Bismarcks Friedenspolitik

Wo ist denn der Dreibund, sagen wir einmal bis Bismarcks Sturz, aggressiv gegenüber Frankreich aufgetreten? Das hatte man sicher auch in Paris bemerkt.

Was garantierte den Franzosen, dass was noch nicht war, nicht noch werden konnte?

Du hast ein sehr großes Verständnis für die angeblich prekäre Sicherlage Frankreichs und gar keines für Deutschland; dieses verurteilst du.

Wo verurteile ich Deutschland?

Ich sage lediglich, dass die Dreibundpolitik nach Lage der Dinge Frankreich dazu nötigen mussten sie mit Russland an den Tisch zu setzen und massiv in Aufrüstung zu investieren.

Ich habe letztendlich ein genau so großes Verständnis für dass spätere Bedürfnis Deutschlands die Triple-Entente zu sprengen, ich bin da nur mit der Wahl der Mittel, die einen Weltkrieg als Möglichkeit einschloss nicht einverstanden. Aber ich denke, damit ist kein Mensch einverstanden, der irgendwie bei Verstand ist.

Deutschland stand Frankreich nach 1871 und ganz besonders 1875 nicht feindselig gegenüber. Das übersiehst du bei deiner Einschätzung. 1875 fühlte sich übrigens Deutschland durch Frankreich bedroht.

Das übersehe ich überhaupt nicht.
Ich schreibe es hier nochmal, ich habe doch nirgendwo das Handeln Berlins in den 1870er Jahren oder die Gründung des Dreibunds kritisiert.
Ich habe kritisiert, dass man zu lange deran festhielt.
1875 stand ein noch nicht konsolidiertes Deutschland einem ähnlich mächtigen Frankreich gegenüber und musste Revanche fürchten.
1890 nicht mehr, weil Deutschland mittlerweile deutlich stärker war und 1900 erst recht nicht mehr.

Es geht nicht darum, dass die Angst, die man in Berlin in den 1870er Jahren vor Revanche gehabt hat unberechtigt gewesen wäre, dass war sie sicherlich nicht.
Aber 15-20 Jahre später waren solche Befürchtungen angesichts der Entwicklungen Deutschlands und Frankreichs im Prinzip überholt und man hätte die Sicherheitsarchitektur ohne weiteres so überarbeiten können, dass sie für Frankrech erträglicher geworden wäre, ohne sich selbst besonderenn Gefahren auszusetzen.

Expansionsphantasien? Wer hat die bis 1890 gehabt?

Typen wie Waldersee z.B. der ja wohl zeitweise sogar als potentieller Reichskanzler gehandelt wurde?
Jedenfalls hatte der ja reichlich "Präventivskriegs"-Ideen.

Wer garantierte den Franzosen, dass nicht irgendwann einer wie Waldersee tatsächlich Reichskanzler würde und eine Politik anfinge, die darauf zielte militärisch etwas anzufangen?
Meinst du, dass etwa die Ernennung General v. Caprivis, eines politisch weniger erfahrenen Generals in Paris besonderes Vertrauen gegenüber Berlin geschaffen hat?

Oder ist es nicht naheliegend, dass man da durchaus einen massiven Einfluss auf Krieg abzielenden Einfluss deutscher Militärs à la General Boulanger auf die deutsche Politik wittern konnte?

War überhaupt kein Problem durch eine andere Politik. Nicht militärisch, sondern friedfertig, nicht auf Revanche sinnend.

Eine andere Politik hätte vielleicht zu vertraglichen Absichtserklärungen geführt, aber nicht zu substanziellen Sicherheiten.
Vertragswerke kann jeder der zündeln will morgen wieder zerreißen.
Festungen und Eisenbahnen und Heeresvermehrungen sind Tatsachen, die sich nicht mal eben mit einem Federstrich aus der Welt schaffen lassen.

Frage mit Gegenfrage zu beantworten ist nicht hilfreich.
Ich finde doch, wenn man sich in die Position des gegenübers hineinversetzen will.

Du argumentierst aus der deutschen Perspektive, ex post und auf Basis von Einblick in Papiere, die den Zeitgenossen in Teilen nicht zugänglich waren.
Das ist ja an und für sich vollkommen in Ordnung, hilft aber, glaube ich wenig zu verstehen, wie die andere Seite tickte.
Da wird man mit einkalkulieren müssen, was sie nicht wissen und was möglicherweise befürchten konnte.
 
Du vermengst jetzt zwei Kriege. 1866 war ein deutscher Bruderkrieg. 1870 war ein preußisch-französischer Krieg. Dieser war für Europa relevant. Und Europa war sich einig, das an diesem Krieg Paris die Schuld trägt. Muss ich jetzt darüber referieren, wie Petersburg und London versuchten sich einzumischen?

Ich vermenge nicht zwei Kriege, wenn ich sage, das die Aneignung Schleswigs durch Preußen (von Holstein war nicht die Rede) und Elsaß und Lothringen keine innerdeutschen Angelegenheiten waren.

Das Paris den Krieg von 1870 maßgeblich verschuldet hatte, ändert nichts an der Tatsache, dass man die Annexionen nicht mal eben als innerdeutsche Angelegenheiten abtun kann, die andere nichts angingen.
 
Zum Deutschen Bund und der Bundesakte:

Der Deutsche Bund wurde im Zuge des Wiener Kongresses gegründet; also von den europäischen Großmächten. Die Deutschen durften wieder einmal ihre Angelegenheiten nicht selbst regeln. Die Bildung des Deutschen Bundes bedeutete einen schweren Rückschlag für die Einigungsbestrebungen Deutschlands, aber darauf wurde keine Rücksicht genommen. Deutschland sollte zersplittert und eine erhebliche außenpolitische Schwächung und behinderte den Warenverkehr und die wirtschaftliche Entwicklung.
Der Deutsche Bund hatte kein gemeinsames Parlament, keinen gemeinsamen Kanzler, kein gemeinsames Staatsoberhaupt, keine gemeinsame Hauptstadt. Ich glaube nicht, das irgendjemand in Deutschland den Deutschen Bund eine Träne hinterher weinte. Er dient nicht den deutschen, sondern eher den europäischen Interessen.
 
Was heißt hier Peanuts. Schon 1815 wurden die Hoffnungen auf einen deutschen Staat enttäuscht.

Nur vergisst du dabei zu erwähnen, dass diejenigen, die solche Hoffnungen damals hatten, sich zu diesem Zeitpunkt noch in einer eher randständigen Position befanden und sie überhaupt kein Konzept hatten, wie so ein Staat denn auszusehen habe, sondern lediglich fixe Ideen.
Praktikable Modelle hatten sie ja selbst 1848 nocht nicht wirklich zustande gebracht.

Die Deutschen bleiben schön in kleinen und kleinsten Staaten verteilt, so das die Großmächte hier jederzeit intervenieren konnten.

Und das mit Zustimmung der beteiligten Deutschen, wie du vergessen hast zu erwähnen.
Mal davon abgesehen, dass du einmal mehr darauf hinarbeitest preußische Sonderinteressen mit dem Interesse einer gesamtdeutschen nationalbewegung zu entschuldigen.

Preußen ist nicht Deutschland gewesen und Bismark und Kaiser Wilhelm waren nicht das deutsche Volk oder in ihren Interessen damit übereinstimmend.
 
Der Deutsche Bund wurde im Zuge des Wiener Kongresses gegründet; also von den europäischen Großmächten. Die Deutschen durften wieder einmal ihre Angelegenheiten nicht selbst regeln. Die Bildung des Deutschen Bundes bedeutete einen schweren Rückschlag für die Einigungsbestrebungen Deutschlands, aber darauf wurde keine Rücksicht genommen.

Du vergisst einmal mehr, die Deutschen stimmten dem zu.
Sie stimmten mit der Bundesakte auch explizit dem Einfluss externen Einflüssen zu, denn sonst hätten sie die in Personalunion regierten Territorien Hannover, Holstein, Lauenburg und Luxemburg nicht aufnehmen können.

Davon abgesehen wiederlegst du dich damit selbst, wenn du behauptest 1866 wäre eine innerdeutsche Angelegenheit gwesen.
Eingedenk der Tatsache dass auch die anderen Signatarmächte von 1815 als Garantiemächte dieser Verhältnisse auftraten und Preußen diese Verträge mit seinem Vorgehen in Holstein verletzte, war das eine Thematik von europäischem Rang.
 
Die deutschen Fürsten waren nicht die deutsche Bevölkerung und jeder Fürst klammerte sich an einem noch so kleinem Throne. Die Herren nahmen sich wichtiger, als das Große Ganze. Freiwillig hätten die nie verzichtet; genau deshalb haben sie ja auch zugestimmt.

Und es war Preußen mit Bismarck und Wilhelm I. die die Gründung des Reiches auf die Schiene gesetzt haben und damit einen großen Teil der ganzen deutschen Bevölkerung hinter sich hatten.
 
Ich lese aus deinen Zeilen deutliche Kritik. Die drei Krieg bzw. deren Resultat hast du doch unmissverständlich kritisiert oder verstehe ich dich falsch?

Nein, ich habe das preußische Vorgehen als Verletzung der deutschen Bundesakte festgestellt, so wie die Tatsache, dass die Resultate nicht als zu vernachlässigende innerdeutsche Angelegenheiten zu betrachten sind und auch nicht so betrachtet wurden.
Ich habe außerdem eine massive Machtverschiebung zu Gunsten Peußens festgestellt und dass es durchaus nicht selbstverständlich war, dass das allseitig akzeptiert wurde.

Das sind erstmal völlig wertungsfreie Feststellungen.
 
1866 war England nicht präsent. Das Interesse an dem Schicksal Hannovers war bestenfalls rudimentär.
Und darüber hinaus hatte man nach den Erfahrungen von 1864 kein Interesse zu intervenieren.

Dänemark war außen vor.

Frankreich mischte sich erst in Nikolsburg ein.

Also defacto eine innerdeutsche Angelegenheit.
 
Nein, ich habe das preußische Vorgehen als Verletzung der deutschen Bundesakte festgestellt, so wie die Tatsache, dass die Resultate nicht als zu vernachlässigende innerdeutsche Angelegenheiten zu betrachten sind und auch nicht so betrachtet wurden.
Ich habe außerdem eine massive Machtverschiebung zu Gunsten Peußens festgestellt und dass es durchaus nicht selbstverständlich war, dass das allseitig akzeptiert wurde.

Das sind erstmal völlig wertungsfreie Feststellungen.

Die defacto Kriegserklärung an einem Mitglied des Bundes war auch praktisch Bruch der Bundesakte. Denn die Aufgabe der Mitglieder war es, wenn ein deutscher Staat angegriffen wird, diesem beizustehen. Aber nicht für die Vormachtstellung Österreichs gegen Preußen in dem Krieg zu ziehen.
 
Nur verfolgte Frankreich diese Politik ja immer noch, als es schon die Triple Entente gab und sich die Gewichte erneut verschoben hatten.

Ich habe ja auch nicht behauptet, dass ich das Verhalten Frankreichs grundsätzlich goutieren würde, ich sehe da eine ganz ähnliche Problematik, allerdings mit zwei Einschränkungen:

- Als die Tripel-Entente 1907 gegründet wurde, war Russland durch die den verlorenen Krieg gegen Japan, die Revolution und die gesamte Umorganisation es Staates nur begrenzt handlungsfähig.
Frankreich war aber zwingend auf die russische Landmacht angewiesen, GB konnte das nicht substituieren.

Insofern stand Frankreich auch als die Triple-Entente gegründet wurde noch vor dem gleichen Problem, die Umkeehrung der Verhältnisse erfolgte hier erst mit der schrittweisen Erhohlung Russlands.

Grundsätzlich teile ich deine Einschätzung, dass die französische Politik, in dem Moment in dem Russland sich einigermaßen erholte, ganz ähnlich problematisch war, weil das die Verhältnisse umkehrte ohne die Probleme zu lösen.

Aus genau diesem Grund bin ich auch der Meinung, dass das französische Verhalten vorher da grundsätzlich nicht als agressiver zu bewerten ist, als Deutschlands Versuche die Triple-Entente zu sprengen.

Der zweite Punkt ist, im Gegensatz zu den Zentralmächten wo man Deutschland und Italien ähnliche Expansionsinteressen im Bezug auf Frankreich unterstellen konnte, war das bei der Triple-Entente kaum möglich.

Großbritannien hatte keine territorialen Interessen auf dem Kontinent, die Vorstellung es würde sich für die deutschen Kolonien so sehr interessieren, dass es deswegen womöglich einen Angriffskrieg mittragen würde, war auch eher abwegig und Russland konnte kein Interesse haben den polnischen Teilungskonsens zu verlassen, Russland wollte in Richtung Balkan.

Insofern ließe sich auch hier noch behaupten, dass man mit einigem Grund die Bereitschaft der Dreibundpartner, mindestens Deutschlands und Italiens, zu einem auch offensivem Krieg tendenziell höher einschätzen konnte, als die der Triple Entente.
Russland hatte ein Interesse daran Österreich zu schwächen aber keines daran Territorialfragen mit Deutschland zu fabrizieren.
Frankreich hatte Interesse an Elsaß-Lothringen und ggf. darüber hinausgehendes, aber kein Interesse daran es sich mit Wien zu verderben.
Großbritannien hätte im Sinne eines durchgehenden Kolonialreiches von Kairo bis zum Kap vielleicht Interesse an Deutsch-Ostafrika und ab den 1910er Jahren daran Teile der deutschen Flotte zu verschrotten, aber keine sonstigen Territorialinteressen, so dass seine Bereitschaft einen Angriffskrieg mitzutragen generell als gering eingeschätzt werden muss.

Das finde ich jetzt schon eine etwas merkwürdige Logik, dass Deutschland mutwillig das eigene Bündnis demontieren oder schwächen sollte, um Frankreich zu beschwichtigen. Und wie sollte das denn aussehen, sich von einem Partner zu trennen?

Ich finde das überhaupt keine merkwürdige Logik, wenn sie die eigenen Industrien und das eigene Militär so entwickelt haben, dass dieses Bündnis zu einer eindeutigen Überlegenheit führt und darin auch ein Partner mit dezidierten Expansionsinteressen verwickelt ist.

Zu erwägen, dass das als Drohkulisse verstanden werden kann, ist eigentlich naheliegend.

Was meinst du mit "wie sollte es aussehen, sich von einem Partner zu trennen"?
In Berlin war man man 1866 absolut schmerzfrei darin, das gleiche Österreich zu bekriegen, mit dem man zusammen 3 Jahre zuvor noch die Elbherzogtümer von Dänemark erobert hatte.

Man hat das Bündnis mit dem Ziel des Schutzes vor Frankreich begründet und man hätte es ganz einfach mit der Erklärung wieder abwickeln können, dass man nach der Entwicklung der letzten Jahre zu dem Schluss gekommen sei, dass von Frankreich keine unmittelbare Gefahr mehr ausginge, der Grund für das Bündnis also entfallen sei und man es deswegen auflöse.

Man hätte das Italien auch mit der Ablösung durch eine einseitige Schutzgarantie für den Fall eines unprovozierten französischen Angriffs versüßen können.


Die Trennung von Österreich-Ungarn kam aus einer Vielzahl von Gründen nicht in Frage. Nicht zuletzt deshalb, weil man dann abgesehen von Italien ganz ohne Bündnispartner dagestanden hätte und welchen Sinn machte ein Bündnis zwischen Deutschland und Italien damals wirklich, ohne dass noch ein weiterer Partner an Bord gewesen wäre?

Bei einer Trennung von Österreich-Ungarn wäre kein weiterer Bündnispartner nötig gewesen, weil ohne Deutsch-Österreichische Zusammenarbeit für Russland eine Fortsetzung der militärischen Zusammenarbeit mit Frankreich vollkommen unsinnig gewesen wäre.
Wozu denn? Russland hatte mit Deutschland keine Probleme, Russland hatte Probleme mit Österreich.

Sofern Deutschland Österreichs Balkanpolitik nicht unterstützte, war Russland durchaus in der Lage mit Wien allein fertig zu werden und benötigte Frankreich nicht, abgesehen davon, dass dieses auf dem Balkan ohnehin nicht effektiv zur Hilfe kommen konnte.
Hätte man deutscherseits durch Fallenlassen Österreichs Russland auf dem Balkan freie Hand gegeben, wäre der einzige Effekt der französisch-russischen Allianz der gewesen, dass Frankreich Russland in seine Probleme mit Deutschland hätte hineinziehen können, ohne dass für Russland etwas interessantes dabei herausgesprungen wäre, dass es nicht auch hätte haben können ohne Verpflichtungen zu übernehmen.

Und wenn man sich von Italien getrennt hätte, hätte man Italien ja geradezu in die Arme Frankreichs getrieben.

Unwahrscheinlich angesichts der italienischen Territorialwünsche und der grundsätzlich verschiedenen Auffassungen über die Ansprüche des Italienischen Staates oder des Papstes auf Rom.

Aber selbst wenn.
Wenn man sich rechtzeitig von Italien getrennt und sich dieses mit Frankreich verbündet hätte, hätten sich in Europa zwei Blöcke aus Deutschland und Österreich vs. Frankreich und Italien gegenübergestanden.

Das wäre für Frankreich sicherlich wesentlich ergräglicher gewesen, als sich potentiell allen drei Anderen gegenüber zu sehen.
Das hätte in Paris möglicherweise zu einiger Entspannung geführt, und dazu, dass man sich nicht derartig gezwungen gesehen hätte mit Russland zusammen zu arbeiten.

Man darf doch dabei nicht übersehen, die Französisch-Russische Allianz war alles andere als eine Liebesheirat.
Der jeweils Andere, war für beide ein nicht besonders bequemer Partner.

Der Zar hielt nicht viel von Republikanismus. Und gar nicht lange vorher war die Unterdrückung der Polen durch den Zarismus eines der Lieblingsreizthemen der französischen Presse.
Außerdem kostete diese Allianz und die militärische Ertüchtigung Russlands den französischen Staat Unsummen.

Sowohl auf die politisch nicht besonders schicke Zusammenarbeit, als auch auf die damit verbundenen Kosten hätte Paris sicherlich sehr gern verzichtet, wenn man andere Möglichkeiten gesehen hätte.

Den Dreibund zeitig irgendwann um 1890 oder 1900 aufzulösen hätte solche Perspektiven eröffnen können.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich vermenge nicht zwei Kriege, wenn ich sage, das die Aneignung Schleswigs durch Preußen (von Holstein war nicht die Rede) und Elsaß und Lothringen keine innerdeutschen Angelegenheiten waren.

Das Paris den Krieg von 1870 maßgeblich verschuldet hatte, ändert nichts an der Tatsache, dass man die Annexionen nicht mal eben als innerdeutsche Angelegenheiten abtun kann, die andere nichts angingen.

Die Annektion von Elsaß Lothringen betrachte ich auch nicht, habe ich nie getan, als innerdeutsche Angelegenheit. Es wäre definitiv besser gewesen, das zu unterlassen; nur war das angesichts des immensen öffentliches Druckes in Deutschland überhaupt möglich gewesen? Und wie Bismarck wohl nicht zu Unrecht anmerkte, ob mit oder ohne Annektion, Frankreich vergibt uns den Sieg ohnehin nicht.

Der dänische König war gleichzeitig auch in Personalunion deutscher Herzog sowohl von Schleswig als auch von Holstein und Lauenburg. Holstein und Lauenburg haben bis 1806 zum Heiligen Römischen Reich gehört. Schleswig sollte gemäß den Willen den Königreichs Dänemark praktisch angegliedert werden. Das war Bruch des Londoner Protokolls. Der Deutsche Bund beschloss die Bundesexekution. In den Kriegshandlungen gab es keine Einmischung. Später kam es zu Verhandlungen in London; Dänemark war extrem obstruktiv, so das keiner die Kriegshandlungen fortgesetzt wurden und Dänemark unterlag.
Dänemark trat im Wiener Frieden dann Schleswig, Holstein und Lauenburg. Verhandelt haben dort Dänemark, Preußen und Österreich.
 
Du argumentierst aus der deutschen Perspektive, ex post und auf Basis von Einblick in Papiere, die den Zeitgenossen in Teilen nicht zugänglich waren.
Das ist ja an und für sich vollkommen in Ordnung, hilft aber, glaube ich wenig zu verstehen, wie die andere Seite tickte.
Da wird man mit einkalkulieren müssen, was sie nicht wissen und was möglicherweise befürchten konnte.

Na das geht ja jetzt auch nur ex post.:)

Und wie die andere Seite tickt, na genau deshalb habe ich ja auch aus deren Papiere zitiert.;)
 
Ich habe ja auch nicht behauptet, dass ich das Verhalten Frankreichs grundsätzlich goutieren würde, ich sehe da eine ganz ähnliche Problematik, allerdings mit zwei Einschränkungen:

- Als die Tripel-Entente 1907 gegründet wurde, war Russland durch die den verlorenen Krieg gegen Japan, die Revolution und die gesamte Umorganisation es Staates nur begrenzt handlungsfähig.
Frankreich war aber zwingend auf die russische Landmacht angewiesen, GB konnte das nicht substituieren.

Insofern stand Frankreich auch als die Triple-Entente gegründet wurde noch vor dem gleichen Problem, die Umkeehrung der Verhältnisse erfolgte hier erst mit der schrittweisen Erhohlung Russlands.

Das würde ich anders sehen. Es war doch klar, dass die Schwächung Russlands durch den verlorenen Krieg nur sehr vorübergehend sein würde. Wenn Deutschland tatsächlich an französischen Gebieten interessiert gewesen wäre und dafür auch einen Krieg riskiert hatte, hätte es also quasi möglichst direkt nach dem Russisch-Japanischen Krieg zuschlagen müssen. Die Marokkokrise hätte auch einen Vorwand für einen Krieg geliefert.

Da Deutschland diese Gelegenheit nicht genutzt hatte, konnte Frankreich zum Zeitpunkt der Gründung der Triple Entente eigentlich davon ausgehen, dass auch in naher Zukunft kein Angriff Deutschlands zu erwarten war.

Der zweite Punkt ist, im Gegensatz zu den Zentralmächten wo man Deutschland und Italien ähnliche Expansionsinteressen im Bezug auf Frankreich unterstellen konnte, war das bei der Triple-Entente kaum möglich.

Ich sehe nicht, wo Deutschland Expansionsinteressen in Bezug auf Frankreich hatte. Man hätte ja nur rein französischsprachige Gebiete annektieren können, die das deutsche Staatsagebiet auch nicht irgendwie abrunden oder sonst von besonderem strategischem Wert gewesen wären. Es sei denn, man hätte gleich ganz Nordostfrankreich bis zum Kanal annektiert und das wäre doch sehr unrealistisch gewesen und wäre auch von England nicht goutiert worden. Entsprechende Expansionsträume während des Weltkrieges sind etwas anderes. Im Falle eines gewonnenen Weltkrieges hätte man natürlich quasi freie Hand gehabt, aber selbst dann glaube ich nicht, dass Deutschland wirklich so viel Gebiet in Frankreich annektiert hätte. Wirklich substantiell verbessern konnte sich Deutschlands strategische Situation durch territoriale Veränderungen eigentlich nur im Osten, in dem man Russland gezwungen hätte, die Herrschaft über Gebiete mit nicht-russischer Bevölkerung wie Polen, das Baltikum, die Ukraine oder Finnland aufzugeben.

Von einem Krieg gegen Frankreich konnte Deutschland eigentlich nicht wirklich profitieren.

Ich finde das überhaupt keine merkwürdige Logik, wenn sie die eigenen Industrien und das eigene Militär so entwickelt haben, dass dieses Bündnis zu einer eindeutigen Überlegenheit führt und darin auch ein Partner mit dezidierten Expansionsinteressen verwickelt ist.

Zu erwägen, dass das als Drohkulisse verstanden werden kann, ist eigentlich naheliegend.

Nur diese eindeutige Überlegenheit bestand ja so nur im direkten Verhältnis zu Frankreich, ohne Berücksichtigung von Bündnispartnern. Nach einem Bündnis Frankreichs entweder mit dem UK oder Russland bestand diese Überlegenheit schon nicht mehr.

Was meinst du mit "wie sollte es aussehen, sich von einem Partner zu trennen"?

Damit meine ich konkrete Szenarien, von welchem Partner man sich mit welcher Begründung trennen sollte und wie Du Dir dann die resultierende Bündnissituation vorstellst. Du hast dazu ja jetzt einiges ausgeführt. Ich muss allerdings sagen, dass mich das nicht wirklich überzeugt hat.

Man hat das Bündnis mit dem Ziel des Schutzes vor Frankreich begründet und man hätte es ganz einfach mit der Erklärung wieder abwickeln können, dass man nach der Entwicklung der letzten Jahre zu dem Schluss gekommen sei, dass von Frankreich keine unmittelbare Gefahr mehr ausginge, der Grund für das Bündnis also entfallen sei und man es deswegen auflöse.

Das ist im Prinzip die gleiche Logik, nach der einige meinen, die NATO hätte sich nach dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes auflösen müssen und genauso wenig überzeugend. Ich hoffe, diese Bemerkung ist nicht zu politisch, aber der Zusammenbruch des Warschauer Paktes ist inzwischen ja auch schon mehr als 30 Jahre her.

Bei einer Trennung von Österreich-Ungarn wäre kein weiterer Bündnispartner nötig gewesen, weil ohne Deutsch-Österreichische Zusammenarbeit für Russland eine Fortsetzung der militärischen Zusammenarbeit mit Frankreich vollkommen unsinnig gewesen wäre.
Wozu denn? Russland hatte mit Deutschland keine Probleme, Russland hatte Probleme mit Österreich.

Das sehe ich völlig anders. In diesem Szenario hätte Deutschland gerade seinen engsten Bündnispartner ohne jede Not im Stich gelassen. Da konnte niemand garantieren, dass Deutschland nicht demnächst wieder seine Meinung ändert und dann im Falle eines Konfliktes Russland mit Österreich-Ungarn dann Russland in den Rücken fällt. Dagegen böte ein russisch-französisches Bündnis immer noch Schutz.

Sofern Deutschland Österreichs Balkanpolitik nicht unterstützte, war Russland durchaus in der Lage mit Wien allein fertig zu werden und benötigte Frankreich nicht, abgesehen davon, dass dieses auf dem Balkan ohnehin nicht effektiv zur Hilfe kommen konnte.
Hätte man deutscherseits durch Fallenlassen Österreichs Russland auf dem Balkan freie Hand gegeben, wäre der einzige Effekt der französisch-russischen Allianz der gewesen, dass Frankreich Russland in seine Probleme mit Deutschland hätte hineinziehen können, ohne dass für Russland etwas interessantes dabei herausgesprungen wäre, dass es nicht auch hätte haben können ohne Verpflichtungen zu übernehmen.

Ich sehe nicht, wie es irgendwie im deutschen Interesse hätte sein können, Russland auf dem Balkan und dann vermutlich auch noch in Bezug auf die Meerengen freie Hand zu lassen, egal, ob man nun mit Österreich-Ungarn verbündet ist, oder nicht. Russland war so schon mächtig genug und es war ja absehbar, dass Russland auch ohne weitere Expansion der mächtigste Staat Europas werden würde, wenn sie wirtschaftlich und industriell aufholen.

Unwahrscheinlich angesichts der italienischen Territorialwünsche und der grundsätzlich verschiedenen Auffassungen über die Ansprüche des Italienischen Staates oder des Papstes auf Rom.

Italien hatte auch an Gebieten der Donaumonarchie Interesse. Das hat sie nicht daran gehindert, dem Dreibund beizutreten. Und im Falle eines Rauswurfs aus dem Bund, war doch völlig klar, dass man keine Aussichten hatte, irgendwelche Ansprüche auf französisches Gebiet durchzusetzen, gegen einen wesentlich stärkeren Gegner, ohne Bündnispartner. Dann hätte man sich auch mit Frankreich verbünden können, um Schutz vor Österreich-Ungarn zu haben oder im Idealfall sogar österreichische Gebiete zu erwerben.

Aber selbst wenn.
Wenn man sich rechtzeitig von Italien getrennt und sich dieses mit Frankreich verbündet hätte, hätten sich in Europa zwei Blöcke aus Deutschland und Österreich vs. Frankreich und Italien gegenübergestanden.

Das wäre für Frankreich sicherlich wesentlich ergräglicher gewesen, als sich potentiell allen drei Anderen gegenüber zu sehen.
Das hätte in Paris möglicherweise zu einiger Entspannung geführt, und dazu, dass man sich nicht derartig gezwungen gesehen hätte mit Russland zusammen zu arbeiten.

Man darf doch dabei nicht übersehen, die Französisch-Russische Allianz war alles andere als eine Liebesheirat.
Der jeweils Andere, war für beide ein nicht besonders bequemer Partner.

Der Zar hielt nicht viel von Republikanismus. Und gar nicht lange vorher war die Unterdrückung der Polen durch den Zarismus eines der Lieblingsreizthemen der französischen Presse.
Außerdem kostete diese Allianz und die militärische Ertüchtigung Russlands den französischen Staat Unsummen.

Sowohl auf die politisch nicht besonders schicke Zusammenarbeit, als auch auf die damit verbundenen Kosten hätte Paris sicherlich sehr gern verzichtet, wenn man andere Möglichkeiten gesehen hätte.

Den Dreibund zeitig irgendwann um 1890 oder 1900 aufzulösen hätte solche Perspektiven eröffnen können.

Ich halte es für extrem unrealistisch, das Frankreich auf das Bündnis mit Russland oder die Entente mit England verzichtet hätte, nur weil Italien die Seiten gewechselt hat, egal, ob das Bündnis mit Russland nun eine Liebesheirat war oder nicht. Deutschland wäre gegenüber Frankreich immer noch überlegen und mir Russland als Partner konnte man sich gegen Deutschland absichern. Vielleicht hätte man etwas weniger Geld in die militärischen Fähigkeiten Russlands investiert, aber selbst das ist imho ziemlich fraglich.
 
Das würde ich anders sehen. Es war doch klar, dass die Schwächung Russlands durch den verlorenen Krieg nur sehr vorübergehend sein würde

Es ist ja nicht nur der verlorene Krieg gewesen, sondern auch die innenpolitische Situation nach der Revolution von 1905 und die äußerst konsolidierungsbedürftigen Staatsfinanzen.

Es musste vor diesem Hintergrund völlig klar sein, dass Russland aus ausschließlich eigener Kraft heraus die kommenden 5-6, vielleicht auch 10 Jahre kein bestimmtender Faktor mehr sein würde.

Selbst mit der reichlichen französischen Unterstützung und vor dem Hintergrund der völligen Vernachlässigung der eigenen Landrüstung zu Gunsten der Marine dauert es bis 1912/1913, bis man in Deutschland zu dem entgültigen Entschluss kommt, dass man gegenrüsten müsse.

Vor diesem Hintergrund musste man auch einen Krieg wenn man ihn hätte nutzen wollen um Frankreich oder Russland nochmal grundlegend zu schwächen, durchaus nicht übers Knie brechen.


Da Deutschland diese Gelegenheit nicht genutzt hatte, konnte Frankreich zum Zeitpunkt der Gründung der Triple Entente eigentlich davon ausgehen, dass auch in naher Zukunft kein Angriff Deutschlands zu erwarten war.

Nein, weil ja durchaus klar war, dass die Gelegenheit noch eine ganze Zeit lang weiter bestehen würde.
Warum sich Hals über Kopf in einen Krieg stürzen, wenn man ihn auch vernünftig vorbereiten kann, ohne dass sich die Rahmenbedingungen deutlich verschlechtern?

Ich denke, dass so ab 1910-1911 einigermaßen klar wurde, dass sich das Zeitfenster für eine solche Aktion allmählich schloss.
Vorher war das eine Möglichkeit mit der man kalkulieren durfte.

Ich sehe nicht, wo Deutschland Expansionsinteressen in Bezug auf Frankreich hatte.
Ich sage nicht, dass es sie dezidiert hatte, aber dass man sie ihm leicht unterstellen konnte.

Das Erzrevier von Longwy-Briey nicht allzuweit der Grenze hätte den deutschen Importbedarf an Eisenerz sicherlich in weiten Teilen behoben Positionen wie Toul, Verdun oder Belfort und Umgebung in den eigenen Besitz zu bringen, wäre strategisch Interessant gewesen um im Falle einer weiteren Konfrontation mit Frankreich die Vogesen schon beim Aufmarsch umgehen zu können und die Problematik Belgien/Luxemburg in Zukunft nicht mehr zu haben.

Das waren durchaus interessante Positionen, alle nicht allzuweit von den gegebenen Grenzen von denen man in Frankreich ohne weiteres unsterstellen konnte, dass Deutschland diese gerne hätte.



Nur diese eindeutige Überlegenheit bestand ja so nur im direkten Verhältnis zu Frankreich, ohne Berücksichtigung von Bündnispartnern. Nach einem Bündnis Frankreichs entweder mit dem UK oder Russland bestand diese Überlegenheit schon nicht mehr.

Nein, einzig durch das Bündnis mit Russland, weil Großbritannien an Land keinkein besonders mächtiger Verbündeter war.
Die Briten und Franzosen haben es unter Aufbietung so ziemlich aller gegebener Kräfte 1914 gerade so eben hinbekommen den Deutschen Vormarsch in Nordfrankreich aufzuhalten.

Wäre dieser deutsche Vormarsch noch von ein paar 100.000 Italienern unterstützt gewesen, hätte das nicht ausgereicht.

Und im Bezug auf Russland ignorierst du die Anmarschwege.
Russland konnte Frankreich militärisch beistehen, aber ohne französische Hilfe bei der Finanzierung von Infrastruktur überhaupt nicht eingreifen, bevor es den Deutschen möglich sein würde, tief nach Frankreich hinein zu stoßen und da eine Schneise der Verwüstung zu hinterlassen.
Es geht doch nicht nur darum die militärischen Potentiale der anderen Seite irgendwie in Schach zu halten, sondern auch darum, dass in einer Weise zu tun, dass dabei nicht das eigene Land vom Krieg vollkommen umgepflügt wird.

Und dann kommt hinzu, dass man nicht vergessen sollte, dass ein Bündnis nicht für die Ewigkeit sein muss.
In Frankreich musste man natürlich auch damit rechnen, dass sich die russischen Interessen irgendwann dergestalt ändern würden, dass dieses an einer Fortsetzung des Bündnisses nicht mehr interessiert sein würde.

Wenn es bis dahin nicht gelang die deutsche Überlegenheit auszugleichen, hätte das bedeutet, dass man durch das Bündnis Zeit gekauft aber das Problem nicht gelöst hätte.
 
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