Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Jetzt ist die Frage, was wäre würdig gewesen? Der gallo-römische Grabhügel von Siesbach, das Grab nur einer treverischen Familie, hat einen Durchmesser von 20 m. Welche Dimensionen hätten Germanicus da für Tausende von Toten vorgeschwebt?

20 m Durchmesser für 3 Tote, also 20 km Durchmesser für 3000 Tote.

Aber im Ernst: Was bringt es, darüber zu spekulieren, welchen Durchmesser der von Tacitus erwähnte Grabhügel gehabt haben könnte?
 
Sepiola, zur Beantwortung Deiner Fragen wären wir auf grobe Schätzungen angewiesen. Aber ich gehe einfach mal davon aus, dass es Germanicus vorwiegend um das "bleichende Gebein auf der Fläche" ging, wo die Reste noch in Haufen lagen und leicht einzusammeln waren. Und da kommen natürlich weitere Fragen auf. Wieso waren diese Knochen nicht längst in der Krautschicht verschwunden? Auch das festgetrampelteste Terrain wird von ein paar Regengüssen aufgeweicht und wächst in kurzer Zeit zu. Es sei denn, der Untergrund besteht aus Gestein. Man wird also die sichtbaren Knochen und die Schädel an den Bäumen eingesammelt und auf einen Haufen geworfen haben. Ich bezweifle, dass man im dichten Unterholz oder im Sumpf gesucht hat. Nur um eine Vorstellung zu bekommen: Bei 20000 Gerippen wäre das ein Haufen von ca. 20x10x1 Meter (ohne Lufteinschluss), aber so viele lagen natürlich nicht auf der Fläche. Ich schätze deshalb grob einmal zehn Prozent, die 1. dort gekämpft haben und 2. nach Umwelt- und Wildeinwirkung noch vor Ort lagen. Ein solcher Haufen hätte nur noch die Abmaße von 5x4x1m und wäre problemlos zu bewältigen. Hinzu käme noch die bestattungsübliche Erdüberdeckung von 2 Metern.
Die unklare Situation der Lage der Knochen vor der Beisetzung macht natürlich auch eine Bestimmung der Liegezeit an der Luft sehr schwierig. In der Krautschicht unter meterhohen Gestrüpp hatten größere Raubtiere keinen Zugang mehr. Dort trockneten die Knochen auch kaum aus, so dass die Rissbildung sich verzögerte und die angegebene Liegezeit fraglich ist. Alles in allem: Wir wissen fast nichts. zur Beantwortung Deiner Fragen wären wir auf grobe Schätzungen angewiesen. Aber ich gehe einfach mal davon aus, dass es Germanicus vorwiegend um das "bleichende Gebein auf der Fläche" ging, wo die Reste noch in Haufen lagen und leicht einzusammeln waren. Und da kommen natürlich weitere Fragen auf. Wieso waren diese Knochen nicht längst in der Krautschicht verschwunden? Auch das festgetrampelteste Terrain wird von ein paar Regengüssen aufgeweicht und wächst in kurzer Zeit zu. Es sei denn, der Untergrund besteht aus Gestein. Man wird also die sichtbaren Knochen und die Schädel an den Bäumen eingesammelt und auf einen Haufen geworfen haben. Ich bezweifle, dass man im dichten Unterholz oder im Sumpf gesucht hat. Nur um eine Vorstellung zu bekommen: Bei 20000 Gerippen wäre das ein Haufen von ca. 20x10x1 Meter (ohne Lufteinschluss), aber so viele lagen natürlich nicht auf der Fläche. Ich schätze deshalb grob einmal zehn Prozent, die 1. dort gekämpft haben und 2. nach Umwelt- und Wildeinwirkung noch vor Ort lagen. Ein solcher Haufen hätte nur noch die Abmaße von 5x4x1m und wäre problemlos zu bewältigen. Hinzu käme noch die bestattungsübliche Erdüberdeckung von 2 Metern.
Die unklare Situation der Lage der Knochen vor der Beisetzung macht natürlich auch eine Bestimmung der Liegezeit an der Luft sehr schwierig. In der Krautschicht unter meterhohen Gestrüpp hatten größere Raubtiere keinen Zugang mehr. Dort trockneten die Knochen auch kaum aus, so dass die Rissbildung sich verzögerte und die angegebene Liegezeit fraglich ist. Alles in allem: Wir wissen fast nichts.
Gruß
 
Und jetzt waren die Römer mit 8 Legionen (sagen wir ungefähr 40 000 Legionäre) vor Ort und betrieben intensive Feindaufklärung. Es könnte auch sein, dass sie sich ziemlich sicher gefühlt haben, und sich die Zeit genommen haben, die Gefallen der 3 Legionen würdig zu bestatten. So wie Tacitus es beschrieben hat.
Jetzt ist die Frage, was wäre würdig gewesen? Der gallo-römische Grabhügel von Siesbach, das Grab nur einer treverischen Familie, hat einen Durchmesser von 20 m. Welche Dimensionen hätten Germanicus da für Tausende von Toten vorgeschwebt?



Das halte ich für sehr spekulativ.

Kann alles sein, aber wir sollten nicht vergessen, dass Germanicus auf einen Kriegszug waren und nur - en passant - das Schlachtfeld besichtigten und dort einen Tumulus errichteten. Das spricht eher für eine auf die Schnelle gebaute Anlage.


20 m Durchmesser für 3 Tote, also 20 km Durchmesser für 3000 Tote.

Aber im Ernst: Was bringt es, darüber zu spekulieren, welchen Durchmesser der von Tacitus erwähnte Grabhügel gehabt haben könnte?

Gute Rückfrage!
 
Nun, man kann vermuten, das bei Kalkriese die Varusschlacht oder eine der anderen überlieferten Schlachten stattgefunden hat. Ebenso kann man vermuten, das die Schlacht bei Kalkriese nicht überliefert ist.
Was nicht heißt, das Germanicus diese Toten nicht hat bestatten lassen.

Die Frage zu den ausgekleideten Gruben:
Wo kam der Stein her, waren die sorgfältig geglättet? Gegen eine zügige Bestattung spricht ja das Auskleiden der Gruben ansich, also so große Eile scheinen die Bestatter dann doch nicht gehabt zu haben.
Die Quellen berichten aber nichts von Knochengruben ...
 
Also von Glättung der Kalksteine habe ich nichts gefunden. Aber wir kommen hier nicht weiter. Deshalb mal eine andere Frage: Man hat bei zwei Maultierskeletten Bronzeglocken gefunden, eine wog 800g, und der Klöppel war noch drin. Angeblich wurde eine davon als Deichselkopf verwendet und deshalb mit Gras ausgestopft. Man fragt sich, ob es kein geeigneteres Material zum Anpassen gab, aber viel mehr fragt man sich, weshalb die Maultiere auf Kriegszügen im Feindesland Glocken trugen, die sie kilometerweit hörbar machten. Das Gras war wohl eher zur Schalldämmung gedacht, aber in einer Notsituation hätte man natürlich die Glocken komplett entfernt. Es sei denn, Varus wollte ankündigen: hoppla, jetzt komm ich!
 
... aber viel mehr fragt man sich, weshalb die Maultiere auf Kriegszügen im Feindesland Glocken trugen, ...

Als Varus sich mit seinen Legionen in die Winterquartiere aufmachte, bewegte er sich nicht in Feindesland und er war nicht auf einem Kriegszug! Der Hinterhalt des Arminius wurde ja erst möglich, weil sich die Römer sicher fühlten!
 
Allerdings machte er einen Umweg gegen einen vorgeblichen regionalen Aufstand.

Dass Varus grundsätzlich auf dem Weg ins Winterlager war, steht übrigens nicht so direkt in den Quellen.
 
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Die Frage zu den ausgekleideten Gruben:
Wo kam der Stein her, waren die sorgfältig geglättet? Gegen eine zügige Bestattung spricht ja das Auskleiden der Gruben ansich, also so große Eile scheinen die Bestatter dann doch nicht gehabt zu haben.
Die Quellen berichten aber nichts von Knochengruben ...

Ein Szenario wäre: viel Manpower auf engem Raum, ein paar Zenturios brüllen ihre Befehle ("schöne Gruben ausheben, Knochen einsammeln und bestatten, und wehe ich bin nachher nicht zufrieden")
- also wird gebuddelt und gesammelt was das Zeug hält, weil keiner nachher Prügel bekommen möchte und alle gern weiter ziehen würden. Das würde auch erklären, warum auch Reste von Maultieren in den Gruben gelandet sind. Keiner wollte, dass sein Zenturio bei der Abnahme noch über irgendeinen Knochen stolpert, man wollte nicht nur der Pietät Genüge tun, sondern einfach auch alle unschönen Spuren des unschönen Ereignisses beseitigen.
Von der menschlichen und praktischen Seite her fände ich das plausibel.
 
Zuletzt bearbeitet:
Allerdings machte er einen Umweg gegen einen vorgeblichen regionalen Aufstand. ...

Aber so wie die "Sache" laut Quellen abgelaufen ist, scheint Varus nicht das Gefühl einer Bedrohung verspürt zu haben!

... Dass Varus grundsätzlich auf dem Weg ins Winterlager war, steht übrigens nicht so direkt in den Quellen.

Gut möglich, dass es nicht explizit in den Quellen so steht, doch hat es sich in meinen Gehirnwindungen so festgesetzt, so dass ich immer davon ausgehe!
Schließlich war varus nicht nur mit dem Militär, sondern mit jeder Menge Zivilisten unterwegs. Dassieht für mich halt ganz stark nach Aufbruch aus dem Lager/den Lagern aus!? :grübel:
 
Die 80.000 Mann (zu den Legionären kamen ja noch die Hilfstruppen) des Germanicus leisteten jeden Tag umfangreiche Erdarbeiten. Die haben sicher auch einen Grabhügel in kurzer Zeit aufschütten können. In heutigen Begriffen: Jeder eine halbe Schubkarre und wir haben 40.000 m³. 40m*20m*3m wären nur 2.400m³. Für die eigentlichen Erdarbeiten hätten sie sicherlich nicht mal einen ganzen Nachmittag gebraucht. Auch wenn es nur 40.000 waren.
 
Ich stelle mir gerade vor, wie sich 40.000 Legionäre, ausgerüstet mit Schaufeln, gegenseitig auf die Füße treten! :cool:

Es wurden ja nur ca. 4.800 Mann gebraucht, die an verschiedenen Stellen Erde zusammenkratzen. Auch mit damaligen Mitteln dauerte das sicher keine 2 Stunden. Weitere -sagen wir 3.000- bringen es dann in Körben zum entstehenden Hügel, wo sich dann nur ein paar Hundert um das korrekte Aufschütten und Festtrampeln kümmern. Die restlichen 30.000 oder 70.000 bewachen das ganze oder sammeln Knochen ein. Alles eine Frage der Organisation.

EDIT: Um die Grassoden müssen sich auch noch einige kümmern.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es wurden ja nur ca. 4.800 Mann gebraucht, die an verschiedenen Stellen Erde zusammenkratzen. Auch mit damaligen Mitteln dauerte das sicher keine 2 Stunden. Weitere -sagen wir 3.000- bringen es dann in Körben zum entstehenden Hügel, wo sich dann nur ein paar Hundert um das korrekte Aufschütten und Festtrampeln kümmern. Die restlichen 30.000 oder 70.000 bewachen das ganze oder sammeln Knochen ein. Alles eine Frage der Organisation.

EDIT: Um die Grassoden müssen sich auch noch einige kümmern.


Das genügend Manpower zur Verfügung stand, um den Tumulus aufzuschütten, dürfte wohl außer Frage stehen. Aber was bringt uns die Fragestellung, wieviele Römer an dem - kurz danach wieder zerstörten -Tumulus gearbeitet haben?:confused::confused:
 
Ich dachte, es wurde angezweifelt, dass Germanicus in der Lage war den Tumulus in begrenzter Zeit zu errichten und gleichzeitig genügend Truppen zur Absicherung zur Verfügung zu haben. Daher habe ich die Zahlen ins Spiel gebracht.
 
Nun, nach Tacitus dauerte das Sterben der Varuslegionen mehrere Tage, Germanicus Legionen mußten also nicht 3 komplette Legionen begraben...
Auf der anderen Seite fehlt in Kalkriese jeder Hinweis auf den von Tacitus erwähnten Tumulus und Tacitus erwähnt keine Erdbestattungen....
Andere antike Berichterstatter aber auch nicht. Nun kann man sehr viel glauben/nicht glauben, aber wenn es diese Massengräber gegeben hätte, wären sie erwähnt worden.

Entweder hatten die antiken Schriftsteller keine Hinweise auf diese Art der Bestattung der Varuslegionen (unwahrscheinlich) oder Kalkriese ist nicht der Ort der letzten Schlacht des Varus.

Fest steht, in Kalkriese sind Menschen mit römischer Ausrüstung umgekommen. Ob es Römer waren, steht nicht zweifelsfrei fest ...
Die Gegebenheiten vor Ort passen nicht zu einer der überlieferten Schlachten, am ehesten passen sie zur Varusschlacht. Aber nur mit viel "hier erzählt der antike Schriftsteller etwas, was nicht wahr ist"

Okhams Razer angewandt ist Kalkriese kein Ort, an dem eine der übelieferten Schlachten stattgefunden hat.
 
Tacitus berichtet aber nur über die Kampfplätze des letzten Tages. Diese passen - zumindest nach den bisherigen Erkenntnissen - nicht zu Kalkriese. Allerdings kann noch immer der erste oder zweite Tag der Schlacht in Kalkriese stattgefunden haben, ohne dass man an Tacitus zweifeln muss. Selbst, wenn man der Spekulation mit den verbundenen Händen folgt, heißt das nicht, dass Kampfhandlungen vorausgegangen sind. Auch im Frieden dürfte es keine Armee von 15.000-20.000 Mann geben, die keine Verletzten vorzuweisen hat. Das ist doch schon für Kompanien eher der Normalzustand. Aber auch, wenn es das hieße, bliebe immer noch der zweite Tag übrig.
 
Zuletzt bearbeitet:
und Tacitus erwähnt keine Erdbestattungen....
Tacitus schreibt, die Legionäre hätten die Überreste mit Erde bedeckt:

"nullo noscente alienas reliquias an suorum humo tegeret"

Weitere Details interessierten Tacitus (und seine Leser) wohl auch nicht. Wieviele Legionäre an wievielen Gruben geschaufelt haben, ob diese Gruben mit Steinen ausgekleidet wurden, möglicherweise mit Kalksteinen, oder auch nicht - warum hätte Tacitus darüber berichten sollen?

Was Tacitus an der ganzen Bestattungsaktion in erster Linie interessiert, ist, dass Germanicus persönlich für eine Bestattung sorgte, dass Germanicus persönlich mit Hand anlegte, um einen Tumulus zu errichten, und dass Tiberius ihn genau dafür kritisierte.


Aber nur mit viel "hier erzählt der antike Schriftsteller etwas, was nicht wahr ist"
Was genau soll Tacitus erzählen, "was nicht wahr ist", Deiner Meinung nach?
 
Nun, nach Tacitus dauerte das Sterben der Varuslegionen mehrere Tage, Germanicus Legionen mußten also nicht 3 komplette Legionen begraben...
Auf der anderen Seite fehlt in Kalkriese jeder Hinweis auf den von Tacitus erwähnten Tumulus und Tacitus erwähnt keine Erdbestattungen....
Andere antike Berichterstatter aber auch nicht. Nun kann man sehr viel glauben/nicht glauben, aber wenn es diese Massengräber gegeben hätte, wären sie erwähnt worden.

Völlig unabhängig von der Zuordnung des Fundplatzes Kalkriese, dieses "wenn X, dann wäre das erwähnt worden" ist eine ziemlich lausige Aussage, gerade wenn man sieht, wie wenig tatsächlich erwähnt wurde. Tacitus bespricht die Begehung des Schlachtfeldes in einem klimakterischen Zeitraffer: Dort starben die signifer, dort die Legaten, dort Varus. Wichtig für die Bestattung der Varuslegionen ist, dass sie sechs Jahre nach der Schlacht bestattet wurden und dass Germanicus bei der Errichtung des (eines?) Grabhügels Hand anlegte. Wohl mehr eine symbolische Geste, so wie Frau Merkel in China den Grundstein für die Dependance eines deutschen Unternehmens legt. In die Zeitung kommt auch nur die Grundsteinlegung und nicht ein ausführlicher Baubericht der alle Arbeiten, von der Fundamentaushebung bis zur letzten Schweißnaht der Dachkonstruktion berücksichtigt. Diese Behauptung würde aber genau das implizieren. Gerade Tacitus, der ganze Wochen in einem Halbsatz schildert, zu unterstellen, er hätte alles, was er wusste erwähnt, und wenn er es nicht gewusst hätte, dann hätte es auch nicht stattgefunden, wird keiner Realität gerecht.

Könnte man nicht mit irgendeinem Isotopenschnickschnack oder so was zumindest feststellen, in welcher Gegend jemand aufgewachsen ist ? :grübel:
Dazu ist das Material wohl in einem zu schlechten Zustand. Die Strontium-Isotopen-Analyse erfordert einen gewissen Erhaltungsgrad.
 
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