Veneter-Veneter...alles das selbe?

Die Mischung aus mimosenhaftem Verhalten, wenn es um Dich geht, gekoppelt mit durchaus heftigem Austeilen gegen andere ist jedoch ziemlich gewöhnungsbedürftig. Deine Rechthaberei macht sie dann manchmal unerträglich:
Im Einstecken bin ich so gut wie im Austeilen.

Nur Vorwürfe, die in der Sache falsch oder erst gar nicht begründet sind, lasse ich nicht auf mir sitzen. Daher möchte ich solche Vorwürfe belegt haben.

Wer von uns zwei hier die sachliche Ebene verlässt und stattdessen auf der rein persönlichen Ebene austeilt, zeigt obiges Zitat.

Die lateinische Bildung von Geminiacum steht im Dictionary
Falsch.
Du hast sie selbst bestätigt
Auch falsch.
"Gemin(i)us" ist lateinisch, die Ortsnamenbildung -acum keltisch. (Vgl. mein Beispiel "Philippsburg" = "Philipp" griechisch, "-s-burg" deutsch).

oder versteckst Dich hinter Autoritäten
Das kannst Du mir nicht vorwerfen.

Es sind die Argumente, die zählen. Die habe ich genannt:

"Tur-" ist keltisch belegt, "-icum" ist keltisch belegt, und zwar beides nicht nur in Personen- sondern auch Ortsnamen. Keltische Besiedlung von Turicum ist ebenfalls nachgewiesen. Das reicht für eine plausible keltische Deutung des Namens.

Für eine venetische Besiedlung von Turicum gibt es keine Spur, und belegbar venetische Ortsnamen auf -icum hast Du auch auf mehrmaliges Nachfragen nicht geliefert.
Warum also eine venetische Deutung plausibler sein soll als eine keltische, erschließt sich mir nicht.
Der Hinweis, dass meine Einschätzung dem heutigen wissenschaftlichen Stand entspricht, ist kein "Verstecken".


Meine Argumente ignorierst Du einfach (Turicum kann keine keltische Flussnamensableitung sein)
Da niemand behauptet hat, Turicum sei eine Flussnamensableitung, braucht auch niemand auf Argumente dagegen einzugehen.


Natürlich hat niemand Turicum als "venetisch" identifiziert
Daher habe ich ja auch bei meiner Frage nach venetischen -icum-Namen Turicum ausgeklammert:
Wie viele antik belegte Ortsnamen mit -ikon/-icum mit venetischer Zuschreibung hast Du bisher in der Fachliteratur gefunden, "wenn wir Turicum außen vor lassen"?
Die Frage blieb unbeantwortet.

Entweder wir diskutieren hier offen, gerne auch kontrovers, unter Anerkennung der Tatsache, dass "venetisch" heute meist "Ostalpenindogermanisch" gennant wird, die "Autoritäten" da aber auch noch etwas rumeiern, oder wir lassen es ganz.
Tatsachen werden anerkannt, wenn sie als solche nachgewiesen sind.


Trotzdem Guten Rutsch und Frohes Neues Jahr!
Gleichfalls! :winke:
 
@Augusto

Man kann durchaus unterschiedlicher Meinung über ein Thema sein, dies fördert ja auch die Diskussion. Unterschiedliche Meinung bedeutet aber nicht, dass man andere Disussionsteilnehmer beleidigt. Wir achten im GF auf die Netiquette und aussagen wie "wider besseres Wissen", "dümmeres Argument etc. gehören nicht in eine Disussion.

Bitte achte auf deine Aussagen und halte die an die Netiquette.

Danke
Liebe ursi,

ich könnte Deine Position besser verstehen und achten, wenn das Moderatorenteam in gleicher Weise auch auf Äusserungen wie
Bestenfalls spielen beide Thesen in derselben Liga.
Also irgendwo zwischen heißer Luft und Nonsens.
Stattdessen stellst Du wieder einmal eine Behauptung auf, die in eklatantem Widerspruch zum verlinkten Text steht:
Das Problem liegt an anderer Stelle: Du stellst Dinge als Tatsachen dar, die allenfalls hypothetischer Natur sind.
Das ist schlimmer Unsinn!
Es ist hierbei unseriös, zu behaupten, dass:
(..) Daran ändern aus dem Zusammenhang gerissene Spitzfindigkeiten (..) auch nichts.
Ich könnte vermutlich noch seitenlang so weitermachen...

Versteh mich nicht falsch - ich kann mit solchen Äußerungen durchaus umgehen (auch wenn ihre Häufigkeit schon nervt), und selbst auf eine Änderung des Diskussionsstils der Partner hinwirken. Da hat sich bei den oben zitierten zum Teil auch schon etwas getan (ich hätte die Zitate gerne anonymisiert, wenn darunter nicht die Überprüfbarkeit gelitten hätte).

Mich irritiert aber, wenn ich jetzt als Einziger öffentlich für Äusserungen ermahnt werde, die in mindestens vergleichbarer Qualität bei anderen diverse Male unkommentiert durchgingen - messt Ihr da nicht mit zweierlei Maß?

Das "wider besseres Wissen" habe ich im vorangegangenen Post noch mal begründet:
Die lateinische Bildung von Geminiacum steht im Dictionary, Du hast sie selbst bestätigt, den Nachweis (durch Dein Zitat) lieferte ich auch noch.
Zu dieser Aussage stehe ich, und werde sie, wenn sich eine vergleichbare, klar belegbare Situation ergibt, auch wiederholen. Ich würde es natürlich vorziehen, wenn solche Situation erst gar nicht entstünde - dies liegt jedoch ausserhalb meiner Kontrolle.
 
Du, liebe dekumatland, bist zwar schnell dabei, alles was ich sage, pauschal in Frage zu stellen, hast leider aber bislang hier kein einziges konstruktives, und damit diskutables Argument, für Deine Skepsis geliefert.
grammatisch ist das liebe dekumatland korrekt :winke:

-1- aremoricanische, weichseluferige und italische Veneter seien dieselben?
es kam kein nachvollziehbares Argument für diese Position
-2- die Veneter als gewaltige Handelsmacht, ja als Monopolist für den europäischen Fernhandel?
auch hierzu kam kein einziges nachvollziehbares Argument

weder bzgl. 1 noch bzgl. 2 ist das Basiswissen, wie es zu diesen Themen bei Tante Wiki zusammengefasst ist (und in diesem Faden oft genug verlinkt wurde), abzulehnen. Wir kennen keine phönizischen, griechischen, ägyptischen oder später lateinischen Quellen, welche (spaßig gesagt) mitteilen würde, dass irgendeine der mediterranen Handelmächte sich vor der Römerzeit in großer Angst vor einem übermächtigen venetischen Monopolisten befunden hätte. Das ist Grund genug, das angebliche Handelsmonopol der Veneter als inexistent zu betrachten.

vielleicht wird ja 2015 den Durchbruch in der Venetologie bringen? Auf jeden Fall einen guten Rutsch!
 
Die von Justinus aufgezeichnete Gründiungslegende - wie glaubwürdig auch immer - spricht von Ligurern, nicht Kelten, als Bewohnern Marseilles beim Erstkontakt mit den Griechen.
Iustinus (43,3) schrieb: "Temporibus Tarquinii regis ex Asia Phocaeensium iuventus ostio Tiberis invecta amicitiam cum Romanis iunxit; inde in ultimos Galliae sinus navibus profecta Massiliam inter Ligures et feras gentes Gallorum condidit ...", also: "In den Zeiten des Königs Tarquinius schloss die in die Tibermündung eingefahrene Jugend der Phokaier aus Asien Freundschaft mit den Römern; hierauf brach sie mit Schiffen in die äußersten Buchten Galliens auf und gründete Massilia zwischen Ligurern und den wilden Stämmen der Gallier ...

Auch Hesiod und Avenius beschreiben den Küstenraum von den Seealpen bis Agde noch als fest in ligurischer Hand.
Die Erwähnung von "Ligurern" bei Hesiod findet sich in einem winzigen Zitat in Strabon 7,3,7, das lautet: "Aithiopas te Ligyas te ide Skythas hippemolgus", also "die Äthiopier, Ligurer und auch die pferdemelkenden Skythen". Um die Besiedlung des Küstenraums geht es nicht einmal bei Strabon. Welchen Kontext die Stelle bei Hesiod hatte, ist überhaupt völlig unbekannt, da sie aus einem seiner nicht erhaltenen Werke stammt. (Neben der "Theogonie" und den "Werken und Tagen" sowie dem ihm ebenfalls überwiegend zugeschriebenen, nur unvollständig erhaltenen "Schild des Herakles" verfasste Hesiod noch den "Katalog der Frauen", von dem nur Fragmente erhalten sind, und sonstiges.)
 
@Ravenik: Danke für das Justinus-Zitat. Man sollte sich eben nicht allzusehr auf Wikipedia verlassen, manchmal fehlen dort wichtige Details:
Marseille ? Wikipédia
D'après Justin, le territoire qui forme aujourd'hui Marseille était occupé par une tribu des Ligures, celle des Ségobriges, qui se serait implantée vers l'actuelle Allauch.
" inter Ligures et feras gentes Gallorum" ist natürlich durchaus dehnbar -zwischen Ligurern und wilden Gallern mögen zwei, aber auch zweihundert km gelegen haben. Erstaunlich sind "in ultimos Galliae sinus", weil weitgehend Einigkeit darüber besteht, dass an der Küste östlich Massalias zur fraglichen Zeit ausser Ligurern lediglich Etrusker siedelten. "Nicht-wilde" Gallier wie die Lepontier hätten eigentlich Schriftzeugnisse hinterlassen müssen. Die "wilden Gallier" werden generell rhoneaufwärts vermutet. Dass der ligurische Volksstamm der Segobrigen einen eindeutig keltischen Namen trägt, erhöht die Verwirrung zusätzlich.
Scheinbar ist Justinus hier insgesamt keine besonders glaubwürdige Quelle - dies schliesst die Ligurer an der Rhonemündung ein.

Bei Hesiod habe ich Wikipedia vielleicht etwas unzulässig verkürzt:
Ligures ? Wikipédia
Un fragment d'un texte des Catalogues d'Hésiode (VIIIe siècle av. J.-C.), cité par Strabon[5], cite les Ligures parmi les trois grands peuples barbares, aux côtés des Éthiopiens et des Scythes. L'interprétation la plus fréquente de ce texte est que les Ligures dominaient alors l'extrémité occidentale du monde connu des Grecs. Ce fragment a été considéré comme valable par Henri d'Arbois de Jubainville, Camille Jullian ou plus récemment par Guy Barruol, Giovanni Colonna ou Filippo Maria Gambari. Cependant, il est aujourd'hui souvent considéré comme non authentique, suite à la découverte d'un papyrus égyptien du IIIe siècle citant les Libyens à la place des Ligures. On considère parfois aussi que c'est le papyrus qui contient une erreur de transcription
Alles in allem, wie Du sagst, auch eine eher spärliche Quelle mit weitem Raum für Interpretation, jedoch begrenztem Belegwert. Konkreter wird es scheinbar erstmals bei Avienus (aber vielleicht ist da Wikipedia ja auch lückenhaft):
Avienus, dans sa traduction en latin d'un vieux récit de voyage, probablement marseillais, qu'on peut dater de la fin du VIe siècle av. J.-C., indique que les Ligures se seraient jadis étendus jusqu'à la mer du Nord, avant d'être repoussés (ou assimilés) par les Celtes jusqu'aux Alpes. Avienus situe également Agde à la limite du territoire de Ligures et de celui des Ibères.
[Ich hoffe, Du verstehst Französisch.Andernfalls liefere ich Übersetzungen nach].
 
Zuletzt bearbeitet:
Das "wider besseres Wissen" habe ich im vorangegangenen Post noch mal begründet:

Die "Begründung" besteht in einer Behauptung.
Die Behauptung ist sachlich falsch.
Das habe ich bereits mitgeteilt, aber gerne zum Ausgangspunkt des Disputs:

Wir sprechen über den Ortsnamen Gemini(a)cum.

Meine Ansicht stützt sich auf das folgende Zitat:
A posible -?ko- derivative of Lat. Geminia or Gemin(i)us.
Aus diesem Zitat ergibt sich eine (möglicherweise) keltische Bildung auf Basis eines lateinischen Namens.

Deine Behauptung war - im Widerspruch zu diesem Zitat:

Eine lateinische Bildung (auf Basis eines belegten venetischen Namens) - Geminiacum
Diese "Interpretation" gibt das Zitat nicht her - weder "lateinische Bildung" noch "venetischer Name". Auch dass die Keltizität des Ortsnamens "explizit abgelehnt" wird, ist dem Zitat nicht anzusehen.

Meiner Aufforderung, die Stellen zu zitieren, wo die Keltizität explizit abgeleht wird, bist Du nicht nachgekommen, stattdessen hast Du die sachliche Ebene ganz verlassen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Du gibst ja eh nicht locker, Sepiola, also..
Den Ortsnamen Gemini(a)cum hatte ich in die Liste aufgenommen, weil es auch historische Schreibweisen ohne "a" gibt. Wenn man ihn, wie Du offenbar, als "-acum"-Bildung interpretiert, ist er für die Diskussion von "Turicum" sowieso irrelevant.
Dass "-acum" bei keltischen Ortsnamen häufiger mal vorkommt (Brisiacum, Mogontiacum, Continuacum etc.) steht ausser Frage. Hinreichender Beleg für Keltizität ist "-acum" nicht, sonst stünde im "Dictionary" bei Mastiacum (gehört übrigens auch nicht in die Belegliste, Versehen meinerseits) nicht explizit "celticity cannot be proven". Problem ist hier scheinbar nicht nur die Tatsache, dass die Römer die Endung fortnutzten (z.B. Juliacum-Jülich), sondern auch das Vorkommen in potentiell vorkeltischen Toponymen wie "Lacus Benacus" (Gardasee) oder Meduacus (Nebenfluss der Brenta). Zu letzterem sagt das "Dictionary"
the same underlying etymon may be found in the non-Celtic languages of the area and a RN in -acus is a problem in its own right.
Schliesslich wird für gallisch teilweise originär ein Suffix "-ikya" angenommen, das Römer öfter mal in das vertrautere "-acu(m)" umformten (vgl. "Dictionary" zu "Mederiacum"). Ein ligurisches "-asco" mag hier und da das gleiche Schicksal erlitten haben.

Hier noch mal das Zitat aus dem "Dictionary":
A possible -?ko- derivative of Lat. Geminia or Gemin(i)us.
Eine originär keltischen Bildung wäre anachronistisch. Das ist offensichtlich, und muss im "Dictionary" nicht extra erwähnt werden, auch deshalb nicht, weil dort -?ko-Endungen generell nicht als exklusiv keltisch betrachtet werden.
belegbar venetische Ortsnamen auf -icum hast Du auch auf mehrmaliges Nachfragen nicht geliefert.
Hatte ich zwar schon, aber hier jetzt noch mal der Link:
http://download.burgenverein-untervaz.ch/downloads/dorfgeschichte/1948-Alte%20Ortsnamen%20Graub%C3%BCndens.pdf

In Venezien finden sich aber auch zahlreiche Ortsnamen auf -igo oder -iga, die also mit dem venetischen Suffix -iko- gebildet sind: Mocenigo ist nicht bloss Familienname, sondern auch ein mehrfach vorkommender Ortsname, als Ortsname entstanden entweder aus (fundus) Mucianicos, oder aus dem pluralischen Siedlernamen *Mucianicos, die Nachkommen, die Angehörigen​
des Mucianus. Venetische Ortsnamen sind auch Meianiga, aus (villa) *Aemilianica, das Landgut des Aemilianus, Gaianigo, zu Gallianus, usw.
Obige Aufstellung bezieht sich auf Graubünden. Für Venetien zunächst aus dem "Dictionary":​
Treviso (IT). Tarb?sion Procop. BG 2, 29; 3,1-2; ex Tarvisiano Casiodor var. 10, 27,3; Tarv?sus Venant. Fortunat. Vita s. Martini 4, 665; Tarbision Rav. 4, 30; Tribicium Rav. 31; Tarvisio CIL 6, 2379; 2381; de Tarvisio Paul Diac. 3, 26; Tarvisus CIL 3, 9903; Tarvisium CIL 5, 1593, etc.; cf. Montes Taruisani Pliny 3, 126; Taruisani (var. tarus-, tauris-) Pliny 3, 130; Felix episcopus sanctae Tervisianae eclesiae Greg. M. reg. 1, 16a. If Celtic, to taruo-, although more possibly Venetic.
Nennungen auf "ic(i)o" finden sich zwar nur vereinzelt, aber das vorherrschende "-iso" steht ja bei Vindonissa auch zur Diskussion.​
Ansonsten, leider meist ohne antiken Beleg oder etymologische Deutung (kannst Du aber gerne nachholen):​
Zugegegebenermaßen mehr Masse als Klasse, aber irgendwann machts auch die Masse (und ich kann gerne noch weitere"-egos" aus dem Veneto, Friaul, Istrien und Dalmatien nachliefern).​
 
Zuletzt bearbeitet:
Scheinbar ist Justinus hier insgesamt keine besonders glaubwürdige Quelle - dies schliesst die Ligurer an der Rhonemündung ein.
Dass der kaiserzeitliche Autor Iustinus, dessen Werk eine Zusammenfassung des Geschichtswerks des unter Augustus schreibenden Pompeius Trogus war, keine zuverlässige Quelle für die Besiedlungsverhältnisse in Südgallien im späten 7. Jhdt. v. Chr. sein kann, jedenfalls keine, auf die man irgendwelche Aussagen dazu stützen kann, sollte sich eigentlich von selbst verstehen. Auch Pompeius Trogus konnte keine zuverlässigen Informationen haben, weil im 7. Jhdt. v. Chr. weder die Gallier noch die Ligurer noch die Griechen Werke über Ethnographie oder Geschichte verfassten, die er benützen können hätte. Seine Quelle kann auch erst später entstanden sein.

Bei Hesiod habe ich Wikipedia vielleicht etwas unzulässig verkürzt:
Im zitierten Wikipedia-Artikel steht überhaupt nicht, dass Hesiod sich in irgendeiner Weise über die Besiedlungsverhältnisse im Küstenraum von den Seealpen bis Agde ausgesprochen hätte. Im Übrigen gibt es auch (allerdings in der Minderheit befindliche) Zweifler daran, ob mit seinen "Ligyes" wirklich die Ligurer gemeint waren.
 
Du gibst ja eh nicht locker, Sepiola, also..
Den Ortsnamen Gemini(a)cum hatte ich in die Liste aufgenommen, weil es auch historische Schreibweisen ohne "a" gibt. Wenn man ihn, wie Du offenbar, als "-acum"-Bildung interpretiert, ist er für die Diskussion von "Turicum" sowieso irrelevant.

Mit sachlich begründeten Einwänden habe ich keine Probleme. Da gebe ich Dir gerne recht, Mastiacum gehört nicht in die Liste, und mit Gemini(a)cum können wir es auch so halten.
In diesem Zuge könnten wir auch Bedaium* von der Liste nehmen (Variante "-ako" belegt, aber nicht "-iko").


Bei Deinem Vorwurf einer Falschbehauptung an meine Adresse hast Du die Gegenbehauptung aufgestellt: "In drei Fällen wird Keltizität explizit abgelehnt". Möchtest Du diese Behauptung nun belegen oder sollen wir das abhaken? (Im zweiten Fall gern auch per PN.)

Dass "-acum" bei keltischen Ortsnamen häufiger mal vorkommt (Brisiacum, Mogontiacum, Continuacum etc.) steht ausser Frage. Hinreichender Beleg für Keltizität ist "-acum" nicht
Auch da gebe ich Dir recht.
Dass "-icum" bei keltischen Ortsnamen (wenn auch weniger häufig) vorkommt, ist aber auch klar und kein Argument gegen die Keltizität.

weil dort -?ko-Endungen generell nicht als exklusiv keltisch betrachtet werden.
Sagen wir so: Sie werden generell als keltisch (das heißt nicht zwingend: "exklusiv keltisch") betrachtet. Eine gewisse Schwierigkeit bei der Interpretation des "Dictionary" sind die zahlreichen Sonderzeichen, die leider alle als Fragezeichen wiedergegeben werden. Ich nehme an, dass "-?ko-" in der Regel als "-āko-" zu lesen ist. Hab in der Zwischenzeit versucht, mich schlau zu machen:
Paul Russell, The Suffix -āko- in Continental Celtic. (Études Celtiques 25, 1988)
Da wird auch nebenbei auf das Suffix -iko- eingegangen. Das Problem bei -iko- ist, dass es nicht nur im keltischen Material zu finden ist, sondern (wie schon mehrfach erwähnt) auch im Lateinischen und im Griechischen produktiv ist. Und natürlich auch im Venetischen.
Zum "patronymischen" -ko- im Venetischen referiert Russell die Ansichten Lejeunes:
As regards -ko- vs -io-, he shows firstly that -ko- is not attested before 'Este IV' (350-175 B.C.), while -io- is extant in the earliest sources and, secondly, -ko- is far more frequent in 'Vénétie Carnique' (northern Venetia) where -io- is rare. He concludes:
'On est donc amené à penser que le développement de -ko- à la place de -yo- s'explique par une influence celtique ... l'usage patronymique de -ko- n'est pas inconnu en gaulois.'
Russell relativiert das wie folgt:
At the same time, however, the rise of -ko- as a productive suffix in place of -io- can plausibly be put down to Celtic influence without resorting to the assumption of a wholesale borrowing of the suffix.
[Klammer zu.]

Augusto schrieb:
Ansonsten, leider meist ohne antiken Beleg
...
Zugegegebenermaßen mehr Masse als Klasse


Die Frage lautete:
Wie viele antik belegte Ortsnamen mit -ikon/-icum mit venetischer Zuschreibung hast Du bisher in der Fachliteratur gefunden?

Wenn Du mal nur diese auflisten würdest, hätten wir eine Diskussionsbasis.
Eine Masse von Nicht-Belegen ergibt ja noch keinen Beleg.
Tarvisium ist sicher kein -icum- (auch die frühmittelalterliche Variante "Tribicium" belegt höchstens ein gesprochenes "-sium").



* Zu
Βέδακον / Bedaium habe ich noch was Schönes gefunden:
Die altgermanischen Toponyme
Falileyev (2010, 69) führt den ON Beda vicus als wahrscheinlich keltisch an; es liegt wohl kelt. *bedo- / *beda- ‚Graben’ (s. Falileyev 2010, 9) zugrunde, das im Inselkeltischen in mbret. bez, mkorn. beth, akymr. bed, kymr. bedd ‚Grab’ fortgesetzt ist. Kelt. *bedo-/-a- wird aus idg. *bhedhh2- ‚Ausgrabung’ hergeleitet, z. B. von Falileyev, l. c.; IEW 113f., LIV2 66; DLG2 70; EDPC 59f. Jedoch ist die Keltizität des Namenelementes *beda nicht erweisbar (Anreiter – Haslinger – Roider 2000, 117); mit demselben Stammelement ist wohl auch Bedaio (TAB. PEUT.), Bidaio (ITIN. ANT. 236,1; 257,1; 258,7) und Βέδακον Ptol 2,13,3, das heutige Seebruck am Chiemsee in Bayern) zu vergleichen. Der ON Βέδακον / Bedaium könnte entweder als Bed-acum ‚Ort des Bedos’ gedeutet werden, d. h. von einem (nicht belegten) PN Bedus abgeleitet sein (dagegen Anreiter – Haslinger – Roider 2000, 117) oder es besteht ein Zusammenhang zwischen der norischen Lokalgottheit Bedaius (z. B. CIL III 5572; 5575; 11777; 11778) und dem ON Βέδακον. Das Theonym Bedaios wird von Stokes (bei Holder I,365) zu ir. Bede, abret. Bedos, Bidoe gestellt; Stokes (l. c.) will sich allerdings nicht festlegen, ob das Theonym vom ON (‚Gott von Bedaium’) oder der ON vom Theonym (‚Ort des Bedaios’) abgeleitet sei (zum Theonym: Ulbert 1971, 114f.; de Bernardo Stempel 2003, 47; 2005, 16); beides unwahrscheinlich. Ferner kann man auf ein Theonym Beda in England verweisen (RIB-01, 1593 Housesteads, GB). Der hier behandelte ON Beda vicus ist aufgrund seiner geographischen Distanz zu den Theonymen wohl eine davon unabhängige Bildung; eine etymologische Verwandschaft zu diesen ist aber nicht auszuschließen. Am ehesten könnte hier die Deutung von Beda vicus als ‚Graben-Dorf’ durch Falileyev zutreffen.

Viel Spaß beim Lesen, vor allem der herrlichen Spekulationen zu Φεύγαρον... :D


 
@Sepiola: Schöner Post - wollte Dir eigentlich einen "Grünen" verpassen, aber ich habe in der letzten Zeit zu wenig bepunktet (mir kommen immer die selben 7-8 Mitglieder unter, da ist es schwierig, die 25 voll zu kriegen, bis Du wieder an die Reihe kommst).

Sagen wir so: Sie ["-ako"-Endungen] werden generell als keltisch (das heißt nicht zwingend: "exklusiv keltisch") betrachtet. Eine gewisse Schwierigkeit bei der Interpretation des "Dictionary" sind die zahlreichen Sonderzeichen, die leider alle als Fragezeichen wiedergegeben werden. Ich nehme an, dass "-?ko-" in der Regel als "-āko-" zu lesen ist.
Bei "Meduacus" (siehe mein Zitat im vorherigen Post) spricht das Dictionary spezifisch von "-acus"-Endung. Da wird also manchmal schon sauber getrennt.
Aus den "altgermanischen Toponymen" (S.98):
Rasch (2005, 148) stellt den Namen zu einem kelt. PN *Bivus bzw. zum PN Bivonia (CIL V 4487, Brescia; Holder I, 415); das Suffix -acum, das sich in allen idg. Sprachen zur ON-Bildung finde, diene im Kelt. auch zur Bezeichnung der Zugehorigkeit zu einer Sippe oder Person und habe seit der rom. Besetzung immer haufiger Anwendung gefunden.
Offensichtlich sind sich die Gelehrten hier mal wieder nicht einig, Bei Raschs obiger Aussage fehlen mir z.B. noch die germanischen Belege - ich hoffe, da wurde nicht bairisch "-ach" (wohl von lat. aqua) in einen Topf geworfen, in den es nicht gehört. [Wenn Du nach dem obigen Zitat weiterliest, kommst Du zu *biv-, *vib oder *viv, das mal keltisch (Delamarre "Ort Bibos" [vulg. "Sesamstraße":winke:]), mal auch venetisch oder lateinisch (Sinn-Williams) oder sogar pannonisch gedeutet wird.]​
Mein Veständnis von "?ko" ist, dass es (a) auch die relativ häufige, öfters keltische Endung "-iacum" einschliesst, (b) deren Verkürzung zu "-acum" häufiger beobachtet wurde, und (c) ab und zu angenommen wird, dass "-iacum" auch zu "-icum" verkürzt wird. Über Variante (c) wird dann gelegentlich versucht, eine sonst nicht belegte keltische "PN & -iko"-Bildung doch noch als "keltisch" zu deuten, wie im Falle "Turicum".​
Ein schönes Beispiel für keltologische Phantasie ist Delamarres Deutung von Santicum (Villach):​
Le nom est un dérivé en *-ico- d'un celtique *sento- : "chemin, sentier".
Pfadig! Einschliesslich e->a Lautwandel, wie in Pater>pere. Upps..​
Kein Wunder, dass das "Dictionary" hier Delamarre noch nicht mal für zitierenswert hält, und nur lapidar feststellt: "Possibly celtic, to santo-". Was immer "santo" auf Keltisch dann heissen soll - vielleicht sind diese Herren und Damen gemeint?​
Die hätten es dann ja aus den Ostalpen an den Atlantik geschafft, was ihren südwestlichen Nachbarn nach herrschender Lehre verwehrt blieb.:pfeif:​
Viel Spaß beim Lesen, vor allem der herrlichen Spekulationen zu Φεύγαρον... :D
:yes:Ja, wunderbar - Veneter im Weserbergland, wo sich Vhugsia und Fugonia Gute Nacht sagen. Das würde ich denn dann doch eher "proto-paläo-venetisch" (Urnenfelderkultur) deuten.​
Fast noch schöner aber ist "Osand" (S. 271ff), irgendwo an der Bernsteinstrasse zwischen Carnuntum und der Weichsel: Mal venetisch, mal illyrisch, mal etruskisch, mal oskisch, mal ligurisch, mal thrakisch, mal pannonisch...
Manchmal ist Etymologie offenbar gelehrtes Nichtwissen, mit Zitaten garniert.

Zum "patronymischen" -ko- im Venetischen referiert Russell die Ansichten Lejeunes.
Lejeunes Befund scheint sich nicht mit den Ergebnissen Untermanns und Alföldys zu decken. Alföldy sieht wohl u.a. eine Häufung in Liburnien (heutige dalmatische Küste), aus der er dann den Bezug der Liburner zum venetischen Sprach- (auch Herschafts?-)Raum ableitet:
Liburnian language - Wikipedia, the free encyclopedia
Studying onomastics of Roman province of Dalmatia, Géza Alföldy has concluded that Liburni and Histri belonged to Venetic language area.[1][2] In particular, some Liburnian anthroponyms show strong Venetic affinities, a few similar names and common roots, such as Vols-, Volt-, and Host- (< PIE *ghos-ti-, "stranger, guest, host"). Liburnian and Venetic names sometimes also share suffixes in common, such as -icus and -ocus.
Liburnien zum 'Vénétie Carnique' zu rechnen, hielte ich für ziemlich gewagt. Ausserdem wäre, wenn "-ico" durch keltischen (carnischen) Einfluss zustande gekommen wäre, doch mit frühesten Inschriftenbelegen aus Cadore, an der carnischen Grenze, und nicht aus Este zu rechnen.
Wie viele antik belegte Ortsnamen mit -ikon/-icum mit venetischer Zuschreibung hast Du bisher in der Fachliteratur gefunden?
Ausser Turicum (bei Hubschmied, siehe vorherigen Post), und der bei Schürr erwogenen Anknüpfung von Matrei an den venetischen Namen MATRICAI (Inschrift Tr 4) - keinen. Schürr hat noch
Winter Verlag: Schürr: Etymol. Bemühungen um ?Fritzens
Die keltische Etymologie von ‚Fritzens‘ erklärt nicht den Umlaut und muss deshalb aufgegeben werden. Und es gibt in der Umgebung von Fritzens auch keine anderen Ortsnamen, die mit einiger Sicherheit keltischen Ursprungs sind. Das stimmt mit dem Fehlen archäologischer Funde, die für die Präsenz von Kelten sprechen würden, überein. ‚Fritzens‘ könnte mit einem venetischen Personennamen *Frutikos erklärt werden, wenn die zweite Silbe wie in anderen Fällen synkopiert wurde,
Ist aber auch ohne antiken Beleg. Dies ist nicht wirklich verwunderlich. Eine Ableitung von einem Personennamen findet man typischerweise für einen Einzelhof bzw. eine praedia (vgl. die bekannte Diskussion zum germanischen Äquivalent "-ing"), und solche Orte tauchen selten in antiken Quellen auf. Da muss es dann die Masse machen - als Beleg, dass das Namensbildungsprinzip produktiv war, und antik besiedelte Orte (Rovigo, Pradarego an der Via Claudia Augusta, Pianiga, Polcenigo, Bonavigo) im venetischen Sprachraum betrifft. Hier sehe ich venetische "-ico"-Bildung als plausibelste Interpretation an, sofern ein Name nicht anderweitig, d.h. keltisch/lateinisch/gotisch erklärbar ist.
Keltisch sind die von mir gelisteten Namen schon mal scheinbar alle nicht:
IUOS: Toponimi del Veneto di possibile origine celtica

Einen antiken, wohl keltische Namen aus der Region gibt es noch nachzutragen:
Larice ??
LN: Campolaro? (IT). Larice (var. Lacire) IA 276,3. If Celtic, to l?ro-.
Keltisch *lar (Niederung) kommt uns noch in einigen deutschen Ortsnamen entgegen (Wetzlar, Fritzlar, Goslar etc.), so dass ich hier etwas weniger skeptisch als das "Dictionary" bin. Beachte aber die Endung "-ice" - wenn diese den lokalen norisch-aquileischen Dialekt wiederspiegelt, sind die o.g. Beispiele auf -a bzw. -o wohl eher nicht-keltisch. Im übrigen wäre auch Larice keine Bildung auf einen Personennamen.
 
Drei Inschriften

Ich habe hier noch mehrere "Fundstücke" aus dem Internet rumliegen, die als Hintergrundinformation nützlich sein können:

1. Die in der Anlage abgebildete Inschrift aus dem 6.-4.. Jhd. v. Chr. soll das Wort Venetkens enthalten, und wird als erster Beleg dieses Namens als Eigenbezeichnung der adriatischen Veneter betrachtet. Ich konnte das Wort in der Inschrift noch nicht identifizieren (vielleicht hat jemand anderes mehr Glück). Insofern ist mir nicht klar, welches Zeichen dort als "k" gedeutet wird, und welcher mögliche Lautwert zuzuorden wäre. "Venetkens" war der Titel einer kürzlich beendeten Großausstellung in Padua - möglicherweise wurde nach einer "Exotik" signalisierenden Lesart gesucht, und "Venetkens" daher der Vorzug vor "Venetjens" o.ä. gegeben.
In jedem Fall wissen wir jetzt, das für zwei der in Frage kommenden Veneter "Venetkens" bzw. "Gwynned"/"Fénnid" eine Eigenbezeichnung darstelt. Bei den baltischen Venetern, deren Name fast gleichlautend von Römern (Tacitus), Byzantinern, Goten (Prokopius), Deutschen, Dänen und Finnen überliefert bzw. konserviert wurde, spricht ebenfals alles für eine Eigenbezeichnung.
Damit scheidet das zufällige "Heraushören" eines ähnlichen Namens aus, ebenfalls eine Namensdeutung aus keltisch *venos="Freund, Verbündeter". Nach der "Kwito"-Diskussion dürfte sich für die adriatischen Veneter auch die Deutung "Die Weissen" erledigt haben. Im inselkeltischen ist die Deutung klar, dort heisst "fine" noch heute "Familie, Stamm, Ethnie".
Fine Gael ? Wikipedia
Sieht man sich die antiken Venosten und Vennostenen an, scheint mir eine solche Deutung auch für den adriatisch-alpinen Raum am plausibelsten. "Ven-Etken" könnte z.B. die "Leute/Volk an der (unteren) Etsch" (ital. Adige, lat. Athesis) bedeutet haben. Bis zu ihrer Laufänderung nach der rotta della Cucca 589 AD floss die Etsch durch die Stadt Este, deren römische Name Ateste ist vom Flussnahmen Athesis abgeleitet.
Breach at Cucca - Wikipedia, the free encyclopedia

2. Wir haben eine Inschrift der armorikanischen Veneter - die Stele von Plumergat. Sie ist in lateinischer Schrift, und datiert wohl ins 1. Jhd. n. Chr. Eine ausführliche Beschreibung und Interpretation findet sich hier (S. 17ff): http://redaktion.gesus-info.de/S&S-online/S&S_45-2013.pdf
Die Inschrift, eine Grenzsteinsetzung, ist eindeutig keltisch, wie sich an Vokabeln wie "ater" (Vater) und "av(o)t" (gemacht) zeigt. Die darüber hinaus häufig getätigte Aussage, sie sei Festland-, nicht Inselkeltisch, sehe ich nicht belegt. Das Wort aganntobo (abgrenzend) beispielsweise wird über altirisch aige (Grenzstein) abgeleitet.
Interessant sind die beschriebenen Parallelen zu einer gallo-etruskischen (lepontischen) Inschrift des 2. Jhd. v. Chr. aus Vercelli. Wenn Lepontier den Weg vom oberen Po in die Bretagne fanden, könnte dies ihren Nachbarn poabwärts, den adriatischen Venetern, ebenfalls gelungen sein. [Wer mag, kann anhand der auf der Stele von Plumergat verzeichneten Eigennamen Vabros, Durnos und Giapos versuchen, dem Ursprung der Einwanderer näher zu kommen].

3. Auf den ersten Blick nicht hierher gehört die Stele von Lemnos - Lemnisch ist mit dem Etruskischen verwandt.
http://de.wikipedia.org/wiki/Lemnische_Sprache
Eine neuere Untersuchung kommt jedoch zu interessanten Ergebnissen:
Neues zur Sprache der Stele von Lemnos (Zweiter Teil) | Heiner Eichner - Academia.edu_
Unser vorläufiger Eindruck ist, dass die Sprachträger eine aus dem Westen (Italien) gekommene und dort untergegangene tyrsenische Sprachform verwenden, die nähere Beziehungen zu Spracherscheinungen des etruskischen Nordens (mit Clusium, Perusia) und des Tibertals (mit Volsinii, eventuell sogar Falerii?) aufweist. Mehrere Indizien weisen auf eine eher niedrige soziale Stellung der „Sprecher“. Es könnte sich um die Nachkommen sprachlich tyrsenisierter und sozial unterprivilegierter Italiker handeln, deren Vorfahren zunächst eine sonst anderweitig so nicht greifbare indoeuropäisch-italische Sprache gesprochen hatten. Man meint eine Tyrsenia submersa aufzuspüren, unter der sich ausserdem noch weiter eine Indogermania submersa abzeichnet.
Die etruskisch-italische Koloniebildung auf Lemnos wird aufgrund sprachlicher Phänomene grob ins frühe 7. Jhd. v. Chr. datiert. Klare Anzeichen auf venetische Beteiligung gibt es nicht, jedoch spricht die Namensgeographie der Siedler (Nordetrurien, Umbrien) auch nicht umbedingt dagegen.

Ich habe mir lange Gedanken über die paphlagonischen Veneter gemacht, die nicht so richtig ins Bild passten. Die von den "historisierenden Ärzten" vertretene Hypothese, die Veneter seien so um 1.500 v. Chr. von Paphlagonien nach Mitteleuropa migriert, scheint mir wenig plausibel. In dem Fall hätten die Veneter wohl hethitische Keilschrift gekannt und genutzt, und die adriatischen Veneter hätten ihre Schrift nicht von den Etruskern ausleihen müssen.
Die Migration hätte also vor dem 18. Jhd. v. Chr. (erste hethitische Schriftzeugnisse) beginnen müssen - für diese Periode sind mir aber, anders als für die Zeit um 1500 v. Chr., keine archäologischen Belege für eine Migrationswelle die Donau hoch nach Mitteleuropa bekannt. Weiterhin sind Ethnonyme zwar erstaunlich langlebig, überstehen auch Sprachwechsel (vgl. "english", "francais", "Toscana" etc.) - aber die Wahrscheinlichkeit, dass nach 3.000 Jahren Migrationsgeschichte ein aus Kleinasien stammendes Ethnonym im Mittelalter noch fast unverändert an der Ostsee auffindbar ist, scheint mir denn doch sehr gering.

Die hallstattzeitliche italische Kolonisierung in der Ägäis eröffnet hier - hypothetisch - einen anderen Erklärungsansatz. Vielleicht waren auch adriatische Veneter beteiligt, siedelten jedoch nicht auf Lemnos, sondern weiter östlich an der paphlagonischen Schwarzmeerküste. Archäologische Beweise hierfür gibt es - abgesehen von den generellen Belegen für ägäische Siedlung an der türkischen Schwarzmeerküste ab dem 7. Jhd. v. Chr. - keine. Jedoch fehlen bislang auch archäologische Belege für die nun epigraphisch aufgezeigte etruskisch-italische Koloniebildung auf Lemnos.
 

Anhänge

  • 4a62378f7d35d69c67329a75b88b0e74_2.jpg
    4a62378f7d35d69c67329a75b88b0e74_2.jpg
    45,5 KB · Aufrufe: 410
Zuletzt bearbeitet:
Manchmal ist Etymologie offenbar gelehrtes Nichtwissen, mit Zitaten garniert.
Meine Rede:
So ist es halt, wenn die Sprache unbekannt und das Material dürftig ist. Da kann auch ein noch so hoch respektierter Altsprachler nur Spekulationen produzieren.

Augusto schrieb:
Da muss es dann die Masse machen
Im Grundsatz hast Du recht, nur sollte in der Masse wenigstens ein fester Kern enthalten sein.
Auch eine Masse romanischer Ortsnamen belegt keinen venetischen Ortsnamen.

Ausser Turicum (bei Hubschmied, siehe vorherigen Post), und der bei Schürr erwogenen Anknüpfung von Matrei an den venetischen Namen MATRICAI (Inschrift Tr 4) - keinen.
Also halten wir fest:
"Turo(s)" als Personnename ist keltisch und venetisch belegt.
Personennamen auf -iko- sind keltisch und venetisch belegt.
Ortsnamen auf -icum sind keltisch belegt, aber nicht venetisch.
In Turicum ist keltische Besiedlung nachgewiesen, aber keine venetische.


Die Inschrift, eine Grenzsteinsetzung, ist eindeutig keltisch, wie sich an Vokabeln wie "ater" (Vater) und "av(o)t" (gemacht) zeigt. Die darüber hinaus häufig getätigte Aussage, sie sei Festland-, nicht Inselkeltisch, sehe ich nicht belegt. Das Wort aganntobo (abgrenzend) beispielsweise wird über altirisch aige (Grenzstein) abgeleitet.

Da hast Du etwas nicht richtig verstanden. Der gallische (festlandskeltische) Charakter der Inschrift ergibt sich ja nicht aus der Grundform des Worts, sondern aus der grammatischen Endung:
Hans-Rudolf Hitz schrieb:
Festlandkeltisch bezieht sich auf die Sprachen Gallisch, Lepontisch, Keltiberisch und Galatisch, die als Inschriften auf Stein und Münzen außerhalb der Britischen Inseln vorhanden sind und um das 4. Jh. nach Chr. herum ausstarben.
...
Die in der dritten/vierten Zeile von Bernier als atrebo und aganntobo gelesenen Wörter enthielten beide die Endung -bo, was als gall. Form des Dativ Pl. bekannt war und die Inschrift eindeutig als gallisch klassifizerte.
...
Die Inschrift von Plumergat enthält einen gallischen Text, was durch die Grammatik von atrebo und aganntobo gesichert ist.

Augusto schrieb:
Wenn Lepontier den Weg vom oberen Po in die Bretagne fanden
Dafür sehe ich keinen Beleg. Die Inschrift ist gallisch, nicht lepontisch.
 
Also halten wir fest:
"Turo(s)" als Personnename ist keltisch und venetisch belegt.
"Turo(s) als Personenname ist nicht kontinentalkeltisch (gallisch, lepontisch) belegt, lediglich keltiberisch. Du hast mit Recht gerade festgestellt, dass man bei den verschiedenen keltischen Sprachen sauber unterscheiden sollte.
Personennamen auf -iko- sind keltisch und venetisch belegt.
Habe ich da was bei Untermann und Aföldy überlesen? Beiden zufolge sind Gentilnamen auf -iko typisch venetisch bzw. dem "nordadriatischen Namensgebungsgebiet" zuzuordnen. Die keltischen Belege müsstest Du schon dokumentieren - und zwar für die Zeit vor Gründung Turicums. Ableitungen von keltisch rix (König) sollten aussen vor bleiben, aber da erzähle ich Dir vermutlich nichts Neues.
Ortsnamen auf -icum sind keltisch belegt, aber nicht venetisch.
Es gibt vier relativ zweifelsfrei keltisch zuordbare Ortsnamen auf -icum, alles hydronymische Bildungen [vgl. hier Schürr, a.a.O., zu Mediomatricum, der elsässischen Moder und der zugehörigen keltischen Flussgöttin Matrae], Da Turicum offensichtlich keine hydronymische Bildung ist, sind diese vier Belege irrelevant.
Wir haben weiterhin 3-4 ethnonymische Bildungen, die vermutlich alle römisch sind, wobei in mindestens zwei Fällen das zugrundeliegende Ethnonym (Vindelicum, Carnicum) venetisch gebildet sein mag. Den dritten Fall, Venicon auf Korsika, wollen wir - glaube ich - beide hier nicht wirklich vertiefen (dürfte andernfalls so etwa 20 OT Posts nach sich führen). Sofern die Wurzel keltischen Ursprungs ist, wäre Santicum auch ethnonymisch, gebildet wahlweise durch Veneter oder Römer (Griechen lasse ich hier mal aussen vor). Da für Turicum ethnonymische Bildung nicht erwogen wird, sind diese Fälle hier ebenfalls irrelevant.
Drei weitere Fälle (Mastiacum, Bedaium, Geminiacum) haben wir bereits als römische Bildung bzw. aufgrund unpassender Endung ausgeschlossen. Für Caracoticum (Harfleur) ist die -icum-Endung unsicher (im Itinerarium Antonini tauch es als Caracotini auf) es sollte daher ebenfalls aus der Betrachtung bleiben. Arbatilicum (erst mittelalterlich dokumentiert) scheidet eh aus. Larice ist aufgrund der untypischen Endung ein Sonderfall; da keine Bildung aus Personenname vorliegt, ist es ebenfalls irrelevant.
Damit bleiben noch genau zwei Fälle übrig, nämlich Belicum und Bremtonicum. Beide sind von zweifelhafter Keltizität (lt. Dictionary "obscure"). Mit mindestens gleichem, eigentlich sogar besserem Recht (zugrundeliegender Personenname venetisch belegt) können sie auch venetisch gedeutet werden. Der Lautwandel Brentonico-Frenten ist aus Latein oder Keltisch heraus nicht erklärbar, jedoch aus Ostalpenindogermanisch Typ A.
Zusammengefasst: Es gibt keine auch nur halbwegs belegte keltische Ortsnamensbildung PN & -iko . Wenn Du mit dem Argument "keltisch belegt" noch mal, dann zum vierten Mal, kommen willst, bitte ich um eindeutige Nennung der (dann wohl neuen) Belege samt aussagekräftiger Begründung. Ansonsten müsste ich hier Stellungnahmen wiederholen, die mir möglicherweise moderatorenseitige Ermahnung eintragen, und das wollen wir doch bestimmt beide nicht :winke:.
In Turicum ist keltische Besiedlung nachgewiesen, aber keine venetische.
Wann wurde das Einwohnerregister ausgegraben - habe ich da was überlesen? In Turicum ist vorrömische Besiedlung nachgewiesen, alles andere ist hochspekulativ. Dass norische Münzen mit venetischer Beschriftung geprägt wurden, beweist nicht, dass im Noricum keine Kelten wohnten. Funde keltischer Münzen im Zürichsee bedeuten genausowenig, dass im vorrömischen Turicum nur, oder überhaupt Kelten wohnten.
[Wissen wir überhaupt, zu welcher römischen Provinz Turicum gehörte? Da sich dort eine Zollstation befand, lag es offenbar an der Grenze zwischen Raetia und Gallia Belgica bzw. Germania Superior. Aber auf welcher Seite der Grenze? M.a.W.: War Turicum ursprünglich vindelikisch oder helvetisch?
Epigraphik Datenbank ]

Fassen wir also die beiden aufgrund der Beleglage denkbaren Szenarien zusammen:


  1. Keltiberer kommen in die Nordschweiz, knapp 800 km von ihrem Siedlungsgebiet entfernt (ich nehme mal Agde als belegte Ostgrenze). Sie entdecken die sprachliche Schönheit des ihnen bislang unbekannten herkunftanzeigenden Suffixes -iko, und nutzen es begeistert zur Bennennung der von ihnen neugegründeten Siedlung. [Stellt sich noch die Frage, von wem sie die Endung -iko hatten - Römern, Venetern oder Griechen? Werden wohl die Griechen gewesen sein, dann ging die Route über Marseille. Die 100 km Umweg machen den Kohl auch nicht fett.]
  2. Veneter kommen in die Nordschweiz, knapp 300 km von ihrem Siedlungsgebiet entfernt (Inschriftenfund in Hall/ Tirol). Sie benennen ihre neue Siedlung mittels des in ihrer Heimat üblichen, und bis ins Mittelalter für Ortsnamen (in Masse, nicht in Klasse) noch produktiven herkunftsanzeigenden Suffixes -iko.
Ist wirklich schwer, zu entscheiden, welches der beiden Szenarien plausibler ist.
Da hast Du etwas nicht richtig verstanden. Der gallische (festlandskeltische) Charakter der Inschrift ergibt sich ja nicht aus der Grundform des Worts, sondern aus der grammatischen Endung [Dativ Plural -bo]:.
Oh, ich habe schon richtig verstanden, wollte aber diesbezüglich nicht ohne Not ins Detail gehen:
http://digilib.phil.muni.cz/bitstream/handle/11222.digilib/114125/N_GraecoLatina_13-2008-1_4.pdf

  1. Nach Volltextsuche in obigem Test scheint Gallisch "atrebo" genau ein mal belegt - rate mal von welcher Inschrift. Dazu noch einmal "matrebo", das wars dann mit Gallisch Dativ Plural.
  2. Auf Alt-Irisch (7.-9. Jhd.nach Chr.) heisst "den Vätern" (Dat. Pl.) athr(a)ib. Frühere Schreibungen sind nicht belegt, somit auch nicht der genaue Weg der Synkopierung/ Verkürzung aus PIE *-obis / *obos.
  3. Ein Ogham-Beleg (archaisch-irisches Schriftsystem) enthält einen Dativ Plural auf -bo (obiger Link, S. 55). Dativ Plural auf -bos findet sich in Lepontisch, Venetisch (louderobos - "den Kindern"), und in Keltiberisch.
    Ogham ? Wikipedia
Eine eindeutige Abgrenzung zu Archaisch-Irisch, selbst zu Venetisch, scheint mir bei der spärlichen Belegdichte und unter Berücksichtigung der zeitlichen Differenz im Falle von "atrebo" kaum möglich. Das "aganntobo" aus dem Alt-Irischen abgeleitet wurde, hatte ich ja schon gesagt.
Die Inschrift [von Vercelli] ist gallisch, nicht lepontisch.
Ich hatte "lepontisch" als Illustration des von Hitz gebrauchten Begriffs "gallo-etruskisch" gemeint. Spielt eh keine Rolle: Nach Blazék (a.a.0., S.62), "Lepontic seems to belong to the same dialect zone as Gaulish". Dass der p-keltische Charakter der Gallischen wohl der etruskischen Überformung im Lepontischen entspringt, hatten wir ja schon. Die geographische Position von Vercelli ist diesbezüglich sowieso eindeutig.
 
Die etruskisch-italische Koloniebildung auf Lemnos wird aufgrund sprachlicher Phänomene grob ins frühe 7. Jhd. v. Chr. datiert. Klare Anzeichen auf venetische Beteiligung gibt es nicht, jedoch spricht die Namensgeographie der Siedler (Nordetrurien, Umbrien) auch nicht umbedingt dagegen.
Die hallstattzeitliche italische Kolonisierung in der Ägäis eröffnet hier - hypothetisch - einen anderen Erklärungsansatz. Vielleicht waren auch adriatische Veneter beteiligt, siedelten jedoch nicht auf Lemnos, sondern weiter östlich an der paphlagonischen Schwarzmeerküste. Archäologische Beweise hierfür gibt es - abgesehen von den generellen Belegen für ägäische Siedlung an der türkischen Schwarzmeerküste ab dem 7. Jhd. v. Chr. - keine. Jedoch fehlen bislang auch archäologische Belege für die nun epigraphisch aufgezeigte etruskisch-italische Koloniebildung auf Lemnos.
Der Zusammenhang zwischen dem Etruskischen, dem Lemnischen und Sprachen Kleinasiens ist ungeklärt. Dass auf Lemnos eine etruskisch-italische Kolonie gegründet wurde, ist nur eine Hypothese von mehreren.
 
"Turo(s) als Personenname ist nicht kontinentalkeltisch (gallisch, lepontisch) belegt, lediglich keltiberisch.

Was erzählst Du denn da?
Keltiberisch ist kontinentalkeltisch.
Festlandkeltische Sprachen ? Wikipedia

Augusto schrieb:
Habe ich da was bei Untermann und Aföldy überlesen? Beiden zufolge sind Gentilnamen auf -iko typisch venetisch bzw. dem "nordadriatischen Namensgebungsgebiet" zuzuordnen.
Richtig, Gentilnamen. Bei Alföldy geht es nur um Gentilnamen.

Keltische Personnenamen auf -iko- wären z. B.
Caesar schrieb:
erat unus intus Nervius nomine Vertico, loco natus honesto, qui a prima obsidione ad Ciceronem perfugerat suamque ei fidem praestiterat.
Caesar - De bello Gallico 5,24-5,58: Aufstand im mittleren und nordwestlichen Gallien
interim Teutomatus, Olloviconis filius, rex Nitiobrogum, cuius pater ab senatu nostro amicus erat appellatus, cum magno equitum suorum numero et quos ex Aquitania conduxerat ad eum pervenit
Caesar - De bello Gallico 7,14-7,31: Avaricum

Das genügt für die Feststellung:

Personennamen auf -iko- sind keltisch belegt.

(Einen sachlichen Grund, warum Du Personennamen aus der Zeit vor Gründung Turicums haben willst, sehe ich nicht.)



Augusto schrieb:
Es gibt vier relativ zweifelsfrei keltisch zuordbare Ortsnamen auf -icum
... und das genügt für die Feststellung:

Ortsnamen auf -icum sind keltisch belegt, aber nicht venetisch.

(Einen sachlichen Grund, warum Du eine unüberwindbare Kluft zwischen Herleitung aus Personen- und Flussnamen konstruieren möchtest, sehe ich nicht.
http://www.geschichtsforum.de/735144-post407.html)


Augusto schrieb:
In Turicum ist vorrömische Besiedlung nachgewiesen
... und zwar keltische, so der derzeitige Forschungsstand:
Auf dem links der Limmat gelegenen Moränenhügel mit den Erhebungen Lindenhof, St. Petershügel und dem heute abgetragenen Sihlbühl im Norden ist ab 80 v.Chr. ein kelt. Oppidum nachweisbar, in dem eine wohlhabende Führungsschicht u.a. eine Münzprägestätte betrieb. Der rätselhafte Fund eines Klumpens aus über 17'000 verschmolzenen kelt. Münzen der Zeit um 100 v.Chr., der in der südl. Bahnhofstrasse zum Vorschein kam, lässt an eine im Wasser deponierte Opfergabe denken. Die Besiedlung setzte sich in röm. Zeit bruchlos fort. Die Stationierung von röm. Militär erfolgte entgegen früherer Ansicht nicht erst während des Alpenfeldzugs 16-15 v.Chr., sondern bereits ab 40 bzw. 30 v.Chr. in der bestehenden kelt. Siedlung.
Zürich (Gemeinde)

Das genügt mir für die Feststellung:

In Turicum ist keltische Besiedlung nachgewiesen, aber keine venetische.

Nachdem Deine Versuche, den Forschungsstand anzuzweifeln, inzwischen auf diesem Niveau angekommen sind:
Wann wurde das Einwohnerregister ausgegraben - habe ich da was überlesen?
... betrachte ich die Debatte über Turicum als abgeschlossen.




Du hast mit Recht gerade festgestellt, dass man bei den verschiedenen keltischen Sprachen sauber unterscheiden sollte.
Du interpretierst mich nicht richtig. Vielleicht habe ich mich zu lakonisch ausgedrückt. Ich bezog mich nicht auf die Inschrift von Vercelli, sondern auf die bretonische Inschrift.
Um mich diesmal deutlich genug auszudrücken:
1. Es ist richtig, bei der bretonischen Inschrift von "Gallisch" zu sprechen.
2. Es ist falsch, bei der bretonischen Inschrift von "Lepontisch" zu sprechen.
3. Es gibt keinen Anlass, die Lepontier vom oberen Po in die Bretagne wandern zu lassen.

Kelten kamen sowohl in die Nordschweiz als auch nach Iberien. Und natürlich auch in die Südschweiz und nach Oberitalien. Und in die Bretagne.
Deswegen muss man aber weder die iberischen Kelten in die Schweiz ziehen lassen noch die oberitalienischen Kelten in die Bretagne.

Keltiberer kommen in die Nordschweiz
Hat außer Dir niemand behauptet.
Weiterer Kommentar überflüssig.


Ansonsten müsste ich hier Stellungnahmen wiederholen, die mir möglicherweise moderatorenseitige Ermahnung eintragen, und das wollen wir doch bestimmt beide nicht :winke:.
Da fällt mir noch ein:
Bei Deinem Vorwurf einer Falschbehauptung an meine Adresse hast Du die Gegenbehauptung aufgestellt: "In drei Fällen wird Keltizität explizit abgelehnt". Möchtest Du diese Behauptung nun belegen oder sollen wir das abhaken? (Im zweiten Fall gern auch per PN.)
 
Dazu noch einmal "matrebo", das wars dann mit Gallisch Dativ Plural.
Einen weiteren Beleg für "matrebo" kann man in diesem Artikel lesen:
Lejeune bestätigte das Vorkommen von matrebo Namausikabo in der gallo-griech. Inschrift von Nîmes (1985:276) und ergänzte diese mit matrebo Glaneikabo in der gallo-griech. Inschrift von Glanum (1985:76).
Weitere Beispiele für gallischen Dativ Plural auf -bo siehe hier:
Andounnabo
Rokloisiabo

Das "aganntobo" aus dem Alt-Irischen abgeleitet wurde, hatte ich ja schon gesagt.
Und ist so ja auch nicht korrekt. Lies doch bitte nochmal genauer nach.

Ein Ogham-Beleg (archaisch-irisches Schriftsystem) enthält einen Dativ Plural auf -bo (obiger Link, S. 55).
Du meinst "macorbo"? Schau doch bitte mal genau hin. Das steht unter Genitiv, nicht unter Dativ Plural.

Auf Alt-Irisch (7.-9. Jhd.nach Chr.) heisst "den Vätern" (Dat. Pl.) athr(a)ib.
Geht zurück auf *bi, nicht auf *bo.
So stehts in Deinem Link. Seite 58.

Dativ Plural auf -bos findet sich in Lepontisch,
Richtig, das wäre ein Unterschied zwischen (transalpinem) Gallisch und Lepontisch. Dann hätten wir also:
- Gallisch -bo.
- Lepontisch -bos.
- Goidelisch -bi.

Wo sollten wir also atrebo und aganntobo wohl einsortieren?

Dass der p-keltische Charakter der Gallischen wohl der etruskischen Überformung im Lepontischen entspringt, hatten wir ja schon.
Diese These eines Hobby-Keltologen will ich nicht von vornherein verwerfen, aber zumindest ein kleines Fragezeichen dransetzen.

"Hobby-Keltologe" ist übrigens gar nicht abwertend gemeint. Wer ein wissenschaftliches Fachgebiet als Hobby betreibt, arbeitet sich in die Materie ein, informiert sich gründlich über den Forschungsstand, liest die grundlegende Fachliteratur usw.

D. h. wer dieses Hobby-Niveau erreichen möchte, sollte den Ratschlag beherzigen:
mehr lesen und weniger vermuten
 
1. Die in der Anlage abgebildete Inschrift aus dem 6.-4.. Jhd. v. Chr. soll das Wort Venetkens enthalten, und wird als erster Beleg dieses Namens als Eigenbezeichnung der adriatischen Veneter betrachtet. Ich konnte das Wort in der Inschrift noch nicht identifizieren (vielleicht hat jemand anderes mehr Glück). Insofern ist mir nicht klar, welches Zeichen dort als "k" gedeutet wird, und welcher mögliche Lautwert zuzuorden wäre.

Das Zeichen ist in der ersten Zeile ganz links deutlich zu sehen.
Es sieht aus wie ein seitenverkehrtes K.
Dieses Zeichen ist ein K.
Der Lautwert ist K.

Die oberste Zeile ist von rechts nach links zu lesen: iats venetk
Die zweite Zeile ist dann von links nach rechts zu lesen: ens...
https://docs.google.com/file/d/0B_VoBnRLQEo4LW4wLWJxSnVGVjQ/image?pagenumber=3&w=800
 
Aus einem anderen Kontext heraus (ich suchte nach Parallelen zum deutschen "Lamm") bin ich auf folgende Phänomene gestossen:

  1. Gaelisch nutzt systematisch die Vorsilbe "L(u)-" zur Bezeichnung von (Tier-)kindern. Man findet dort u.a. luán„Mastlamm“ (zu „agnus“),luo „Kalb“ (zu [b}os), leanbh „Säugling, Kind, Kitz“, daneben lairreach „(Zucht-)Stute“ (zu eachra „Streitross“ ). Ich vermute hier einen Bezug zu lat. lac "Milch", dt. lecken etc.
  2. Die gleiche Vorsilbe kommt auch im deutschen Sprachraum vor: Lamm, schweiz. Loope "Kuh", süddeutsch Lose "Mutterschwein".
  3. Die vorgenannten gael. Begriffe vermochte ich, bis auf cymr. llo "Kalb", in anderen inselkeltischen Sprachen nicht zu finden. Kelt. *mucus, gael. muc, süddt. Mocke "Mutterschwein" (vgl. dazu lat verres "Eber", porcus "Ferkel") hat offenischtlich das gael. Analogum der Lose verdrängt, auch wenn gael. colllach "Eber" davon noch Spuren bewahrt.
    Insbesondere fällt auf, dass gael. leanbh „Säugling, Kind" nicht in anderen inselkeltischen Sprachen vorkommt, sondern dort durch bret. babig, cymr. baban/babi, dazu auch gael beag verdrängt wurde.Es scheint sich hier also um eine frühe Sprachschicht zu handeln.
  4. Einen offensichtlichen Anschluss bilder venet, louderos "Kinder", meines Wissens ohne direkte lat. oder altgr. Parallelen [(vgl. aber lu-dere "spielen" (->den Kindern geben)]. Die weitere Spurensuche führt in den Nahen Osten zu urart. lutu "Frauen" und hebr. lea "Hirschkuh".
  5. Wo finden sich weitere Anschlüsse?
    • Sloven. loka "Mutterschaf" - unslawisch, jedoch bei adr.-venet. Wurzel durchaus zu erwarten.
    • Alb. lopë „Kuh“ (wie schweizerisch), sowie, mit altem Wandel d<>l, dose „Schwein“ (dazu süddt. Dausch), und dele „Muttterschaf“ (auf ung. lo "Pferd")
    • Poln. blonie "Mutterschaf" ist schon suspekter. Wohl kaum deutsch entlehnt (vgl. dt. Aue, tschech. ovce).
    • Schließlich noch lett. luops "Vieh, Tier" - ohne mir bekannte litauische Entsprechung. Hier mag jedoch auch ung./ugr. lo "Pferd" Pate gestanden haben, dass sich ja auch in dt. Elen, (für "Elch") finden lässt.
Zusammengefasst ergibt sich eine interessante Sprachspur aus dem Nahen Osten über Albanien, adr. Veneter und Süddeutschland/ Schweiz nach Irland, die früh- bzw.vorkeltisch zu sein scheint. Mit Vorsicht (andere etym. Ableitungen sind dort denkbar) führt eine zweite Spur vielleicht an die Weichsel und nach Lettland.

Blickt man auf keltische Stammesnamen in Britannien, so zeigen sich dort drei bis vier verschiedene Einwanderungswellen, die tendenziell die jeweils vorangegangene Welle nach Norden verdrängten:

  1. In Südengland, um Venta Belgarum (Winchester) siedelten die Belgae, die lt. Caesar erst kurz vor seinem Eroberungsversuch Britanniens dorthin über den engl. Kanal.gelangt waren.
    Belgae - Wikipedia, the free encyclopedia
    Für die irischen Fir Bolg, v.a. beheimatet im Süden Irlands, wird teilweise ebenfalls belgische Abstammung angenommen.
    Fir Bolg - Wikipedia, the free encyclopedia
  2. Im heutigen Ost-Yorkshire siedelten die Parisi. Ähnlichkeiten in der Begräbniskultur deuten auf La Tène-zeitlichen kontinentalkeltischen Ursprung. Die Namensgleichheit mit den festlandskeltischen Parisi mag kein Zufall sein. Auch der namensgebende Fundort für die Kultur der britischen Parisi, Arras (Yorkshire), findet sich südlich des Kanals wieder. Die Arras-Kultur tritt etwa ab 450 v. Chr. in Erscheinung.
    http://en.wikipedia.org/wiki/Parisi_(Yorkshire)
    Über Verbindungen der irischen Cauci und Manapii (um das heutige Dublin) zu den Chauken und den Menapiern (Flandern) hat schon Diefenbach nachgedacht, Pokorny meinte, solch Verbindung linguistisch beweisen zu können.
    Cauci - Wikipedia, the free encyclopedia
  3. Bei den Briganten in Nordengland deutet der Name auf Verbindungen ins Bodenseegebiet (Bregenz, Brigantier als Untergruppe der Vindeliker bei Strabo). Auch genetisch besteht Verbindung, etwa die seltene, nur auf den britischen Inseln und an/um Oberrhein gefundene Y-DNA Haploguppe I2c (Typ A).
    Ptolemäus nennt Briganten auch in Südwest-Irland.
    Briganten ? Wikipedia
  4. Schliesslich finden sich die nordirischen Dynastien mit ihren fennid, Gwynned in Nord-Wales, und die Veniconen an der schottischen Westküste rund um das heutige Dundee. Die Namen erinnern an Veneter und ähnliche alpine Bezeichnungen wie Venosten etc.
    Venicones - Wikipedia, the free encyclopedia
Beziehungen zur Hallstatt-Kultur sind seit etwa 700 v. Chr. nachweisbar, v.a. in Südengland, aber in Einzelfällen auch bis Schottland. Diese frühe, vor der Arras-Kultur der Parisi liegende Beziehung umfasste wohl auch begrenzte Einwanderung, bewahrte aber weitgehende Kontinuität zur vorangegangenen brozezeitlichen Kultur.
http://www.davidkfaux.org/files/Belgae_England_R_U152.pdf

Langer Rede, kurzer Sinn - es besteht durchaus der eine oder andere Grund, früh-hallstattzeitliche Migration aus dem Ostalpenraum auf die britischen Inseln anzunehmen - war ja nicht das erste Mal.
Bogenschütze von Amesbury ? Wikipedia

Ob diese Hallstatt-Migranten nun adriatische Veneter waren, oder mit ihnen verwandte Gruppen, die das gleiche Prinzip zur Bildung von Ethnonymen verwendeten, ist eine andere Frage.
Das auf den britischen Inseln aufscheinende Verdrängungsmuster mag durchaus auch in Gallien gewirkt haben, so dass die armorikanischen Veneter ebenfalls Reste einer solchen, von nachfolgenden keltischen Expansionen an die Peripherie gedrängten Migration darstellen könnten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben