Wo ist denn der Dreibund, sagen wir einmal bis Bismarcks Sturz, aggressiv gegenüber Frankreich aufgetreten? Das hatte man sicher auch in Paris bemerkt.
Was garantierte den Franzosen, dass was noch nicht war, nicht noch werden konnte?
Du hast ein sehr großes Verständnis für die angeblich prekäre Sicherlage Frankreichs und gar keines für Deutschland; dieses verurteilst du.
Wo verurteile ich Deutschland?
Ich sage lediglich, dass die Dreibundpolitik nach Lage der Dinge Frankreich dazu nötigen mussten sie mit Russland an den Tisch zu setzen und massiv in Aufrüstung zu investieren.
Ich habe letztendlich ein genau so großes Verständnis für dass spätere Bedürfnis Deutschlands die Triple-Entente zu sprengen, ich bin da nur mit der Wahl der Mittel, die einen Weltkrieg als Möglichkeit einschloss nicht einverstanden. Aber ich denke, damit ist kein Mensch einverstanden, der irgendwie bei Verstand ist.
Deutschland stand Frankreich nach 1871 und ganz besonders 1875 nicht feindselig gegenüber. Das übersiehst du bei deiner Einschätzung. 1875 fühlte sich übrigens Deutschland durch Frankreich bedroht.
Das übersehe ich überhaupt nicht.
Ich schreibe es hier nochmal, ich habe doch nirgendwo das Handeln Berlins in den 1870er Jahren oder die Gründung des Dreibunds kritisiert.
Ich habe kritisiert, dass man zu lange deran festhielt.
1875 stand ein noch nicht konsolidiertes Deutschland einem ähnlich mächtigen Frankreich gegenüber und musste Revanche fürchten.
1890 nicht mehr, weil Deutschland mittlerweile deutlich stärker war und 1900 erst recht nicht mehr.
Es geht nicht darum, dass die Angst, die man in Berlin in den 1870er Jahren vor Revanche gehabt hat unberechtigt gewesen wäre, dass war sie sicherlich nicht.
Aber 15-20 Jahre später waren solche Befürchtungen angesichts der Entwicklungen Deutschlands und Frankreichs im Prinzip überholt und man hätte die Sicherheitsarchitektur ohne weiteres so überarbeiten können, dass sie für Frankrech erträglicher geworden wäre, ohne sich selbst besonderenn Gefahren auszusetzen.
Expansionsphantasien? Wer hat die bis 1890 gehabt?
Typen wie Waldersee z.B. der ja wohl zeitweise sogar als potentieller Reichskanzler gehandelt wurde?
Jedenfalls hatte der ja reichlich "Präventivskriegs"-Ideen.
Wer garantierte den Franzosen, dass nicht irgendwann einer wie Waldersee tatsächlich Reichskanzler würde und eine Politik anfinge, die darauf zielte militärisch etwas anzufangen?
Meinst du, dass etwa die Ernennung General v. Caprivis, eines politisch weniger erfahrenen Generals in Paris besonderes Vertrauen gegenüber Berlin geschaffen hat?
Oder ist es nicht naheliegend, dass man da durchaus einen massiven Einfluss auf Krieg abzielenden Einfluss deutscher Militärs à la General Boulanger auf die deutsche Politik wittern konnte?
War überhaupt kein Problem durch eine andere Politik. Nicht militärisch, sondern friedfertig, nicht auf Revanche sinnend.
Eine andere Politik hätte vielleicht zu vertraglichen Absichtserklärungen geführt, aber nicht zu substanziellen Sicherheiten.
Vertragswerke kann jeder der zündeln will morgen wieder zerreißen.
Festungen und Eisenbahnen und Heeresvermehrungen sind Tatsachen, die sich nicht mal eben mit einem Federstrich aus der Welt schaffen lassen.
Ich finde doch, wenn man sich in die Position des gegenübers hineinversetzen will.Frage mit Gegenfrage zu beantworten ist nicht hilfreich.
Du argumentierst aus der deutschen Perspektive, ex post und auf Basis von Einblick in Papiere, die den Zeitgenossen in Teilen nicht zugänglich waren.
Das ist ja an und für sich vollkommen in Ordnung, hilft aber, glaube ich wenig zu verstehen, wie die andere Seite tickte.
Da wird man mit einkalkulieren müssen, was sie nicht wissen und was möglicherweise befürchten konnte.