linken Flügels auch der Option geschuldet, dass Moltke, sofern ihm Joffre die Entscheidungsschlacht in Lothringen aufzwingt, er diese auch in Lothringen durchkämpfen wollte.

In diesem Sinne wird man konzedieren müssen, dass neben dem Schlieffenplan, möglicherweise auch eine Entscheidungsschlacht in Lothringen für Moltke als kriegsentscheidende Schlacht i. Westen möglich gewesen wäre. Diese Vernichtungsschlacht hatte dann im "Sack" zwischen Metz, Saargemünd, Festung Bitsch und Straßburg stattfinden sollen. (vgl. S. 169).

Der französische Planung für die offensiven Eröffnungsschlachten (vgl. auch den guten Beitrag von Schmidt (S. Schmidt: Frankreichs Plan XVII, S. 221ff)) gingen von zwei Vorstößen aus. Der linke Vorstoß wurde nördlich der Linie Verdun-Metz vorgetragen und der rechte südlich von Metz und Vogesen.

Am 12. August wurde das AOK 6 durch die OHL explizit ausgebremst und ein offensives Vorgehen über die Mosel hinaus, nicht gewünscht (Vgl. S. 173).

Zwei Tage später ergaben Ergebnisse der "Spionage", dass zwischen 12 und 15, später, 15 bis 18 französiche Armeekorps der 6. und 7. Armee gegenüber lagen. Somit lagen "überlegene Kräfte" in diesem Frontabschnitt und diese waren hinhaltend defensiv zu bekämpfen.

Das AOK reagierte sofort, entsprechend den Befehlen, und kündigte eine weiträumige Rückzugsbewegung an. Gleichzeitig wurde de, AOK ein großer Teil des gerade mobilisierten Ersatzheeres von 6,5 Divisionen zur Verfügung gestellt.

Diese Verstärkung sollte gewährleisten, dass der "Sack zwischen Metz und Straßburg zugehalten wird. Zudem wurde in diesen Kämpfen die bis dahin höchste Konzentration an Geschützen erzielt, um der Offensive, auch gegen "Manonviller" zum Erfolg zu verhelfen.

Allerdings, änderte die OHL am 16. August ihre Einschätzung und ging nicht mehr von den "bedeutenden" Truppenkonzentrationen auf der Linie Toul - Epinal aus. (S. 175). Und somit war eine hohe Truppenkonzentration in einem Bereich erzielt worden, der strategisch irrelevant geworden ist, bereits am 20. August. Die anschließende Offensive erfolgte, weil man sie geplant hatte und nicht absagen wollte. Also eher aus "Sachzwängen", denn aus wirklichen militärischen Gründen. Und hier liegt der Ansatzpunkt für die Kritik an den offensiven Planungen der Armee der DR, einmal mehr in der Gedankenhaltung, dem "Kult der Offensive".

Wichtig für die Beurteilung der Erfolgschancen des "Drehtür-Effekts" und der Vernichtungsschlacht im "Sack" (eingeklemmt zwischen zwei deutschen Großfestungen!!!???) ist, ob Joffre überhaupt in diese offensichtliche Falle gegangen wäre. So schreibt Storz, dass Joffre in der defensiven Bewegung der Deutschen bei Saarburg (östlich von Straßburg) eine Falle vermutete.

Und somit schlußfolgert Storz:
"Groeners Rat vom Jahr 1929, man hätte die Franzosen durch rascheres Zurückgehen mutiger machen sollen, geht an der Wirklichkeit jener Augusttage des Jahres 1914 vorbei". (S. 176)

Der dann ab dem 20. August stattfindende Angriff und die anschließende "Verfolgung" ist schon nicht mehr wirklich relevant, da die Franzosen bereits Einheiten in der Folge aus diesem Bereich abgezogen haben und nach Norden an die Marne verlegt haben (vgl. Kartensatz: Die Schlacht in Lothringen und in den Vogesen, Blatt 1, 27.08)

In diesem Sinne hat Rupprecht & Krafft durchaus regelkonform die konditionalen Befehle der OHL interpretiert. Die Vorwürfe an das AOK 6 enbehren, soweit ich die Fakten nachvollziehen kann, m.E. einer plausiblen Grundlage.

Und bei der Begründung, einmal mehr, auf die zentrale Bedeutung der Aufrechterhaltung der Moral der Truppe verwiesen, die durch einen zweiten Rückzug hätte Schaden leiden können, da sie als Folge einer Niederlage interpretiert worden wäre.

Und in dieser Sicht kommt einmal mehr die hohe Bedeutung der Offensive zur Geltung, die auch durch wichtige preußische Korps-Kommandeure auch via Publikationen immer wieder betont worden ist.
 
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was hältst du denn von der Relevanz der frisch aus dem Boden gestampften monströsen modernen Riesenfestung Selztalstellung für die Kriegsplanungen zu Beginn des Ersten Weltkriegs? Ich meine damit die im Link sowie im Buch "Bollwerk Mainz" angegebene Relevanz (dass Mainz nicht angegriffen wurde, weiß ich), also diese Festung als Riegel für den Fall, dass die franz. Truppen einen Vormarsch an den Rhein wagen (also nicht von Molsheim-Straßburg aufgehalten werden)
(zu bedenken ist ja, dass Mühe und Aufwand zur Errichtung der Selztalstellung sehr groß waren!)
((dass große Kriege sich nicht an Planspiele halten, muss nicht eigens erwähnt werden))
 
was hältst du denn von der Relevanz der frisch aus dem Boden gestampften monströsen modernen Riesenfestung Selztalstellung für die Kriegsplanungen zu Beginn des Ersten Weltkriegs?

Ein paar Aspekte, dieses Mal ohne Literaturbelege. :D

1. Nach 1890 ging man grundsätzlich von der Möglichkeit eines Zweifrontenkrieges aus. Der zwischen 1905 und ca. 1910 aufgrund der Schwäche der russischen Armee relativ unwahrscheinlich war. Wie sich an der Bewertung durch Schlieffen 1905 zeigt und bis 1911 auch im defensiven Verhalten der russischen Armee bei politischen Eskalationen.

2. Folgt man Joffre, dann war die Verteidigung des DR an der Weichsel mit dem Drehpunkt Thorn relativ einfach zu leisten .

3. Der Rhein war auf der anderen Seite ein "mächtiges" Hindernis, das im Westen eine veritable Verteidigungsposition ermöglichte.

4. Die Funktion von Großfestungen war sicherlich vielschichtig. Zum einen als Unterstützer für Offensiven von Armee, aber auch defensiv um Flanken zu decken oder sich zurückziehende Armeen aufzunehmen. Daneben war es Logistik-Zentren, die einen substantiellen Input für benachbarte Armeen leisten konnten. Auch aufgrund der guten Anbindung an die Infrastuktur des DR.

5. In diesem Sinne machte Mainz, neben beispielsweise der "Festung -Istein", Strassburg oder Koblenz Sinn, um den Rhein nachhaltig im Rahmen der Defensive mit möglichst geringen Kräften nachhaltig zu verteidigen.

6. Dieses auch deswegen, weil die potentiellen Szenarien, der Ost- oder Westaufmarsch nicht immer so eindeutig waren. Und es wahrscheinlich war, dass man zumindest numerisch unterlegen hätte sein können.

Vor diesem Hintergrund machte die Anlage von Festungen am Rhein vor dem WW1 m.E. auch im Kontext der unterschiedlichen Aufmarschplanungen durchaus Sinn.

Und war völlig kompatibel mit der eigentlichen offensiven Ausrichtung von Feldzugsplanungen vor 1914, bzw. dem Konzept der "Vernichtungsschlacht", um im Rahmen des "kurzen Krieges" eine schnelle Entscheidung zu erhalten.
 
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Gibt es auch Belege, wie die maritime Rüstung bzw. die strategische Ausrichtung der Flotte in diesen Zweifronten Kriegsszenario eingebunden war?

Es gab, soweit mein Kenntnisstand, keine Planungen zwischen der Marine und dem Heer.

Die Ursache ist das Planungs-Chaos im DR, das im wesentlichen, so Röhl (Wilhelm II), auch auf das "Persönliche Regiment" zurück zu führen war.

In diesem Sinne war der "Schlieffen-Plan" als Blaupause für den "Moltke-Schlieffen-Plan" zwar relevant, aber es war im wesentlichen ein rein militärischer Plan für die Durchführung der Eröffnungsphase des Krieges. Ein Plan für eine Schlacht!

Es gab im DR keine übergeordnete Institution, wie in GB das "Comittee of Imperial Defence" oder in Frankreich das "Conseil Superieur de la Guerre", das militärische, politische und ökonomische Aspekte koordinierte.

In diesem Sinne spiegeln die "Kriegsspiele" im Winter 1913/14 (vgl. Röhl: Wilhelm II. Der Weg in den Abgrund, S. 1055-1061) für die Marine die relativ eigenständige Rolle der Marine wider. Von einer Koordination mit den Anforderungen des Heers kann man nicht sprechen.
 
Falkenhayn wollte die Franzosen sicher "nicht nur fürchterlich zur Ader lassen", sondern auch den Durchbruch und somit die Rückkehr zum Bewegungskrieg erreichen.
Dagegen spricht einiges. Die deutschen Truppen waren die ersten, die feste Grabenstellungen gebaut haben. Sie haben anschließend - wegen der Macht der Verteidigung - Truppen aus der Front herausgezogen, diese aber nicht für Schwerpunktsetzung und Gegenoffensiven genutzt, sondern stattdessen Einheiten an die Ostfront verschoben. Keine Spur von strategischer oder auch nur operativer Offensive. Durchbruch wurde gar nicht erst versucht.

Spätestens mit der Einsetzung von Falkenhayn war der Schlieffenplan gescheitert. Endgültig. Der Übergang vom Bewegungskrieg in den Stellungskrieg war das unausgesprochene Eingeständnis, dass ein "schneller Sieg" nicht mehr möglich war. Damit war es gleichzeitig das Eingeständnis, dass vermutlich überhaupt kein Sieg mehr möglich war, denn: Als der Schlieffenplan ersonnen wurde, gingen alle Verantwortlichen von der Prämisse aus, dass ein Sieg nur denkbar ist, wenn er "schnell" errungen wird.

Entsprechend zielte der Stellungskrieg nicht mehr auf Sieg ab. Er zielte nur noch darauf ab, den Krieg für Frankreich möglichst schmerzhaft zu machen. So schmerzhaft, dass Frankreich vielleicht irgendwann zu einem Separatfrieden bereit ist. So kann man Falkenhayns Spruch von der "Blutmühle" verstehen. Alternativ kam noch in Betracht, dass die von der Westfront abgezogenen Truppen im Osten den Russen so weh tun würden, dass DIE zu einem Frieden bereit wären und der Krieg auf die Weise von einem Zwei- zu einem Ein-Fronten-Krieg würde. Das hätte dann wieder Optionen auf Sieg eröffnet.

Der Zweck des Stellungskriegs lag jedenfalls nur darin, das Gemetzel möglichst blutig zu gestalten.

MfG
 
Es gab, soweit mein Kenntnisstand, keine Planungen zwischen der Marine und dem Heer.
...
In diesem Sinne spiegeln die "Kriegsspiele" im Winter 1913/14 (vgl. Röhl: Wilhelm II. Der Weg in den Abgrund, S. 1055-1061) für die Marine die relativ eigenständige Rolle der Marine wider. Von einer Koordination mit den Anforderungen des Heers kann man nicht sprechen.

Genau, keine Kordination, für die sich indes einige Ansatzpunkte geradezu aufgedrängt hätten. Stattdessen - neben den schon erwähnten fehlenden institutionellen Verknüpfungen - ist die Rüstungs- oder Budgetkonkurrenz beachtenswert.

Hat jemand den genauen Informationsstand der Marine zum Schlieffen-Moltke-Plan zur Hand?

Koordinationspunkte wie zB Störung des Übersetzens des BEF waren nicht besetzt (hier im Forum mal unter August 1914/Hochseeflotte am Rande angesprochen), wären aber einige vorhanden gewesen.
 
[...]
Hat jemand den genauen Informationsstand der Marine zum Schlieffen-Moltke-Plan zur Hand?

Koordinationspunkte wie zB Störung des Übersetzens des BEF waren nicht besetzt (hier im Forum mal unter August 1914/Hochseeflotte am Rande angesprochen), wären aber einige vorhanden gewesen.

Also es sieht wirklich so aus, also ob die beiden Militärinstitutionen im DR komplett aneinander vorbei aufgebaut und geplant wurden und das in jeglicher Hinsicht.

Besonders das Feindbild scheint hier über die unterschiedliche Planung entscheidend zu sein. Als die Flottenbauprogramme entstanden, wurde z.B. 1895 vom Oberkommando der Marine in einen Immediatbericht gefordert, eine 30%ige Überlegenheit zur französischen Nordflotte sowie zur russischen Ostseeflotte zu schaffen. Die RN steht nicht als Gegner zu taktischen Planung, so liegt die Rüstungsplanung sehr nah an dem Schlieffenplan.
Wie wurde ein BEF im Schlieffenplan berücksichtigt?

Mit den Flottenbauprogrammen und Tirpitz wandelte sich schnell das Feinbild, sowie die unumstößliche Doktrin der Entscheidungsschlacht nahe der deutschen Bucht mit der RN. Der Operationplan war darauf ausgelegt und gab der Marine schon vor dem Krieg eine defensive Kriegsweise vor. Die Seeschlacht bei Helgoland.
Der Küstenschutz oblag den alten Verbänden der Hochseeflotte, sowie in der Ostsee auch zusätzlich das Erringen der Seeherrschaft und die Unterbindung von Landungsmanövern der Russen.
Da der Krieg auf nur kurze Zeit geplant war, also auch bei der Marine, wurde die Problematik um den Wert des BEF unterschätzt und keine maritimen Gegenmaßnahmen getroffen oder gar geplant. Erst mit Kriegsbeginn wurden in Flandern die Marinekorps aufgestellt, mit eine unmittelbaren Verbindung der Leitungsstruktur zwischen Marinepersonal und dem OHL.
Interessant in dem Zusammenhang, sind die Aktivitäten der Torpedobootflottille Falndern und dem Seefliegern. Aber diese Zusammenarbeit entstand aus der Situation und wurden vor 1914 wohl bei keiner Führungsstelle des Heeres oder der Marine in Erwägung gezogen.
 
Also es sieht wirklich so aus, also ob die beiden Militärinstitutionen im DR komplett aneinander vorbei aufgebaut und geplant wurden und das in jeglicher Hinsicht.
Das deutet darauf hin, dass die Aufrüstung zur See nichts mit den jahrelangen Vorbereitungen auf den angeblich oder tatsächlich "unvermeidlichen" Zwei-Fronten-Krieg zu tun hatte. Dass bei den Planungen des Landkriegs letztlich die Marine unberücksichtigt blieb, deute ich darüber hinaus so, dass Deutschland keine klaren "Kriegsziele" hatte, als Ende Juli 1914 mobilgemacht wurde. Offenbar haben die Deutschen einfach eine "günstige Gelegenheit" nutzen wollen, um den Krieg zu führen, von dem sie seit Jahren dachten, dass er irgendwann zwangsläufig stattfinden wird.

Nun noch ein Appell: Ich bin mir ja durchaus bewusst, dass ich mit meiner Kritik an Leuten wie Sephan van Evera und Jehuda Wallach "heilige Kühe geschlachtet" habe. Ich finde allerdings, dass man darauf öffentlich und nicht mit undifferenziert-wutentbranntem Bömmeln antworten sollte. Das würde der Debatte jedenfalls nutzen.

Eigentlich dachte ich, dass diese Diskussion nicht der Raum ist, um "Buchbesprechungen" über Wallachs "Vernichtungsschlacht" oder van Everas "...Origins of the First World War" auszubreiten. Aber wenn das so dringend gewünscht ist, bin ich gern bereit mitzumachen.

Ich schlage nur vor, dass hierfür dann eine eigene Diskussion aufgemacht wird. Vielleicht kommt dort dann ja mehr als dümmliche Zweizeiler, auf die man nicht inhaltlich antworten kann.

Gruß von einem Mitglied der Fraktion "Green only"
 
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