Falsche Überlieferung der Varusschlacht?

Archäologisch, selbst wenn man das Ende von Anreppen erst bei Varus sieht (was archäologisch noch offen ist), lässt sich eine Hypothese Varusschlacht als Lagerschlacht bei Anreppen nicht halten.
Letzteres gewiss; dass Anreppen noch zum Zeitpunkt des 'Varus-Ereignis' bestand, gilt wohl zumindest als wenig wahrscheinlich.
 
Mir erschließt sich nicht, warum es sinnvoll sein sollte, "Stellungen auszubauen" und "Angriffe auszuführen" in einer Gegend die man als "befriedet" ansah, in der man Steuern eintreiben und Recht sprechen wollte.
Wenn Du die Standorte der Lager betrachtest, fällt dabei auf, dass eine "Überrollende" Systematik zu Grunde liegt. Im Westen werden Lager aufgelöst (Befriedete Gebiete) und im Osten wieder aufgebaut. Aufgrund dieser Systematik sind die einzelnen Phasen der Invasion Germaniens gut zu erkennen. Rückwertige Lager z.B Haltern, Nijmwegen (Beide als nördlicher Flankenschutz) verblieben aus strategischen Gründen / Ausbildungslagern. Reservebildung. Von den "Frontlagern" (z.B. Minden) wurden Angriffe auf nicht besetzte Gebiete durchgeführt.
 
Und wenn ich mir so die Truppenbewegungen von Napoleon anschaue, dann wusste der auch 1800 Jahre später nicht, dass es unsinnig war, mit mehreren zehntausend Mann zu marschieren.
Die Infrastruktur und die Staatenorganisation zur Zeit der napoleonischen Kriege ist aber nicht mit den Germaniens zu vergleichen. In Germanien fehlten "Großstädte". Vorhanden waren strategische Punkte und Handelsknotenpunkte (z.B. Minden). Die dauerhafte Einnahme von Hauptstädten zu napoleonischer Zeit war ein bestimmender Faktor ein Land unterwürfig zu machen. Gleiches gilt für die Invasion Galliens durch Caesar. Bei einer solchen Struktur macht es Sinn Großverbände einzusetzen.
Davon unberührt müssen trotzdem gewisse strategische Punkte in beiden Fällen, Germanenkriege und "Neuzeitliche" Kriege, gehalten werden.
 
Letzteres gewiss; dass Anreppen noch zum Zeitpunkt des 'Varus-Ereignis' bestand, gilt wohl zumindest als wenig wahrscheinlich.
Das mag sein.
Zu Beginn unserer Diskussionsrunde erwähnte ich explizid keine Lagernamen (z.B. Anreppen). Ich wählte stattdessen "Paderborn". Gemeint sind dabei die Großräume. Im Raum Paderborn muss sich aus logistischen Gründen auch während der Varuszeit ein dauerhaftes Lager an der Lippe befunden haben.
Gibt es eine Alternative als "Logistikzentrum" zur Zeit der Varus-Kriege? Vielleicht Schloss Neuhaus???
 
Die pontes longi müssen in Westfalen oder in den Niederlanden gelegen haben, südlich oder westlich (oder südwestlich) der Ems, da Germanicus (mit seinen vier Legionen) sich auf dem Rückmarsch von Caecina (und seinen vier Legionen) an der Ems trennte.
Wenn dem so ist, muss sich das Schlachtfeld Idistaviso auch in der Gegend befinden. Dann müsste aber ganz Germanien östlich des Rheins in Aufruhe gewesen sein.
 
Als HQ Des Statthalters im Westen nehme ich das Kastell auf dem Kops Plateau,
Als HQ ist das Lager in Nijmwegen zu weit entfernt von der Frontlinie. Varus (Persönlich) befand sich zumindest in den Sommermonaten in Nähe der Hauptkampflinie. Der Raum Paderborn scheint aus meiner Sicht am wahrscheinlichsten, da Varus dort alle Angenehmlichkeiten des täglichen Lebens genießen konnte (Logistikzentrum) und römisches Recht sprechen konnte.
Ich vermute die oft genannten Verlegungen von Sommerlager ins Winterlager und umgekehrt beziehen sich nicht auf die Streitkräfte sondern vielmehr auf die Verlegung des HQ. Es macht militärisch keinen Sinn ständig (2x im Jahr) Großverbände durch ganz Germanien zu jagen. Wichtige Stützpunkte dabei aufzugeben um sie sechs Monate später wieder aufzubauen. Man sollte die antiken Quellen nicht einfach so kritiklos hinnehmen. Sicherlich gibt es viele Übereinstimmungen der antiken Quellen weil diese voneinander abgeschrieben haben könnten und sich somit gegenseitig bestätigt haben.
 
Zu Beginn unserer Diskussionsrunde erwähnte ich explizid keine Lagernamen (z.B. Anreppen). Ich wählte stattdessen "Paderborn". Gemeint sind dabei die Großräume. Im Raum Paderborn muss sich aus logistischen Gründen auch während der Varuszeit ein dauerhaftes Lager an der Lippe befunden haben.
Gibt es eine Alternative als "Logistikzentrum" zur Zeit der Varus-Kriege? Vielleicht Schloss Neuhaus???
Es gibt kein weiteres bekanntes Lager im Raum Paderborn. In Anreppen ist das Schlussdatum unbekannt, Kampfspuren fehlen. Im Raum Paderborn also im Rahmen der Lagerschlachttheorie das Quartier des Varus zu suchen (ignorierend, dass Tacitus von einem ersten, großen, intakten Lager berichtet und einem uninspiriertem halbfertigen letzten), das ist reine Phantasie, die durch keinerlei Fakten gedeckt wird.

Wenn dem so ist, muss sich das Schlachtfeld Idistaviso auch in der Gegend befinden. Dann müsste aber ganz Germanien östlich des Rheins in Aufruhe gewesen sein.
Hier scheinst du die Feldzüge der Jahre 15 und 16 mit einander zu vermischen.
Idistaviso fand im Jahr 16 statt, die Schlacht an den pontes longi im Jahr 15.

Der Feldzug des Jahres 15:
15 n. Chr. 2.jpg


X = Vetera (Xanten); H = Haltern; G = Greven; R = Rheine, L = Lingen; K = Kalkriese
Der Treffpunkt und Verabschiedungspunkt von Caecina und Germanicus ist unbekannt, da die Ems bis Greven schiffbar war, ist dies der weiteste Punkt flussaufwärts. Bei Rheine lag eine wichtige Furt. Römerlager an der Ems sind bisher aber nicht bekannt. Daher haben wir hier nur die schriftliche Überlieferung.

Die Feldzüge des Jahres 16:
16 n. Chr. 1 u 2..jpg


Als HQ ist das Lager in Nijmwegen zu weit entfernt von der Frontlinie. Varus (Persönlich) befand sich zumindest in den Sommermonaten in Nähe der Hauptkampflinie.
Wir reden hier doch nicht über den Ersten und Zweiten Weltkrieg mit Fronten. Die hatten damals noch keine Schützengräben...

Der Raum Paderborn scheint aus meiner Sicht am wahrscheinlichsten, da Varus dort alle Angenehmlichkeiten des täglichen Lebens genießen konnte (Logistikzentrum) und römisches Recht sprechen konnte.
Das basiert auf der Darstellung des unzuverlässigen Florus, wonach Varus im Lager Recht gesprochen habe, als er überfallen wurde. Anreppen hat große horrea, Varus Anwesenheit in Haltern (via der 19. Legion) ist belegt. In Haltern gibt es auch entsprechende repräsentative Gebäude (dies auch der Grund, warum der LWL Haltern für Aliso hält (ich auch, nur nicht mit der Sicherheit, wie der LWL). Du ignorierst nach wie vor, dass Tacitus von Marschlagern redet: ein erstes Lager, dass die Hand dreier Legionen aufweise, ein letztes, mit niedrigem Wall, in dem die Reste der Legionen lagen, man muss schon wegen der Formulierung erstes und letztes Lager annehmen, dass mindestens ein Lager dazwischen lag. Das enstpräche der viertägigen Marschschlacht, die Cassius Dio beschreibt, den ich sonst für unglaubwürdig halte.

Man sollte die antiken Quellen nicht einfach so kritiklos hinnehmen.
Das macht niemand. Nur ist es unlauter, die Quellen einfach zu negieren, um dann - abseits der Quellen - einen eigenen Inhalt zu erfinden. Für die Römer sinnvoll war erst einmal, die Versorgung der Legionen sicher zu stellen.

Du musst auch bedenken: Die Römer schrieben nicht für Deutsche im Jahr 2020, sondern für Römer. Etwas zu behaupten, was abwegig gewesen wäre, hätte einen Tacitus (der sich bei dem Militär Plinius bediente) oder einen Velleius (der Militär war) unglaubwürdig gemacht. Geh mal davon aus, dass Plinius und Velleius mehr über das Funktionieren des römischen Militärs wussten, als Schreibtischstrategen des Jahres 2020.

Oben in der zweiten Karte hast du im Übrigen ein Bsp. für einen kritischen Umgang mit Tacitus: Der überlieferte Tacitus-Text gibt, dass die Angrivarier im Rücken des Germanicus einen Aufstand probten. Das passt nicht. Passen würde Ampsivarier. Offenbar ein Fehler. Ob dieser Fehler bereits Tacitus unterlief oder einem Kopisten, ist unklar.

Sicherlich gibt es viele Übereinstimmungen der antiken Quellen weil diese voneinander abgeschrieben haben könnten und sich somit gegenseitig bestätigt haben.
Das stimmt sehr häufig, aber im Falle der Varusschlacht ist das nicht der Fall. Da sind die überlieferten Quellen weitgehend aus verschiedenen Traditionen. Tacitus fusst auf Plinius und Aufidius Bassus, die beide nicht überliefert sind, Sueton scheint sich bei Tacitus bedient zu haben, ist aber keine der Hauptquellen zur Varusschlacht. Die ausführlichste Darstellung, Cassius Dio, die weitgehend unglaubwürdig ist, bietet jede Menge Eigengut. Tacitus beschreibt eigentlich gar nicht die Varussschlacht, sondern die Begehung des Schlachtfeldes duch Germanicus, wobei diesem an verschiedenen Stellen offenbar von Überlebenden der Varusschlacht Dinge gezeigt wurden bzw. er selber die menschlichen und dinglichen Überreste in Augenschein nehmen konnte.
 
Salve,
zwei Dinge möchte ich ansprechen:

1. Idistaviso lag an der Weser (Weserbergland?) und nicht am Rhein, es sei denn mit "östlich des Rheins" ist die Weser gemeint.

2. Immer wieder wird vom Sommerlager des Varus gesprochen, aus dem er in ein Winterlager wollte. Das habe ich noch in keiner Quelle so gefunden. Im Gegenteil habe ich gelesen, dass die Römer in den Jahren 4 oder 5 (muss ich jetzt nachschlagen...) zum ersten Mal in Germanien überwintert haben. Warum sollten sie davon wieder ab gekommen sein, wenn sie doch eine Provinz einrichten wollten?
 
Moin in die Runde
ich bin neu hier im Forum. Seit Wochen lese ich die Beiträge zur "Varusschlacht" mit hohem Interesse. Ich beschäftige mich schon sehr lange mit den Germanenfeldzügen (Varus und Germanicus). Ich habe die antiken Texte teilweise gelesen und glaube, dass vieles was dort steht teilweise falsch ist und / oder das verschiedene Ereignisse zu einem zusammengefasst worden sind.
Bei meinen Betrachtungen zu den Ereignissen zwischen 9 n Chr bis 16 n Chr kamen für mich außerhalb der historischen Texte zunächst einmal militärische und logistische / strategische Aspekte zum Tragen.

Einige, ich gebe zu vage Theorien:

Wegnetze:
- Handelsweg Lipperoute bis Paderborn (Aliso, Logisikzentrum ab 7 n Chr 2. Phase Besetzung Germanien). Vorher Römerlager Oberaden.
- Paderborn bis Höxter. Höxter Holzminden (Lager) Bodenwerder (Lager) Hameln (Lager) bis Minden (Basislager)
- Strecke Minden Osnabrück (Kalkriese beginn Bohlenweg (Pontes longi) bis Damme)). Kalkriese strategischer Punkt.
- Strecke Minden Nienburg (Weser). Wallanlage zwischen Steinhuder Meer und Weser (4km lang). Schlacht Idistaviso bei dem Ort "Seelenfeld". treffender Name. Landschaft passt mit den Beschreibungen.

Strategische Aspekte bis 9 n Chr
Die Besetzung Germaniens östlich des Rheins befand sich in der zweiten Phase. Das Basislager / Logistikzentrum in Oberaden wurde aufgegeben und in Paderborn (Aliso) neu errichtet. Höxter neuer Umschlagplatz an der Weser. In Minden wurde ein Basislager errichtet. Strategisch wichtiger Punkt und Schnittpunkt von alten Handelswegen. Kalkriese stratisch wichtiger Standort (Linker Flankenschutz und Kontrolle Handelsweg in den Norden. rechter Flankenschutz Lager bei Hannover.

Varusschlacht

Varus sprach römisches Recht im Besetzten Germanien. Tacitus beschreibt den Ort als Mittelpunkt Germaniens. Ich vermute den Standort in Paderborn. In der Nähe befinden sich die Externsteine als zentrale Kultstätte der Germanen.
Die drei Legionen des Varus wahren verteilt auf die Stützpunkte entlang der Weser und im Basislager Minden. Die Legionen des Varus bestanden zu mindest 30% aus Germanen (Hatten nach Besetzung und Verträgen römisches Bürgerrecht erhalten). In Kalkriese stand solch eine Einheit (Vielleicht eine Kohorte 50 zu 50% Römer Germanen.
Zu Beginn des "Aufstandes werden die "Ur-Römer" in Kalkriese von den germanischen Legionären beseitigt.
Dies ist das erste Gefecht bei Kalkriese. Das zweite ist die Schlacht am Ponte Longi den die Römer gewannen.
Im Lager Minden befinden sich nur, vielleicht zwei Kohorten die überrannt werden. In Aliso (Paderborn) fand Varus mit dem Rest seiner drei Legionen (Vielleicht eine komplette) den Tod (Lagertheorie). Die restlichen "Ur-Römischen" Legionäre verteilt über viele Stützpunkte (Siehe oben Wegstrecken) werden in Einzelgefechten vernichtet. Wer ist schon so blöd zentriert drei Legionen zu stationieren. Damit kann man kein großflächiges Gebiet kontrollieren.
Das Lager Paderborn wird zerstört und erst wieder durch Germanicus an anderer Stelle in Paderborn aufgebaut. Auch Aliso! Aliso2.

Feldzug des Germanicus folgt.

Und wieder einer, der die überlieferten Quellen und archäologischen Funde entweder nicht kennt, ignoriert oder für falsch hält und sich stattdessen eine alternative Wunschrealität aufgrund von naiven oder von unserer heutigen Zeit geprägten Annahmen zusammenfantasiert. Nichts gegen Fantasie, aber das hat in einem Geschichtsforum nichts zu suchen. Wissenschaft lebt natürlich vom Diskurs und vom Aufstellen, Verifizieren oder Falsifizieren neuer Theorien, aber doch bitte immer nur auf Basis der vorliegenden Fakten und Forschungsergebnisse. Geschichte ist nun einmal kein Wunschkonzert.
Ich bewundere jedenfalls El Quijote, Sepiola und Ravenik immer wieder für ihre Engelsgeduld, mit der sie versuchen falsche Darstellungen, fehlerhafte Übersetzungen oder Argumente, die den Überlieferungen oder Funden klar widersprechen, zu entkräften.
 
1. Idistaviso lag an der Weser (Weserbergland?) und nicht am Rhein, es sei denn mit "östlich des Rheins" ist die Weser gemeint.
Darüber sind sich (bisher noch) alle einig. (Es sei denn, ich hätte etwas überlesen.)

2. Immer wieder wird vom Sommerlager des Varus gesprochen, aus dem er in ein Winterlager wollte. Das habe ich noch in keiner Quelle so gefunden. Im Gegenteil habe ich gelesen, dass die Römer in den Jahren 4 oder 5 (muss ich jetzt nachschlagen...) zum ersten Mal in Germanien überwintert haben. Warum sollten sie davon wieder ab gekommen sein, wenn sie doch eine Provinz einrichten wollten?
Die Quellen sind sehr uneindeutig. Es gibt eine Stelle bei Velleius, wonach Tiberius am Caput Iuliae fluminis (was als Caput Lupiae fluminis gelesen wird, also am Kopf des Julia- oder Lippe-Flusses) gewintert haben soll. Dieser Platz soll sich mitten in Germanien befunden haben. Vielleicht war das in Anreppen. Derselbe Velleius schreibt über den Nachgang der Varusschlacht, dass es Varus' Neffen Asprenas gelang, sich mit zwei Legionen nach Vetera ins untere Winterlager zu retten. Dort hätte Asprenas sich an den Besitztümern der Legionen des Varus bereichert.
Cassius Dio, der immer gerne herangezogen wird dafür, dass die Römer ihre Herrschaft über den Rhein hinaus schon etabliert hätten, schreibt von unzusammenhängenden Gebieten, welche die Römer beherrschten und in denen sie begonnen, Städte anzulegen.

Um hier auch noch mal die Frage von Griffin aufzugreifen, ob es denn überhaupt sinnvoll sei, dass die Römer einmal gesicherte Positionen wieder aufgaben und immer wieder neu über den Rhein vorstießen: Das ist durchaus etwas, was der archäologische Befund wiedergibt. Neben den Marschlagern, also Lagern die nur für eine Nacht oder wenige Tage angelegt waren, haben wir v.a. entlang der Lippe eine Reihe von Mehrfachbelegungen, also Lagern, die offenbar für einen Sommer gebraucht und wieder niedergelegt wurden, um im kommenden oder im übernächsten Jahr wieder besetzt zu werden.
 
Und wieder einer, der die überlieferten Quellen und archäologischen Funde entweder nicht kennt, ignoriert oder für falsch hält und sich stattdessen eine alternative Wunschrealität aufgrund von naiven oder von unserer heutigen Zeit geprägten Annahmen zusammenfantasiert. Nichts gegen Fantasie, aber das hat in einem Geschichtsforum nichts zu suchen. Wissenschaft lebt natürlich vom Diskurs und vom Aufstellen, Verifizieren oder Falsifizieren neuer Theorien, aber doch bitte immer nur auf Basis der vorliegenden Fakten und Forschungsergebnisse. Geschichte ist nun einmal kein Wunschkonzert.

Für den Rhein-Weser-Raum (bis auf die Warburger Börde) gibt es bis HEUTE (!) keinerlei Beweise für die Anwesenheit des Germanicus - auch da wird teilweise von wissenschaftlicher Seite nur fantasiert und schwadroniert. Und wenn du schon von Fakten sprichst, dann liegen die für Germanicus eindeutig zwischen der Warburger Börde und dem Elbe-Saale-Raum. Im Moment werte ich neue Münzen mit Gegenstempel des Tiberius und Germanicus aus dem Leipziger und Göttinger Raum aus. Die antiken Quellen sagen nämlich auch, dass einzelne Stämme sich aus dem Gesichtsfeld der Römer entfernten. Das ist ein wesentlicher Punkt, welcher von wissenschaftlicher Seite bisher unbeachtet blieb. So sagt Strabon, dass die Marser sich ins Landesinnere zurück gezogen haben. Tacitus wiederum teilt mit, dass die Brukterer ihr Behausungen verbrannten (Vergleich Helvetier bei Caesar) und das Teile der Chatten sich zurückzogen. Bei ersteren bin ich mir aber nicht ganz sicher, ob das Gebiet durch diese eher "wüst" geworden ist. Es gibt bisher keine verbrannten Siedlungen aus der Zeit zwischen Lippe und Ems. Man war auf germanischer Seite also in Bewegung. Die Beweggründe liegen klar auf der Hand - man fürchtete sich vor der Rache der Römer. Die Mobilmachung der Römer (8 Legionen des Germanicus) und der damit verbundenen Gefahren wird auf Seiten der Germanen nicht unerkannt geblieben sein. Diese Verschiebungen lassen sich archäologisch (Belegungsabfolge der Gräberfelder im Elbe-Saale-Raum) nachweisen. Dies hatte wiederum zur Folge, dass es zu Konflikten mit anderen germanischen Stämmen gekommen ist. Als Ergebnis der Folgen haben wir die Schlacht zwischen Arminius und Marbod im Jahr 17 n. Chr. Erst um 235 n. Chr. fassen Elbgermanen wieder Fuß links der Saale (Neubelegung der Gräberfelder).

Auch Archäologie und Numismatik ist kein Wunschkonzert...
 
Für den Rhein-Weser-Raum (bis auf die Warburger Börde) gibt es bis HEUTE (!) keinerlei Beweise für die Anwesenheit des Germanicus - auch da wird teilweise von wissenschaftlicher Seite nur fantasiert und schwadroniert. Und wenn du schon von Fakten sprichst, dann liegen die für Germanicus eindeutig zwischen der Warburger Börde und dem Elbe-Saale-Raum. Im Moment werte ich neue Münzen mit Gegenstempel des Tiberius und Germanicus aus dem Leipziger und Göttinger Raum aus. Die antiken Quellen sagen nämlich auch, dass einzelne Stämme sich aus dem Gesichtsfeld der Römer entfernten. Das ist ein wesentlicher Punkt, welcher von wissenschaftlicher Seite bisher unbeachtet blieb. So sagt Strabon, dass die Marser sich ins Landesinnere zurück gezogen haben. Tacitus wiederum teilt mit, dass die Brukterer ihr Behausungen verbrannten (Vergleich Helvetier bei Caesar) und das Teile der Chatten sich zurückzogen. Bei ersteren bin ich mir aber nicht ganz sicher, ob das Gebiet durch diese eher "wüst" geworden ist. Es gibt bisher keine verbrannten Siedlungen aus der Zeit zwischen Lippe und Ems. Man war auf germanischer Seite also in Bewegung. Die Beweggründe liegen klar auf der Hand - man fürchtete sich vor der Rache der Römer. Die Mobilmachung der Römer (8 Legionen des Germanicus) und der damit verbundenen Gefahren wird auf Seiten der Germanen nicht unerkannt geblieben sein. Diese Verschiebungen lassen sich archäologisch (Belegungsabfolge der Gräberfelder im Elbe-Saale-Raum) nachweisen. Dies hatte wiederum zur Folge, dass es zu Konflikten mit anderen germanischen Stämmen gekommen ist. Als Ergebnis der Folgen haben wir die Schlacht zwischen Arminius und Marbod im Jahr 17 n. Chr. Erst um 235 n. Chr. fassen Elbgermanen wieder Fuß links der Saale (Neubelegung der Gräberfelder).

Wenn Varus im Rhein-Weser-Raum war, muss Germanicus auch dort gewesen sein. Das sagen die überlieferten Quellen. Wir haben mit Kalkriese eine Fundstelle, die gut zur Varusschlacht oder zumindest einem Teil dieser mehrtägigen Schlacht passt. Natürlich gibt es einige Unklarheiten und Ungenauigkeiten, was aber auch daran liegt, dass die Quellen zum Einen unvollständig sind und zum anderen aus größerer geografischer und/oder zeitlicher Entfernung nieder- und zudem teils voneinander abgeschrieben wurden. Es gibt keine Beweise, dass Kalkriese = Varusschlacht ist, richtig. Aber wie sollten die auch aussehen? Eine Marmortafel, auf der in Latein steht "Varus war hier"? Es gibt jedenfalls eine Vielzahl von Indizien, die eine Anwesenheit der varianischen Legionen in Kalkriese zumindest wahrscheinlich macht.
Solange kein anderes Schlachtfeld gefunden wird, das von der Fund- und geografischen Lage besser passt, ist diese Erkenntnis der aktuelle Stand der Forschung.
Wenn Du jetzt anhand von Münzfunden die Germanicus-Feldzüge zwischen die Warburger Börde und das Elbe-Saale-Gebiet verorten willst, und das auch mit überlieferten Quellen begründest (Flucht der germanischen Stämme vor der Rache Roms weiter nach Osten), ist das durchaus legitim (auch wenn ich, abgesehen von der Entfernung, darin keinen unbedingten Widerpruch zu Kalkriese sehe). Es ist eine Theorie, die aber zumindest auf verschiedenen Fakten beruht (wie man diese interpretiert, ist eine andere Frage). Ob daran letztlich was dran ist, könnte nur weitere archäologische Forschung ergründen, da Münzen allein nun einmal kein Indiz für einen Feldzug oder eine Schlacht sind.
 
Das mag sein.
Zu Beginn unserer Diskussionsrunde erwähnte ich explizid keine Lagernamen (z.B. Anreppen). Ich wählte stattdessen "Paderborn". Gemeint sind dabei die Großräume. Im Raum Paderborn muss sich aus logistischen Gründen auch während der Varuszeit ein dauerhaftes Lager an der Lippe befunden haben.
Gibt es eine Alternative als "Logistikzentrum" zur Zeit der Varus-Kriege? Vielleicht Schloss Neuhaus???

Aus archäologischer Sicht: Fehlanzeige (sowohl Paderborn Innenstadt wie auch Schloss Neuhaus).
Auf Spurensuche in der Stadtgeschichte - Mitteilung 03.12.09
 
Und wieder einer, der die überlieferten Quellen und archäologischen Funde entweder nicht kennt, ignoriert oder für falsch hält und sich stattdessen eine alternative Wunschrealität aufgrund von naiven oder von unserer heutigen Zeit geprägten Annahmen zusammenfantasiert.
Danke für den qualitativ hochwertigen Beitrag!
Sicherlich hättest Du das gleiche geschrieben, wenn ich vor 50 Jahren die These aufgestellt hätte, dass am Harzhorn um 230 n Chr eine Schlacht zwischen Römern und Germanen stattgefunden haben muss weil ein wichtiger Handelsweg dort entlang führte. Es gibt noch zahlreich andere Ereignisse, die in der Vergangenheit als Absurdum abgetan worden sind und sich später als wahr herausgestellt haben.
Meine am Anfang der Diskussionsrunde aufgeführten Thesen beruhen auf militärisch / logistischen Überlegungen aus meiner Sicht in der Lage der Römer. Ich erhebe keinen Anspruch auf Richtigkeit. Ich habe dabei bewusst die antiken Quellen vernachlässigt. Die Thesen sollen Grundlage einer kostruktiven Diskussion sein.
Und bitte nicht alles auf die Goldwage legen wenn ich neuzeitliche militärische Begriffe oder Großräume von heutigen Städte benutze.
Noch einmal kurzgefasst meine Kernpunkte:

1. In Kalkriese fanden zwei Auseinandersetzungen zwischen Germanen und Römer statt (9 n Chr Varusereignis Überfall auf den dort stationierten Vorposten (Kleines Lager zur Absicherung der nördliche Flanke und Kontrolle des Handelsweg Richtung Norden / Süden) der Römer und die Schlacht am Pontes Longi 15 n Chr).

2. Lager Anreppen (Nicht explizit das Lager aber im Raum Paderborn) als Lager Aliso ("Logistikzentrum") und als Schlachtfeld der "Lagertheorie". Neubau während der Germanicusfeldzüge an anderer Stelle.

3. Lager in Minden als Ausgangspunkt für die Schlacht an Angrivarierwall (Steinhuder Meer Weser Düsselburg) und kurz darauf folgenden Schlacht Idistaviso (Zwischen Angrivarierwall und Minden).

4. Anlandung des Germanicus in der Wesermündung nicht in der Emsmündung. Macht strategisch mehr Sinn, wenn man gegen die Angrivarier vorgehen wollte. Auf dem Rückweg (Einschiffung Emsmündung) Verwüstung Brukterer?

5. Zwei Phasen Theorie Invasion Germaniens aufgrund Lagerdislozierungen.

6. Die antiken Autoren haben teilweise Ereignisse verwechselt oder mehrere Ereignisse zu einem zusammengefasst.
 
1. In Kalkriese fanden zwei Auseinandersetzungen zwischen Germanen und Römer statt (9 n Chr Varusereignis Überfall auf den dort stationierten Vorposten (Kleines Lager zur Absicherung der nördliche Flanke und Kontrolle des Handelsweg Richtung Norden / Süden) der Römer und die Schlacht am Pontes Longi 15 n Chr).
Wie kommst du auf zwei Auseinandersetzungen in Kalkriese?

2. Lager Anreppen (Nicht explizit das Lager aber im Raum Paderborn) als Lager Aliso ("Logistikzentrum") und als Schlachtfeld der "Lagertheorie". Neubau während der Germanicusfeldzüge an anderer Stelle.
Wie gesagt, der LWL meint Aliso wäre Haltern, ich stimme dem zu, wenn auch nicht in der Sicherheit, mit der der LWL das (zumindest nach außen hin) tut.
Varus ist in Haltern über die 19. Legion nachgeweisen, Anreppen passt nicht zu Aliso sondern eher zu Tiberius 4 n. Chr. Wann es aufgegeben wurde, ist unklar, Schlachtspuren FEHLEN!!!

3. Lager in Minden als Ausgangspunkt für die Schlacht an Angrivarierwall (Steinhuder Meer Weser Düsselburg) und kurz darauf folgenden Schlacht Idistaviso (Zwischen Angrivarierwall und Minden).
Umgekehrt, erst Idistaviso und DANN Angriaverierwall. Dafür spricht zwar einiges, aber das Lager Minden ist zu schlecht dokumentiert für solche weitreichenden Thesen.

4. Anlandung des Germanicus in der Wesermündung nicht in der Emsmündung. Macht strategisch mehr Sinn, wenn man gegen die Angrivarier vorgehen wollte. Auf dem Rückweg (Einschiffung Emsmündung) Verwüstung Brukterer?
Entspricht aber nicht der taciteischen Darstellung.

Tacitus lässt Germanicus an der Emsmündung anlanden. Die Ems muss überquert werden. Dabei kommt es zu ersten Verlusten, ganz ohne Feindkontakt. Tacitus wirft Germanicus das ausdrücklich vor, dass er am falschen Ufer der Ems angelandet ist. Dann marschiert man Richtung Weser. In der Zwischenzeit gibt es einen Aufstand der - laut überliefertem Tacitustext - Angrivarier, die wahrscheinlich zu Ampsivarier emendiert werden müssen (nur so ergibt die ganze Stelle Sinn). An der Weser stehen sich dann Arminius und Germanicus gegenüber, Germanicus überquert die Weser, um Arminius anzugreifen.

Wäre Germanicus an der Weser gelandet, wie du unterstellst, dann würde der Vorwurf Tacitus` keinen Sinn mehr ergeben, genauso wenig, wie die Angrivarier im Rücken. Die geben in keiner Variante, weder bei der Ems- noch bei der Weserlandung Sinn. Wenn man aber die Angrivarier zu Ampsivariern (also Emsleuten) emendiert, und Germanicus von der Ems zur Weser marschieren lässt (wie es bei Tacitus ja auch steht), dann ergibt die Stelle vom Aufstand der Ampsivarier im Rücken Sinn. Sonst müsste man unterstellen, dass er mehrfach die Weser überquert hätte, bevor er die Arminius-Föderation traf. Es gibt an der Emsmündung den Fundplatz Bentumersiel, wo man römische Militaria gefunden hat. Ein Zusammenhang mit der Emslandung 16 wird kontrovers diskutiert.

6. Die antiken Autoren haben teilweise Ereignisse verwechselt oder mehrere Ereignisse zu einem zusammengefasst.
Mir schien es heute Morgen so, dass du die Ereignisse der Jahre 15 und 16 verwechselt und oder zusammengefasst hast.
Da du von "den antiken Autoren" sprichst, scheint mir auch, dass du die Quellen nicht wirklich kennst, da die Ereignisse 14 - 16 eigentlich nur von Tacitus (und Sueton) und das doch relativ ausfühhrlich und ganz im Gegenteil nicht zusammmengefasst beschrieben werden. Andere Ereignisse überliefert Velleius (der bei einigen Eriegnissen dabei war).
Im Einzelnen wäre es bei einer solchen Behauptung an dir, zu belegen welche Ereignisse zusammengefasst wurden.

Du kannst jede Behauptung in den historiographischen Quellen negieren. Aber dies musst du einzeln am Text begründen. Sonst sind deine Negationen nichts wert.
 
Natürlich nicht.
Wie sollen wir das Kampfgebiet den nennen? Es gibt immer einen vorderen Rand der Verteidigung / Angriffs. Das war vor zweitausend Jahren so und ist heute genauso.

Fronten sind ein Kennzeichen spätmoderner Kriege, noch in der napoleonischen Zeit gab es keine Fronten, da gab es "Treffen" zwischen den verschiedenen Kampfverbänden und es konnte durchaus mal passieren, dass Armeen aneinander vorbeimarschierten, ohne dass die eine von der anderen wusste, trotz flankierender Reiterei, die auch Aufklärung betreiben musste.
 
Zurück
Oben