Indogermanen, Konstrukt oder Wirklichkeit?

Was genetische Mutationen mit der Ausbreitung der Indoeuropäer zu tun haben, will mir nicht ganz einleuchten.
Die Ausbreitung dieser in Europa entstandenen Laktasepersistenzmutation (Laktosetoleranz) deckt sich gut mit der Ausbreitung der Indogermanischen Sprache.

Auf jeden Fall gibt es in Europa gute Hinweise auf eine nichtindoeuropäische Bevölkerung, die zeitweise noch in antiker Zeit existent war. So z.B. die altmediterrane Bevölkerungsschicht der Etrusker, Ligurer, Paläosarden, Sikaner, Iberer, Minoer, Hattier, vielleicht auch die legendären Pelasger in Altgriechenland.
Ja, und ihre Sprachen wurden alle von nördlich dieser Gebiete siedelnden Stämme verdrängt.
Wobei Etrusker und Minoer genetisch einen nichteuropäischen Ursprung haben.
wikipedia schrieb:
Für dieses Szenario spricht eine offensichtliche Verwandtschaft zwischen dem Etruskischen und einer auf Lemnos gefundenen, dem Frühetruskischen sprachlich nahestehenden Inschrift in lemnischer Sprache sowie gewisse Parallelen zum Lydischen.[1] Auch die künstlerische Entwicklung im frühen ersten Jahrtausend im orientalisierenden Stil zeigt erstaunliche Parallelen zum lydischen Raum. Eine Studie des Erbguts toskanischer Rinder zeigte, dass sie einst aus Kleinasien eingeführt wurden.[2] Neuere Genforschungen der Universität Turin liefern weitere Hinweise darauf, dass die Etrusker Siedler aus dem antiken Lydien gewesen sein könnten (Piazza et alii, 2007).[3] Nach Barbujani sollen die vergleichenden Untersuchungen des Erbgutes ergeben haben, dass ein Drittel der mitochondrialen Allele denen der anatolischen Bevölkerung entspreche und nicht der italischen.[4][5]Etrusker ? Wikipedia
Nach Ansicht der Forscher haben sich die Minoer zwar aus den ersten Einwanderern auf Kreta entwickelt. Diese Steinzeitmenschen kamen aber nicht aus Afrika, sondern vermutlich eher aus der Region des heutigen Anatolien.
A European population in Minoan Bronze Age Crete : Nature Communications : Nature Publishing Group
scinexx | Die Minoer kamen nicht aus Afrika: DNA-Analysen klären den Ursprung der ersten europäischen Hochkultur - Minoer, Kreta, Archäologie - Minoer, Kreta, Archäologie, Hochkultur, DNA, Minos, Knossos, Phaistos, Afrika, Ägypten, Europa, Ursprung,
 
Zuletzt bearbeitet:
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Die Balkanvölker wurden zunächst romanisiert, dann slawisiert.
Ja, sie wurden slawisiert. Sie übernahmen zwar die slawische Sprache, aber sie übernahmen später nicht die türkische, obwohl Türken da jahrhundertelang geherrscht haben. Dies wahrscheinlich, weil die Türken ihr Militär und ihre Beamten dorthin nur abkommandierten, die aber dort nur in seltenen Fällen siedelten. [/FONT]Sie waren schlicht zu wenige, um ihre Sprache landesweit zu etablieren. Türkisch sprach man nur in Verwaltungszentren. Eben dort fanden auch die Übertritte zum Islam statt. Weil das nur dort vom Nutzen war.


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Wenige Römer konnten den gesamten Westmittelmeerraum latinisieren.
Durch die Siedlung bei den Legionslagern und der Ansiedlung der aus dem Dienst entlassenen Legionäre, wurde nicht nur Westmittelmeerraum latinisiert, sondern auch Gebiete diesseits des Limes und der Donau. Doch anders als z.B. in Spanien und Frankreich, war das aufgrund der Germaneneinfälle und -raubzüge nicht von Dauer. Wo die romanischen Sprachen heute dominieren, gab es diese ständige Gefahr nicht. Sie konnten sich in diesen Ländern verwurzeln, so dass sich die späteren Neuankömmlinge dort (z.B. Goten, Langobarden) mit den Latein Sprechenden vermischt und nach und nach deren Sprache übernommen haben. [/FONT]


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Was heißt "nicht so, wie die Männer"? Weniger? Oder schlicht "auf andere Weise"?
Das heißt: weniger. Um Kariere in einem Staat zu machen bzw. Erfolg zu haben, muss man fast notgedrungen die Sprache der Herrschenden sprechen. Das traf früher nur auf Männer zu, da Frauen weder im Staat noch in der Wirtschaft (Handel, Handwerk) eine führende Rolle spielten. [/FONT]


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Beispielswiese gibt es für Sizilien ein Modell, wonach muslimische Männer christliche Frauen heirateten, die Söhne zu Muslimen erzogen wurden und Arabisch sprachen, die Töchter zu Christinnen und Griko sprachen. (Ich halte das Modell für interessant aber nicht sehr plausibel.)
Ich halte dieses Modell schon für plausibel. Bis in das 20. Jahrhundert hinein hat man Frauen Bildung vorenthalten. Weil man das für unnötig hielt, weil sie eh heiraten und zu Hause bleiben, wo sie sich um Kinder und Haushalt zu kümmern hatten. Und was spricht man zuhause: Muttersprache. Die Söhne aber mussten aus dem Haus, mussten sich in einer anders sprechenden, anders gläubigen Welt beweisen. [/FONT]Daher ist es glaubhaft, dass Jungs anders erzogen wurden als Mädchen.


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Wie gesagt, auf das Mengenverhältnis alleine kommt es nicht an. Das Mengenverhältnis kann relevant sein, muss aber nicht. Römer, Araber, Slawen, Spanier in Lateinamerika sind ausreichend Beispiele dafür.
Nicht nur das Mengenverhältnis ist wichtig, sondern auch die Dauer – siehe iberische Halbinsel und Frankreich. Und klar, auch ein brutales Vorgehen - wie das der Römer in Karthago oder das der Spanier in Lateinamerika – kann zum gleichen Ergebnis führen. Aber gibt es Anzeichen, dass indoeuropäische Eliten so vorgingen?[/FONT]
 
[FONT=&quot]Nicht nur das Mengenverhältnis ist wichtig, sondern auch die Dauer – siehe iberische Halbinsel und Frankreich. Und klar, auch ein brutales Vorgehen - wie das der Römer in Karthago oder das der Spanier in Lateinamerika – kann zum gleichen Ergebnis führen. Aber gibt es Anzeichen, dass indoeuropäische Eliten so vorgingen?[/FONT]

Ich bin im Thema leider nicht so bewandert, deswegen meine vielleicht dumme Frage: was wissen wir überhaupt sicher über die Indogermanen? Die Theorien zur Ethnogenese gehen davon aus, dass sie sich irgendwo entwickelt haben und dann von dort expandierten. Darüber, wo die Urheimat war und wann sie expandierten, herrscht Uneinigkeit.


Allgemein zum Thema Übernahme von Sprachen haben wir diesen Thread:

http://www.geschichtsforum.de/f72/bernahme-von-sprachen-widerstand-macht-20628/
 
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Ja, sie wurden slawisiert. Sie übernahmen zwar die slawische Sprache, aber sie übernahmen später nicht die türkische, obwohl Türken da jahrhundertelang geherrscht haben.
Und die Konsequenz daraus für deine Erklärung ist jetzt welche?

Dies wahrscheinlich, weil die Türken ihr Militär und ihre Beamten dorthin nur abkommandierten, die aber dort nur in seltenen Fällen siedelten. Sie waren schlicht zu wenige, um ihre Sprache landesweit zu etablieren.
Das waren die Römer auch.
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Türkisch sprach man nur in Verwaltungszentren. Eben dort fanden auch die Übertritte zum Islam statt. Weil das nur dort vom Nutzen war.
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[FONT=Verdana, sans-serif]Dann schau dir die Bosniaken an. Sprache: Serbokroatisch, Religion: Islam.

Durch die Siedlung bei den Legionslagern und der Ansiedlung der aus dem Dienst entlassenen Legionäre, wurde nicht nur Westmittelmeerraum latinisiert, sondern auch Gebiete diesseits des Limes und der Donau.
Natürlich. Portugal liegt auch nicht am Mittelmeer. Man muss auch verstehen wollen, was gemeint ist. Das römische Westreich.

Doch anders als z.B. in Spanien und Frankreich, war das aufgrund der Germaneneinfälle und -raubzüge nicht von Dauer.
Auch Gallien litt seit dem 3. Jhdt. unter beständigen Germaneneinfällen. Die Alamannen überschritten sogar die Pyrenäen.

Ich halte dieses Modell schon für plausibel. Bis in das 20. Jahrhundert hinein hat man Frauen Bildung vorenthalten. Weil man das für unnötig hielt, weil sie eh heiraten und zu Hause bleiben, wo sie sich um Kinder und Haushalt zu kümmern hatten. Und was spricht man zuhause: Muttersprache. Die Söhne aber mussten aus dem Haus, mussten sich in einer anders sprechenden, anders gläubigen Welt beweisen. Daher ist es glaubhaft, dass Jungs anders erzogen wurden als Mädchen.
Das trifft nicht den Kern des Modells.

Nicht nur das Mengenverhältnis ist wichtig, sondern auch die Dauer – siehe iberische Halbinsel und Frankreich. Und klar, auch ein brutales Vorgehen - wie das der Römer in Karthago oder das der Spanier in Lateinamerika – kann zum gleichen Ergebnis führen.
Siehst du dabei nicht einen Widerspruch zu dem, was du über Goten und Langobarden geschrieben hast? Oder waren das etwas freundliche Eroberer?
Hier kannst du's nochmals nachlesen.
Wo die romanischen Sprachen heute dominieren, gab es diese ständige Gefahr nicht. Sie konnten sich in diesen Ländern verwurzeln, so dass sich die späteren Neuankömmlinge dort (z.B. Goten, Langobarden) mit den Latein Sprechenden vermischt und nach und nach deren Sprache übernommen haben.
Das passt nicht zusammen. Das eine Mal versuchst du den Sprachwechsel trotz Unterzahl der Sprecher der übernommenen Sprache mit Brutalität zu erklären, das andere Mal spielt die Brutalität keine Rolle.

Und klar, auch ein brutales Vorgehen [...] Aber gibt es Anzeichen, dass indoeuropäische Eliten so vorgingen?
Von Brutalität als Grund für einen Sprachwechseln war bei mir nicht die Rede!

Es gibt einfach keine allgemeingültige Erklärung für die Vollziehung oder Nichtvollziehung eines Sprachwechsels!
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Ich bin im Thema leider nicht so bewandert, deswegen meine vielleicht dumme Frage: was wissen wir überhaupt sicher über die Indogermanen?

Nichts. Das ist ja gerade das Problem.

Weder wissen wir zuverlässig, in welchem geografischen Raum die indoeuropäische Ursprache (oder indoeuropäische Grundsprache) entstanden ist, noch wissen wir, wie es zur Ausbreitung der Sprachen und Dialekte von Zentraleuropa bis Indien kam. Die Archäologie hat hier wenig zu bieten, sodass vor allem die Sprachwissenschaft Hypothesen liefert, zuweilen auch die Genetiker. Und die sind samt und sonders umstritten.
 
[FONT=&quot]Kann das wirklich so gewesen sein? [/FONT]

[FONT=&quot]Ist es nicht vielmehr so, dass nur große fremde Kontingente (siehe z.B. Bayern) die autochthone Bevölkerung majorisieren, sprich in sich aufnahmen und auch sprachlich zum Verschwinden brachten, während kleine Gruppen, selbst wenn sie die neue Elite darstellten, sich mit der autochthonen Bevölkerung vermischten und deren Sprache übernahmen (z.B. Normannen in England und in Sizilien)?[/FONT]

Nein. Sprachwechsel liefen in der Geschichte sehr unterschiedlich ab. So eroberten die Franken Gallien und begründeten dort ihren fränkischen Staat. Dennoch gewann die Sprache der unterworfenen gallo-römischen Bevölkerung die Oberhand und im Verlauf von einigen Jahrhunderten wurde das germanische Fränkisch der Eroberer vom romanischen Idiom der Unterworfenen verdrängt.

In Kleinasien lief das anders ab. Ende des 11. Jh. wurde das Land von Turkstämmen besetzt, bis 1453 als letzte Bastion Konstantinopel fiel. Obwohl sich die alteingesessene byzantinische Bevölkerung in der Mehrheit befand, setzten die türkischen Eroberer im Verlauf einiger Jahrhunderte sowohl ihre muslimische Religion als auch ihre Sprache durch. Es kam zu einem Sprachwechsel, bei dem die christliche byzantinische Mehrheitsbevölkerung in einem längeren Prozess Sprache, Kultur und Identitä aufgab - sieht man einmal von der griechisch besiedelten Ägäisküste und den Armeniern im SO Kleinasiens ab.

[FONT=&quot]
Muss man nicht zwischen Kulturtransfer und Sprachtransfer unterscheiden? Ich meine, Normanen haben schon Einiges an Kultur mitgebracht, das hinterher lange Bestand hatte, aber deren Sprache hat sich im Meer der autochthonen verloren, dies nicht zuletzt wegen Frauen, die auch unter fremden Herrschaft in der Regel sehr lange noch die eigene Sprache sprechen und damit bewahren. Es gibt ja nicht umsonst den Begriff: Muttersprache. [/FONT]

In England gab es zwei demografische Entwicklungen, die unterschiedlich verliefen. Als die Römer die Insel zu Beginn des 5. Jh. aufgaben, füllten germanische Einwanderer das Vakuum. Die besonders auf dem Land nicht durchgreifend romanisierten Kelten gaben Sprache und Kultur auf und es erfolgte ein Sprachwechsel vom Keltischen zum germanischen Idiom. Welche Stärke die germanischen Migranten hatten, ist bislang umstritten. Einige nehmen eine geringere Zahl als die alteingessesene Bevölkerung an, andere gehen davon aus, dass zahlenmäßig große Scharen germanischer Gruppen nach England einfielen. Auf jeden Fall war die kulturelle und ethnische Resitenz der keltischen Urbevölkerung nicht besonders groß, denn schon im 8. Jh. hatte sich überall englisch durchgesetzt - sieht man einmal vom keltischen Rückzugsgebiet Wales und Cornwall ab. Selbst ein keltisches Substrat, das man eigentlich im Englischen vermuten müsste, findet sich nur in geringen Spuren.

Die Normannen hingegegen, die England ab 1066 besetzten, kamen in kleiner Anzahl. Man könnte da von einem Elitetransfer sprechen, weil eine dünne hochgestellte Schicht Sprache und Kultur durchsetzen wollte. Das gelang ihr auch zunächst, denn Französisch hatte aufgrund der neuen Herren ein hohes Prestige. Dennoch setzte sich auf Dauer das Englische der Unterworfenen durch, obwohl die französische Sprache und Kultur gewaltige Spuren in England hinterließ.

Es gibt also kein einheitliches Muster, nach dem Sprach- und Identitätswechsel verlaufen. Derartige Überschichtungen und Assimilations- und Transformationsvorgänge hängen von vielen Faktoren ab und sind komplexer Natur.
 
Und die Konsequenz daraus für deine Erklärung ist jetzt welche?
Alle von den Türken unterworfene Balkanvölker haben ihre Sprache behalten, weil dort die Türken in der Minderheit waren und nicht siedelten. Das im Gegensatz zu Kleinasien, wo sie in der Mehrheit waren und auch siedelten.


Das waren die Römer auch.
Nicht so wie die Türken. Ich habe darauf hingewiesen, dass bei den Legionärslagern Siedlungen entstanden, von denen manche bis in die heutige Zeit fortbestehen. Und zweitens haben aus der Armee entlassenen Legionäre Land zugewiesen bekommen, wo sie sich niederließen, Familien gründeten, Landwirtschaft betrieben, Nachkommen zeugten, was zur Ausbreitung des Lateins beitrug. All das taten die Türken auf dem Balkan, wenn überhaupt, nur selten.


Dann schau dir die Bosniaken an. Sprache: Serbokroatisch, Religion: Islam.
Islam war wichtig, um überhaupt in den Staatsdienst treten zu können, Sprache weniger. Das galt ohnehin nur für Männer, Frauen sprachen weiter ihre (slawische) Sprache und lehrten sie ihren Kindern.


Man muss auch verstehen wollen, was gemeint ist. Das römische Westreich.
Da liegt ein Missverständnis vor: Du hast von Westmittelmeerraum gesprochen, römische Westreich reichte aber bis nach Britannien und Niederrhein.


Ich halte dieses Modell schon für plausibel. Bis in das 20. Jahrhundert hinein hat man Frauen Bildung vorenthalten. Weil man das für unnötig hielt, weil sie eh heiraten und zu Hause bleiben, wo sie sich um Kinder und Haushalt zu kümmern hatten. Und was spricht man zuhause: Muttersprache. Die Söhne aber mussten aus dem Haus, mussten sich in einer anders sprechenden, anders gläubigen Welt beweisen. Daher ist es glaubhaft, dass Jungs anders erzogen wurden als Mädchen.
Das trifft nicht den Kern des Modells.
Nicht? Wo siehst Du den Kern des Modells?


Siehst du dabei nicht einen Widerspruch zu dem, was du über Goten und Langobarden geschrieben hast? Oder waren das etwas freundliche Eroberer?
Das wechselte. Die Goten waren anfangs Verbündete der Römer, dann Feinde, dann wieder Verbündete, etc. Die Ansiedlung der Goten unter Alarich in Italien scheiterte zunächst, denn - Zitat aus Wikipedia:
„In den darauf folgenden Unruhen wurden Frauen und Kinder der barbarischen foederati in ganz Italien ermordet.“

Später gab es Theoderich den Großen, der mit seinen Ostgoten - auch foederati der Oströmer – nach Italien übersiedelte, wo sie fast gänzlich in der antiken Kultur der Römer aufgingen. Ähnlich geschah es Langobarden, deren Sprache sich jedoch nach der Einwanderung noch einige Jahrhunderte halten konnte.


Das passt nicht zusammen. Das eine Mal versuchst du den Sprachwechsel trotz Unterzahl der Sprecher der übernommenen Sprache mit Brutalität zu erklären, das andere Mal spielt die Brutalität keine Rolle.
Wie Du und Dieter schreibt, gibt es kein Muster, das für alle Fälle des Sprachwechsels anwendbar wäre. So haben die Langobarden, anders als zuvor die Goten, die wohl zu wenig Zeit hatten, um sich zu etablieren, zunächst schon einen Rückgang der bestehenden römischen Kultur bewirkt, aber nach und nach passten sie sich an, dies nicht zuletzt aufgrund der christlichen Religion, die sie übernommen haben. Aber immerhin hatte sich ihre Sprache noch 4 Jahrhunderte lang gehalten, d.h. sie ist erst im Hochmittelalter verschwunden.

Meine Theorie: Ohne ausreichend viele mitgebrachte Frauen haben zugewanderten Krieger keine Chance ihre Sprache zu bewahren, denn wenn sie in den eroberten Gebieten bleiben, zeugen sie mit einheimischen Frauen Kinder, die – vor allem Töchter! – dann hundertprozentig wieder die Muttersprache sprechen. Etc.

PS: Dass ich auf deinen Beitrag, Dieter, nicht näher einging ist keine Missachtung; es ist einfach dem Umstand geschuldet, dass ich sonst wiederholen müsste, was ich schon El Q oben geschrieben habe.
 
Meine Theorie: Ohne ausreichend viele mitgebrachte Frauen haben zugewanderten Krieger keine Chance ihre Sprache zu bewahren, denn wenn sie in den eroberten Gebieten bleiben, zeugen sie mit einheimischen Frauen Kinder, die – vor allem Töchter! – dann hundertprozentig wieder die Muttersprache sprechen. Etc.

Warum sollten die Töchter nur die Muttersprache und nicht die Vatersprache sprechen? Und die Söhne? Nur die Vatersprache?

Ich möchte als Gegenbeispiel Südamerika bringen. Irgendwo habe ich gelesen, dass man anhand von genetischen Untersuchungen in Kolumbien (Medellín?) herausgefunden hat, dass die Bevölkerung in weiblicher Linie von der amerikanischen Urbevölkerung zumeist (>90 %) abstammt, während sie in männlicher Linie von Europäern (>90 %) abstammt. Das wird so interpretiert, dass die aus Europa (vor allem Spanien) stammenden Eroberer sich mit Frauen aus der einheimischen Bevölkerung fortgepflanzt haben. Die entstehende Bevölkerung war ein Misch aus Europäern und Indianern in der ersten Generation. Gesprochen wurde in den von den Spaniern gegründeten Siedlungen und Kolonialstädten Spanisch.

ah, hier war's:

An even more remarkable history, says Reich, is told in the genes of the men and women living in Medellín, Colombia. Most Americans associate Medellín with the drug cartels of that isolated region. But the remoteness has also preserved a genetic legacy that can be traced to the conquistadores. As described in a paper by Andrés Ruiz-Linares of University College London, the Y-chromosomes of men in Medellín are 95 percent European, while the mitochondrial DNA of the women is 95 percent Native American. Spanish men and Native American women created a new population—confirming the recorded history of the region.

Who Killed the Men of England? | Harvard Magazine Jul-Aug 2009


Mit Kolumbien sind wir von den Indogermanen schon ganz weg, andererseits ist Spanisch auch eine indogermanische Sprache und hier kann man zeigen, dass in Südamerika eine Sprachübernahme auch von der indigenen Bevölkerung vollzogen worden ist. Es mag noch einige geographisch isolierte Regionen geben, in denen Indiovölker ohne Kontakte mit der sog. Zivilisation leben, aber die meisten dürften entweder auf das Spanische bzw. Portugiesische gewechselt sein oder zweisprachig sein.
 
Zuletzt bearbeitet:
Alle von den Türken unterworfene Balkanvölker haben ihre Sprache behalten, weil dort die Türken in der Minderheit waren und nicht siedelten. Das im Gegensatz zu Kleinasien, wo sie in der Mehrheit waren und auch siedelten.

Dabei übersiehst du aber einen Punkt: Als die Seldschuken im 11. Jhdt. mit einigen hunderttausend Mann in Kleinasien mit ihren Tierherden einsickerten, dürfte die griechische Bevölkerung des verstädterten Kleinasiens mehrere Millionen Seelen umfasst haben. Auch hier waren die Türken also in der Minderheit. Allerdings hatten sie vielmehr Zeit, Kleinasien zu turkisieren als etwa den Balkan, der ja nie zum seldschukischen und kürzer zum osmanischen Herrschaftsgebiet zählte. Hinzu kommen dann noch die Nationalstaatsbewegungen des 19. und 20. Jahrhunderts, die zu blutigen Bürger- und Befreiungskriegen führten und dann schließlich auch zu ethnischen Säuberungen sowohl in der Türkei als auch auf dem Balkan mit den entsprechenden Bevölkerungsverschiebungen. Bedeutende Wellen der Phanariotenauswanderung aus der Türkei fanden erst 1923 und 1955 statt.

Nicht so wie die Türken. Ich habe darauf hingewiesen, dass bei den Legionärslagern Siedlungen entstanden, von denen manche bis in die heutige Zeit fortbestehen. Und zweitens haben aus der Armee entlassenen Legionäre Land zugewiesen bekommen, wo sie sich niederließen, Familien gründeten, Landwirtschaft betrieben, Nachkommen zeugten, was zur Ausbreitung des Lateins beitrug. All das taten die Türken auf dem Balkan, wenn überhaupt, nur selten.
Das tut ja gerade so, als habe es nach römischer Koloniegründung gar keine einheimische Bevölkerung mehr gegeben... Eigentlich geht man eher - und für Gallien und Spanien konnte man das auch relativ plausibel nachweisen, von einer allmählichen Romanisierung zunächst der alten Stammes- und nun Funktionseliten und allmählich erst der Bevölkerung aus.


Nicht? Wo siehst Du den Kern des Modells?
Der Kern des Modells ist - wie gesagt, ich halte es für nicht plausibel, gebe es nur weiter - dass es eine Art unausgesprochenen Gesellschaftsvertrag gab, wonach Söhne interreligiöser Verbindungen Muslime wurden und Arabisch lernten, Töchter dagegen eine christliche Erziehung genossen und Griko oder ggf. eine italoromanische Sprache als Muttersprache lernten. Es geht hierbei nicht um Bildung sondern um religiöse Zugehörigkeit. Ich sehe in diesem Modell mehr Probleme als Lösungen. Vor allem dürfte es schwierig sein, im Praxistest zu bestehen.


Das wechselte. Die Goten waren anfangs Verbündete der Römer, dann Feinde, dann wieder Verbündete, etc. Die Ansiedlung der Goten unter Alarich in Italien scheiterte zunächst, denn - Zitat aus Wikipedia:
„In den darauf folgenden Unruhen wurden Frauen und Kinder der barbarischen foederati in ganz Italien ermordet.“
Du weichst der eigentlichen Antwort auf die Frage aus: Deine Ur-Hypothese war: Sprachen setzen sich deshalb durch, weil die Bevölkerung der Sprache die sich nicht durchsetzt im Meer der Mehrheitsbevölkerung schlicht verloren geht.
Es gibt aber zahlreiche Beispiele, wo das einfach nicht stimmt (Araber, Römer, Slawen, Türken). Du hast daraufhin eine Hilfshypothese gebildet: Wenn sich die Sprache der Minderheit durchsetzte, dann wurde sie mit Gewalt durchgesetzt. Dementsprechend müssen Goten, Langobarden, Franken, Rugier, Skiren, Sueben und Vandalen richtig nette Leute gewesen sein, denn sie konnte sich ja sprachlich nicht durchsetzen.

Später gab es Theoderich den Großen, der mit seinen Ostgoten - auch foederati der Oströmer – nach Italien übersiedelte, wo sie fast gänzlich in der antiken Kultur der Römer aufgingen. Ähnlich geschah es Langobarden, deren Sprache sich jedoch nach der Einwanderung noch einige Jahrhunderte halten konnte.
Da sollte man doch meinen, Norditalien sei sogar zweimal germanisiert worden, erst von den Ostgoten, dann von den Langobarden (Skiren und Westgoten unterschlage ich mal). Ma niente.

Wie Du und Dieter schreibt, gibt es kein Muster, das für alle Fälle des Sprachwechsels anwendbar wäre.
Danke!

So haben die Langobarden, anders als zuvor die Goten, die wohl zu wenig Zeit hatten, um sich zu etablieren, zunächst schon einen Rückgang der bestehenden römischen Kultur bewirkt, aber nach und nach passten sie sich an, dies nicht zuletzt aufgrund der christlichen Religion, die sie übernommen haben.
Die Germanen waren - bis auf die Franken - zunächst Arianer und nicht Katholiken, bei einem Disput zwischen arianischen und katholischen Geistlichen behauptete sogar der vandalische Bischof Cyrila "Nescio latine" (ich kann kein Latein!), was natürlich eine glatte Lüge war... Wulfilas BibelÜS - Wulfila war auch Arianer - lag auf Gotisch vor, der Codex von Uppsala (Codex Argenteus) als wichtigstes Zeugnis der BibelÜS des Wulfila ist nach allgemeiner Auffassung unter Theoderich dem Großen in Norditalien hergestellt worden, die christliche Religion kann es also nicht gewesen sein, welche die Goten zum Gebrauch des Lateinischen bewegte.

Aber immerhin hatte sich ihre Sprache noch 4 Jahrhunderte lang gehalten, d.h. sie ist erst im Hochmittelalter verschwunden.
Die einzigen Zeugnisse des Langobardischen, die mir bekannt sind, und schon da ist nicht völlig klar, ob es Zeugnisse eines lebendigen Langobardischen oder eine fossilisierten Rechtsnorm sind (außer Eigennamen, aber wenn man die zugrundlegte, wären Portugal und Spanien bis heute germanischsprachig) stammen aus der ersten Hälfte des 7. Jhdts.

Meine Theorie: Ohne ausreichend viele mitgebrachte Frauen haben zugewanderten Krieger keine Chance ihre Sprache zu bewahren, denn wenn sie in den eroberten Gebieten bleiben, zeugen sie mit einheimischen Frauen Kinder, die – vor allem Töchter! – dann hundertprozentig wieder die Muttersprache sprechen. Etc.
Und dies galt für die Römer nicht? Oder für die Spanier in Lateinamerika? Gerade da ist ja die Belegsituation, was die Mestizaje zwischen Conquistadoren und Einheimischen angeht, geradezu luxuriös...
 
Irgendwo habe ich gelesen, dass man anhand von genetischen Untersuchungen in Kolumbien (Medellín?) herausgefunden hat, dass die Bevölkerung in weiblicher Linie von der amerikanischen Urbevölkerung zumeist (>90 %) abstammt, während sie in männlicher Linie von Europäern (>90 %) abstammt. [...]
ah, hier war's:
Who Killed the Men of England? | Harvard Magazine Jul-Aug 2009
Genetische Studien hierzu sind mir unbekannt. Die historischen Quellen sprechen aber - insbesondere für das 16. Jhdt. - dieselbe Sprache. Frauen wurden aus Spanien kaum mitgeführt und blieben dann meist in der Karibik hängen. Dagegen haben wir schon recht früh nachgewiesene Kontakte zwischen Conquistadoren und einheimischen Eliten. So hatte der spanische Dichter Garcilaso de la Vega einen gleichnamigen Cousin, den man el Inca nennt, ein wichtiger Historiograph, der Sohn eines Conquistadors unter Pizarro, also wirklich eines Conquistadors der ersten Stunde und einer Coya (= "Inkaprinzessin") war. Die Maya-Indianerin Malintzín/Malinche, die Cortes als Übersetzerin diente, und auch sehr schnell das Nahua lernte (manche nehmen an, dass sie eigentlich Zentralmexikanerin war, die bei den Maya als Sklavin lebte, alsp Nahua nicht erst lernen musste) unterhielt, bevor sie mit Cortes eine Beziehung einging, zuvor mit einem seiner Untergebenen ein Verhältnis. Der war bei einem spanischen Schiffbruch vor Yucatán in Gefangenschaft geraten und wurde von Cortes befreit. Er war zunächst der ÜS von Cortes mit den Maya, bevor die offenbar sehr sprachbegabte Malintzín ihn ersetze.
Im Indienarchiv in Sevilla gehen die Zeugnisse vom Frauenmangel (was Spanierinnen angeht) und von den Beziehungen mit einheimischen Frauen in die hunderttausende. Hinzu kommen noch die flüchtigen und erzwungenen sexuellen Beziehungen, die ja auch ihren Niederschlag im Genpool gefunden haben.
 
Ich möchte Dions Überlegung zur Sprachweitergabe durch Mütter und Väter einige Überlegungen beigeben:

Zunächst einmal setzt dieser Gedanke voraus, dass die Männer wesentlich stärker in die gesellschaftliche Interaktion eingebunden sind als die Frauen, was wiederum damit korrespondiert, dass Männer eine Vorherrschaft über Frauen ausüben. Ich vermute, dass dies für sehr viele Settings zutreffen wird, jedenfalls dürfte dies in den hier betrachteten historischen Beispielen als gesichert gelten.

Wenn nun die Männer innerhalb der Familien Herrschaft über die Frauen ausüben, kann es sein, dass sie von ihren Frauen verlangen, die Sprache der Männer zu lernen und insbesondere den Kindern keine andere Sprache beizubringen. Ob die Männer dies von sich aus verlangen, wird von ihrer Selbstwahrnehmung abhängen.

Es kann zudem auch von den Machtstrukturen und politischen Zielen abhängen, denen die Männer selbst unterworfen sind:

Mitunter verlangt eine politische Führung, dass alle Unterworfenen die Regierungssprache lernen. Es mag auch politische Führungen geben, die genau das verhindern wollen, um Menschen von Herrschaft und Wissen fern zu halten. Wieder anderen Regierungen mag das egal sein.

Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist ein Bildungssystem. Gibt es so etwas wie Unterricht, so führt dieser zur Stärkung der Sprache, in der alphabetisiert oder auch nur mündlich unterrichtet wird. So würde ich vermuten, dass die schnelle Verbreitung des Islam zugleich Arabisch in vielen Bevölkerungen durchgesetzt hat, da der Islam auf Arabisch unterrichtet werden sollte. Trotzdem sind nicht alle islamisierten Bevölkerung auch arabisiert worden. Es gibt eben auch entgegengesetzt Effekte, die mitunter stärker waren.

Ich sehe das erst einmal ganz grundsätzlich und abstrakt. Wie das nun mit dem Indogermanischen war? Gute Frage.
 
Ich habe vor einiger Zeit im Thread http://www.geschichtsforum.de/f106/angels-chsische-eindringlinge-germanisierten-briten-11731/ eine Arbeit von Heinrich Härke erwähnt:


Ich bin kürzlich auf eine Arbeit von Heinrich Härke aufmerksam gemacht worden:

Anglo-Saxon immigration and ethnogenesis. Medieval Archaeology 55, 2011. 1-28. | Heinrich Härke - Academia.edu

Anhand von archäologischen Funden/Befunden, Ortsnamen und Schriftquellen beschreibt er die Angelsächsische Invasion/Immigration und das temporäre Zusammenleben zweier Kulturen bis hin zur vollendeten Ethnogenese der Engländer im 7./8. Jhdt.

Auf Seite 13f. stellt er drei verschieden Modelle vor, die das Zusammenleben zwischen der alten (romano-keltisch)-britischen Bevölkerung und den neuen Einwanderern beschreiben:

Das "Kin-Group-Model" / "Familien- oder Sippen-Modell"
Hier sind die kontinentalen Einwanderer sozusagen mit Frau, Kind & Kegel ausgewandert, lebten in ihrer eigenen Parallelgesellschaft zur alten Gesellschaft in Koexistenz. Heiraten zwischen beiden Gruppen kamen anscheinend nicht vor. Desweiteren hatten die Angelsachsen einen höheren sozialen Status, wie an den reicheren Grabbeigaben und an der ethnisch orientierten Gesetzgebung zu erkennen ist.

Das "Warband-Model"/ Krieger-Modell
In diesem Modell kamen eine große Anzahl germanischer Krieger, die die Kontrolle über die Gemeinde übernommen haben, und sich mit einheimischen Frauen verheirateten.

Das Elite-Transfer-Model/Elite-Transfer-Modell=) (ÜS war nicht so notwendig...)
Hier wurden ganze Stämme/Gesellschaften von einer neuen Führungsschicht übernommen und weitergeführt.

Im Laufe der Zeit setzten Prozesse der Assimilierung ein, in denen die alte Bevölkerung die Kultur und Sprache der Neueinwanderer übernahm, und ein neues Volk entstand: die Engländer.


Diese drei verschiedenen Modelle wird man wahrscheinlich auch auf die Ausbreitung der Indogermanen, der Türken, Araber, Slawen und Spanier übertragen können.

Ich vermute, dass die Ausbreitung in mehreren Wellen über Jahrhunderte / Jahrtausende vor sich ging. Von ihrer Urheimat (wo immer sie gelegen haben mag) indogermanisierten die Indogermanen andere Bevölkerungen, diese wiederum führten das Werk fort. Letztendlich ist auch die Besiedlung von Amerika, Australien, Afrika und Teilen Asiens auch eine Ausbreitung der Indogermanen, auch wenn diese dann Englisch, Französisch, Spanisch, Portugiesisch sprachen.
 
Letztendlich ist auch die Besiedlung von Amerika, Australien, Afrika und Teilen Asiens auch eine Ausbreitung der Indogermanen, auch wenn diese dann Englisch, Französisch, Spanisch, Portugiesisch sprachen.

Letztendlich ist das für die Analogiebildung ja egal, ob es sich um Sprecher einer indoeuropäischen Sprache handelt oder einer nichtindoeuropäischen Sprache, die Prozesse sind dieselben.

Wir haben einfach einen Sachverhalt, nämlich dass zu Beginn der historisch fassbaren Zeit vom Keltikum bis nach Indien und Westchina Sprachen ein- und derselben Sprachfamilie zu finden sind. Man kann einigermaßen sicher die gemeinsame Ursprache rekonstruieren und mit diesem Wissen linguistisch auf die Suche nach der - bei aller Problematik dieses Begriffs - "Urheimat" gehen, indem man ein Gebiet sucht, indem eine besonders hohe Konzentration von im Sinne der rekonstruierten Ursprache besonders archaischen Namensformen zu finden ist. Theoretisch zumindest. Wäre das auch praktisch "so einfach", wäre die Frage längst einvernehmlich geklärt.

Man kann auch versuchen anhand genetischer und archäologischer Untersuchungen eine Ausbreitung nachzuvollziehen. Hierbei ist allerdings mit einem erhöhten Risiko an Fehldeutungen zu rechnen. Man kann sich eben das Rad oder den Pflug auch abschauen, ohne dass man zwingend die Sprache übernimmt... Oder man sieht, dass der bereits neolithisierte Nachbar gezähmte Auerochsen hat, die viel friedlicher sind als die wilden Biester, die man hin und wieder mal im Wald erlegt. Dafür lohnt es sich auch mal den Nachbarn mitsamt seiner Sippe zu erschlagen und die gezähmten Auerochsen mitzunehmen.

Historische fassbare Sprachübertragungen, wie wir sie beispielsweise aus der römischen, slawischen, türkischen, islamischen oder spanischen etc. Landnahme kennen, dienen letztlich nur zur Sichtbarmachung möglicher Prozesse. Es kann sich hierbei nur im Analogiebildungen handeln.
 
Ich habe immer noch Probleme mit der Methodik der Evolutionsbiologen.
Eine Weltkarte, basierend auf nur 112 Einzeldaten, davon etwa zwei aus Sardinien, keine aus z.B. Ägypten - wo liegt die Aussagekraft?
Hallo Stilicho,
ich glaube, da hast du dich etwas verzählt.;)
Z.B. beträgt die Anzahl der Probanden für die Tabelle der mit Laktasepersistenz verbunden Allelfrequenzen -13910*T, -13,907*G, -13,915*G und -14,010*C wenn ich mich nicht verzählt habe 20.837 (Additional file 2.).

Eine ständige Aktualisierung der Daten soll hier zu finden sein: GLAD

Hier ist übrigens eine schöne Veröffentlichung bzgl. Indien/Nepal mit einer Stichprobengröße von 2284: Herders of Indian and European Cattle Share Their Predominant Allele for Lactase Persistence

Laut Computermodell Evolution of lactase persistence: an example of human niche construction in Südost-Mitteleuropa (das "Mittel" wurde in der Presse oft unterschlagen).
Uupps da habe ich nicht das verlinkt, was ich wollte. Gemeint ist dieses hier: PLOS Computational Biology: The Origins of Lactase Persistence in Europe

Bzgl. der in meinem ersten Beitrag genannten Zitate hinsichtlich dem Ursprung dieser Mutation ist zu ergänzen, dass eine Untersuchung der geographischen Verteilung der Genvariationen, welche die sechs wichtigsten Milchproteine kodieren, in 70 einheimischen europäischen Rinderrassen, eine erhebliche geografische Übereinstimmung zwischen hoher Diversität der Milchgene bei Rindern und den Standorten europäischer jungsteinzeitlicher Viehzüchter vor über 5000 Jahren und heutiger Laktosetoleranz bei Europäern ergab. Dies deutet auf eine Gen-Kultur-Koevolution zwischen Rindern und Menschen hin. Albano Beja-Pereira et al. - Gene-culture coevolution between cattle milk protein genes and human lactase genes - http://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&frm=1&source=web&cd=3&ved=0CD0QFjAC&url=http%3A%2F%2Fpsych.colorado.edu%2F~carey%2FpdfFiles%2FGECoevolution_ng1263.pdf&ei=wMrHVPSbKMfEO-qOgfAE&usg=AFQjCNG4hXc0UXkgmvmiA5uhTkh4rMOZMA&bvm=bv.84607526,d.ZWU

Ursprünglich hatten erwachsene Menschen eine Laktoseintoleranz (Milchzuckerunverträglichkeit). So wie bei Ötzi z.B. ist dies heute noch bei der Mehrheit der erwachsenen Weltbevölkerung der Fall. Es sind weltweit nur wenige unabhängig voneinander entstandene Mutationen für Milchverträglichkeit im Erwachsenenalter (adulte Laktasepersistenz) bekannt.
Die Laktasepersistenz in europäischen und davon abstammenden Populationen ist fast vollständig mit der Anwesenheit der -13.910 C/T-Mutation des Lactase-Gen (LCT) korreliert. Diese Mutation ist in 80% der Europäer und Amerikaner europäischer Abstammung zu finden (en. wikipedia). Sie ist ebenfalls die in der Welt am weitesten verbreitete Laktasepersistenzmutation.
 
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Alle von den Türken unterworfene Balkanvölker haben ihre Sprache behalten, weil dort die Türken in der Minderheit waren und nicht siedelten. Das im Gegensatz zu Kleinasien, wo sie in der Mehrheit waren und auch siedelten.

Das ist aber kein allgemein gültiges Muster. So waren z.B. die Araber, Südslawen oder anatolischen Turkvölker in der Minderheit und haben dennoch ihre Sprache in den eroberten Gebieten durchgesetzt. Langobarden, Goten oder Normannen konnten hingegen ihr Idiom nicht dauerhaft verbreiten.

Ich habe darauf hingewiesen, dass bei den Legionärslagern Siedlungen entstanden, von denen manche bis in die heutige Zeit fortbestehen. Und zweitens haben aus der Armee entlassenen Legionäre Land zugewiesen bekommen, wo sie sich niederließen, Familien gründeten, Landwirtschaft betrieben, Nachkommen zeugten, was zur Ausbreitung des Lateins beitrug. All das taten die Türken auf dem Balkan, wenn überhaupt, nur selten.

Die Westgoten beherrschten Spanien rund 250 Jahre. Dennoch konnte sich Gotisch nicht durchsetzen.

Wie Du und Dieter schreibt, gibt es kein Muster, das für alle Fälle des Sprachwechsels anwendbar wäre.

Nein, ein solches Muster gibt es nicht. Man kann höchstens vermuten, dass das hohe Prestige einer Sprache und eine dauerhafte Ansiedlung in beträchtlichem Umfang einen Sprachwechsel erleichtert.

Meine Theorie: Ohne ausreichend viele mitgebrachte Frauen haben zugewanderten Krieger keine Chance ihre Sprache zu bewahren, denn wenn sie in den eroberten Gebieten bleiben, zeugen sie mit einheimischen Frauen Kinder, die – vor allem Töchter! – dann hundertprozentig wieder die Muttersprache sprechen. Etc.

Gegenbeispiel ist die Ausbreitung des Arabischen nach der Expansion der Araber. Arabisch wurde von Mesopotamien bis zum Atlantik gesprochen, ohne dass überall Araber in nennenswertem Umfang ansässig waren. Die Sprache genoss in Verbindung mit der neuen Religion und dem arabisch geschriebenen Koran ein so hohes Prestige, dass auch Ägypter, Libyer oder Berber die Sprache übernahmen.
 
Warum sollten die Töchter nur die Muttersprache und nicht die Vatersprache sprechen? Und die Söhne? Nur die Vatersprache?
In einer patriarchalischen Gesellschaft waren und sind Frauen meistens nur für Kinder und Haushalt zuständig. Ihre Töchter erwartet der gleiche „Schicksal“, deshalb hat man den Töchtern traditionell nur so viel „Bildung“ angedeihen lassen, um diese auf das Haus begrenzten Aufgaben erledigen zu können. Söhne dagegen mussten sich in einer Männerwelt bewegen, und die wird bestimmt durch (fremdsprachige) Eliten, was mindestens die Zweisprachigkeit der Söhne zur Folge hat.


Die entstehende Bevölkerung war ein Misch aus Europäern und Indianern in der ersten Generation. Gesprochen wurde in den von den Spaniern gegründeten Siedlungen und Kolonialstädten Spanisch.
Die Kolonisation – und Christianisierung! - Amerikas war eine sehr gewaltsame, was die Annahme der Sprache der Eroberer natürlich „günstig“ beeinflusste.


Auch hier waren die Türken also in der Minderheit. Allerdings hatten sie vielmehr Zeit, Kleinasien zu turkisieren als etwa den Balkan, der ja nie zum seldschukischen und kürzer zum osmanischen Herrschaftsgebiet zählte.
Das bestätigt nur, dass für die Annahme einer fremden Sprache auch Dauer der Fremdbesetzung des Territoriums wichtig ist.


Der Kern des Modells ist - wie gesagt, ich halte es für nicht plausibel, gebe es nur weiter - dass es eine Art unausgesprochenen Gesellschaftsvertrag gab, wonach Söhne interreligiöser Verbindungen Muslime wurden und Arabisch lernten, Töchter dagegen eine christliche Erziehung genossen und Griko oder ggf. eine italoromanische Sprache als Muttersprache lernten. Es geht hierbei nicht um Bildung sondern um religiöse Zugehörigkeit. Ich sehe in diesem Modell mehr Probleme als Lösungen. Vor allem dürfte es schwierig sein, im Praxistest zu bestehen.
Ich sehe das nicht, denn gerade die Religion kann eine wichtige Trägerin der Kultur und der Sprache sein. Gerade Araber haben ihre Sprache mittels Religion verbreitet, weil Koran nicht übersetzt werden darf – dem ist noch heute so: In Koranschulen wird Koran auswendig gelernt, anfangs ohne die Sprache zu verstehen.

Und bezogen auf das Modell oben kann man sagen: Töchter waren damals nicht wichtig – was bei mancher strengen Strömungen innerhalb des Islams noch heute gilt: Mädchen wird deshalb die Schulbildung verweigert.


Deine Ur-Hypothese war: Sprachen setzen sich deshalb durch, weil die Bevölkerung der Sprache die sich nicht durchsetzt im Meer der Mehrheitsbevölkerung schlicht verloren geht.
Es gibt aber zahlreiche Beispiele, wo das einfach nicht stimmt (Araber, Römer, Slawen, Türken). Du hast daraufhin eine Hilfshypothese gebildet: Wenn sich die Sprache der Minderheit durchsetzte, dann wurde sie mit Gewalt durchgesetzt. Dementsprechend müssen Goten, Langobarden, Franken, Rugier, Skiren, Sueben und Vandalen richtig nette Leute gewesen sein, denn sie konnte sich ja sprachlich nicht durchsetzen.
Nein. Für die Araber habe ich eine Erklärung schon geliefert: Religion.

Und die Römer waren genauso gewalttätigt – siehe z.B. das harte Vorgehen gegen Gallier oder später gegen Juden – wie Goten und Langobarden, aber sie hatten auch viel mehr Zeit als diese: Auf der iberischen Insel z.B. hatten Römer 500 Jahre gegen 250 Jahre, die Sueben, Alanen, Vandalen und Westgoten zur Verfügung standen. Die hatten zudem nicht mal eine einheitliche Sprache und bekämpften sich gegenseitig.

Die Langobarden hatten auch nur 150 Jahre zur Verfügung. Während dieser Zeit konvertierten sie vom Arianismus zum Katholizismus, das lateinische Sprache benutzte. Außerdem siedelten sie in Italien auf 3 Gebiete verteilt, was deren Zusammenhalt nicht gerade förderte. Trotzdem beeinflussten sie nicht unerheblich die Bildung der italienischen Sprache aus dem Vulgärlatein. Lombardisch starb laut Wikipedia spätestens bis zum Jahr 1000.


Wulfilas BibelÜS - Wulfila war auch Arianer - lag auf Gotisch vor, der Codex von Uppsala (Codex Argenteus) als wichtigstes Zeugnis der BibelÜS des Wulfila ist nach allgemeiner Auffassung unter Theoderich dem Großen in Norditalien hergestellt worden, die christliche Religion kann es also nicht gewesen sein, welche die Goten zum Gebrauch des Lateinischen bewegte.
Doch – siehe bitte den vorhergehenden Absatz.
 
Zunächst einmal setzt dieser Gedanke voraus, dass die Männer wesentlich stärker in die gesellschaftliche Interaktion eingebunden sind als die Frauen, was wiederum damit korrespondiert, dass Männer eine Vorherrschaft über Frauen ausüben. Ich vermute, dass dies für sehr viele Settings zutreffen wird, jedenfalls dürfte dies in den hier betrachteten historischen Beispielen als gesichert gelten.
Das ist ein wichtiges Argument: In Europa hatten in fraglichen Zeit Männer das sagen. Sie waren draußen, Frauen drinnen. Und nur draußen brauchte man die Sprache der Herrscher.


Mitunter verlangt eine politische Führung, dass alle Unterworfenen die Regierungssprache lernen.
Ja, das war bei den Türken der Fall: Sie ließen den Unterworfenen Völkern ihre Sprache und ihre Religion, aber wer in Staatsdienst treten wollte, der musste Moslem werden und natürlich die türkische Sprache sprechen. Hat ein Mann das getan, standen ihm alle Ämter im ganzen Osmanischen Reich offen.


Das ist aber kein allgemein gültiges Muster. So waren z.B. die Araber, Südslawen oder anatolischen Turkvölker in der Minderheit und haben dennoch ihre Sprache in den eroberten Gebieten durchgesetzt. Langobarden, Goten oder Normannen konnten hingegen ihr Idiom nicht dauerhaft verbreiten.
Dass Südslawen in der Minderheit waren, wage ich zu bezweifeln – was meinst Du konkret?

Was Langobarden, Goten und Normannen betrifft, habe ich schon das Nötige gesagt. Falls noch Fragen offen bleiben, bin ich gern bereit darauf einzugehen.


Gegenbeispiel ist die Ausbreitung des Arabischen nach der Expansion der Araber. Arabisch wurde von Mesopotamien bis zum Atlantik gesprochen, ohne dass überall Araber in nennenswertem Umfang ansässig waren. Die Sprache genoss in Verbindung mit der neuen Religion und dem arabisch geschriebenen Koran ein so hohes Prestige, dass auch Ägypter, Libyer oder Berber die Sprache übernahmen.
Ob man das Prestige nennen kann (die Sprachen Mesopotamiens und Ägyptens waren schließlich auch Schriftsprachen), sei dahin gestellt, aber wahr ist, dass die Religion die arabische Sprache transportierte.
 
Da ich keine Zeit habe, nur kurz zum Modell Siziliens. Du versteifst dich hier sehr auf Geschlechtlichkeit und die Unterdrückung der Frau in patriarchalen Gesellschaften, auch in Bildungsbelangen. Das ist aber nicht der Punkt. Abgesehen davon, dass auch bzw. gerade in patriarchalen Gesellschaften die frühkindliche Erziehung von den Müttern gestemmt wird, ignoriert das Modell einer intrafamiliären Zweisprachigkeit nach Geschlecht über Generationen hinweg einfach jede Form von Pragmatismus. Die innerfamiliäre Kommunikation würde schlichtweg nicht funktionieren.
 
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