Damit meine ich konkrete Szenarien, von welchem Partner man sich mit welcher Begründung trennen sollte und wie Du Dir dann die resultierende Bündnissituation vorstellst. Du hast dazu ja jetzt einiges ausgeführt. Ich muss allerdings sagen, dass mich das nicht wirklich überzeugt hat.
Nunja, dann möchte ich dir dazu ein paar Fragen stellen:
Wenn man annimmt, dass Russland an deutschen Territorien kein Interesse hatte, was hätte es aus einem Bündnis mit Frannkreich zu gewinnnen gehabt, wenn Deutschland Österreich fallen ließ oder Russland wenigstens garantierte Österreich auf dem Balkan nicht zu unterstützen, so lange Russland die territoriale Integrität Österreich-Ungarns achtete?
Wenn man Unterstellt, dass das französische Bündnis für Russland nur der Hebel war seine Balkanpolitik durchzusetzen (und für anderes sehe ich so gar keine Anzeichen), war dieses Bündnis, wenn Deutschland dies gestattete für Russland kein Vorteil mehr, sondern eine Belastung, weil es Russland gegenüber Frankreich verpflichtete, während es aber Russland nicht mehr half eigene Interessen durchzusetzen.
Jeder vernünftige Mensch verabschiedet sich von Verträgen, die ihnen mehr Leistungen abverlangen, als sie ihnen Vorteile bringen.
Die einzig schlüssige Begründung, warum diese Erwägung vollkommen abwegig sein sollte, wäre, wenn du belegen könntest, dass von Russischer Seite vor dem Krieg (bitte nicht irgendwelche Kriegszieldiskussionen, nachdem der Krieg einmal da war) ganz konkrete Interessen an deutschen Territorien bestanden.
Das ist im Prinzip die gleiche Logik, nach der einige meinen, die NATO hätte sich nach dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes auflösen müssen und genauso wenig überzeugend. Ich hoffe, diese Bemerkung ist nicht zu politisch, aber der Zusammenbruch des Warschauer Paktes ist inzwischen ja auch schon mehr als 30 Jahre her.
Nein, das ist eine völlig andere Logik.
In der Diskussion um die NATO, geht es mehr oder minder ausschließlich um die Sentiments in Russland. Das heißt, es geht mehr oder minder um 2 Akteure und einen zentralen Konflikt.
Wenn man sich die Konstellation vor 1914 ansieht, hat man erstmal mit Bündnissen zu tun, die völlig anders gestrickt waren, als die NATO und der Warschauer Pakte, weil sie im Gegensatz zu letzteren keine eindeutigen Vormacht hatten, die die politische Linie vorgegeben hätte.
Entsprechend schwerer wogen die Sonderinteressen und Sonderkonflikte der daran beteiligten Mächte.
Der erste Weltkrieg und das hat er z.B. mit dem 30-Jährigen Krieg gemein, kommt deswegen zustande, weil sich die einzelnen Konflikte der beteiligten Staaten miteinander verbinden und die Plattform für diese Verbindungen sind die entsprechenden Bündnisstrukturen.
Es sieht doch 1914 letztendlich so aus:
Deutschland: Hat massive Probleme mit Frankreich, hat aber weder mit Russland, noch mit GB entscheidende Probleme, die es nahelegen würden dafür in den Krieg zu ziehen.
Österreich-Ungarn: Hat massive Probleme mit Russland, aber weder mit Großbritannien, noch mit Frankreich ernsthafte Probleme.
Italien: hat sowohl mit Österreich-Ungarn, als auch mit Frankreich einigermaßen massive Probleme und wenn man Malta berücksichtigt vielleicht ganz am Rande noch Probleme mit Großbritannien, es hat aber weder mit Deutschland, noch mit Russland ernsthafte Probleme.
Russland: Hat Probleme mit Österreich, aber keine mit Deutschland oder Italien.
Frankreich: Hat Probleme mit Deutschland und Italien, aber keine mit Österreich.
Großbritannien hat was dezidierte Territorialfragen angeht am ehesten noch ein Problem mit Italien, wegen Malta, aber ansonsten eigentlich mit niemandem wirklich entscheidende Probleme.
Das Problem bei dieser Blockbildung ist, dass sich die Konflikte überlagern und es in den jeweiligen Bündnissen keine klare Führungsmacht gibt, die den Sonderinteressen der Mitglieder aus ihrer Position heraus klare Absagen hätten erteilen können.
Weil aber gerade letzteres nicht gegeben war, wäre es wichtig gewesen diese Zusammenhänge aufzulösen und den Problemkomplex zu entwirren.
Die einzelnen Probleme für sich genommen wären bearbeitbar gewesen, was tötlich ist, ist ihre Überlagerung.
Diese Bündnisstrukturen haben die Probleme multipliziert, weil sich die Bündnispartner dadurch in Konflikte einklinken mussten, in denen sie keine orriginären Interessen hatten, um die Mithilfe der Partner bei ihren eigenen Problemen zu sichern.
Und das war den Akteuren durchaus auch sehr bewusst.
Das sehe ich völlig anders. In diesem Szenario hätte Deutschland gerade seinen engsten Bündnispartner ohne jede Not im Stich gelassen. Da konnte niemand garantieren, dass Deutschland nicht demnächst wieder seine Meinung ändert und dann im Falle eines Konfliktes Russland mit Österreich-Ungarn dann Russland in den Rücken fällt. Dagegen böte ein russisch-französisches Bündnis immer noch Schutz.
Was genau hätte Deutschland denn dadurch zu gewinnen Russland in irgendeiner Form in den Rücken zu fallen?
Du vergisst dabei, dass sowohl für die russische, als auch die französische Politik die Teilung Polens und das Festhalten daran von hervorgehobenem Interesse war.
So lange beide Akteure jeweils sein Stück von Polen kontrollierte konnte keiner auf die Idee kommen die polnische Nationalbewegung zu fördern, und beim jeweiligen Nachbarn dadurch für innenpolitische Unruhe zu sorgen.
Größer angelegte Annexionen in Polen und eine andere gemeinsame Grenze gab es ja kaum, wenn man von Litauen absieht, hätten genau das beendet.
Deutschland hätte dann klafterweise wirtschaftlich mäßig interessantes Bauernland, dass schwer zu verwalten gewesen wäre übernommen, und Russland hätte die Möglichkeit gehabt in Zukunft ungezügelt auf die panslawische Karte und auf die polnische Nationalbewegung zu setzen um den Preußen innenpolitisch die Hölle zu bereiten.
Annektieren konnte man von Russland also nichts, ohne sich selbst massive Probleme aufzuladen. Polen befreien ging auch nicht, weil das sofort die Frage nach den polnischen Territorien Preußens aufgeworfen hätte.
Deutschland konnte also von einer Auseinandersetzung mit Russland direkt kaum etwas interessantes gewinnen, was nicht mit massiven Folgeproblemen verbunden gewesen wäre.
Warum hätte es irgendwelche Balkanabenteuer der Österreicher stützen sollen?
Was hätte es selbst davon gehabt?
Das einzige, was die Deutschen dazu bringt, dass tatsächlich zu tun ist die Vorstellung seinen Bündnispartner bei Laune halten zu müssen, weil man aus irgendwelchen Gründen voraussetze, dass es ddieses Bündnisses zwingend bedürfe.
Aber warum eigentlich, wenn man mit Russland abseits von Disputen über Getreidezölle und der Tatsache, dass man Österreich stützte überhaupt keine Probleme hatte?
Es ist eigentlich abwegig.
Da waren die entscheidenden Persönlichkeiten mMn mit einem massiven Tunnelblick und einer massiven Betriebsblindheit geschlagen.
Sonst hätten sie sich einfach fragen müssen, ob sie sich mit diesem Bündnis nicht weit mehr Probleme als Nutzen ans Bein binden.