Bewertung des Versailler Friedensvertrag

Kann ich so in den Plänen nicht nachvollziehen.. Generell - vereinfacht - zielt die Thematik deutlich stärker auf sozialen Wandel im Rahmen der Moderne ab. Und die Brüche innerhalb des Politischen System im Spannungsfeld zwischen Monarchie, Demokratie und Diktatur. Unter besonderen Berücksichtigung interdisziplinärer Aspekte.
Danke für Deinen Hinweis. In Baden-Württenberg hat man das Themenspektrum offensichtlich über das hinaus erweitert als ich es oben beschrieben habe. Sehr schön.

Das hat mir keinen Schulverweis eingebracht. Auch keinen Termin bei der Rektorin oder irgendeine andere Sanktion. Die Arbeit ging mit 1 - durch, mit der Begründung, dass das zwar nicht nicht den objektiven Tatsachen entsprach, man in der Form aus der Sicht der beteiligten an den Entsprechenden Programmen unter Berücksichtigung des Umstands der allgegenwärtigen Kriegspropaganda und in Ermangelung einer transparenten Informationslage in der Tat so argumentieren könnte.
Es ist auch ziemlich schwierig einen Schüler vor die Tür zu setzen. Ich glaube, da steht die Schulpflicht dagegen. In einem Schulfach steht und fällt viel mit dem jeweiligen Lehrer.
Ich hatte zuerst einen Lehrer, der meine damals radikalen Ansichten milde kommentierte. Der war schon dankbar dafür, dass ich mich wirklich für seinen Unterricht interessierte, also zu einer kleinen Minderheit in der Klasse gehörte.
Zum Schluss hatte ich eine Lehrerin, welche aktiv für die damals erst aufkommenden GRÜNEN in der Kommunalpolitik tätig war. Wir waren nicht in Hassliebe verbunden. Liebe fiel aus. Dooferweise hatte sie die Macht. Man könnte sagen, sie hatte die Position Frankreichs 1919. Meine Noten sausten durch den Lehrerwechsel rasant in den Keller. Aber das betrachtet man rückwirkend mit einem Grinsen.
Genug Smalltalk.
 
Alto-Adige, Elasass-Lothringen, Sudetengebiete und Teile Westpreußens sind natürlich kaum revidierbare Ärgernisse, wirtschaftlich (wenn wir mal beachten, dass der wirtschaftlich interssante Teil Lothringens ohnehin der französischsprachige war, der sich unter Bismarck unter eher fragwürdeigen Umständen angelacht wurde), aber kein größeres Problem.
Sicherlich schade für alle, die sich ein Großdeutschland gewünscht hatten. Andererseits Frankreich musste und muss ja auch auf die Wallonie verzichten.
Zitat Bismarck:
"Ich mag gar nicht so viele Franzosen in unserem Hause, die nicht drin sein wollen"

Und in meinem Kopf schwirrt ein Zitat:
"dem Reiche mangelt es nicht an zu wenig Polen und Franzosen, sondern an zu vielen"
Ich weiß aber gerade nicht, wer das gesagt hat.

Wem die lothringischen Eisenerzgruben wichtig waren:

https://de.wikipedia.org/wiki/Hermann_Röchling

Wobei auch hier sofort wieder das klassische Muster zu Tage tritt. Die Franzosen sperrten in der Zwischenkriegszeit den Montanunternehmer Röchling ins Gefängnis bis er freiwillig Anteile von 60% an seiner Stahlwerken im Saargebiet an Frankreich abtrat. Nach dem 2. Weltkrieg wurde es ihm von Frankreich zu Last gelegt, weil er nach 1940 seine alten Besitzungen in Lothringen wieder an sich brachte.

Großdeutsche interessierten sich m. E. nicht für französische Gebiete. Fallersleben hat nicht geschrieben "von der Marne bis an die Memel"
 
Großdeutsche interessierten sich m. E. nicht für französische Gebiete. Fallersleben hat nicht geschrieben "von der Marne bis an die Memel"

Und die Maas macht nicht etwa die Hälfte ihrer Strecke bis zur Einmündung in den Rhein durch Lothringen?
Maas – Wikipedia

Auch wenn Fallersleben seinerzeit da wahrscheinlich eher die Region Limburg im Auge hatte, dass kann man auch anders verstehen.

;)


Zitat Bismarck:
"Ich mag gar nicht so viele Franzosen in unserem Hause, die nicht drin sein wollen"
Was ihn aber nicht daran hinderte 1871 dem Frankfuter Frieden mit auszuhandeln und zu unterzeichnen, der ursächlich dafür war, dass diese Franzosen überhaupt erst einmal in das neue Reich kamen?


Und in meinem Kopf schwirrt ein Zitat:
"dem Reiche mangelt es nicht an zu wenig Polen und Franzosen, sondern an zu vielen"
Ich weiß aber gerade nicht, wer das gesagt hat.
Weswegen man ja dann auch konsequent in Sachen "Kulturkampf", der ja nicht nur Süddeutschland und den Rhein betraf und "Siedlungspolitik" möglichst viele Polen zu deutschen umzuerziehen. In Elsass und Lothringen waren die Maßnahmen nicht ganz so drastisch, aber doch auch augenfällig. Die Spannungen zwischen dem "Reichsland" und dem Reich bzw. Preußen und auch die Zabern-Affäre kamen ja nicht von ungefähr.

Demgegenüber sind mir wenig Initiativen bekannt nicht deutschsprachige Gebiete aus dem Reichsverband abzustoßen, jedenfalls keine, die jemals konkrete Formen angenommen hätten.



Wem die lothringischen Eisenerzgruben wichtig waren:

https://de.wikipedia.org/wiki/Hermann_Röchling

Wobei auch hier sofort wieder das klassische Muster zu Tage tritt. Die Franzosen sperrten in der Zwischenkriegszeit den Montanunternehmer Röchling ins Gefängnis bis er freiwillig Anteile von 60% an seiner Stahlwerken im Saargebiet an Frankreich abtrat. Nach dem 2. Weltkrieg wurde es ihm von Frankreich zu Last gelegt, weil er nach 1940 seine alten Besitzungen in Lothringen wieder an sich brachte.

Na, dem Reich waren die lothringischen Erze schon auch wichtig. Die Fähigkeit jederzeit auf entsprechende Ressourcen zurückgreifen zu können, ist ja nun ohne wenn und aber als kriegswichtig zu bezeichnen und wenn man sich vor Augen führt dass diese Lagerstätten anno 1914 about 80% der deutschen Eisenerzproduktion ausmachten....
da muss man sicherlich nicht so tun als wäre das eine rein wirtschaftliche Angelegenheit gewesen, dass hatte Rüstungspolitische Dimensionen.
Verständlich, dass die Franzosen im Rahmen ihrer Sicherheitspolitik ein Interesse daran hatten, da eine Hand darauf zu bekommen. Ist ja demgegenüber auch nicht so, als hätte man deutscherseits während des Krieges im nordfranzösischen Montanrevier um Lille herum nicht vergleichbar gehandelt und die dortigen französischen Minen kurzer Hand ihren Besitzern abgenommen und für kriegswirtschaftliche Zwecke un Beschlag genommen. Ähnliches in der Wallonie.
Insofern ist das mit dem klassischen Muster so eine Sache.
Das die Inhaftierung nicht dem Industriellen Röchling", sondern dem "Kriegsverbrecher" Röchling galt, sollte man vielleicht hinzusetzen? Als Rüstungsproduzent macht man sich bei der Gegenseite einmal nicht besonders beliebt, im Besonderen wenn dies Qua Kriegserklärung auch noch den Status des Agressors inne hat.
Würde man heute wohl in einer vergleichbaren Situation als Beitrag zur Verschwörung gegen den Frieden einstufen oder so ähnlich.
 
Zuletzt bearbeitet:
Aber: Was heißt da "gigantisch" und die "wirtschaftliche Realität verschwand im Hintergrund"? Die Daten beziehen sich auf Steiner (S. 820, Tab. a-4), die sich auf Schuker bezieht.

Der gesamte Haushalt der WR betrug von 1925 bis 1923 156,3 Mrd RM. Es wurden in dieser Phase 11.1 Mrd RM an Reparationen gezahlt. Wie auch immer diese Summe real finanziert worden ist. Das bedeutet, es wurden ca. 7 Prozent des Haushalts für Reparationen ausgegeben.

thane,
zunächst einmal haben wir offensichtlich die gleiche Ausgabe des Buches von Zara Steiner.
Es ist auch so, dass auch andere Teilnehmer der Diskussion durchaus dem Beispiel, der gewiss guten Sitte, folgen dürfen darzulegen welchen Quellen sie folgen,
bzw. aus welchem Born sie die Grundlage dessen schöpfen was sie "Analyse" nennen.

Um Missverständnissen vorzubeugen:
Es geht um den Zeitraum von 1925 - 1932 (da war wohl ein Zahlendreher).
Bezieht man sich auf Deine Quelle, so betrugen die Anteile der Reparationszahlungen der WR gemessen am Staatshaushalt im Jahre
1925: 7%,
1926: 7%,
1927: 8%,
1928: 9%,
1929: 9%,
1930: 7,5%,
1931: 5%
und 1932: 1%..
Jeweils gerundet auf das halbe %.
Nun kann man natürlich die Quelle selber in Zweifel ziehen.
Wenn aber manche meinen, man könne ohne jeglichen benannten Quellenbezug analytisch vorgehen, und sich derart ausbreiten,
dann finden sie sich nahezu unvermeidlich auf dem schlüpfrigen Grund der Beliebigkeit die man "Meinung" nennt.

Ich danke Dir,
und allen Anderen,
die der Einsicht folgen, dass man auch begründen muss, auf welcher Grundlage eigene Einschätzungen beruhen.
 
Es ist auch so, dass auch andere Teilnehmer der Diskussion durchaus dem Beispiel, der gewiss guten Sitte, folgen dürfen darzulegen welchen Quellen sie folgen,
bzw. aus welchem Born sie die Grundlage dessen schöpfen was sie "Analyse" nennen.
...... dann wollen wir uns dem einmal mehr annehmen und den guten Sitten genüge tun.

Ein bisschen was zu den Zuständen aus Sicht Frankreichs 1918 und folgend:

[...] Der französiche botschafter trat nach dem Tag des Waffenstillstands mit Lloyd George zusammen. "Der Premierminister", berichtete, sagte er, "sagte, dass er nie auf eine solch rasche Lösung gehofft, noch sich einen derart vollständigen Zusammenbruch der deutschen Streitmacht vorgestellt hätte". Der einzige führende Vertreter der Alliierten, der dafür eintrat wieder vorzurücken, wenn nötig über den Rhein hinweg, war der amerikanische Oberbefehlshaber General Pershing. Die Franzosen wollten nicht, dass noch mehr ihrer Soldaten starben. Ihr hochrangiger General, Marschall Foch, warnte davor, dass man auf heftigen Widerstand stoßen und schwere Verluste erleiden würde. Die Briten wollten Frieden schließen, bevor die Amerikaner zu stark wurden. Smuts schließlich sprach für viele Europäer, als er düster darauf hinwies, dass "vor der Tür die Aussicht auf bolschewistische Anarchie" lauere.
Der Fehler, den die Alliierten begingen - und der erst viel später als Fehler erkennbar wurde -, bestand darin, dass die große Mehrheit der Deutschen aufgrund der Waffenstillstandsbedingungen als Niederlage ihres Landes nicht selbst unmittelbar erlebten. [...]

Zugleich schrumpften die alliierten Streitkräfte. Im November bestanden sie aus 198 Divisionen; im Juni 1919 waren es nur noch 39. Und konnte man scih auf sie verlassen? Der Gedanke an eine Wiederaufnahme der Kämpfe rief kaum Begeisterung hervor. Die alliierte Demobilmachung wurde durch Proteste, gelegentlich sogar offene Meutereien beschleunigt. [S.220-221]

Die deutsche Westgrenze bereitete größere Schwierigkeiten. Dort stand das französische Verlangen nach Entschädigung und Sicherheit dem Prinzip der Selbstbestimmung und der alten britischen Furcht vor einem starken, den Kontintent deminierenden Frankreich entgegen. Im Norden des Elsass lagen die wertvollen deutschen Kohlevorkommen des Saargebiets. Frankreich brauchte Kohle und seine eigenen Bergwerke waren von den Deutschen zum großén Teil zerstört worden. [...]
Das Rheinland, erklärte Clemenceau, sollte um der französischen Sicherheit willen der deutschen Kontrolle entzogen werden. "Der Rhein war die natürliche Grenze zwischen Gallien und Germanien." Vielleicht könnten die Alliierten einen unabhängigen Staat schaffen, dessen Neutralität wie diejenige Belgiens von den Großmächten garantiert würde. [...]
Fochs Gedanken gingen in eine andere Richtung. [...] Nach seiner Ansicht brauchte Frankreich die Flussbarriere; es brauchte die Zeit, die ein unter seiner Kontrolle stehendes Rheinland ihm bei einem Angriff aus dem Osten verschaffen würde, und es brauchte die zusätzliche Bevölkerung. [...] Er präferierte ein unabhängiges Rheinand, , das sich mit Belgien, Frankreich und Luxemburg zu einer Sicherheitskonföderation zusammenschließen könnte.
[235-236]

Tardieu, der dem Komitee der französischen Vertreter angehörte, trat jetzt offen für einen unabhängigen Rheinstaat ein. "Frankreich", erklärte er, "werde erst zufreiden sein, wenn es vor einer Wiederholung von 1914 sicher sei... Diese Sicherheit erhalte man nur, wenn die Grenze entlang des Rheins gezogen werde [...]

Kerr erwiederte, Großbritannien könne sich weder vorstellen, dass das Rheinland von Deutschland abgetrennt würde, noch, dass man dort auf Dauer Truppen stationieren werde. Die britische Öffentlichkeit sei ebenso dagegen wie die Dominions, deren Meinung man nciht ignorieren könne. Aber natürlich würden die britischen Streitkräfte. falls Deutschlans es erneut angreifen sollte.
[S. 239]

Alle drei Textpassagen sind entnommen: Mc Millan, Magaret: Die Friedensmacher, Wie der Versailler Vertrag die Welt veränderte, Berlin, 2015.
Zuvor im Englischen erschienen unter dem Titel "Peacemakers", London 2001.

Ist natürlich nur eine Schilderung, geht aber doch auf einige der hier vorgebrachten Behauptungen ein.


- Der angeblich notorische Wunsch Deutschland so weit als möglich zu schaden, denn wenn sie das getan hätten, wären sie Pershings Ansicht gefolgt und im Bedarfsfalle einmarschiert, um ihre Ordnungsvorstellungen durchzusetzen. Dazu waren aber in letzter Konsequenzn nicht einmal die Franzosen bereit, die der eigentliche Nutznießer einer solchen Aktion gewesen wären.
Stattdessen werden 4/5 der Streitkräfte der Entente- und assoziierten Mächte noch vor dem Abschluss des definitiven Friedens abgerüstet. Heißt sie hätten auch im Falle des Platzens der Verhandlungen nicht mehr zur Verfügung gestanden, jedenfalls nicht ad hoc.
- Der postulierten Vorbereitung auf einen weitern Krieg wiederspricht das ebenfalls, denn wozu hätte es diesen gebraucht? Die militärische Situation der Ententemächte nach der deutschen Räumung der Rheinzone war, auch was das Gesamtkräfteverhältnis angeht besser, als man es von einem künftigen Krieg hätte erwarten können. Warum also nicht gleich Nägel mit Köpfen machen?
- Die postulierte Einigkeit der Ententemächte in diesen Wünschen deckt sich ebenfalls nicht mit der Divergenz der britischen und französischen Positionen hinsichtlich der Zukunft des Rheinlands

Untermauerung der anderen von mir vorgebrachten Einlassungen und ergänzendes hierzu wird Stück für Stück folgen, sobald ich an die entsprechenden Bücher wieder heran komme.
 
Weil es sich anbietet nehme ich hier ebenfalls aus Mc Millans "Friedensmacher" noch die Einlassungen zur britischen Position in Sachen deutscher Ostgrenze mit:

Lloyd George hielt die Empfehlungen im allgemeinen für gut. Er hatte nur eine Frage, nämlich ob es nötig sei, "zusammen mit der Hafenstadt Danzig so viel deutsches Territorium zu übergeben". Ihm viel auf, dass in einem Kreis namens "Marienwerder" rund 80 Kilometer südlich von Danzig an der Grenze zu Ostpreußen, eine klare deutsche Mehrheit vorhanden war. Sollte man den Einwohnern nicht die Gelegenheit geben selbst über ihre Zukunft zu entscheiden? Im Übrigen, fuhr Lloyd George fort, sei der vorgeschlagene Korridor nicht fair; schlimmer noch, er sei gefährlich. Deutschland könne beschließen einen solchen Vertrag nicht zu unterzeichnen "Er fürchtete, das diese Forderung, zusätzlich zu den vielen anderen, die man Deutschland präsentieren werde, eine unerwünschte Wirkung auf die deutsche Öffentlichkeit haben würde. Die Alliierten sollten nicht das Risiko eingehen, das Land derart in Verzweiflung stürzen, dass keine Regierung es wagen würde, den Vertrag zu diesen Bedingungen zu unterzeichnen." Würden sie, indem sie eine große Zahl von Deutschen unter polnische Herrschaft brächten, nicht ein neues Elsass-Lothringen und damit die Ursache für künftige Konflikte schaffen? Die Polen, fügte er unfreundlich hinzu, hätten als Verwalter keinen guten Ruf. Die Kommission wurde beauftragt, ihren Bericht zu überarbeiten.
Damals und auch später waren viele Polen überzeugt, das Lloyd George etwas gegen sie hatte, vielleicht weil er Deutschland oder sogar die Bolschewiken bschwichtigen wolle, möglicherweise aber auch, weil er einen irrationalen Hass auf kleine Nationen hegte. Er sei prinzipienlos und arrogant, hieß es, als er seine eigenen Experten überstimmte (die zu Recht vorgeschlagen hätten Danzig Polen zu geben). Außerdem sei er erschreckend schlecht informiert, beispielsweise über den Umfang des Verkehrs auf der Weichsel. Dmowski bezeichnete Lloyd George sogar als "Agenten der Juden". Er sprach damit für alle, die den britischen Premierminister für ein Wekzeug zwielichtiger, kapitalistischer Kräfte hielten, die gegen ein starkes Polen waren. [S.295 und 296]

Lloyd George intervenierte auch, wiederrum zuungunsten Polens, in Bezug auf den Grenzverlauf im Süden, in Oberschlesien, einem Gebiet von rund 11.000 Quadratkilometern, das mit Bergwerken und Stahlfabriken eine reiche Beute war. Die Komission für polnische Angelegenheten hatte es Polen zugesprochen, da rund 65% seiner Bevölkerung polnischsprachig waren. Die Deutschen protestiereten. Fast ein Vierte der deutschen Kohle, 81% des Zinks und 34% des Bleis stammten ausschlesischen Bergwerken. Die deutsche Regierung verwies darauf, dass die Entscheidung dem Selbstbestimmungsrecht der Völker wiederspreche [...]

Als Riddell erklärte, strategische Überlegungen sprächen dafür, Oberschlesien an Polen zu übergeben, stimmte ihm Lloyd George zu, wies aber auf die Gefahr für die Reparationen hin. "Wenn die Polen den Deutschen die Produkte der BErgwerke nicht zu vernünftigen BEdingungen liefern, können die Deutschen nach eigener Aussage die Entschädigungen nicht zahlen. Deshalb könnten die Alliierten sich ins eigene Fleisch schneiden, wenn sie die Bergwerke, ohne die Entschädigungsfrage zu berücksichtigen, den Polen übergeben [...]

Lloyd Georges Kollegen im Rat der Vier waren nicht gerade erpicht darauf, Vertragsklauseln zu ändern, die zu erarbeiten so viel Zeit gekostet hatte.In einer erregten Sitzung am 3. Juni lehnte Clemenceau eine Volksabstimmung kategoreisch ab. Obwohl die Polen in der Mehrheit seien, erklärte er, könnten sie möglicherweise nicht frei wählen, wenn die lokale Verwaltung immernoch in deutschen Händen sei. Wilson pflichtete ihm bei. Von seinen Experten wisse er, dass die Großgrundbesitzer und Kapitalistsen allesamt Deutsche seien. Nun entgegnete Lloyd George, dann müssten die Alliierten eben Truppen bereitstellen um die Abstimmung zu überwachen. Es wäre ein kleiner Preis, wenn man scih dafür Ärger mit Deutschland im Bezug auf den Vertrag erspare. "Es ist besser eine amerikanische oder englische Division nach Oberschlesien zu schicken, als nach Berlin. [...]

Außerdem gab es Meinugsverschiedenheiten darüber, ob nur die tatsächlich in Schlesien Lebenden (was die polnische Regierung vorschlug) oder auch die ehemaligen Bewohner (wie es die Deutschen forderten) abstimmen durften. Die deutsche Regierung gewann den Streit, und so fuhren an einem Sonntag im März 1921 Eisenbahnzüge voller deutscher Schlesier ein, die von Musikkapellen empfangen wurden, und die Abstimmung ging über die Bühne. Im Norden und Westen gewann Deutschlans, im Süden Polen, während in der Mitte, wo sich die gesammte Industrie befand, an der Deutschland und Polen vor allem interessiert waren, nahezu ein Gleichstand erreicht wurde. Weitere monatelange Verhandlungen , in denen die Briten die Deutschland und die Franzosen Polen unterstützten, blieben ergebnislos. Die ganze Angelegenheit wurde schließlich dem Völkerbund übergeben, wo vier Mächte, die kein direktes Interesse an der Frage hatten - Belgien, China, Spanien und Brasilien - eine Grenzlinie zogen, die 70% des Gebiets beließ, aber den größten Teil der Industrie Polen zuschlug. 1922 vereinbarten Deutschland und Polen in einem der längsten, jemals geschlossenen Verträge wie witschaftliche und politische Kooperation sowie den Schutz der jeweiligen Minderheit. Es war ein Modell für den Umgang mit solchen Gebieten mit gemischter Bevölkerung, aber es fehlte der Wille zur Umsetzung.

[S.229-S.301]

Auch das zum Mythos der Vereinigung der Alliierten zur Verletzung deutscher Interessen. Das waren mitunter französische Positionen. Keine britischen und ohne britisches Gegenwirken, wäre Versailles vermutlich noch ganz anders ausgefallen.

Im Übrigen eine interessante Randnotiz, dass die Abstimmungen im Osten wohl demnach maßgeblich auf britische, nicht auf amerikanische Initiative zurückgehen. Unterstützt, wenn das so stimmt ein Bisschen das deutliche Fragezeichen am Wilsonschen Idealismus in Sachen Selbstbestimmungsrecht. Unterstreicht, wenn man die Anmerkungen zu Oberschlesien liest ebenso, dass der Versailler Vertrag kein völlig diktatorisches Modeall war, denn sonst hätte man der deutschen Position in Sachen Abstimmungsmodus, bzw. Stimmrecht nicht nachgegeben. Auch, dass der Völkerbund durchaus weder eine völlig impotente Veranstaltung, noch ein reines Instrument alliierter Machtpolitik war.
 
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