Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Diskrepanz zwischen Tacitus' Beschreibung und Befund in Kalkriese

Nur war die Schlacht am Angrivarierwall an einem Fluss (vermutlich die Weser) und den gibt es in Kalkriese nicht.

Die bekannte Problematik bleibt bestehen. Nach Tacitus wurde ein Tumulus errichtet. Knochengruben sind nicht in den Quellen erwähnt. Zudem ist das Vermischen von Tier- und Menschenknochen für mich irritierend.

Wenn Kalkriese der Angrivarierwall war, hat Tacitus einen Bach (fließendes Gewässer) mit einem Fluss (fließendes Gewässer) verwechselt.

Wenn Kalkriese die Varusschlacht war, hat Tacitus mehrere (Plural) Gruben (unterirdisch), in denen Knochen von Menschen und Tieren deponiert wurden (Funktion Abfallgrube), mit einem (Singular) Hügel (oberirdisch), in dem menschliche Gebeine bestattet wurden (Funktion Grabhügel), verwechselt.

Diese Diskrepanzen gilt es zu bewerten.
 
Man wird Germanicus wohl kaum unterstellen können, dass er die Überreste der gefallenen Legionäre zusammen mit denen von Tieren in Abfallgruben geworfen hat. Somit hätte Tacitus da auch nichts verwechselt.
 
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Die bekannte Problematik bleibt bestehen. Nach Tacitus wurde ein Tumulus errichtet. Knochengruben sind nicht in den Quellen erwähnt. Zudem ist das Vermischen von Tier- und Menschenknochen für mich irritierend. ...

Moin

Schließt denn ein Tumulus die Existenz von Knochengruben aus? An anderer Stelle hatten wir es ja schon mal diskutiert. Das Schlachtfeld zog sich doch über meherer Kilometer hin. Und das noch in recht unwegsamen Gelände. Ist es nicht wahrscheinlich, dass die Gebeine eines gewissen Einzugsgebietes in dem Tumulus und darüber hinaus weiter entfernt aufgefundene Gebeine in Gruben bestattet wurden !?
Zudem, warum sollte man kleine Gruben erwähnen, wenn man einen stattlichen Tumulus errichtet?

Auch das Vermischen tierischer und menschlicher Gebeine verwundert mich nicht so sehr, wenn man bedenkt, dass die Bestattungsaktion in großer Eile unter ständiger Bedrohung durch die Germanen von statten ging!

Gruß
Andreas
 
Es gibt sehr wohl einen Hinweis auf "Gruben", aber damit sind offenbar die gemeint, in denen man Römer auf irgendeine Art zu Tode kommen ließ. Ich finde leider keinen Hinweis auf die Art, wie dies geschah und ebenso keinen auf Größe und Tiefe dieser Gruben. Aber vermutlich wusste vor 2000 Jahre jeder, was das Wort "Grube" bedeutete.
Gruß
 
Nachdem ich mir ein Bild der Knochenreste angeschaut haabe, ist jeder Irrtum ausgeschlossen: "Menschlicher Unterkiefer, Oberkieferzahn Maultier (von rechts nach links)"
Kein Römer hätte bewusst einen Maultierzahn zu Menschenknochen in die Grube geworfen. Ein Maultierzahn ist ein so markantes Objekt, dass jeder Irrtum ausgeschlossen sein dürfte. Verwechslung unmöglich. Ausnahme: Die Knochen wurden mittels Schaufel und größeren Mengen anhaftendem Erdreich aufgenommen, in Körbe oder Decken geschippt und in die Gruben befördert. Aber hier liegt eher die Vermutung nahe, dass aus religiösen Gründen alle Reste der Schlacht beseitigt werden sollten. Natürlich kommen hierfür nur Germanen in Frage.
Gruß
 
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Kein Römer hätte bewusst einen Maultierzahn zu Menschenknochen in die Grube geworfen. ...

Moin

Kein normal denkender Mensch entsorgt Waschmaschinen im Wald oder lässt kleine Kinder bei über 30°C im verschlossenen Auto!

Aber es wird gemacht! Weil wir es mit Menschen zu tun haben, die leider sehr häufig nicht "rational" handeln!

Stell dir vor in 1000 Jahren findet man bei Grabungen vereinzelt Waschmaschinenrelikte in Waldgebieten. Es würde vermutlich ein großes Rätselraten entstehen, schließlich liegen schriftliche Dokumente vor, nach deren Aussage es verboten war solche Gegenstände in der Natur zu entsorgen!

Ich halte es für vollkommen realistisch, dass einige Legionäre die Tierknochen ebenfalls in die Gruben geworfen haben, weil
a. ihnen der Unterschied nicht auffiel, oder
b. es ihnen am A... vorbei ging (große Eile und Gefahr eines Überfalls).

Gruß
Andreas
 
a fällt aus, denn es gibt wohl keinen markanteren Gegenstand als einen Pferde- oder Maultierzahn. Schon von der Größe
b ist fraglich, denn schließlich sahen ja auch die damaligen Mitstreiter den Frevel und Anschwärzen gab es zu allen Zeiten!
Gruß
 
a fällt aus, denn es gibt wohl keinen markanteren Gegenstand als einen Pferde- oder Maultierzahn. Schon von der Größe
...

Moin

Mir ging es auch nicht primär um maultierzähne, sondern um Tierknochen allgemein!

... b ist fraglich, denn schließlich sahen ja auch die damaligen Mitstreiter den Frevel und Anschwärzen gab es zu allen Zeiten!
Gruß

Ach je, woher wollen wir wissen, ob es für die Legionäre wirklich so ein Frevel war!?
Haben wir Christen in Deutschland alle die gleichen Moralvorstellungen? Nicht jeder isst am Freitag Fisch, geht am Sonntag in die Kirche! Verstärkt wird auch beobachtet, dass an Sonntagen Leute arbeiten gehen!
 
Laut Tacitus waren die Legionäre sehr ergriffen, schon weil sie nicht wussten, ob sie die Überreste von Verwandten oder Fremden beisetzten. Ich glaube durchaus, dass man seine Verwandten nicht durch Tierzähne entweihen würde, auch wenn man nicht besonders religiös war.
Gruß
 
Laut Tacitus waren die Legionäre sehr ergriffen, schon weil sie nicht wussten, ob sie die Überreste von Verwandten oder Fremden beisetzten. Ich glaube durchaus, dass man seine Verwandten nicht durch Tierzähne entweihen würde, auch wenn man nicht besonders religiös war.
Gruß

Aha, wieviele Legionäre hatten denn Verwandte bei der Varusschlacht verloren? Vermutlich mal nicht sehr viele! Da ist die Beschreibung des Tacitus, dass alle Legionäre diesbezüglich sehr ergriffen waren, doch wohl mit Vorsicht zu genießen.

Hat man nicht auch 1914 geschrieben, dass alle Soldaten mit einem Feuereifer und einem Lied auf den Lippen in den Krieg gezogen sind?
 
1914 wusste man ja auch noch nicht, dass man bald in einem maschinellen Krieg atomisiert würde. Die "Bestatter" bei Kalkriese waren, trotz aller Gefahren, so sorgfältig, dass sie in Schädelkalotten einzelne Knochenteile einsammelten und beisetzten, ohne diese, wie es eigentlich zu erwarten gewesen wäre, liegen zu lassen oder einfach in den Boden zu treten. (Haben wir bei der Fahne gemacht, wenn irgend etwas verschwinden musste).Diese Gründlichkeit ist untypisch für eine unter Stress stehende Truppe.
Gruß
 
1914 wusste man ja auch noch nicht, dass man bald in einem maschinellen Krieg atomisiert würde. ...

Dennoch waren viele nicht hoch erfreut in den Krieg zu ziehen, wie man es der Bevölkerung suggeriert hatte!

...Die "Bestatter" bei Kalkriese waren, trotz aller Gefahren, so sorgfältig, dass sie in Schädelkalotten einzelne Knochenteile einsammelten und beisetzten, ohne diese, wie es eigentlich zu erwarten gewesen wäre, liegen zu lassen oder einfach in den Boden zu treten. (Haben wir bei der Fahne gemacht, wenn irgend etwas verschwinden musste).Diese Gründlichkeit ist untypisch für eine unter Stress stehende Truppe.
Gruß

Wenn die den Auftrag hatten, jedes Knöchelchen aufzusammeln, dann haben sie dies gemacht, sei es aus Pietät oder eben aus Gehorsam.
Was dei Gründlichkeit angeht, so kann man es auch so sehen: besser gründlich arbeiten, damit man schnell wieder weiterziehen kann!
All die Knochenreste in den Boden zu treten ist sicher ebenso aufwendig, als sie eben mal aufzusammeln!
 
Ich halte es für vollkommen realistisch, dass einige Legionäre die Tierknochen ebenfalls in die Gruben geworfen haben, weil
a. ihnen der Unterschied nicht auffiel, oder
b. es ihnen am A... vorbei ging (große Eile und Gefahr eines Überfalls).
Mir fiele noch eine Option c. ein: Die Tierknochen wurden nicht vorsätzlich neben menschliche Gebeine gelegt, sondern beim Zuschütten fahrlässig in die Gruben verfüllt.
 
Es gibt noch eine andere Frage zu klären: warum wurden die Knochengruben nicht von den Germanen ausgebuddelt? Schließlich hätten die Römer ja Grabbeigaben beifügen können? Nur wer ein Grab angelegt hat, weiß, was es enthält!
Gruß
 
Es gibt noch eine andere Frage zu klären: warum wurden die Knochengruben nicht von den Germanen ausgebuddelt? Schließlich hätten die Römer ja Grabbeigaben beifügen können? Nur wer ein Grab angelegt hat, weiß, was es enthält!
Gruß

Schwer zu sagen, aber vielleicht haben sie es nicht mitbekommen, das die Gruben angelegt wurden!?

Oder aber sie haben die angelegten Gruben geplündert, jedoch nicht alle gefunden!?
 
Es gibt noch eine andere Frage zu klären: warum wurden die Knochengruben nicht von den Germanen ausgebuddelt? Schließlich hätten die Römer ja Grabbeigaben beifügen können? Nur wer ein Grab angelegt hat, weiß, was es enthält!
Gruß

Ich weiß ja nicht, was für wertvolle Sachen ein Heer mit sich führt, das sich auf feindlichem Gebiet im Kampfeinsatz befindet.

Wenn aber die Römer Grabbeigaben beigefügt hätten, dann hätten sie die am ehesten noch im Tumulus deponiert.

Den Tumulus haben die Germanen offenbar weggebuddelt.
 
Den Tumulus haben die Germanen offenbar weggebuddelt.

Das hat schon Tacitus geschrieben, aber sich ein wenig gewählter ausgedrückt:rofl::


Ich verstehe Dich gerade nicht. Vielleicht übersetze ich aber auch schlicht falsch.
"tumulum tamen nuper Varianis legionibus structum et veterem aram Druso sitam disiecerant."
Doch den kürzlich den Legionen des Varus errichteten tumulus und den alten Altar des Drusus zerstreuten sie.
 
Die beim Aufwerfen des Grabhügels entstandenen Erdmulden

Ich persönlich denke ja nicht, dass die Germanen den Tumulus komplett abgetragen haben, Aufwand und Nutzen ständen da wirklich in überhaupt keinem Verhältnis.
Aber nehmen wir an, der Tumulus wurde bis auf das ursprüngliche Bodenniveau abgetragen; in diesem Fall müssten aber dennoch die Mulden noch vorhanden sein, denen das Erdmaterial zum Aufwerfen den Tumulus entnommen wurde. Die Erklärung, dass die Germanen das Erdreich des Hügels verwendet haben, um eben jene Mulden wieder zu verfüllen, halte ich für ausgeschlossen.
 
Natürlich kommen hierfür nur Germanen in Frage.
Gruß

Ist das so?
Wieso sollten die Germanen die Gebeine ihrer Feinde bestatten?
Du erwähnst hier religiöse Gründe. Das ist mir zu allgemein. Solche Gründe müssen zu oft für irgendetwas herhalten.

Und wenn es wirklich Germanen waren:
Warum sollten sie plötzlich (nachdem sie mindestens zwei Jahre an der Oberfläche lagen) auf die Idee gekommen sein, diese Knochen zu bestatten?

Vieleicht auch noch zu Deiner Frage, wieso die Germanen diese Gruben nicht ausgebuddelt haben:

Vieleicht haben sie von der Existenz dieser Gruben garnicht gewußt.
Und welche Grabbeigaben?
Das Schlachtfeld ist gründlichst geplündert worden bis hin zur Leichenfledderei.
Da gab es wohl nicht mehr viel, was man als Grabbeilage nutzen konnte.

Nochmals der Hinweis:
Die Knochen lagen bevor sie in die Gruben gebracht wurden mindesten 2 Jahre an der Erdoberfläche. Dies sollte man immer berücksichtigen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich persönlich denke ja nicht, dass die Germanen den Tumulus komplett abgetragen haben, Aufwand und Nutzen ständen da wirklich in überhaupt keinem Verhältnis.
Aber nehmen wir an, der Tumulus wurde bis auf das ursprüngliche Bodenniveau abgetragen; in diesem Fall müssten aber dennoch die Mulden noch vorhanden sein, denen das Erdmaterial zum Aufwerfen den Tumulus entnommen wurde. Die Erklärung, dass die Germanen das Erdreich des Hügels verwendet haben, um eben jene Mulden wieder zu verfüllen, halte ich für ausgeschlossen.


In den zweitausend Jahren nach der Schlacht ist auch das ein oder andere da passiert. Möglicherweise ist die entsprechende Fläche landwirtschaftlich genutzt worden und da wurde alles x-mal verworfen. Vielleicht steht (oder liegt eher) noch ein
"platter" Tumulus noch irgendwo herum. Vielleicht sind die Bodenmulden noch irgendwo nachweisbar.

Aber wo suchen? Kalkriese wird im Kontext der Varusschlacht gedeutet. Wenn wir davon ausgehen, dass hier tatsächlich Teile der Varuslegion geschlagen wurden, heißt es ja nicht, dass auch in Kalkriese der Tumulus gebaut worden sein muß. Vielleicht gab es einen noch unbekannten Ort, an dem andere Teile der Legionen vernichtet wurden und dort wurde der Tumulus errichtet (und wieder zerstreut). Der dürfte sich dann in Abstand von etwa x km von Kalkriese entfernt befinden.

Dass wir überhaupt einige Knochen haben, liegt nur an der Bodenbeschaffenheit (Kalk). Die anderen Knochen dürften schon vor vielen Jahrhunderten zerfallen sein.
 
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