Der Kult der Offensive

"This article will argue that the cult of the offensive was a principal cause of the First World War, creating or magnifying many of the dangers which historians blame for causing the July crisis and rendering it uncontrollable."
Mit diesen Worten beginnt der zweite Absatz von van Everas Aufsatz über den "Kult der Offensive" in "International Security, Vol. 9, No. 1 (Summer, 1984)"
Wo steht da ein Hinweis auf "Zeitverichtung" und was meint wohl die Formulierung "a prinzipal cause" in diesem Zusammenhang bezogen auf den Ersten Weltkrieg?
Dünn, erbärmlich, dümmlich. Und ich füge hinzu: in krassem Widerspruch zu den historischen Fakten.

Der "dünnen, erbärmlichen und dümmlichen" Formulierung folgt zB Herwig, Germany and the "Short-War" Illusion: Toward a New Interpretation?, JoMH 2002, S. 681 (und in seinen weiteren Publikationen)

"Die deutsche Kriegsentscheidung 1914 muss, auf Basis der Förster-These, vor dem Hintergrund einer militärischen Festlegung/Abstützung auf einen 40-tägigen Erstschlagsplan gegen Frankreich gesehen werden - begleitet von der Überzeugung von einem längeren, blutigen Abnutzungskrieg als einem möglicherweise nicht gewinnbaren Unterfangen [Anm: h.M. zum Standpunkt von Moltke].

Der Chef des Generalstbes hatte jedenfalls keine Zweifel/Illusionen über diesen "kommenden Krieg". Am 28.7.1914 - bereit, die große Symphonie des Schlieffen-Planes zu inszenieren - verfasste [der Militär] Moltke die geheime "Bewertung der politischen [sic!] Lage", die er am nächsten Tag dem Kanzler präsentierte [Anm: zuvor aber Wilhelm II.!]. Darin sprach Moltke vom kommenden Krieg als Weltkrieg ...
Dennoch sah der Neffe des Siegers von 1866 und 1871 keine Alternative, als den Schlieffen-Plan zu starten, um den Diplomaten und Politikern [sic!] einen strategischen Vorteil bei Kriegsausbruch zu bieten für einen Krieg, von dem er annahm, dass er lang und hart werden würde. Am 29.7. instruierte Moltke Wilhelm II ganz offen darüber, dass Deutschland nie wieder eine so günstige Situation antreffen werde wie jetzt, mit Frankreichs und Russlands unvollständigen Heeresvermehrungen. ...
Am Ende schloß sich Bethmann-Hollweg Motlkes Fatalismus an. Wie Moltke befürwortete er den Krieg, unabhängig davon, wie er enden würde, alles andere jedenfalls als ein 40-Tage-Marsch auf Paris..."

Dass die Politik erst auf Einfluss Moltke etc. nachgegeben hat, der sie massiv mit seinen zeitkritischen Aufmarschplänen und zugeschobenen Verantwortungen unter Druck setzte und seine Einflussnahmen geschickt zwischen Kaiser und Politik ausspielte, ist oben dargestellt. Herwig resümmiert:

"the "men of 1914" [deutsche Militärs] were united in the belief that a general European war would be anything but short. Driven by their own planning contradictions and devoid of imperial or government direction, they opted for a desperate 'Flucht nach vorne' in July and August 1914 in the hope that war—certainly unpredictable and perhaps unwinnable—was the only alternative to perceived gridlock...
And nations do not, as suggested first by David Lloyd George in the 1920s and then rehashed by Henry Kissinger in the 1970s, ''a simply "slide" into general wars, driven by either ignorance or stupidity. In the final analysis, wars are caused by human beings who weigh their options, calculate the risks, and eventually decide that the recourse to arms is in their best interest. In doing so, they are motivated by a complex set of "assumptions, both spoken and unspoken"
"To wait any longer, given German fears of war the minute that the great Russian rearmament program was completed by 1916 or 1917, entailed almost certain failure for the Schlieffen plan in the minds of the military leaders of 1914; hence, the "strike-now-better-than-later" mentality that dominated Berlin during the July crisis."
 
Der "dünnen, erbärmlichen und dümmlichen" Formulierung folgt zB Herwig, Germany and the "Short-War" Illusion: Toward a New Interpretation?, JoMH 2002, S. 681 (und in seinen weiteren Publikationen)

"Die deutsche Kriegsentscheidung 1914 muss, auf Basis der Förster-These, vor dem Hintergrund einer militärischen Festlegung/Abstützung auf einen 40-tägigen Erstschlagsplan gegen Frankreich gesehen werden - begleitet von der Überzeugung von einem längeren, blutigen Abnutzungskrieg als einem möglicherweise nicht gewinnbaren Unterfangen [Anm: h.M. zum Standpunkt von Moltke].

Der Chef des Generalstbes hatte jedenfalls keine Zweifel/Illusionen über diesen "kommenden Krieg". Am 28.7.1914 - bereit, die große Symphonie des Schlieffen-Planes zu inszenieren - verfasste [der Militär] Moltke die geheime "Bewertung der politischen [sic!] Lage", die er am nächsten Tag dem Kanzler präsentierte [Anm: zuvor aber Wilhelm II.!]. Darin sprach Moltke vom kommenden Krieg als Weltkrieg ...
Mein Gott, Silesia, das ist doch alles überhaupt nicht umstritten. Umstritten ist nur die Frage, ob das Militär die URSACHE dafür war, so wie van Evera es mit den Worten "...that the cult of the offensive was a principal cause of the First World War..." oder wie Wallach es mit seiner schwach dargelegten Argumentation von der Entmachtung der Politik durch das Militär behauptet.

Wir werden aber nie einer Lösung näher kommen, wenn wir ständig zwischen dem "langen Weg" in den Krieg und der Überbetonung der Julikrise hin und her springen.

Gehen wir es doch mal vom Anfang aus. Die tiefgreifenden Veränderungen, die sich infolge der Revolutionskriege im Nationalstaatsgedanken, in den Sozialstrukturen und im Militärwesen ergaben, sind zwar wichtig, aber die lasse außen vor und fange mit einem festen Datum an: 18. Januar 1871.

Wilhelm lässt sich in Versailles zum Kaiser krönen, das Deutsche Reich entsteht, eine neue Großmacht erscheint auf der europäischen Bühne. Das hat das Gefüge zwischen den Mächten durcheinandergebracht, denn es gab nun fünf Großmächte. Eine ungerade Zahl. Folge: Eine Pattsituation war ab sofort nicht mehr möglich, jede Großmacht hätte in einem Konflikt das "Zünglein an der Waage" spielen und - im Extremfall - allein über Krieg und Frieden entscheiden können. Das hat Bismarck ausgenutzt und versucht, Deutschland durch sein Bündnissystem in eine Lage zu bringen, aus der heraus das Reich immer "Zünglein an der Waage" sein und Frankreich ausgrenzen konnte.

Die Großmächte hatten Mühe, unter diesen Umständen ein neues Gleichgewicht miteinander zu finden. Das ist die politische Ausgangslage. Hier tritt das Militär als Faktor hinzu und verlieh dem gestörten Machtgefüge erhebliche Sprengkraft: Wir reden nämlich über eine Zeit, in der die Großmächte es als ihr natürliches Recht angesehen haben, jederzeit Krieg zu führen wenn sie es für sinnvoll hielten. Dass sie dazu fähig waren und dies hin und wieder unter Beweis stellten, war geradezu konstituierend für ihren Großmachtstatus! Dabei waren die Mobilisierungszeiten so kurz, dass jede Großmacht quasi aus dem Stand mit beträchtlicher Kraft hätte zuschlagen können.

Deshalb gab es in Deutschland einen Großen Generalstab - und vergleichbare Institutionen in den anderen Großmächten -, der nichts anderes zu tun hatte, als sich für jede mögliche Konfliktkonstellation Pläne für die Kriegführung auszudenken.

Ich vermute, bis hierhin sind wir uns noch einig, dass die Politik in vollem Ausmaß den Rahmen gesetzt hat, in dem das Militär planen (und im Notfall agieren) konnte. Das Militär hatte die Rolle von "Netz und doppeltem Boden" und sollte aktiv werden, wenn die Politik ihre Ziele nicht erreichte. Das waren auch nicht nur Planspiele, sondern ganz ernsthafte Optionen. Krieg galt damals als völlig normales Mittel der Politik.

Die Differenzen fangen an, wenn wir zu dem einen Spezialfall kommen, der für Deutschland besonders bedrohlich war: Ein Zwei-Fronten-Krieg gegen Frankreich und Russland, vielleicht sogar noch unter Beteiligung Englands. Auch für diesen Fall wurde beim Militär "vorausgeplant". "Höhepunkt" dieser Planung war der Schlieffenplan, der 1905 fertig war - und der keineswegs im Militär "geheim gehalten" wurde. Schlieffens Denkschrift - auch der Plan zur Missachtung der belgischen Neutralität - war der Politik sehr wohl bekannt.

Und hier kommt jetzt der Punkt, ab dem nicht mehr die Politik den Rahmen gesetzt haben soll, sondern das Militär selbst. Das ist aber einfach nicht plausibel. Es gibt dafür auf dem "langen Weg" keine Anhaltspunkte. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass es sich um mehr handelte als um ein Konzept für den von der Politik befürchteten Fall, dass es zu einem Zwei-Fronten-Krieg kommen könnte.

Es gibt auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass es außer diesem Plan keine anderen mehr gegeben hätte. Es ist völlig widersinnig anzunehmen, dass bei einem (unwahrscheinlichen) Angriff Dänemarks zur Rückgewinnung verlorener Gebiete in Schleswig-Holstein in Deutschland sofort den Schlieffenplan ausgelöst worden wäre. Es ist nichtmal anzunehmen, dass dies bei einem Krieg um Elsass-Lothringen zwingend passiert wäre.

Dass das deutsche Militär weiterhin auch auf alle denkbaren anderen Konflikte vorbereitet war, zeigt sich zum Beispiel an der Verteilung von Festungen und Garnisonsstädten im Land, an der daraus erkennbarn Zuordnung von Truppen zu "gedachten" Großverbänden etc. Wenn man sich die jährlichen Großmanöver und Generalstabsreisen genau ansieht, findet man mit Sicherheit Belege, dass dabei immer auch für Lagen geübt wurde, die nichts mit Zwei-Fronten-Krieg zu tun hatten.

Eine "Übermacht" des Militärs über die Politik oder die Existenz von Offensiv-Dogmen kann man auch nicht einfach daraus ableiten, dass die Deutschen sich für den (offensiven) Schlieffenplan entschieden und andere, defensive Konzepte (z.B. den Festungsausbau, den von der Golz vorgeschlagen hatte) verworfen hatten. Hierfür müsste man sich erstmal ansehen, ob mögliche Alternativen überhaupt die Zielvorgaben hätten erfüllen können. Beispiel: Politik und Militär gingen übereinstimmend davon aus, dass die deutschen Truppen den vereinigten russischen und französischen weit unterlegen sein würden. In der Defensive abzuwarten, bis die beiden möglichen Kriegsgegner koordinert angriffen, konnte deshalb keine Option sein.

Eine Veränderung in der "Bedeutung" des Plans trat ein, als Bismarcks Bündnissystem bröckelte und Deutschland sich zunehmend von einem Bündnis aus drei anderen Großmächten bedroht sah (ob berechtigt oder nicht, ist dabei erstmal egal). Dies führte dazu, dass immer ernsthafter über einen Präventivkrieg nachgedacht wurde. Auch hier lag das aber wieder nicht daran, dass das Militär gedrängelt hätte, sondern resultierte aus der politischen Lage.

Dies führte dann auch nicht zwangsläufig zu einem Krieg. Ein Beleg dafür ist der russisch-japanische Krieg 1904/05. Schon zu jenem Zeitpunkt wurde in Deutschland ernsthaft erwogen, jetzt präventiv loszuschlagen. Das erfolgte damals nicht, weil ein Angriffskrieg gegen Frankreich innenpolitisch (bei der Arbeiterbewegung) nicht durchsetzbar war und weil Deutschland nicht sicher sein konnte, dass Österreich-Ungarn an dem Krieg teilnehmen würde. Beides rein politische Erwägungen.

Das sah dann in der Julikrise anders aus: Die Teilnahme Österreich-Ungarns war absolut sicher. Und die Zustimmung der Sozialdemokratie holte man sich, indem man einen frühen Kriegseintritt Russlands provozierte. Die deutsche Führung sah es einfach als eine günstige Gelegenheit an, den "Präventivkrieg" zu führen, von dem sie dachte, dass sie ihn irgendwann ohnehin führen müsse.

Zu dem Zeitpunkt konnte der militärische Aufmarsch die Politik dann nicht mehr von Friedensbemühungen abhalten, weil Friedensbemühungen gar nicht mehr angestrebt waren. Schon von dem Moment an nicht mehr, in dem der Kaiser seinen "Blankoscheck" ausgestellt hat. Diese Entscheidung hat er nämlich getroffen, ohne dass sie zu dem Zeitpunkt notwendig war. Es bestand noch gar kein Anlass anzunehmen, dass der sich abzeichnende Krieg auf dem Balkan von einem Regionalkonflikt zu einem Weltkrieg eskalieren würde.

Mit entschiedener Diplomatie hätte sich zu dem Zeitpunkt vermutlich sogar noch ein Krieg auf dem Balkan verhindern lassen. Das wollte die deutsche Seite aber nicht. Sie wollte die "Gunst der Stunde" nutzen und den Krieg lostreten. Zitate, die das belegen, hast Du in Deinem vorletzten Beitrag ja schon angeführt.

Die daraufhin ausgelöste Mobilmachung konnte die deutsche Politik dann auch nicht in ihren Optionen beschränken. Der Krieg war schon beschlossen, eine Friedenslösung nicht mehr gewünscht. Und in dem Moment, da die Mobilmachung/der Aufmarsch begann, gab es auch keine Möglichkeit zur Umkehr mehr.

Dass Moltke am 28. Juli 1914 keine Zweifel am kommenden Krieg hatte, verwundert nicht. Er sollte ihn ja immerhin führen. Deshalb spielt es auch keine große Rolle mehr, was Moltke an dem Tag dem Kanzler schrieb. Das kann man wohl eher als "Argumentationshilfe" verstehen. Schließlich war Bethmann Hollweg der arme Kerl, der gegenüber der Weltöffentlichkeit den Einmarsch nach Belgien rechtfertigen musste.

Bereits am 2. oder 3. August wurde dann im Reichstag die erste Kriegsanleihe beschlossen - mit den Stimmen der Sozialdemokratie, deren Zustimmung ganz sicher nicht in einem kurzen Gespräch hergestellt werden konnte. Auch auf der innenpolitischen Ebene ist der Krieg also zielgerichtet vorbereitet worden.

Das alles sehe ich nicht als Ergebnis des Wirkens militärischer Dogmen. Es war das Ergebnis dessen, was im Wesen der Großmächte jener Zeit lag: Sie haben Krieg für ein ganz normales Mittel der Politik gehalten und sie waren überzeugt, dass es ihr Recht ist, jederzeit einen Krieg zu beginnen.

MfG

P.S.: Das konkrete militärische Handeln im Krieg und z.B. Schlieffens Aussagen dazu lassen die Existenz von Offensivdogmen auch eher unwahrscheinlich erscheinen. Zitate kann ich auf Wunsch am späteren Abend liefern.
 
Wilhelm lässt sich in Versailles zum Kaiser krönen, das Deutsche Reich entsteht, eine neue Großmacht erscheint auf der europäischen Bühne. Das hat das Gefüge zwischen den Mächten durcheinandergebracht, denn es gab nun fünf Großmächte. Eine ungerade Zahl. Folge: Eine Pattsituation war ab sofort nicht mehr möglich, jede Großmacht hätte in einem Konflikt das "Zünglein an der Waage" spielen und - im Extremfall - allein über Krieg und Frieden entscheiden können. Das hat Bismarck ausgenutzt und versucht, Deutschland durch sein Bündnissystem in eine Lage zu bringen, aus der heraus das Reich immer "Zünglein an der Waage" sein und Frankreich ausgrenzen konnte.

Die Großmächte hatten Mühe, unter diesen Umständen ein neues Gleichgewicht miteinander zu finden. Das ist die politische Ausgangslage.

Hier møchte ich doch gerne mal einhaken, auch wenn wir vielleicht abgleiten:

Das Gleichgewicht der Mæchte hat nichts mit der Anzahl der Grossmæchte zu tun. Diese 5 Grossmæchte gab's seit 1815; wobei man das DR vereinfacht als "vergrøssertes Preussen" ansehen kann.
Nicht ganz ausblenden sollte man die mehr und mehr aufstrebende "Gross"macht Italien, sowie die nun auch geografisch in die Bedeutungslosigkeit versinkende Ex-Grossmacht Osmanisches Reich.

Du hast hier die unterschiedlichen geographischen und wirtschafltichen Gegebenheiten/Besonderheiten ausgeblendet, die jeder Grossmacht ein ganz spezielles Gewicht zumisst.
(Das DR in der Mitte Europas, Englands Insellage, Russlands riesiges Territorum, usw.)
Hinzu kommen unterschiedliche Reibungspunkte und Interessenslagen, dass erst macht ein møgliches Gleichgewicht/Ungleichgewicht aus.
Diplomatisch, sofern man mit dem erreichten zufrieden gewesen wære, wære es auch in dieser Konstellation sicherlich møglich gewesen, die Balance zu halten.
Problematisch wird und wurde es doch erst, als einer - und zwar der mit der schwierigsten Ausgangslage - versuchte, am Status Quo zu ruetteln, und zwar dergestalt, dass man es sich gleich mit (fast) allen verscherzte. Und das war das DR.

Gruss, muheijo
 
Hier møchte ich doch gerne mal einhaken, auch wenn wir vielleicht abgleiten:

Das Gleichgewicht der Mæchte hat nichts mit der Anzahl der Grossmæchte zu tun. Diese 5 Grossmæchte gab's seit 1815; wobei man das DR vereinfacht als "vergrøssertes Preussen" ansehen kann.
Nicht ganz ausblenden sollte man die mehr und mehr aufstrebende "Gross"macht Italien, sowie die nun auch geografisch in die Bedeutungslosigkeit versinkende Ex-Grossmacht Osmanisches Reich.
Stimmt. Serbien mit seinen Träumen von eigener Größe muss man auch noch hinzuzählen. Aber alle genannten Mächte waren keine Großmächte. Auch Preußen nicht. Allenfalls "Schwellenmächte". Sie hatten nicht die Macht, ihre Ziele selbst durchzusetzen, sondern brauchten dazu immer die Unterstützung anderer Mächte. Im Falle Serbiens trug das zum Krieg bei (Russland wurde in den Konflikt hineingezogen). In Deutschland war die Situation nochmal kompliizierter. Wenn Preußen es schaffte, eine Koalition mit anderen Staaten im Deutschen Bund hinzubekommen, konnte Preußen im Konzert der Großmächte mitspielen. Aber immer nur zeitweise. Mit der Gründung des Deutschen Reichs wurde das verstetigt und im Zentrum Europas entstand eine neue Großmacht, die - von ihrem Potenzial her - mächtiger war als insbesondere Frankreich und England sich das wünschen wollten.

Du hast hier die unterschiedlichen geographischen und wirtschafltichen Gegebenheiten/Besonderheiten ausgeblendet, die jeder Grossmacht ein ganz spezielles Gewicht zumisst.
(Das DR in der Mitte Europas, Englands Insellage, Russlands riesiges Territorum, usw.)

Hinzu kommen unterschiedliche Reibungspunkte und Interessenslagen, dass erst macht ein møgliches Gleichgewicht/Ungleichgewicht aus.
Stimmt auch. All das sollte unbedingt berücksichtigt werden, wenn man nach den Ursachen für den Ausbruch des Kriegs sucht. Ich wollte das aber nicht auch noch schreiben, denn der Beitrag war auch so schon lang genug. Außerdem dreht sich die Diskussion hier ja darum, dass es einen "Kult der Offensive" gegeben habe und all die oben genannten Details kaum eine Rolle spielen... Deshalb ist Dein Einwand MIR zumindest sehr willkommen.

Trotzdem ist an Bismarcks Bündnissystem zu erkennen, dass die Zahl "5" schon große Bedeutung hatte - wenn auch nicht mit der mathematischen Präzision, die meine Aussage vielleicht impliziert hat.

MfG
 
Wiederholt die freundliche Bitte, auf derartige polemische Verdrehungen zu verzichten.
Den Beitrag hatte ich am Nachmittag übersehen. Ich gehe darauf nicht mehr im Detail ein, da ich denke, das wäre ein Rückschritt in der Diskussion.

Deshalb nur kurz: Es wird erkennbar, dass Du "polemische Verdrehungen" gern "eleganter" einsetzt als ich. :)

Ob "Wahrheiten" oder "Dummheiten" vorliegen, sollte man nach Kenntnisnahme entscheiden. Ein guter Einstieg ist der Dir zuvor unbekannte und leider so runtergemachte "Herr Groß" (Geschichte des operativen Denkens im deutschen Generalstab)
Dazu habe ich schonmal geschrieben, dass das Problem auch in Deiner Zitierweise liegen kann. Ich habe auch nie behauptet, dass ich all die Bücher, die Du oder sonstjemand für relevant hält, gelesen habe. Ob es für eine Diskussion hilfreich ist, wenn sie mit langen Literaturlisten geführt wird, ist eine andere Frage.

Lass uns also einfach zur Sache zurückkommen.

Übrigens: Es ist spät geworden. Zitate zu praktischem militärischen Handeln muss ich deshalb bis morgen schuldig bleiben.

MfG
 
Umstritten ist nur die Frage, ob das Militär die URSACHE dafür war, so wie van Evera es mit den Worten "...that the cult of the offensive was a principal cause of the First World War..." oder wie Wallach es mit seiner schwach dargelegten Argumentation von der Entmachtung der Politik durch das Militär behauptet.

Das ist absolut nicht umstritten! Du persönlich bestreitest es, ohne weitere Nennung einer Studie, die das unterstützen würde.

So schreibt Mombauer: "Germany`s war plan differs in another way when compared to those of the neighbors. Other war plans have not usually been seen as the cause of World War....and has been seen to be the causal factor of the events that led to the outbreak of the war" (A. Mombauer: German War Plans. in: Hamilton & Herwig: War Planning 1914, 2010, S. 49)

Und damit referiert sie den aktuellen und allgemeinen Erkenntnisstand zur Forschung der Kriegsursachen, dass der Schlieffen-Moltke-Plan ein wichtiger Faktor war, der die Art des Ausbruchs des WW I erklären hilft.

Sie widerspricht damit sehr deutlich Deiner subjektiven Meinung.

Dabei waren die Mobilisierungszeiten so kurz, dass jede Großmacht quasi aus dem Stand mit beträchtlicher Kraft hätte zuschlagen können.

Falsch. GB konnte es nicht, da es über kein nennenswertes Landheer verfügte. Frankreich konnte es nicht, da seine Aufmarschpläne bis zum Plan XVII - also kurz vor dem WW I - defensiv waren und Russland konnte zwischen 1905 und ca. 1912 es schon gar nicht, da es militärisch dazu einfach nicht in der Lage war. Bleiben vor allem das DR und Ö-U, die es beide konnten und gerade diese militärische Stärke des DR der Ausgangspunkt für die "Weltmachtpolitik" von Bülow war und zu dem Aufbau der tirpitzschen "Risikoflotte" geführt hat.

Das DR hat seine militärische Stärke mit der Fähigkeit zum diplomatischen Agieren verwechselt. Und da kommt das Übergewicht des Militärischen gegenüber dem Politischen deutlich zum Tragen.

Ganz zu schweigen von der "verächtlichen" Beurteilung des Zivilen durch die militärische Umgebung von KW II (z.B. im und durch das Militärkabinett) und beispielsweise Röhl (Wilhelm II, Der Weg in den Abgrund 1900 - 1914 und Kaiser, Hof und Staat.), Mommsen (War der Kaiser an allem schuld?)oder auch Clark (Wilhelm II) haben sich zum "Königsmechanismus" oder zum "persönlichen Regiment" ausreichend ausgelassen.

Deshalb gab es in Deutschland einen Großen Generalstab - und vergleichbare Institutionen in den anderen Großmächten -, der nichts anderes zu tun hatte, als sich für jede mögliche Konfliktkonstellation Pläne für die Kriegführung auszudenken.

Auch nicht richtig. Die Situation der militärischen Gliederungen war im DR, F oder in GB deutlich unterschiedlich. In F und GB unterstand das Militär direkt den demokratisch gewählten Institutionen. Sie wurden durch diese berufen, kontrolliert und aufgelöst. In GB beispielsweise ist das Militär kein einziges Mal in seiner Expertise zu einem möglichen Konflikt gehört worden. Ein sehr deutlicher Unterschied zum DR, in dem ein Moltke die zukünftigen Bedrohungsszenarien der Politik diktierte und nicht andersherum.

In diesem Sinne gab im DR keine übergeordnete Institution, wie in GB das "Comittee of Imperial Defence" oder in Frankreich das "Conseil Superieur de la Guerre", das militärische, politische und ökonomische Aspekte koordinierte.

In diesem Sinne war der Schlieffenplan sogar - leider - hochgradig "unpolitisch", da Schlieffen sich lediglich um die militärische Lösung des Problems der Vernichtungsschlacht gekümmert hat. Diplomatische Probleme, wie die Neutralität von Ländern, haben ihn nicht interessiert. Und genau in diesem Aspekt liegt seine politische Wirkung. Er hat sich über die außenplitischen Konsequenzen keine Gedanken gemacht und auch über die Konsequenzen für die reduzierte Entscheidungsfreiheit in Zeiten der Krise, wie in der Juli-Krise. Sofern er politisch agieren wollte - was er gar nicht selber mußte -, hat er sich der Person von v. Holstein bedient, die gemeinsame kriegerische Ambitionen teilten.

Und es war nicht die Politik, die dem Militär die Szenarien vorgab, sondern das Militär erklärte ab Moltke im Vorfeld des WW I der Politik wie die politische Situation zu beurteilen ist und daraus entstehende Kriege strategisch und operativ zu führen sind.

So formulierte Moltke am 1.12.1911 in seinem Memorandum „Die Militärpolitische Lage Deutschlands“ die Sicht auf die politische und die militärische Lage! und kein ziviler Politiker!!! Diese Sicht spiegelte die insgesamt veränderte Wahrnehmung der Situation in Europa wider und war eine wichtige Fundierung für die zunehmend kriegerische Sicht in Berlin.

Und - erst - im Dezember 1912 erklärte Moltke dem Reichkanzler vertiefend, wie die Aufmarschplanung des Generalstabs aussah, indem zunächst die Offensive gegen Frankreich geplant war und die Defensive gegen Russland. Durch die zeitliche Abfolge in „zwei Kriege“ wollte Moltke das Problem des Zweifrontenkriegs gegen eine numerische Übermacht auflösen und dem "Dogma der Vernichtungsschlacht" entsprechen. Dabei war natürlich die Kürze des Feldzugs (die bereits angesprochenen 40 Tage) von zentraler ökonomischer Bedeutung und das war der Dreh- und Angelpunkt der militärischen Planungen. (A.Mombauer: German War Plans. In: R. Hamilton & H. Herwig: War Planning 1914. 2010, S. 48 ff1, S. 58).

Der nächste Krieg sollte und mußte kurz sein, da sich Schlieffen und auch Moltke über die zunehmenden destruktiven Wirkungen von Krieg auf die mitteleuropäische Zivilisation bewußt waren und sie auch verhindern wollten. Sie waren keine Kriegstreiber, sondern wollten militärische Probleme lösen zum "Wohle" des Vaterlands, wie sie es wohl als "Kinder ihrer Epoche" gesehen haben.

Ich vermute, bis hierhin sind wir uns noch einig, dass die Politik in vollem Ausmaß den Rahmen gesetzt hat, in dem das Militär planen (und im Notfall agieren) konnte. Das Militär hatte die Rolle von "Netz und doppeltem Boden" und sollte aktiv werden, wenn die Politik ihre Ziele nicht erreichte.

Das ist eine Verkennung der damaligen Situation. Das Militär war vor allem der Oberbefehlshaber und das war der Kaiser und relevant für viele Aspekte der Politik waren die Entscheidungen des Militärkabinetts. Es gab somit keine Trennung von Militär und Politik, sondern sie war direkt verwoben und das ist ja gerade einer der Punkte, die der politischen Kultur im DR den Vorwurf des "Militarismus" einbrachte.

Allerdings, der wohl wichtigste und folgenschwerste Übergriff des Militärs in die Außenpolitik ereignete sich als Teil der "langsamen" Eskalation der kriegerischen Situation zwischen Ö-U und Serbien. So schrieb FM Conrad im Januar 1909 ein Brief an seinen "Kollegen" Moltke und wies auf den Konflikt hin und die Gefahren einer potentiellen Eskalation durch das Eingreifen von Russland. Relevant ist, dass Conrad von einer offensiven Operation gegen Serbien ausging. Und Moltke antwortete, dass das DR auch bei einem derartigen Szenario den "casus foederis" als gegeben angesehen hätte, sofern Russland mobilisiert.

Damit hat ein Militär in seiner Funktion als Generalstabschef die defensive Funktion des Vertrag zwischen dem DR und Ö-U, wie von Bismarck konzipiert, in eine offensive Richtung umgedeutet (G. Craig: The Politics of the Prussian Army 1640-1945, 1964, S. 288ff). Und durch die Re-Interpretation von außenpolitischen Verträgen die ohnehin massive kriegerische Haltung von Conrad bestärkt. Ein Vorgang, der sich im Juli 1914 wiederholen sollte im Rahmen der "Wer regiert in Berlin"-Affäre.

An diesen Punkten hat Moltke sehr deutlich in die Außenpolitik eingegriffen und entscheidend die Rahmenbedingungen für den Ausbruch des WW I mit beeinflusst. Ein ähnliches Verhalten wäre weder in Frankreich noch in GB denkbar gewesen und zeigt unter anderem den Stellenwert, den das Militär im DR bei der Formulierung der Poltik hatte.

Und hier kommt jetzt der Punkt, ab dem nicht mehr die Politik den Rahmen gesetzt haben soll, sondern das Militär selbst. Das ist aber einfach nicht plausibel. Es gibt dafür auf dem "langen Weg" keine Anhaltspunkte. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass es sich um mehr handelte als um ein Konzept für den von der Politik befürchteten Fall, dass es zu einem Zwei-Fronten-Krieg kommen könnte.

Es gibt auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass es außer diesem Plan keine anderen mehr gegeben hätte.

Einfach nur falsch. Es gibt harte Fakten und diese harte Fakten sind in der Form der Aufmarschanweisungen von 1893/94 bis 1913/14 vorhanden und zusätzlich leigen sie als "Mob-Termin-Kalender 1914/15 vor (Ehlert, Epkenhans & Groß: Der Schlieffenplan, 2006, S. 345 ff).

Darauf ist merfach bereits hingewisen worden und Du ignorierst es jetzt zum wiederholten Male.

Das sah dann in der Julikrise anders aus: Die Teilnahme Österreich-Ungarns war absolut sicher. Und die Zustimmung der Sozialdemokratie holte man sich, indem man einen frühen Kriegseintritt Russlands provozierte. Die deutsche Führung sah es einfach als eine günstige Gelegenheit an, den "Präventivkrieg" zu führen, von dem sie dachte, dass sie ihn irgendwann ohnehin führen müsse.

Richtig, immerhin ein Punkt, der in Bezug auf den Ausbruch des WW I konsensual ist.

Resümee: Du bleibst nach wie vor den Beleg schuldig, dass es einen oder mehrere "Plan B" gegeben hätte. Und deswegen ist vor den politischen Voraussetzungen in Mitteleuropa das "Dogma der Vernichtungsschlacht" sowohl für Schlieffen als auch für Moltke die einzige Lösung ihrer militärische Probleme gewesen. Dass dabei eine die schlieffensche operative und strategische militärische Denktradition im Rahmen des "Kults der Offensive" später auf den Punkt gebracht wurde, ist völlig unerheblich.
 
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Der Reihe nach. Deshalb zuerst zu diesem Beitrag...

Nein, das ist keine Arroganz, sondern es ist ein massives Unverständnis, dass Du Dich hier im Forum als jemand präsentierst, der kompetent wäre, einen universalen Rundumschlag gegen die Forschung aus dem Umfeld der Politologie und der historischen Wissenschaft zu führen.
Heißt das, Du ärgerst Dich auf diese Weise einfach über jeden, der eine Meinung vertritt, die von Deiner abweicht? Nun, das nenne Arroganz.

Allerdings, um dann gleichzeitig unter weitgehender Abstinenz zu relevanten Autoren und ihren Publikationen zur Forschung zum Ausbruch des WW1 eine "Schmalspur-Diskussion" zu führen, die im wesentlichen in einem Bashing von Wallach besteht.
Was willst Du eigentlich? Du hast doch Wallachs Buch mit dem Etikett "sicher Standard" versehen. Dann befasse ich mich damit - und es passt Dir auch wieder nicht. Wenn Du das, was ich zu Wallach gesagt habe, für falsch hältst, dann schreib es doch einfach. Aber bitte mit Argumenten und nicht mit neuen Literaturlisten. Genug Aussagen von mir und untermauernde Zitate, an denen Du Kritik festmachen könntest, sollten in dem Beitrag von mir ja wohl stehen. Es sollte als schon mehr kommen als die Klage, dass ich den von Dir so großartig angesehenen Wallach nicht auch großartig finde.

Nebenbei: Bücher sollte man nicht nur lesen, sondern auch verstehen. Und nach dem Verständnis von Wallach, das Du hier dokumentiert hast, wirken weitere "Literaturtipps" von Dir bestenfalls zweifelhaft.

Und abschließend: Trotz vieler wortreicher Beiträge hast Du bisher keinen einzigen Beleg erbringen können für einen Plan B. Und das ist Dein nicht vorhandener "Schlusstein", der Dein Kartenhaus immer einstürzen läßt.
Mal davon abgesehen, dass Du nicht mal präzise sagen kannst, was Du mit "Plan B" überhaupt meinst: Das ist schon ganz zu Anfang angesprochen, seither mehrfach wiederholt worden und stellte überdies die Grundlage für die ganze Planung Schlieffens dar. Trotzdem hier jetzt nochmal, damit vielleicht irgendwann auch Du es verstehst:

So wie die deutsche Führung die politische Gesamtlage beurteilt hat, war eine defensive Kriegführung keine Option mehr, weil sie nur dazu geführt hätte, dass die Feinde in aller Ruhe unüberwindlich überlegene Streitkräfte aufstellen und einen koordinierten Zangenangriff vorbereiten konnten.

Es darf bezweifelt werden, ob diese Beurteilung der politischen Lage realistisch war, aber das müssen wir hier ja nicht erörtern, da es Dir nur um die militärischen Details geht.

Zweitens ist hier zu bedenken, dass schon ab etwa 1890 (Auslaufen des Rückversicherungsvertrags) das Szenario eines Zwei-Fronten-Kriegs aus deutscher Sicht immer wahrscheinlicher wurde. Trotzdem dauerte es noch 24 Jahre, ehe Deutschland in die Offensive ging – obwohl das deutsche Militär auch in dieser Zeit durchgehend fähig war, Krieg zu führen.
Dies kommt schon in den Anmerkungen zum Ausdruck, die Moltke dem Schlieffen-Memorandum von 1905 mit dem Titel „Krieg gegen Frankreich“ hinzufügte. Dort schreibt Moltke unter anderem:

Will Frankreich die verlorenen Provinzen wiedererobern, so muß es in dieselben einmarschieren, also offensiv werden. Ich halte es nicht für ganz ausgemacht, dass Frankreich sich unter allen Umständen defensiv verhält.

Trotzdem blieben die deutschen Streitkräfte im eigenen Land stehen und warteten einen möglichen Angriff ab. Nur zur Erinnerung:

Dieses Abwarten eines Angriffs nennt man „Defensive“.

24 Jahre lang agierte das Reich also nach einer defensiven Strategie. Folglich kann man die Defensive als den „Plan A“ betrachten und die letztlich eingeleitete Offensive nach Schlieffens Konzept als „Plan B“.

Auf den ganz oben abgelaufenen Disput, der deutlich gezeigt hat, dass einige Diskussionsteilnehmer nicht mal genug Hintergrundwissen haben, um überhaupt zu verstehen, was mit "Defensive" und "Offensive" gemeint ist, gehe ich jetzt nicht näher ein. Ich weise nur noch darauf hin, dass der angebliche Kult der Offensive mit offensiven Handlungen "belegt" wurden, die aus der strategischen Defensive heraus erfolgt sind.

Und damit auch Du vielleich irgendwann auch das kapierst: Es ist nie umstritten gewesen, dass Deutschland den Krieg angefangen hat. Es ist umstritten, dass dies vom Militär ausgelöst oder erzwungen wurde - oder ob es vielleicht "politisch gewollt" war. Da kannst Du jetzt meinetwegen noch hundertmal einwenden, dass in der von Dir bevorzugten Literatur darüber völlige Klarheit herrschen würde.

Erstens gibt es nämlich Literatur, die sich mit der von Dir so wichtig eingeschätzten "Spezialfrage" zu einem "Kult der Offensive" gar nicht befasst, sondern die politischen Hintergründe beleuchtet.

Und zweitens bestehen Diskussionen nicht daraus, dass man sich gegenseitig Literaturlisten an den Kopf wirft und anschließend alle, die nicht sämtliche der Bücher gelesen haben oder nicht allen vollinhaltlich zustimmt als Deppen hinstellt. Hin und wieder ein eigener Gedanke kann nicht schaden, weißt Du?

Und drittens hat die von Dir bevorzugte Literatur diverse Mängel .... zu denen ich hiermit zurückkehre ....
 
Mängel in der Argumentation pro Offensivkult

An das oben Gesagte zur "Plan-B-Kontroverse" schließt sich eine weitere These der Offensiv-Kult-Vertreter an: Schlieffens Präferenz für Umfassungsmanöver sei irrational und Ausdruck einer alternativlosen offensiven Doktrin, die auf dem Gedanken gefußt habe, dass die Offensive der Defensive überlegen sei.

Diese These ignoriert das, was Schlieffen selbst in seinen Dienstschriften zu dem Thema gesagt hat:

Der Zug der gegenwärtigen Zeit ist eigentümlicherweise auf den Frontalangriff gerichtet. (…) Die wesentlichen Grundsätze der Heerführung werden gesucht in: Zusammenhaltung der Kräfte, sorgfältige Basierung, Aufsuchen der feindlichen Front. (…) An der Frage, wie dann gegen die verheerende Wirkung moderner Waffen der Angriff zu führen ist, müht sich der Scharfsinn führender Geister ab. (…) Unentschiedene Schlachten, lang sich hinziehende Kriege werden die Folge sein. Mit Millionenheeren sind diese aber nicht zu ertragen.

Aus diesen Zeilen Schlieffens geht klar hervor, dass seine Präferenz für Umfassungsmanöver rationale Hintergründe hatte und nicht aus einem unreflektierten Angriffskult entstand. Grundlage war vielmehr die Erkenntnis, dass die Defensive mit Frontalschlachten oder Durchbruchsversuchen nicht mehr zu vertretbaren „Kosten“ zu überwinden war.

Umfassungsmanöver sollten dazu dienen, mit den eigenen Kräften die Zonen auf dem Schlachtfeld zu „meiden“, in denen die Feuerkraft des Feindes am stärksten konzentriert war. Es ging darum, dieser Konzentration der Feuerkraft auszuweichen – mit der notwendigen Folge, dass Krieg eigentlich nur noch aus der Bewegung heraus sinnvoll geführt werden konnte. "Aus der Bewegung heraus" heißt zwangsläufig: Wer ausweicht, muss danach angreifen, um wieder Fühlung zum Feind zu bekommen.

An dieser Stelle erinnere ich daran, mit welch ungläubiger Ablehnung es von der Pro-Offensivkult-Fraktion kommentiert wurde, als ich ganz zu Beginn unserer Diskussion die These vertreten habe, dass die Defensive der Offensive strukturell überlegen ist, dass sie durch die gestiegene Feuerkraft fast unüberwindlich geworden war und dass die Soldaten das auch genau gewusst haben.

Mir wurde auch dort entgegengehalten, es sei „Stand der Forschung“, dass das Militär erwiesenermaßen die Offensive der Defensive gegenüber für überlegen gehalten habe. Hierzu noch ein Zitat aus der deutschen Dienstvorschrift „Grundzüge der höheren Truppenführung“ von 1910:

Vermögen wir eine Stellung einzunehmen, die der Gegner aus militärischen, politischen oder anderen Gründen voraussichtlich angreifen wird, so kann es ratsam sein, zunächst die Vorteile der Defensive auszunutzen und erst dann anzugreifen.

Nach all dem ist es geradezu absurd, dass Wallach die obige Erläuterung von Schlieffen zitiert (S. 70f), kurz nachdem er selbst erklärt hat:

Indem Schlieffen die Cannae-Vorstellung übernahm, schloss er jede andere Angriffsform aus und predigte die Umfassung als einzig mögliche Lösung. Er widersetzte sich durchaus einem jeden Gedanken an einen Frontalangriff und Durchbruch.

Schlieffen hat Frontalangriffe abgelehnt; immer wieder hat er sie in seinen Planübungen, Kriegsspielen und Generalstabsreisen verurteilt und behauptet, dass man dadurch bestenfalls einen ,ordinären Sieg´ erringen könne.

Zur hier angesprochenen "Cannae-Vorstellung", die anderswo "Cannae-Wahn" genannt wird: Wallach will mit seinen Erörterungen um den "Cannae-Wahn" belegen, dass Schlieffen irrationale Gründe für seine Präferenz für Umfassungsoperationen hatte. Dabei berichtet Wallach selbst, dass Schlieffen erstmals im Jahr 1903 Studien zu historischen Schlachten angefordert hat (S. 64) und erst ab 1909 - nach dem Studium von Dellbrücks Cannae-Darstellung - den Begriff der völligen Einschließung entwickelt (S. 66) habe.

Wie soll er dann die "Cannae-Vorstellung" für seinen Schlieffenplan übernommen haben? Die Grundgedanken für den Kriegsplan gegen Frankreich hat Schlieffen bereits in seiner ersten Denkschrift aus dem Jahr 1891 dargelegt, sein Memorandum war dann im Jahr 1905 fertig.

Der Vorwurf, Schlieffen habe Frontal- oder Durchbruchsschlachten nie erwogen, ist auch deshalb absurd, weil man nur das Memorandum von 1905 lesen muss, um das Gegenteil belegt zu finden: Dort wird ausführlich geschildert, welche Schwierigkeiten ein Versuch bereiten würde, die französische Festungslinie entlang der Grenze zu Deutschland zu durchbrechen.

Die These, dass Schlieffens Präferenz für Umfassungsmanöver irrational sei, versucht Wallach überdies dadurch zu untermauern, dass er – gestützt auf Clausewitz – das besondere Risiko von Umfassungen hervorhebt. Tatsächlich hat Clausewitz geschrieben, dass Umfassungen riskant seien, weil sie eine Teilung der Kräfte nötig machen. Wie Schlieffen in seinem Aufsatz „Der Krieg in der Gegenwart“ (1909) darlegt, hat diese ohnehin nur für den taktischen Bereich formulierte Aussage von Clausewitz (der Schlieffenplan ist strategischer Natur!) unter den Bedingungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts aber an Relevanz verloren:

Schlieffen legt in dem Aufsatz dar, dass Millionenheere nicht mehr gesammelt auf ein Schlachtfeld geführt werden konnten. Es sei deshalb notwendig, sie schon im Aufmarsch zu teilen:

Von den Endbahnhöfen aus werden Korps und Divisionen (…) den Platz zu erreichen suchen, der ihnen in der Schlachtordnung angewiesen ist. Da die Gefechtsfronten sich verbreitern, so werden auch die dem Schlachtfeld zustrebenden Kolonnen mindestens in der nämlichen Breite marschieren können, die sie im Gefecht einnehmen sollen. Das Zusammenziehen zur Schlacht wird an Bedeutung verlieren. Diejenigen Korps, welche auf den Feind stoßen, werden den Kampf, ohne auf weitere Unterstützung zu rechnen, durchführen müssen.

Dies kommt auch in den Grundzügen der höheren Truppenführung von 1910 zum Ausdruck:

Wer aber erst an den Feind heranwill, darf nicht vereinigt auf einer oder wenigen Straßen vorgehen wollen.

Wenn also ohnehin ein geteilter Anmarsch notwendig ist, stellt es auch kein zusätzliches Risiko mehr dar, eine Umfassung zu versuchen.

Ein weiteres Argument der Vertreter der Offensivkult-These lautet, dass Schlieffens Präferenz für Umfassungsmanöver Ausdruck seiner „Fixiertheit“ auf die „Vernichtungsschlacht“ gewesen sei. Diese Haltung berücksichtigt erneut nicht die Grundlagen der ganzen Planung für den Zwei-Fronten-Krieg:

Prämisse war nämlich, dass Deutschland gegen überlegene feindliche Kräfte stehen werde, deshalb den Krieg nicht an beiden Fronten gleichzeitig führen könne und folglich bemüht sein müsse, die Feinde nacheinander zu bekämpfen. Das setzte voraus, dass der Gegner, dem man sich zuerst zuwenden würde, schnell und "nachhaltig" besiegt werden musste.

Als erstes Ziel wurde Frankreich ausgewählt, weil es als gefährlicherer Gegner galt und von den Russen eine längere Mobilmachungszeit erwartet wurde. Das Ziel, eine „Vernichtungsschlacht“ zu führen, ergab sich also nicht aus einer irrationalen Offensivdoktrin Schlieffens oder des deutschen Militärs, sondern aus der Bewertung der politischen Gesamtlage: Mit einem „ordinären Sieg“ im Westen wäre dem Deutschen Reich nicht gedient gewesen. Etwas anderes als eine Vernichtungsschlacht kam nicht in Frage.

Ein anderes Argument der Pro-Offensivkult-Fraktion besagt, dass politische Interessen nicht in Erwägung gezogen worden und die Politik über die Pläne gar nicht informiert worden sei. Was die Details der Feldzugsplanung anging, mag das stimmen. Diese Details waren für die Diplomaten auch eher uninteressant. Der Gesamtplan war aber bekannt und musste sogar von der Diplomatie mit vorbereitet werden. Aus [FONT=&quot]Schlieffens Memorandum:
[/FONT]
Die Niederlande erblicken in dem mit Frankreich verbundenen England nicht eniger einen Feind als Deutschland. Ein Abkommen mit
ihnen wird sich erzielen lassen.

Dazu am Rand die Anmerkung von Moltke:

Wenn unsere Diplomatie das fertig bringt, ist ein großer Vorteil erreicht. Wir brauchen die holländischen Bahnen. Holland als Bundesgenosse wäre von unschätzbarem Wert."

Wenn man aus all dem ableiten will, dass der Schlieffenplan durch seine bloße Existenz das Deutsche Reich auf diese Art der Kriegführung festgelegt habe, dann stelle ich zwei Fragen:

1. Ist Schlieffens Planung für den Zwei-Fronten-Krieg unabhängig und unbeeinflusst von der politischen Gesamtlage entstanden und wurde er unbeeinflusst von der politischen Gesamtlage schließlich ausgelöst?

2. Welche alternative Art der Kriegführung wäre geeignet gewesen, die Zielvorgaben zu erfüllen, die sich aus dem zugrundeliegenden Szenario ergaben?

MfG[FONT=&quot]
[/FONT]
 
Der Vorwurf, Schlieffen habe Frontal- oder Durchbruchsschlachten nie erwogen, ist auch deshalb absurd, weil man nur das Memorandum von 1905 lesen muss, um das Gegenteil belegt zu finden: Dort wird ausführlich geschildert, welche Schwierigkeiten ein Versuch bereiten würde, die französische Festungslinie entlang der Grenze zu Deutschland zu durchbrechen.
(nichtals Kritik an deinen Überlegungen aufzufassen!) umso absurder im nachhinein, dass einer der zentralen Punkte dieses Festungsriegels - die modernisierte Großfestung Verdun - so vehement wie nutzlos angegriffen wurde, denn Schlieffen sah ja vor, den Festungsriegel zu umgehen

bzgl. Defensive allgemein: schon mit dem aufkommen der neudeutschen bzw. neupreuss. Manier im Festungsbau (Koblenz ab 1828) wurden Festungen und Festungsverbünde nicht nur als Lager, Rückzugsmöglichkeit oder Notanker betrachtet, sondern im Gegenteil sollten Festungssysteme den Gegner in ein vorbereitetes Schlachtfeld zwingen; die ehemalige reine Sperr- und Defensivfestung war im Verlauf des 19. Jhs. quasi immer offensiver bzw. aktiver geworden. Und auf deren Wirkung verließ man sich, denn sonst hätte es im Ersten Weltkrieg nicht einige spektakuläre Festungskämpfe / Belagerungen gegeben.

ganz allgemein bin ich angesichts der Waffentechnologie im frühen 20. Jh. nicht sehr davon überzeugt, einerseits nur von reiner Defensiv- oder reiner Offensivstrateige zu sprechen - etwas komplexer war sogar die militärische Lage mit allen ihren Implikationen wohl schon.
 
Das ist absolut nicht umstritten! Du persönlich bestreitest es, ohne weitere Nennung einer Studie, die das unterstützen würde.

Es IST umstritten. Genau darum dreht sich nämlich unsere ganze Diskussion die ganze Ziet. ICH habe für meine Haltung Belege genannt. DU hast nur auf "Studien" verwiesen, deren Grundlage ich anzweifele.


So schreibt Mombauer: "Germany`s war plan differs in another way when compared to those of the neighbors. Other war plans have not usually been seen as the cause of World War....and has been seen to be the causal factor of the events that led to the outbreak of the war" (A. Mombauer: German War Plans. in: Hamilton & Herwig: War Planning 1914, 2010, S. 49)

Erstens erscheint es mir fraglich, ob Du Mombauer korrekt oder "aus dem Zusammenhang" zitierst. Die Aussage "has been seen" deutet für mich nämlich nicht auf eine "erwiesene Wahrheit" hin. Da ich Mombauers Buch nicht kenne (und es auch nicht kennen muss, um eine eigene Meinung haben, diese begründen und hier mitdiskutieren zu dürfen), weise ich einfach auf die sehr "zurückhaltende" Formulierung "has been seen" hin.

Und sollte Mombauer tatsächlich das gemeint haben, was Du mit dem Zitat unterstellst ("...the causual factor of (...) the outbreak of the war"), dann ignoriert Mombauer all die Ereignisse, die sich auf der politischen Bühne in den Jahrzehnten vor dem Krieg abgespielt haben.

Zur Erinnerung: Genau das ist es, was ich den Offensiv-Kult-Theoretikern vorwerfe. Sie reduzieren den Kriegsausbruch auf einen wahnhaften Geisteszustand der Militärs.

Und damit referiert sie den aktuellen und allgemeinen Erkenntnisstand zur Forschung der Kriegsursachen, dass der Schlieffen-Moltke-Plan ein wichtiger Faktor war, der die Art des Ausbruchs des WW I erklären hilft.

Hier verlassen Dich offenbar Deine Englischkenntnisse. Die Formulierung "the causual factor" sagt etwas ganz anderes als "ein wichtiger Faktor". Hilf uns. Was sagt Mombauer denn nun? Spricht sie von "einem wichtigen Faktor" oder spricht sie von "dem ausschlaggebenden Faktor"?

Zu Deinem restlichen Beitrag gleich mehr...

MfG
 
Falsch. GB konnte es nicht, da es über kein nennenswertes Landheer verfügte.

Wo kamen dann plötzlich die Soldaten her, die in den britischen Streitkräften in Frankreich dienten?


Frankreich konnte es nicht, da seine Aufmarschpläne bis zum Plan XVII - also kurz vor dem WW I - defensiv waren und Russland konnte zwischen 1905 und ca. 1912 es schon gar nicht, da es militärisch dazu einfach nicht in der Lage war.

Die Liste der Kriege, die im 19. und im frühen 20. Jahrhundert geführt worden sind, spricht eine andere Sprache. Jede Großmacht konnte jederzeit Krieg führen. Deutschland und Österreich haben nur ein paar Tage gebraucht, um genug Truppen in Stellung zu bringen, um einen Weltkrieg loszutreten. Die Gegenseite (insbesondere Frankreich) hat genauso schnell und sehr zielgerichtet darauf reagiert. Das ging alles "aus dem Stand".

Solche Aufmärsche kann man nicht "improvisieren". Die müssen von langer Hand bis ins kleinste Detail vorbereitet sein. Jeder Großverband (der unter Umständen in Friedenszenten noch gar nicht existiert!) muss genau wissen, welche Einheiten (bis zur Kompanie-Ebene hinunter) ihm zugeteilt sind, wo die Truppen stehen, wo sie hin solllen, welche Transportkapazitäten dafür notwendig sind, welche Transportkapazitäten zur Verfügung stehen, welches Material für den Verband vorgesehen ist, woher es kommt, wie es transportiert werden muss, wo die Lazarette sind, woher der Nachschub kommt etc etc etc.

Und hätten die Deutschen nicht von Belgien sondern von der Schweiz aus angegriffen, wären andere Aufmarschpläne aus einer Schublade gezogen worden, die genauso "zielgerichtet" waren.

Jede denkbare Eventualität war vom "Generalstab" vorgeplant - auch wenn der Generalstab in Frankreich nicht "Generalstab" hieß. Es gab jedenfalls ein Gremium, das Kriegspläne entworfen hat.

Einer dieser Kriegspläne (der ganz "offensiv" war) lag der französischem Offensive am Oberrhein zu Beginn des Krieges zugrunde. Auch das ließ sich nicht improvisieren. Auch dafür gab es genaueste Aufmraschpläne, die nicht "mit heißer Nadel gestrickt" worden sind.

Bleiben vor allem das DR und Ö-U, die es beide konnten und gerade diese militärische Stärke des DR der Ausgangspunkt für die "Weltmachtpolitik" von Bülow war und zu dem Aufbau der tirpitzschen "Risikoflotte" geführt hat.

Womit wir von der Frage nach den Kriegsursachen bei der Frage nach der Kriegsschuld angekommen sind...

Macht es heute wirklich noch einen Sinn, nachzuweisen dass Deutschland den Krieg losgetreten hat??? Wem nutzt das?

MfG
 
Es IST umstritten. Genau darum dreht sich nämlich unsere ganze Diskussion die ganze Ziet. ICH habe für meine Haltung Belege genannt. DU hast nur auf "Studien" verwiesen, deren Grundlage ich anzweifele.

Das ist natürlich weiterhin schlichtweg Unsinn und es wurden und es werden auch weiterhin keine entsprechenden Belege von Dir angeführt. Vor allem sind subjektive Spekulationen von Dir genannt worden, die einer Überprüfung via Sekundärliteratur bisher in keinem Punkt standgehalten haben.

Demgegenüber werde ich auch weiterhin auf die Publikationen von zentralen Historikern verweisen, da ich die Quellen nicht selber einsehen kann. Und ich werde mich weiterhin darauf verlassen müssen und wollen, welche Historiker durch andere Historiker zitiert werden und deren Argumentation auf Plausibilität prüfen und bewerten. Daraus erschließt sich im wesentlichen die Relevanz und die "Gültigkeit" einer historischen Interpretation.

Es steht Dir natürlich frei, Geschichte aus Deiner "Ich-Perspektive" für relevant halten und Dich weiterhin als Zentrum der historischen Erkenntnis in der Rolle des "Don Quijote" gegen die Zunft der einschlägigen WW 1- Historiker zu stellen.

Und sollte Mombauer tatsächlich das gemeint haben, was Du mit dem Zitat unterstellst ("...the causual factor of (...) the outbreak of the war"), dann ignoriert Mombauer all die Ereignisse, die sich auf der politischen Bühne in den Jahrzehnten vor dem Krieg abgespielt haben.

Mombauer hat die Diskussion an einem ganz anderen Punkt zusammen gefaßt wie ihre von mir zitierten Ausführungen zu den deutschen Kriegsplänen. Den mehr oder minder aktuellen Erkenntnisstand hat sie hier referiert und das bildet u.a. den Hintergrund für ihr generelles Urteil auch zur Einschätzung des "Schlieffen-Plans" durch die Historiker insgesamt (nimmt man "Zuber" mal aus).

The Origins of the First World War: Controversies and Consensus - Annika Mombauer - Google Books

Allerdings fehlen aktuelle Studien, wie die von Clark, Macmillan oder von Otte aus 2013 oder 2014, um nur ein paar zu nennen (ist aber auch egal, da Du sie ohnehin nicht kennst und noch gravierender, sicherlich als inkompetent ablehnst, da sie nicht Deiner Meinung sind).

Dass ausgerechnet Du, der sich nun wirklich nicht in den historischen Fakten vor 1914 in Europa auskennt, Mombauer Unwissen vorzuhalten, ist schon komisch.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das ist natürlich weiterhin schlichtweg Unsinn und es wurden und es werden auch weiterhin keine entsprechenden Belege von Dir angeführt. Vor allem sind subjektive Spekulationen von Dir genannt worden, die einer Überprüfung via Sekundärliteratur bisher in keinem Punkt standgehalten haben.
Ich habe mich eigentlich bemüht, für jede meiner Aussagen Belege zu liefern. Es wäre hilfreich, wenn Du sie mal zur Kenntnis nehmen und darauf antworten würdest. Zahlreiche dieser Belege stammten sogar aus einem Buch, das Du zur "Standardliteratur" erklärt hast.

Es steht Dir natürlich frei, Geschichte aus Deiner "Ich-Perspektive" für relevant halten und Dich weiterhin als Zentrum der historischen Erkenntnis in der Rolle des "Don Quijote" gegen die Zunft der einschlägigen WW 1- Historiker zu stellen.
Irgendwie wirkt diese Aussage, als sei sie nicht sachbezogen sondern "ad personam". Um aber bei der Sache zu bleiben:

Ich habe schon Bücher von "einschlägigen WW 1-Historikern" gelesen, die auf den angeblichen "Kult der Offensive" überhaupt nicht eingehen. Offensichtlich weil sie ihn nicht für relevant halten, sondern die POLITISCHEN Hintergründe des Kriegs bedeutsamer finden.

Deine Behauptung, dass meine Meinung im Widerspruch zu erwiesenen Wahrheiten der ganzen Historiker-Zunft stehe, ist folglich Unsinn.

Mombauer hat die Diskussion an einem ganz anderen Punkt zusammen gefaßt wie ihre von mir zitierten Ausführungen zu den deutschen Kriegsplänen.
Das habe ich jetzt nicht wirklich verstanden. Wenn sie einen anderen Punkt gemeint hat, dann hättest Du ihn doch hier zitieren können. Ich habe doch freimütig bekannt, dass ich Mombauer nicht gelesen habe und folglich nur zu den von Dir zitierten Zeilen Stellung nehmen konnte.

Aber was ist denn nun mit Deiner Auslegung: Ist die Formulierung "has been seen" auszulegen als "erwiesen wahr"? Und ist die Formulierung "the causal factor" gleichbedeutend mit "einer der Gründe"?

Oder was ist mit Deiner Aussage, dass außer Österreich und Deutschland keine Großmacht zur Kriegführung - oder eingeschränkt: zur offensiven Kriegführung - fähig war? Reichen Dir die von mir genannten Belege nicht, um einzusehen, dass Du mit Deiner Ansicht einfach falsch liegst?

Ich habe für meine Thesen zahlreiche Belege genannt. Wenn Du die Schlüsse, die ich aus den zitierten Textstellen ziehe, falsch findest, dann schreib es doch einfach. Und begründe, warum meine Schlussfolgerungen falsch sein sollen. Der stereotype Hinweis, dass dieser Autor oder jene Autorin das anders dargestellt haben soll, hilft hier niemandem weiter. Außer Du bist tatsächlich der Ansicht, dass alle, die hier diskutieren wollen, erstmal jedes der von Dir für "wichtig" befundenen Bücher gelesen haben müssen...

Dass ausgerechnet Du, der sich nun wirklich nicht in den historischen Fakten vor 1914 in Europa auskennt, Mombauer Unwissen vorzuhalten, ist schon komisch.
Wo soll ich Mombauer denn Unwissen vorgehalten haben?

Und ob ich mich mit den historischen Fakten von 1914 auskenne, ist hier überhaupt nicht die Frage. Ich bestreite lediglich, dass "kultisches Gedankengut" des Militärs die Ursache für den Krieg war.

MfG
 
Zuletzt bearbeitet:
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Und ob ich mich mit den historischen Fakten von 1914 auskenne, ist hier überhaupt nicht die Frage. Ich bestreite lediglich, dass "kultisches Gedankengut" des Militärs die Ursache für den Krieg war.

MfG

Es bringt nichts eigene Missverständnisse in Zentrum einer versuchten Widerlegung zu rücken.
Der "Kult der Offensive", also eine einsetzende starke militärischen Orientierung auf die Offensive, bei gleichzeitiger Vernachlässigung der Defensivstrategien,
ohne dass für diese Orientierung eine ausreichende Grundlage der realen Gegebenheiten vorhanden war,
ist nicht einfach als "Ursache für den Krieg" zu sehen.
So einfach ist das ja nicht.

Aber: man erkennt hier eine kritische Einengnung der Möglichkeiten eine diplomatische Lösung der Julikrise zu finden.
Und natürlich ist ein solcher Sachverhalt geeignet einen Ausschlag zu geben.

Nun wurden ja viele Quellen benannt, die eben auf die genannte Umstellung der militärischen Planungen deutlich hinweisen.

Man kann ja stets so argumentieren, dass alles genannte Unfug sei,
und darauf beharren, dass die eigene Logik besser geeignet sei Licht ins Dunkle zu bringen.
Nur macht das halt wenig Sinn und hinterlässt auch keinen guten Eindruck. :rotwerd:
 
Aber: man erkennt hier eine kritische Einengnung der Möglichkeiten eine diplomatische Lösung der Julikrise zu finden.
Und natürlich ist ein solcher Sachverhalt geeignet einen Ausschlag zu geben.

Das ist der Punkt. Hinzu kommt die Einflussnahme auf die Kriegsentscheidung, die sich aus dem letztlich ausschlaggebenden militärischen Umfeld des Kaisers in den entscheidenden Sitzungen ergab.

Ein interessanter Aspekt, den zB Clark verkennt, und den Röhl herausarbeitet.
 
Man kann ja stets so argumentieren, dass alles genannte Unfug sei,
und darauf beharren, dass die eigene Logik besser geeignet sei Licht ins Dunkle zu bringen.
Nur macht das halt wenig Sinn und hinterlässt auch keinen guten Eindruck. :rotwerd:
Diese selbstkritische Einlassung verdient größten Respekt!

Ausgehend davon solltest Du irgendwann auch mal Stellung nehmen zu den konkreten Punkten, die ich angesprochen und mit Textstellen belegt habe.

Ich füge den ganzen konkreten Punkten noch einen ganz zentralen hinzu:

Die Idee, dass das Militär die Politik in den Krieg "gedrängt" haben könnte, setzt voraus, dass die Politik "gedrängt" werden musste. Daraus folgt logisch, dass die Politik Gründe gehabt haben müsste, KEINEN Krieg führen zu wollen.

Wir reden hier aber über eine Zeit, in der ein "ius ad bellum" von niemandem in Frage gestellt wurde. Das Kriegsvölkerrecht befasste sich allein mit dem "ius in bellum".

Welchen Grund könnte das Deutsche Reich also gehabt haben, KEINEN Krieg führen zu wollen?

Es gab nur einen: die Aussicht, nicht gewinnen zu können. Und das erschien den Verantwortlichen im Juli 1914 nicht als wahrscheinlich.

Die Details werde ich jetzt nicht wiederholen. Das hatten wir alles schon.

Lies einfach die ganze Diskussion nochmal von vorn. Danach darfst Du mir dann gern vorwerfen, dass ich meine Meinung nicht belegt hätte.

MfG
 
Das ist der Punkt. Hinzu kommt die Einflussnahme auf die Kriegsentscheidung, die sich aus dem letztlich ausschlaggebenden militärischen Umfeld des Kaisers in den entscheidenden Sitzungen ergab.

Ein interessanter Aspekt, den zB Clark verkennt, und den Röhl herausarbeitet.
Erkennt man denn auch ein Interesse der Politik, eine diplomatische Lösung zu wollen?

Die ganze Diskussion fußt auf dem Gedanken, dass es ganz furchtbar war, einen Krieg zu führen, und dass die deutsche Politik das unter keinen Umständen gewollt haben kann. Das ist aber völliger Blödsinn! Das ist eine Rückprojezierung heutiger Kriegsvorstellung auf damalige Zeiten. Damals galt es als völlig normal und völlig korrekt, Krieg zu führen. Von der Vorstellung, dass jeder Krieg ein "gerechter" Krieg sein müsse, hatte man sich längst verabschiedet. Welche Instanz hätte denn darüber urteilen sollen, ob ein Krieg "gerechtfertigt" war oder nicht? Da gab es niemanden! Krieg galt als ein "völlig normaler" Zustand im "politischen Verkehr" zwischen den Völkern.

MfG
 
Die Generalstabs-Kriegsspiele hatten eine hohe Bedeutung für die Ausbildung der Generalstäbler. Und in ihrer Anlage nahmen sie erstaunlicherweise reale Szenarien des späteren WW 1 vorweg.

In diesem Zusammenhang, so bei Snyder [1, S. 120] zu finden, mutet es fast wie eine gewisse Ironie an, dass Schlieffen in einem seiner "Spiele" die Vorteile der "inneren Linie" via ausgebautem französischen Eisenbahnsystem benutzt, um den Angriff des rechten Flügels der deutschen Armee zum Stillstand zu bringen. Und so das sogenannte "Wunder an der Marne" für den einen scchlichtweg die Überdehnung in Kombination mit mangelnder Logistik bedeutete und für die Franzosen "lediglich" einen richtig getimten "Eisenbahntransfer" seiner Truppen. So trivial sind "Wunder".

In einem anderen Spiel war Schlieffen erneut in der Defensive erfolgreich, indem er die realen Abläufe der "Schlacht bei Tannenberg" (1915) antizipierte und erneut basierend auf der "inneren Linie" und einem gut ausgebauten Eisenbahntransportnetz die russischen Truppen "scheibchenweise" vernichtet hat. In diesem Sinne ist Ludendorff ein eifriger Nachahmer gewesen.

Und obwohl im Rahmen der Generalstabs-Spiele demonstriert wurde, dass ein von Schlieffen propagierter Bewegungskrieg auch in der Defensive auf "Vernichtungsschlachten" hinauslaufen konnte(vgl. später Mannstein und das "Schlagen aus der Rückhand"), wurde diese Sicht nicht systematisch in die offensiven Planungen für 1914 implementiert.

Einzuschränken ist mit Storz jedoch, dass Ludendorrf von Kriegsspielen von Moltke berichtet hatte, bei denen er die Schalcht zwischen Metz und Strassburg angenommen hat und dort die "Vernichtungsschlacht" der französischen Armee inszenieren wollte.

Was zumindest teilweise den relativ starken linken Flügel erklären helfen könnte. Und somit Moltke eine durchaus höhere Flexibilität in seinen Planungen aufwies wie lediglich die Durchführung des Schlieffen-Planes [2].

Es waren die defensiven Umsetzungen seines offensiven Denkens, die besonders erfolgreich waren und somit eine gewisse Ironie der Militärgeschichte darstellen.

1. J. Snyder: Civil-Military Relations and the Cult of the Offensive 1914 and 1984, in: M. Brown et.al. (eds) Offense, Defense, and War. 2004, S. 119-157
2. D. Storz: Dieser Stellungs- und Festungskrieg ist scheußlich, in: H. Ehlert u.a.: Der Schlieffenplan. 2006, S. 161ff
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Generalstabs-Kriegsspiele hatten eine hohe Bedeutung für die Ausbildung der Generalstäbler. Und in ihrer Anlage nahmen sie erstaunlicherweise reale Szenarien des späteren WW 1 vorweg.
Stabsübungen oder "-kriegsspiele" finden eigentlich nie nur vor dem Hintergrund fiktiver Szenarien statt. Sie dienen in der Regel dazu, theoretisch abzuprüfen, wie ein Gefecht geführt werden muss, damit es angesichts der gegebenen (eigenen) Mittel und der äußeren Rahmenbedingungen (geografische Lage) "erfolgreich" verlaufen kann. Dass die "Generalstabs-Kriegsspiele" reale Gefechte aus dem WWI "vorweggenommen" haben, ist demnach gar nicht erstaunlich. Es belegt vielmehr, dass deutsches Militär schon in Friedenszeiten ganz "abstrakt" für den "konkreten" Kriegsfall mit Frankreich geübt hat.

Erstaunlich wäre es, wenn die Generalstabs-Kriegsübungen mit den tatsächlichen Kriegsereignissen KEINE Ähnlichkeit hätten. Dann müsste man nämlich zu dem Urteil kommen, dass der deutsche Generalstab bei Kriegseintritt keine Ahnung hatte, was auf ihn zukommen würde.

In diesem Zusammenhang, so bei Snyder [1, S. 120] zu finden, mutet es fast wie eine gewisse Ironie an, dass Schlieffen in einem seiner "Spiele" die Vorteile der "inneren Linie" via ausgebautem französischen Eisenbahnsystem benutzt, um den Angriff des rechten Flügels der deutschen Armee zum Stillstand zu bringen. Und so das sogenannte "Wunder an der Marne" für den einen scchlichtweg die Überdehnung in Kombination mit mangelnder Logistik bedeutete und für die Franzosen "lediglich" einen richtig getimten "Eisenbahntransfer" seiner Truppen. So trivial sind "Wunder".
Auch das ist bei genauer Betrachtung weniger verwunderlich als es auf den ersten Blick scheint. Wenn - nur als Beispiel! - in einer Generalstabsübung "getestet" werden soll, ob deutsches Militär erfolgreich einen Angriffskrieg gegen Frankreich führen kann, dann ist es zwingend notwendig, dass die "mögliche französische Reaktion" dabei möglichst realitätsnah zum Ausdruck kommt. Welchen Sinn hätte so eine Übung, wenn sie von einem untätigen Feind ausgehen würde? Nur wenn ein General "theoretisch" vorgeführt bekommt, was ein Feind praktisch tun "könnte", kann er seine eigenen Maßnahmen so einrichten, dass die erwartbaren Gegenmaßnahmen des Feindes wirkungslos bleiben. Übungen und Manöver dieser Art gehen deshalb üblicherweise davon aus, dass der Feind alles richtig macht. Nur so kann man Wege finden, den Feind TROTZDEM zu überwinden.

Dass in der von Dir angesprochenen Übung die Franzosen "gewonnen" haben, stellt folglich nicht den Beweis dar, dass die Franzosen unbesiegbar waren. Es legt nur die Widerstände offen, die ein angreifendes deutsches Heer überwinden können musste.

Ob das alles was mit der Marne-Schlacht zu tun hatte... Da spielte vielleicht eher Schlieffens Angst vor dem Auftreten von "Lücken" in der eigenen Front eine Rolle.

Ganz so trivial sind "Wunder" eben doch nicht.

Und obwohl im Rahmen der Generalstabs-Spiele demonstriert wurde, dass ein von Schlieffen propagierter Bewegungskrieg auch in der Defensive auf "Vernichtungsschlachten" hinauslaufen konnte(vgl. später Mannstein und das "Schlagen aus der Rückhand"), wurde diese Sicht nicht systematisch in die offensiven Planungen für 1914 implementiert.
Das habe ich nicht verstanden. Könntest Du das näher ausführen?

MfG
 
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