Mobilmachung und Aufmarsch: ÖUs Eintritt in den WW1

Ich kann mir das irgendwie nicht vorstellen, das Conrad so stark manipuliert hat. Aber Rauchensteiner hat nun ganz andere, das sind immerhin auch immer noch sehr beachtliche, Zahlen genannt.
 
Da ichs im Wortlaut nicht vorliegen habe, spricht Conrad eigentlich von einer Gesamtstärke der serbischen Armee oder lediglich von regulären Linien - und Reserveeinheiten, aber ohne alles, was in Richtung "Landwehr/Landsturm" geht?
Das könnte gegebenenfalls geeignet sein, Differenzen bei den Zahlen zu erklären.

Dann, was @hatls Zahlen hinsichtlich des ersten Balkankrieges angeht:

Zu diesem Zeitpunkt war das serbische Staatsgebiet ja auch durchaus noch etwas kleiner als 1914 und damit auch die Zahl der potentiell wehrfähigen und wehrpflichtigen Bevölkerung.
Gemäß der territorialen Entwicklung Serbiens, wäre es eigentlich nur natürlich, wenn die serbische Wehrkraft, was ihr nummerisches Potential angeht, mindestens im Bereich der Reserven und Milizformationen, zwischen 1910 und 1914 einen sehr deutlichen Sprung gemacht hätte.
 
Conrad nennt die Zahl 310.000 gem. @Turgot für das Frühjahr 1909.
Pardon, da war ich etwas durcheinander gekommen.

Die Frage aber ob da von Formationen insgesamt oder nur von Linie und Reserve die Rede ist, würde ich stehen lassen, weil hier entweder nur für Offensiven brauchbare Truppen oder die Gesamttruppenstärke, abzüglich Garnison und Miliz anzugeben, könnte noch immer geeignet sein, die unterschiedlichen Angaben zu erklären.
 
Die Zahlen stammen von Conrads Memo vom 08.03.1909 .

Darin rechnet er für Ende März mit folgenden Kräften:
Operationsarmee (12 Infanteriedivisionen, 1 Kavaleriedivision)
195.000 Gewehre
9.100 Reiter
572 Geschütze
drittes Aufgebot
33.000 Gewehre
300 Reiter
60 Geschütze
Banden: 3.000 Gewehre
Freiwiliige (russische): ubekannt, angeblich 22.000
Somit Summe ohne Freiwillige 231.000 (mit Freilwilligen 250.000)
9400 Reiter
632 Geschütze

Bis Mai sollen nach Angabe des serbischen Kriegsministeriums 310.000 Mann (alle Aufgebote inbegriffen) unter Waffen stehen.

Nachzulesen bei Conrad, Aus meiner Dienstzeit Band 1, Seite 640 und 641.
 
Zur Rekonstruktion (vgl. Rauchensteiner (1993): Der Tod, S. 128 zu den Zahlen)
1. MacMillan (S. 402): "He [Conrad] promised that he could defeat [im Rahmen der Bosnien Krise] all three handily. ........while Serbia had a most 160.000, Montenegro a mere 43.000, and Italy, which was unlikely to fight 417.000. ...[FN70] Diese FN bezieht sich auf "Herrmann: Arming, S. 123-125" und "Stevenson:Armaments, S. 116"

2. Herrmann (S. 123ff) schreibt bezogen auf die Bosnien-Krise (1908): Conrad calculated at the outset of the crisis that this would translate into a mobilized strength of over 700.000 for the Dual Monarchy against 120.000 for Serbia, 30.000 Montenegro and 417.000 for Italy." (FN43)

3. Herrmann: FN 43 (S. 266) Conrad`s unadressed notes, 16 October 1908, KA B/1450: 47; Conrad: "Aus meiner Dienstzeit, 1:S. 117-118

ebenfalls relevant "Evidenzbüro: Veränderungen im Heerwesen der Balkanstaaten im Jahr 1907, 25 May 1908, KA MKSM 1908 18-3/2 und auch Conrad: Kriegsfall gegen Serbien und Montenegro, 8. March, 1909 und "Aus meiner Dienstzeit, 1: 640-655

Folgt man Wawro (A mad catastrophe) dann sind die Schätzungen von 200.000 bis 400.000 Man auf dem Zugewinn an Territorien aufgebaut. Und es wurde damit die Warnung verbunden, dass Ö-U nicht mehr in der Lage sei, einen "Zweifrontenkrieg" zu führen. Dieses vor dem Hintergrund, dass Ungarn die Modernisierung der Armee an politische Zugeständnisse band. Und weil die nicht ausreichend kamen, seine Zusage nicht gab.

Deswegen sind derartige Schätzungen auch "politische Zahlen".

Hat aber nur sehr am Rande mit den historischen Voraussetzungen für den Eintritt Russlands zu tun. Wäre eher ein eigener Thread.
 
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Noch ein paar Sätze zum verunglückten Aufmarsch.

Als am 31.Juli offiziell die russische Mobilisierung erfolge und der österreichisch-ungarische Generalstab entsprechend seine Entschluss ins Wanken kam die B-Staffel doch nach Galizien zu werfen, lehnte der Chef des Feldeisenbahnwesens es kategorisch ab, die Verantwortung im Hinblick auf gefährliche Verkehrsstörungen im Aufmarsch das Umleiten der nach Süden rollenden Transporte der 2.Armee nach Galizien ab. Dieser Auffassung ist es zuzuschreiben, dass die 2.Armee bei der Offensive gegen Serbien nicht mit voller Stärke mitwirkte, in Galizien zur Entscheidung zu spät eintraf.

Ist das die Sicht von Conrad? Bei Wawro l(S. 127ff) liest sich das deutlich anders.

1. Im Rahmen des Plans R sollten drei große Truppeneinheiten mobilisert werden. Der größte Teil sollte gegen Russland (Echelon A) mobilisiert werden. Eine kleine Einheit sollte gegen die Serben operieren und eine dritte Einheit (Echelon B) sollte zwischen diesen beiden Schauplätzen operativ wechseln. Dabei sollte sie zunächst gegen die Serben positioniert werden. Diese Planungen wurden mit Moltke - locker - "mündlich" abgestimmt, ohne eine präzise und formale Sanktionierung durch die beiden OB bzw. den zuständigen Generalstäben.

2. Am 30. Juli, 2 Tage nach der russischen Mobilisierung !!!, befahl Conrad dem Chef der Eisenbahn-Transportabteilung, Oberst Straub, dass obwohl der Krieg gegen Russland akut wurde, er weiterhin und verstärkt den "Echelon B" (2. Armee) in Richtung serbischer Front aufmarschieren lassen will.

Das war eine kurzfristige Veränderung der Aufmarschpläne, da der Echelon B in den Kasernen sitzen und warten sollte, bis der Echelon A in Richtung Galizien (Russische Front) und die "Balkan Gruppe" ihren Aufmarsch per Eisenbahn beendet haben. Zusätzlich wurde noch ein weiteres Korps vom Echelon A - der Hauptfront !!! - abgezogen und Richtung serbischer Front befohlen.

3. Berlin war über diese Art der Dislozierung geschockt. Der Kaiser telegrafierte Franz Joseph am 31. Juli, dass die österreichischen Kräfte nicht fragmentiert werden dürfen durch eine Offensive gegen Serbien.

4. Oberst Straub protestierte (vermutlich am 30.07) gegen diese kurzfristigen Planungen, da sie "technisch undurchführbar" sind und forderte ein paar Tage an Planungsvorlauf. Das verzögerte die österreichische Mobilisierung vom 31 Juli auf den 4. August.

5. Als dann Deutschland und Russland am 31. Juli die Generalmobilisierung beschlossen haben, war Conrad in der unangenehmen Situation, dass er ca. die Hälfte seiner Armee in den Krieg gegen eine zweitrangige Balkanmacht führte. Und gleichzeitig sowohl Franz Joseph und KW II. bzw. Moltke durch seine Planungen hinterging.

6. Am Freitag 31. Juli telefonierte dann Conrad mit Over Straub und forderte, dass die Aufmarschplanung gegen Serbien wieder zurück genommen werden muss und stattdessen eine neue Planung initiert wird, um die Truppen (Echelon B) schnellstens und kurzfristig in Richtung russische Front umzuleiten.

Straub war "begeistert". Sein Problem war, dass er den engen Taktungsplan von ca. 140 Zügen pro Tag auf sieben Eisenbahnlinien Richtung russischer Front - Galizien - und vier Eisenbahnlinien Richtung serbischer Front zu koordinieren hatte.

Anzumerken ist, dass bereits 132 Züge, aufgrund des Befehls vom 30. Juli, als Vorausabteilungen der 2. Armee in Richtung serbischer Front am 31. Juli unterwegs waren. In dieser Situation: "Straub promised that were it to be attempted, there would be chaos on the railway lines for which I cannot take responsibility".

Conrad rechtfertigte diese dilettantischen und chaotischen Plnungsvorgaben damit, dass er angeblich die Rigidität der Einhaltung der zeitlichen Vorgaben nicht kannte. Was Unsinn ist, da in seiner Anwesenheit im Juli 1913 der Plan R +B in "Kriegsspielen" durchgespielt wurde und sich gezeigt hatte, das er keine zeitliche Flexibilität aufweisen würde.

7. In diesem Sinne hatten seine Eisenbahnplaner Conrad deutlich als Ergebnis dieser Planungen Mitte 1913 darauf hingewiesen, dass es nicht möglich ist, den Echelon B kurzfristig zwischen den Fronten hin und her zu bewegen. Und an diesem Punkt hatte Conrad den Kaiser Franz Joseph mit falschen Informationen versorgt, indem er das - wider besseres Wissen - zugesichert hatte.

8. Im Nachgang nach 1918 versuchte Conrad das eigene Versagen auf Straub und Ratzenhofer abzuwälzen und deswegen sollte seine Ausführungen mit besonderer Vorsicht gelesen werden.

Der katastrophalen Disloszierung des Echolon B in Richtung serbischer Front erfolgte fast zeitgleich mit einer vom Plan R + B abweichenden "Rückverlegungen" der Dislozierung des Echelon A an der Front in Galizien. "Why he thought this was a good idea is a mystery."

Und im Ergebnis kommt Wawro zur Einschätzung: Clearly Conrad had bungled everything; to fight the war he wanted against beatable Serbia, he had simply ignored the war he didn`t want agaoisnt unbeatable Russia..."


Wawro, Geoffrey (2015): A mad catastrophe. The outbreak of World War I and the collapse of the Habsburg Empire. New York: Basic Books, a member of the Perseus Books Group.
 
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Nein, das ist nicht die Ansicht von Conrad. Das habe ich in einem Artikel einer Militärzeitschrift, ich meine es war die Allgemeine Schweizer, gelesen.

In "Österreich-Ungarns letzter Krieg" Band 1 Seite 16 lese ich, das zwei Fünftel des Heeres gegen Serbien aufgeboten worden waren.

In den Planungen war vorgesehen, das im Kriegsfall R, der 1.Mobilisierungtag mit dem 1.Alarmtag zusammenfallen sollte. Nun standen aber die für den Betrieb der R-Aufmarschlinien in Aussicht genommenen Maschinen und Personal in umfänglicher Zahl im Dienst des seit Tagen laufen Balkanaufmarsches.

Des Weiteren lese ich dort zum 30.Juli:
"Die Befürchtungen Conrads hatten sich erfüllt (Anmerkung von mir: gemeint ist der Kriegsfall Russland). Zwei Tage früher hätte man die Transport der B-Staffel noch anhalten können [...] Jetzt befand sich aber ein Viertel der österreichisch-ungarischen Wehrmacht, obgleich es nun gegen Rußland bestimmt war, in voller Fahrt nach Südosten."
Etwas weiter:
"Eisenbahntechnisch war das Umlenken der B-Staffel sehr schwierig. Es wäre anfänglich möglich gewesen, die von Böhmen nach Syrmien, von Budapest und Temesvar südwärts rollenden Transporte abzufangen und gegen die galizische Grenze zu lenken." [...] Nach zwei Tagen wären gemäß Straub die endlose Reihe von Zügen stecken geblieben und sich dann mit den Zügen der A-Staffel vermengt. Das reinste Chaos. Das hatte Oberst Straub Conrad und Metzger eindringlich vorgestellt, so das man dann die Transsport laufen ließen.

Zumal aus Ungarn eine große Zahl von Lokomotiven, die natürlich für den R-Aufmarsch dringend benötig worden wären, bereits im Einsatz für den Balkanaufmarsch waren.

Im Sinne des Zusammenhaltens der 2.Armee kam die Erwägung aufs Tapet, das man die Bewegung auslaufen lassen kann, die wäre am 11.August beendet und dann könne man die Truppen ja in Richtung Galizien einladen und dann hinter der A-Staffel ankommen lassen.

Wenn Conrad Franz-Joseph über die Problematiken wissentlich die Unwahrheit gesagt hat, ist das natürlich ein ziemlich heftig. Welche Quelle gibt Wawro dafür an?
 
Wenn ich Straub korrekt versteht, gab es nur ein sehr kleines Zeitfenster, um die B-Staffel umzulenken. Danach war es schlicht nicht mehr möglich. Siehe meine Ausführungen oben. Damit wird aber auch klar, weshalb es für so eine Eventualität keine Pläne gab; es war technisch nicht ausführbar. Dann ist aber zu hinterfragen, weshalb Conrad und seine Gehilfen, sie haben ja schon richtig erkannt, das der denkbar schwerste Fall vorliegt, wenn man selbst begonnen hat sich auf dem Balkan zu engagieren, auf diese sehr wahrscheinlich fehlende Option des Umleitens, nicht von vornherein entsprechende Überlegungen angestellt haben.

Die einzige, die für mich möglicherweise im vorliegenden Fall Sinn ergibt, ist, das Conrad und Co. davon ausgingen, mit Serbien fertig zu sein, bevor Russland in nennenswerten Umfang an der galizischen Grenze in Erscheinung tritt.
 
Interessant ist auch die Anlage des Schienennetzes in Österreich-Ungarn. 20 Stränge verbanden Österreich mit Ungarn. 52 von Österreich-Ungarn nach Deutschland. 5 nach Italien, 4 nach Rumänien, nur sparsame 4 nach Russland und 1, in Worten ein einziger, nach Serbien. Die Länder, gegen die der Aufmarsch erfolgen sollte/musste würden also ganz heftig überstrapaziert werden. Die Linien sind also nach zivilen wirtschaftlichen und nicht nach militärischen Gesichtspunkten angelegt worden. Da wird sicher auch wieder die Rivalität zwischen beiden Reichshälften eine Rolle gespielt haben. Von den 48.500 Kilometer Schienennetz waren 8.500 Kilometer doppelgleisig.

Die Daten habe ich aus einer Dissertation, Kriegswirtschaft Österreich-Ungarns im Ersten Weltkrieg von Brucker.
 
Es war eine nicht abgesprochene Eigenmächtigkeit von Conrad, dass Echelon B / Staffel B aktiv in Richtung Balkanfront disloziert wurde. Das war so ursprünglich nicht vorgesehen.

Und diese Eigenmächtigkeit wurde zu einem Zeitpunkt in die Praxis umgesetzt als klar wurde, dass diese Stafel dringend erforderlich war für die Kriegsführung gegen die Russen, wie sich es im Verlauf des Winters 1914 /15 dann auch zeigte.

Der Befund zum österreichischen Aufmarsch durch Conrad wird von den Autoren, die mir zugänglich sind und auf die Schnelle, als "chaotisch" bezeichnet.

In nachfolgendem Link wird auch deutlich, dass Conrad "seinen" Krieg führen wollte, im Gegensatz zu den militärischen Erfordernissen.

Pre-war Military Planning (Austria-Hungary) | International Encyclopedia of the First World War (WW1)

Dass es diese gravierenden Irritationen gab, belegt das bereits zitierte Telegram Nr. 208 (vgl. Mombauer: Origins. Diplpmatic and military documents S. 497; in Geiss: Juli 1914, dtv dokumente ist das Telegram nicht enthalten) von KW II. an Franz Joseph, in dem er massiv davor warnt, einen aktiven Krieg gegen einen unbedeutenden Gegner, Serbien, zu führen.

Die Darstellung bei Wawro findet sich bei Jerabek wieder und beide greifen auf die gleichen Autoren zu. In FN 8 schreibt Jerabek: "Neues Material über die verfehlten Kriegspläne der Monarchie und ihre ersten Feldzüge gegen die Serben siehe bei Jerabek "Potiorek. General im Schatten von Sarajevo....die neueste Conrad Biographie von Lawrence Sondhaus Franz Conrad von Hötzendorf, ....vor allem S. 155-163 und Konenbitter, Krieg im Frieden, S489-519.

"Dass Conrad im Juli 1914 hasardierte, zeigte aber nicht nur das große Truppenaufgebot für den Balkankrieg, sondern auch die Veränderung - !!!!!!!!!!! - im Aufmarschplan für den Nordosten, die er zu Beginn der Krise vornehmen ließ." (Kronenbitter, S. 490)

Kronenbitter weist ebenfalls darauf hin, dass es Conrad`s Entscheidung zu Beginn der "Juli-Krise" war, den eigentlich mit Moltke "abgesprochenen" "R-Aufmarsch" durchzuführen, sondern die gefährlichere "B-Variante" Richtung Balkan.

Jerabek, Rudolf (2006): Die Ostfront. In: Mark Cornwall (Hg.): Die letzten Jahre der Donaumonarchie. Der erste Vielvölkerstaat im Europa des frühen 20. Jahrhunderts. 2. Aufl. Essen: Magnus. S. 155-173.
 
Bei Geiss hatte ich schon vergeblich nachgesehen. Einige der von dir genannten Quellen besitze ich; sind mir in Moment aber nicht zugänglich.

Ich habe kein Zweifel an Conrad seinen Kriegswillen. Nur halte ich Conrad nicht per se für einen militärischen Versager.

Conrad wollte einen möglichst elastischen Aufmarsch, um den möglichen Kriegsvarianten im Juli 1914 gerecht zu werden. Das hat definitiv nicht geklappt. Vor allem vor dem Hintergrund des von dir genannten Kriegsspiels; ich habe diesen so wichtigen Hinweis leider noch nirgendwo gelesen.

Klar, Moltke wollte das die Monarchie offensiv gegen die Russen vorgeht und gleichzeitig nicht die zugesagten Unterstützung zu schicken. Nicht gerade vornehm. Und wie ich schon ausführte, ich mutmaße sehr, das Conrad und Co. davon ausgingen, Serbien schon besiegt zu haben, die militärische Stärke der Serben während der Balkankriege hatte man wohl ausgeblendet, bevor die Russen nennenswert in Erscheinung treten. Wir wissen, das diese mögliche Überlegung falsch war.
 
Der Chef der ungarischen Zentraltransportleitung im 2. WK. und Oberst im Generalstab , Kàlmàn Kéri, beschäftigte sich auch mit dem Aufmarschplänen des k.u.k Eisenbahnbüros in
"B" Eisenbahnaufmarsch 1914 und Probleme der Umleitung nach Norden. Nach seinen Berechnungen fuhren am 31. Juli erst 22 Transporte, aber 180 standen noch.
Kéri wies nach, dass die Behauptung Straubs sowohl am 31. Juli wie auch am 1. August „auf oberflächlichen und nicht vertretbaren Informationen ruhten“. Die angeführten 22 Transporte, von denen nur vier (!) Wien verlassen hatten, hätten im Laufe des 1. und 2. August problemlos Prerau/Mähren erreichen können.

Der Eisenbahnaufmarsch der k. u. k. Armee gegen Russland 1914 (Teil 2), Gerhard Artl, 2017
https://www.oevg.at/fileadmin/user_upload/Editor/Dokumente/Publikationen/oezv_1_17.pdf

Die Eisenbahn in den Aufmarschplänen der k. u. k. Armee
https://www.oevg.at/fileadmin/user_upload/Editor/Dokumente/Veranstaltungen/2014/KuK_Armee/artl.pdf

Zur Schätzung Conrads über die Stärke der serbischen Truppen:
Serbien war offenbar verzweifelt auf der Suche nach einem Lieferanten für zusätzliche 120000 Gewehre. Es fragte Russland dreimal im Januar, April und Juli 1914 erfolglos diesbezüglich an. Frankreich stellte im Mai zwar das Geld dafür bereit, lieferte aber auch nicht. Russland lieferte dann erst im September 119980 Gewehre.
Serbia | International Encyclopedia of the First World War (WW1)

Miroslav Spalajković, the Serbian Minister in Russia in the July Crisis of 1914, Zoran Bajin, Seite 222
http://www.doiserbia.nb.rs/img/doi/0350-7653/2016/0350-76531647217B.pdf
Zusammen mit den bereits gelieferten 200000 Gewehren von Steyr, hätte das 320000 gemacht. Wenn das stimmt, dann war das vielleicht Conrad bekannt und er leitete seine Berechnung daraus ab. Möglicherweise versuchte Serbien die fehlenden Gewehre bei Steyr zu beschaffen.

Zur Finanzierung der serbischen Armee:
Eine Auflistung aller Darlehen, die der serbische Staat vor 1914 im Ausland aufnahm inklusive der dabei beteiligten Banken.
Foreign Long Term Government Loans of Serbia 1862-1914, Dragana Gnjatović, 2010, Annex Table 2 und 3
https://nbs.rs/export/sites/NBS_sit...je/seemhn_conf/SEEMHN_2_Dragana_Gnjatovic.pdf
 
Eine Verständnisfrage: Was heisst Echelon?

"(...) dieses (...) Wort geht zurück auf eine in der Antike als Echelon bekannte Form der Schlachtordnung (siehe Schiefe Schlachtordnung). Im englischen Sprachraum wird heute unter echelon formation eine gestaffelte Kampfanordnung verstanden; eine militärische Staffel heißt im Französischen ebenfalls „échelon“. Mitunter wird auch die Flugformation von Zugvögeln wie Kranichen so genannt."
Echelon – Wikipedia
 
thanepower schrieb:
In nachfolgendem Link wird auch deutlich, dass Conrad "seinen" Krieg führen wollte, im Gegensatz zu den militärischen Erfordernissen.

Ja, es wird hier immer wieder zutreffend darauf hingewiesen. Unerwähnt bleibt dabei immer die Motivlage; ich hatte schon ein paar Sätze dazu ausgeführt. Und dann müsste eigentlich die Kritik bei Italien und Serbien ansetzten.
 
Motivlage ist ein gutes Stichwort. In Anlehnung an Herwig soll mit Lebow die spezifische Motivation gerade der großen Monarchien Deutschland, Russland und Österreich-Ungarn betont werden.

Bei den Entscheidung für den Krieg, so Herwig und Hamilton geht es u.a. darum: "that the decision makers of the major powers sought to save, maintain, or enhance the power and prestige of the nation." In Anlehnung an Lebow (S. 340-348) argumentieren sie, "we overlooked the powerful influence of honor, closely linked to the continuing power of the aristocracy everywhere in continental Europe." Und es ist durch einen dritten Strang der Motivlage in Anlehnung an Strachan (S. 101) zu ergänzen: "By July 1914 each power, conscious in a self-absorbed way of its own potnetial weakness, felt it was on its mettle taht its status as a great power would be forfeit if it failed to act."

Diese Stimmungslage bzw. dieser Set an Motiven ist am deutlichsten in Wien im Juli 1914 ausgeprägt. Am 7.7. 1914 fand ein Ministerrat in Wien statt. Williamson fasst das Ergebnis zusammen: "Finally, the probability of Russian intervention got attention, but there was no discussion whether St. Peterburg might be persuaded to stand aside. The risks of a wider war were clear....This attitude reveals how determined most of the Habsburg ministers were to strike at Serbia regardless of the consequences." (S. 199)

Den Entscheidern in Wien war klar, dass sie im Rahmen eines Krieges gegen Serbien das massive "Süd-Slawen" Problem der Doppelmonarchie lösen wollten und auch mußten, um die aufstrebende Regionalmacht Serbien zu begrenzen und die eigene Position auf dem Balkan zu festigen. Durch den Krieg gegen Serbien konnten sinnvolle und realpolitisch wünschenswerte innen- und außenpolitische Ziele erreicht werden, die die Position der Großmacht Ö-U stabilisieren konnten.

In diesem Sinnen war der Krieg gegen Serbien DER Krieg von Conrad und er konnte als überzeugter Monarchist seinem Land dienen und auch sich selber "Ruhm" verschaffen.

Auf der anderen Seite war ein Krieg gegen Russland wenig aussichtsreich und Ö-U wollte ihn vermeiden, da er kostspielig war und keine "Gewinne" versprach. Russland galt es nicht besiegbar.

Vor diesem Hintergrund ist erklärlich, dass Conrad den Echelon B, der im Plan R für den Krieg gegen Russland eigentlich auch vorgesehen war und dort dringend in den ersten Wochen gebraucht worden wäre, um einen - erhofften - Mobilisierungsvorsprung gegenüber Russland zu nutzen, so einsetzte, als wenn der alternative Plan B, also primär ein Krieg gegen Serbien anstand.

Das war eine politische Entscheidung im Geiste des Treffens vom 7.7.1914 in der - irrealen - Hoffnung, in einem kurzen Zeitfenster von 2 bis max 4 Wochen, den Krieg erolgreich beenden zu können. Irreal, weil in vorausgegaangenen "Kriegsspielen" - erstaunlicherweise - die serbische Seite gewonnen hatte, nicht zuletzt, weil sie den Raum nutzen konnte und das Potential des "Kleinen Krieges".

Folgt man der Darstellung (Karte) bei Rauchensteiner (Der Tod, S. 145) dann operierte der Echelon B im Norden Serbiens aus dem Raum Belgrad. Das ist einerseits sinnvoll im Hinblick auf die "Scharnierfunktion" und der Redislozierung nach Galizien zur Unterstützung des Echelon A. Zieht man die interessante Darstellung (Chart 4) von Naresuan hinzu dann sieht man aber auch dass die Leistungsfähigkeit der Einsenbahninfrastrusktur auf die Unterstützung der Front in Galizien ausgerichtet ist. Also primär das "Dreick" Wien, Galizienfront und Budapest mit einem leistungsstarken Ausbau unterstützte. Angelehnt an die Festungen in Krakow und in Przemyl (vgl. Tunstall)

Und es wird auch deutlich, dass gerade die Eisenbahn-Infrastruktur aus dem Großraum Belgrad einen Abtransport an die Front Richtung Russland nicht unterstützt. Ein Problem, dass deutlich wurde nachdem Einheiten des Echelon B an die Front in Galizien gelangten und dort nicht als komplette Armee angriffen, sondern teils aus isolierten Positionen heraus und teils empfindliche Niederlagen einstecken mußten.

Den Echelon B / Staffel B im Sinne des Plan B aufmarschieren zu lassen, obwohl klar war, dass der Plan R zu initieren war, das ist der kardinale Fehler der Aufmarschplanung von Conrad gewesen. Und diesen Fehler kann er nicht irgendwelchen anderen Offizieren in die Schuhe schieben.

Dabei kann man noch einiges zum Eisenbahntransport und der Möglichkeit zur "Umleitung" sagen. Es war ein KW II. der zu einem gewissen Zeitpunkt der Juli-Krise seine Militärs fragte, ob der Aufmarsch nicht im Osten und nicht gegen Frankreich möglich wäre. Die Militärs winkten müde ab, vergiss es, weil zu komplex.

Google Scholar

Herwig, Holger (2011): “Military Doomsday Machine”? The Decisions for War 1914. In: Journal of Military and Strategic Studies 13 (4).
Lebow, Richard Ned (2008): A Cultural Theory of International Relations. Cambridge: Cambridge University Press.
Strachan, Hew (2003): The First World War: . Volume 1: To Arms. Oxford: Oxford University Press UK.
Tunstall, Graydon A., JR (2016): Written in Blood. The Battles for Fortress Przemyl in WWI. Bloomington, IN: Indiana University Press
Williamson, Samuel R. (1991): Austria-Hungary and the origins of the First World War. 1st ed. Houndmills, Basingstoke, Hampshire: Macmillan
 
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