Bismarcks Friedenspolitik

Damit meine ich konkrete Szenarien, von welchem Partner man sich mit welcher Begründung trennen sollte und wie Du Dir dann die resultierende Bündnissituation vorstellst. Du hast dazu ja jetzt einiges ausgeführt. Ich muss allerdings sagen, dass mich das nicht wirklich überzeugt hat.

Nunja, dann möchte ich dir dazu ein paar Fragen stellen:

Wenn man annimmt, dass Russland an deutschen Territorien kein Interesse hatte, was hätte es aus einem Bündnis mit Frannkreich zu gewinnnen gehabt, wenn Deutschland Österreich fallen ließ oder Russland wenigstens garantierte Österreich auf dem Balkan nicht zu unterstützen, so lange Russland die territoriale Integrität Österreich-Ungarns achtete?

Wenn man Unterstellt, dass das französische Bündnis für Russland nur der Hebel war seine Balkanpolitik durchzusetzen (und für anderes sehe ich so gar keine Anzeichen), war dieses Bündnis, wenn Deutschland dies gestattete für Russland kein Vorteil mehr, sondern eine Belastung, weil es Russland gegenüber Frankreich verpflichtete, während es aber Russland nicht mehr half eigene Interessen durchzusetzen.

Jeder vernünftige Mensch verabschiedet sich von Verträgen, die ihnen mehr Leistungen abverlangen, als sie ihnen Vorteile bringen.
Die einzig schlüssige Begründung, warum diese Erwägung vollkommen abwegig sein sollte, wäre, wenn du belegen könntest, dass von Russischer Seite vor dem Krieg (bitte nicht irgendwelche Kriegszieldiskussionen, nachdem der Krieg einmal da war) ganz konkrete Interessen an deutschen Territorien bestanden.


Das ist im Prinzip die gleiche Logik, nach der einige meinen, die NATO hätte sich nach dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes auflösen müssen und genauso wenig überzeugend. Ich hoffe, diese Bemerkung ist nicht zu politisch, aber der Zusammenbruch des Warschauer Paktes ist inzwischen ja auch schon mehr als 30 Jahre her.

Nein, das ist eine völlig andere Logik.

In der Diskussion um die NATO, geht es mehr oder minder ausschließlich um die Sentiments in Russland. Das heißt, es geht mehr oder minder um 2 Akteure und einen zentralen Konflikt.

Wenn man sich die Konstellation vor 1914 ansieht, hat man erstmal mit Bündnissen zu tun, die völlig anders gestrickt waren, als die NATO und der Warschauer Pakte, weil sie im Gegensatz zu letzteren keine eindeutigen Vormacht hatten, die die politische Linie vorgegeben hätte.

Entsprechend schwerer wogen die Sonderinteressen und Sonderkonflikte der daran beteiligten Mächte.

Der erste Weltkrieg und das hat er z.B. mit dem 30-Jährigen Krieg gemein, kommt deswegen zustande, weil sich die einzelnen Konflikte der beteiligten Staaten miteinander verbinden und die Plattform für diese Verbindungen sind die entsprechenden Bündnisstrukturen.

Es sieht doch 1914 letztendlich so aus:

Deutschland: Hat massive Probleme mit Frankreich, hat aber weder mit Russland, noch mit GB entscheidende Probleme, die es nahelegen würden dafür in den Krieg zu ziehen.

Österreich-Ungarn: Hat massive Probleme mit Russland, aber weder mit Großbritannien, noch mit Frankreich ernsthafte Probleme.

Italien: hat sowohl mit Österreich-Ungarn, als auch mit Frankreich einigermaßen massive Probleme und wenn man Malta berücksichtigt vielleicht ganz am Rande noch Probleme mit Großbritannien, es hat aber weder mit Deutschland, noch mit Russland ernsthafte Probleme.

Russland: Hat Probleme mit Österreich, aber keine mit Deutschland oder Italien.

Frankreich: Hat Probleme mit Deutschland und Italien, aber keine mit Österreich.

Großbritannien hat was dezidierte Territorialfragen angeht am ehesten noch ein Problem mit Italien, wegen Malta, aber ansonsten eigentlich mit niemandem wirklich entscheidende Probleme.


Das Problem bei dieser Blockbildung ist, dass sich die Konflikte überlagern und es in den jeweiligen Bündnissen keine klare Führungsmacht gibt, die den Sonderinteressen der Mitglieder aus ihrer Position heraus klare Absagen hätten erteilen können.

Weil aber gerade letzteres nicht gegeben war, wäre es wichtig gewesen diese Zusammenhänge aufzulösen und den Problemkomplex zu entwirren.
Die einzelnen Probleme für sich genommen wären bearbeitbar gewesen, was tötlich ist, ist ihre Überlagerung.

Diese Bündnisstrukturen haben die Probleme multipliziert, weil sich die Bündnispartner dadurch in Konflikte einklinken mussten, in denen sie keine orriginären Interessen hatten, um die Mithilfe der Partner bei ihren eigenen Problemen zu sichern.

Und das war den Akteuren durchaus auch sehr bewusst.



Das sehe ich völlig anders. In diesem Szenario hätte Deutschland gerade seinen engsten Bündnispartner ohne jede Not im Stich gelassen. Da konnte niemand garantieren, dass Deutschland nicht demnächst wieder seine Meinung ändert und dann im Falle eines Konfliktes Russland mit Österreich-Ungarn dann Russland in den Rücken fällt. Dagegen böte ein russisch-französisches Bündnis immer noch Schutz.

Was genau hätte Deutschland denn dadurch zu gewinnen Russland in irgendeiner Form in den Rücken zu fallen?

Du vergisst dabei, dass sowohl für die russische, als auch die französische Politik die Teilung Polens und das Festhalten daran von hervorgehobenem Interesse war.
So lange beide Akteure jeweils sein Stück von Polen kontrollierte konnte keiner auf die Idee kommen die polnische Nationalbewegung zu fördern, und beim jeweiligen Nachbarn dadurch für innenpolitische Unruhe zu sorgen.

Größer angelegte Annexionen in Polen und eine andere gemeinsame Grenze gab es ja kaum, wenn man von Litauen absieht, hätten genau das beendet.
Deutschland hätte dann klafterweise wirtschaftlich mäßig interessantes Bauernland, dass schwer zu verwalten gewesen wäre übernommen, und Russland hätte die Möglichkeit gehabt in Zukunft ungezügelt auf die panslawische Karte und auf die polnische Nationalbewegung zu setzen um den Preußen innenpolitisch die Hölle zu bereiten.

Annektieren konnte man von Russland also nichts, ohne sich selbst massive Probleme aufzuladen. Polen befreien ging auch nicht, weil das sofort die Frage nach den polnischen Territorien Preußens aufgeworfen hätte.

Deutschland konnte also von einer Auseinandersetzung mit Russland direkt kaum etwas interessantes gewinnen, was nicht mit massiven Folgeproblemen verbunden gewesen wäre.

Warum hätte es irgendwelche Balkanabenteuer der Österreicher stützen sollen?
Was hätte es selbst davon gehabt?

Das einzige, was die Deutschen dazu bringt, dass tatsächlich zu tun ist die Vorstellung seinen Bündnispartner bei Laune halten zu müssen, weil man aus irgendwelchen Gründen voraussetze, dass es ddieses Bündnisses zwingend bedürfe.
Aber warum eigentlich, wenn man mit Russland abseits von Disputen über Getreidezölle und der Tatsache, dass man Österreich stützte überhaupt keine Probleme hatte?

Es ist eigentlich abwegig.
Da waren die entscheidenden Persönlichkeiten mMn mit einem massiven Tunnelblick und einer massiven Betriebsblindheit geschlagen.
Sonst hätten sie sich einfach fragen müssen, ob sie sich mit diesem Bündnis nicht weit mehr Probleme als Nutzen ans Bein binden.
 
Nein, weil ja durchaus klar war, dass die Gelegenheit noch eine ganze Zeit lang weiter bestehen würde.
Warum sich Hals über Kopf in einen Krieg stürzen, wenn man ihn auch vernünftig vorbereiten kann, ohne dass sich die Rahmenbedingungen deutlich verschlechtern?

Weil das Deutsche Kaiserreich nicht Nazideutschland war und man schon irgend einen halbwegs plausiblen Anlass oder Vorwand brauchte, um einen Krieg in Europa vom Zaun zu brechen. Die Marokkokrise hätten einen solchen Anlass geboten und man ließ ihn verstreichen. Es gab ja keine Garantie, dass sich sobald wieder eine günstige Gelegenheit geboten hätte.

Ich sage nicht, dass es sie dezidiert hatte, aber dass man sie ihm leicht unterstellen konnte.

Das Erzrevier von Longwy-Briey nicht allzuweit der Grenze hätte den deutschen Importbedarf an Eisenerz sicherlich in weiten Teilen behoben Positionen wie Toul, Verdun oder Belfort und Umgebung in den eigenen Besitz zu bringen, wäre strategisch Interessant gewesen um im Falle einer weiteren Konfrontation mit Frankreich die Vogesen schon beim Aufmarsch umgehen zu können und die Problematik Belgien/Luxemburg in Zukunft nicht mehr zu haben.

Das waren durchaus interessante Positionen, alle nicht allzuweit von den gegebenen Grenzen von denen man in Frankreich ohne weiteres unsterstellen konnte, dass Deutschland diese gerne hätte.

Unterstellen kann man viel. Genauso hätte man auch Russland Interesse an Ostpreußen oder Posen unterstellen können, z. B. wegen der (weitgehend) eisfreien Häfen und zur Verkürzung der Grenze.

Nein, einzig durch das Bündnis mit Russland, weil Großbritannien an Land keinkein besonders mächtiger Verbündeter war.
Die Briten und Franzosen haben es unter Aufbietung so ziemlich aller gegebener Kräfte 1914 gerade so eben hinbekommen den Deutschen Vormarsch in Nordfrankreich aufzuhalten.

Wäre dieser deutsche Vormarsch noch von ein paar 100.000 Italienern unterstützt gewesen, hätte das nicht ausgereicht.

Und im Bezug auf Russland ignorierst du die Anmarschwege.
Russland konnte Frankreich militärisch beistehen, aber ohne französische Hilfe bei der Finanzierung von Infrastruktur überhaupt nicht eingreifen, bevor es den Deutschen möglich sein würde, tief nach Frankreich hinein zu stoßen und da eine Schneise der Verwüstung zu hinterlassen.
Es geht doch nicht nur darum die militärischen Potentiale der anderen Seite irgendwie in Schach zu halten, sondern auch darum, dass in einer Weise zu tun, dass dabei nicht das eigene Land vom Krieg vollkommen umgepflügt wird.

Nun, Deutschland konnte jetzt auch historisch in Frankreich eine Spur der Verwüstung hinterlassen, trotz aller vorherigen Unterstützung Russlands durch Frankreich.

Und wenn man es jetzt zum Ziel erklärt, nicht nur das militärische Potential des Gegners in Schach zu halten, sondern den Gegner so zu dominieren, dass er einem nicht mehr ernsthaft schaden kann, dann haben wir ein Problem. Denn logischerweise ist diese Situation in einem Konflikt zwischen zwei Parteien nur für eine Seite zu erreichen. Und jede Seite versucht jetzt durch Aufrüstung und Bündnisse diese Seite zu sein. Man müsste dann ja genauso auch Deutschland zugestehen, dass es für Deutschland nicht genug ist, Frankreich und seine Verbündeten in Schach zu halten, sondern Deutschland muss (mit Verbündeten) so stark sein, dass es nicht ernsthaft in Gefahr geraten kann. Frankreich und Deutschland konnten aber nicht beide so stark sein.
 
Ich sehe nicht, wie es irgendwie im deutschen Interesse hätte sein können, Russland auf dem Balkan und dann vermutlich auch noch in Bezug auf die Meerengen freie Hand zu lassen, egal, ob man nun mit Österreich-Ungarn verbündet ist, oder nicht. Russland war so schon mächtig genug und es war ja absehbar, dass Russland auch ohne weitere Expansion der mächtigste Staat Europas werden würde, wenn sie wirtschaftlich und industriell aufholen.

So schwarz sehe ich da gar nicht.

Wäre Russland unumstrittene Vormacht des Balkans geworden hätte es sich zunächst mal das Problem ans Bein gebunden die dort immer wieder auftretenden Konflikte zu lösen.
Z.B. wem denn nun eigentlich Mazedonien gehören soll, den Serben, den Griechen oder den Bulgaren?

Diese Probleme wären bei einer Russischen Vormacht auf dem Balkan doch nicht verschwunden. Im Gegenteil, Russland hätte hier immer wieder aggieren und sich irgendwelche Lösungen ausdenken müssen um die vollkommen gegensätzlichen Interessen irgendwie unter einen Hut zu bringen und seinen Vormachtsanspruch zu legitimieren.

Oder es hätte eben massiv Gebiete annektierenn können. Nur wären dass dann eben wirtschaftlich schlecht entwickelte Gebiete mit einer anderssprachigen Bevölkerung etc. gewesen deren Eingliederung auf absehbare Zeit mehr Ressourcen gebunden hätte, als dass es der russischen Entwicklung tatsächlich genutzt hätte.
Das hätte den wirtschaftlichen Fortschritt Russlands eher verlangsamt.

Schau dir dazu beispielhaft Bosnien und Dalmatien im Rahmen der Donaumonarchie an. Das sind finanziell betrachtet reine Zuschussgebiete gewesen.
Hätte im Falle Russlands im Bezug auf diverse Balkanterritorien oder Gebiete in Anatolien kaum anders ausgesehen.

Davon abgesehen hätten sich dann natürlich auch die Nationalitätenprobleme in Russland verschärft.
In Polen und Finnland schwelten die ja schon mächtig, in Litauen etwas weniger stark. Die ersten Ansätze in der Ukraine sind um 1900 herum durchaus auch schon zu sehen.
Dem hätte man mit der Annexion weiterer nichtrussischer Gebiete sicherlich auch nicht unbedingt abgeholfen.

Welche Problem genau wären die Meerengen in russischer Hand für Deutschland gewesen?
Die Meerengen in russischer Hand wären für jede Macht mit Positionen und Interessen am Mittelmeer ein Problem gewesen, aber da hatte Deutschland ja weder das Eine noch das Andere.


Eine Machtausweitung auf dem Balkan hätte Russland so oder so vor massive Schwierigkeiten gestellt und seine zukünftigen Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt, wohl auch reichlich Ressourcen gebunden.
Man muss dabei einfach mal von dem Gedanken weg kommen, dass der Zugewinn jedes x-beliebigen Stück Landes denn Akteur, der es dazu gewinnt mächtiger machen würde.

Manchmal schafft es auch einfach nur Probleme. Und das hätte massive Probleme geschaffen.

Italien hatte auch an Gebieten der Donaumonarchie Interesse. Das hat sie nicht daran gehindert, dem Dreibund beizutreten. Und im Falle eines Rauswurfs aus dem Bund, war doch völlig klar, dass man keine Aussichten hatte, irgendwelche Ansprüche auf französisches Gebiet durchzusetzen, gegen einen wesentlich stärkeren Gegner, ohne Bündnispartner. Dann hätte man sich auch mit Frankreich verbünden können, um Schutz vor Österreich-Ungarn zu haben oder im Idealfall sogar österreichische Gebiete zu erwerben.

Wie @Turgot mehrfach schon angebracht hat, der Dreibund war seinem Vertragstext und auch seinem Geiste nach keine Erwerbsgemeinschaft.
Als Italien dem Dreibund beitrat, konnte es jedenfalls nicht erwarten, dass dieser beim Erwerb französischer Gebiete behilflich sein würde.

Italien ist seinerzeit dem Dreibund nicht beigetreten, um Territorien zu erwerben, sondern weil es Auseinandersetzung mit Frankeich fürtete.
Das hätte es um 1890 oder 1900 herum nicht mehr fürchten müssen, weil Frankreichs militärische Ressourcen durch Deutschlands dynamische Entwicklung so weit gebunden waren, dass es sich solche außenpolitischen Abenteuer gar nicht mehr leisten konnte.

Es wäre von dem her eher abwegig für Italien gewesen hier direkt ein neues Bündnis und neue Verpflichtungen zu suchen, die auch keine Gebiete garantieren würden.
Logisch für Italien wäre es gewesen, sich neutral und nach allen Seiten hin offen zu halten, auf eine Auseinandersetzung, darauf zu hoffen von der einen oder der anderen Seite irgendwann für eine Auseinandersetzung gebraucht zu werden und sich dann mit den entsprechenden Territorien kaufen zu lassen.


Ich halte es für extrem unrealistisch, das Frankreich auf das Bündnis mit Russland oder die Entente mit England verzichtet hätte, nur weil Italien die Seiten gewechselt hat, egal, ob das Bündnis mit Russland nun eine Liebesheirat war oder nicht. Deutschland wäre gegenüber Frankreich immer noch überlegen und mir Russland als Partner konnte man sich gegen Deutschland absichern. Vielleicht hätte man etwas weniger Geld in die militärischen Fähigkeiten Russlands investiert, aber selbst das ist imho ziemlich fraglich.

Ein Deutsch-Österreichisches Bündnis wäre einem Französisch-Italienischen noch immer überlegen gewesen, dass ist sicherlich richtig.

Aber:

1. Wäre die Überlegenheit nicht so drückend gewesen.
2. Hatte Österreich-Ungarn im Gegensatz zu Italien kein manifestes Interesse an irgendwelchen französischen Gebieten, wäre also im Besonderen für einen Angriffskrieg gegen Frankreich eher schwierig zu motivieren gewesen. Außerdem hätte es in so einem Fall, nur mit sehr begrenzten Kräften teilnehmen können, weil es ansonsten jeglichen Schutz im Osten gegen seinen eigentlichen Hauptgegner Russland hätte vernachlässigen müssen, was einer Einlandung an St.Petersburg mal eben da einzumarschieren gleichgekommen wäre.
Denn dass Russland im eigenen Interesse, auch ohne vertragliche Bindung gegen Österreich handeln konnte, wenn dieses unvorsichtig war, hätte man in Wien in Rechnung stellen müssen.

So wie ich das sehe, hätte ein endgültiges Herausbrechen Italiens aus dem Zusammenhang der Mittelmächte zum richtigen Zeitpunkt in Paris möglicherweise durchaus für einige Erleichterung gesorgt und ggf. dazu angeregt noch mal darüber nachzudenken, ob das russische Bündnis wirklich sein musste.
 
Was genau hätte Deutschland denn dadurch zu gewinnen Russland in irgendeiner Form in den Rücken zu fallen?

Deutschland hätte dadurch gewinnen können, dass Russland nicht übermächtig wird.

Schon historisch war die Angst vor einem in Zukunft übermächtigen Russland eine wichtige Motivation für Deutschland, in den Ersten Weltkrieg zu gehen, bzw. die Eskalation in der Julikrise nicht zu stoppen, weil man annahm, dass man bald keine Chance mehr haben würde, gegen Frankreich und Russland gewinnen zu können. Da konnte Deutschland kein Interesse daran haben, Russland durch freie Hand auf dem Balkan zu stärken.

Und nehmen wir z. B. mal an, Russland hätte garantiert, Österreich-Ungarns territoriale Integration zu wahren und hätte im Gegenzug von Deutschland freie Hand auf dem Balkan erhalten. Nehmen wir weiter an, im Laufe der russischen Expansion auf dem Balkan wäre es dann um Krieg mit Österreich-Ungarn gekommen. Konnte Russland dann wirklich so sicher sein, dass Deutschland zusehen würde, wie Russland Galizien und Ungarn erobert und auf Wien marschiert und auf die russischen Zusicherungen vertrauen würde? Oder musste Russland nicht davon ausgehen, das Deutschland dann doch zur Verteidigung der Donaumonarchie einschreiten würde?

Um das zu verhindern, wäre für Russland das Bündnis mit Frankreich weiter wichtig gewesen.

Du vergisst dabei, dass sowohl für die russische, als auch die französische Politik die Teilung Polens und das Festhalten daran von hervorgehobenem Interesse war.
So lange beide Akteure jeweils sein Stück von Polen kontrollierte konnte keiner auf die Idee kommen die polnische Nationalbewegung zu fördern, und beim jeweiligen Nachbarn dadurch für innenpolitische Unruhe zu sorgen.

Größer angelegte Annexionen in Polen und eine andere gemeinsame Grenze gab es ja kaum, wenn man von Litauen absieht, hätten genau das beendet.
Deutschland hätte dann klafterweise wirtschaftlich mäßig interessantes Bauernland, dass schwer zu verwalten gewesen wäre übernommen, und Russland hätte die Möglichkeit gehabt in Zukunft ungezügelt auf die panslawische Karte und auf die polnische Nationalbewegung zu setzen um den Preußen innenpolitisch die Hölle zu bereiten.

Annektieren konnte man von Russland also nichts, ohne sich selbst massive Probleme aufzuladen. Polen befreien ging auch nicht, weil das sofort die Frage nach den polnischen Territorien Preußens aufgeworfen hätte.

Deutschland hätte nicht unbedingt große Gebiete oder überhaupt etwas annektieren müssen. Deutschland hätte schon massiv profitiert, wenn Gebiete mit nicht-russischsprachiger Bevölkerung wie Finnland, das Baltikum, Polen oder die Ukraine unabhängig geworden wären. Idealerweise natürlich als deutsche Satellitenstaaten, aber selbst wenn das gescheitert wäre, wären unabhängige kleine bis mittelgroße Staaten für Deutschland aus strategischer Sicht wesentlich besser gewesen als ein übermächtiges Russland.

Ich sehe auch nicht, dass ein unabhängiges Polen so ein großes Problem für Deutschland hätte sein sollen.

Du scheinst Dir hier auch selbst zu widersprechen, wenn Du annimmst, dass ein unabhängiges Polen wegen der polnischen Minderheit in Deutschland zu große Problem verursacht hätte, während Du gleichzeitig Deutschland Interesse an Gebieten mit französischer Bevölkerung unterstellst. Da hätte es ja die gleichen potentiellen Probleme gegeben, außer dass Frankreich als stärkerer Staat wesentlich eher in der Lage gewesen wäre, seine Minderheit auf deutschem Boden zu unterstützen.
 
Weil das Deutsche Kaiserreich nicht Nazideutschland war und man schon irgend einen halbwegs plausiblen Anlass oder Vorwand brauchte, um einen Krieg in Europa vom Zaun zu brechen.

Das Kaiserreich war nicht Nazi-Deutschland, aber ein Kriegsgrund hätte sich gefunden, wenn man gewollt hätte.
Für Frankreich hatte es 1871 als Kriegsgrund mehr oder weniger gereicht, dass sich irgendwer durch den Inhalt einer gewissen Depesche beledidigt fühlte und in Übersee führte man regelmäßig Krieg, weil irgendwelche Missionare belästigt oder angeblich belästigt wurden oder einem die andernorts geltenden Handelsbeschränkungen irgendwie nicht gefielen.

Im Zweifel wäre der Kriegsgrund dann eben gewesen, dass man gerade die Gelegenheit haben müsse, dass zurück zu holen, was Louis XIV. irgendwann mal vom Heiligen Römischen Reich.......... und so weiter.

Die Deutsch-Französische Geschichte war damals an die 1.000 Jahre lang und irgendein historisches Ereigniss, was man unbedingt rächen musste hätte sich schon gefunden.


Unterstellen kann man viel. Genauso hätte man auch Russland Interesse an Ostpreußen oder Posen unterstellen können, z. B. wegen der (weitgehend) eisfreien Häfen und zur Verkürzung der Grenze.

Also für die Vorstellung dass Russland da unbedingt Krieg führen müsse, um seine x0.000 Km lange grenze um 500 Km zu verkürzen hätte man sicherlich reichlich Lacher geerntet.
Welche interessanten Häfen hatte Ostpreußen so, die klimatisch jetzt wesentlich günstiger waren, als die in den russischen Ostsee-Gouvernements?

Memel liegt wie viele Km südlich von Libau und Windau? 60? 70?
Da herrschte kein entscheidend anderes Klima.

Der königsberger Hafen war für die wirklich moderne Schiffahrt nur begrenzt brauchbar, weil das vorgelagerte frische Haff nur wenige Meter tief ist, Schiffen mit allzu großem Tiefgang das Anlaufen also gar nicht erlaubt (weiß nicht ob man da inzwischen die Fahhrinne ausgebaggert hat, damals betrug die Tiefe teilweise 6m und weniger.

Das ist dann wirklich schon sehr sehr konstruiert.

Ich hatte allerdings nicht nach irgendwelchen Konstruktionen gefragt, sondern danach, ob du aus irgendeiner Quelle irgendelche Handfesten russischen Interessen an deutschem Territorium nachweisen kannst, die es naheglegt hätten deswegen Krieg zu führen.


Nun, Deutschland konnte jetzt auch historisch in Frankreich eine Spur der Verwüstung hinterlassen, trotz aller vorherigen Unterstützung Russlands durch Frankreich.

Ja, das lag alllerdings daran, dass man die deutsche Aufmarschplanung falsch interpretierte bzw. mit Victor Constant Michel den Chef des Generalstabs absägte, der die Deutsche Absicht weit über Flandern auszugreifen, verstanden hatte und ihn durch Joffre ersetzte, der einen Angriff über die Wallonie erwartete.

Diese Verwüstung wäre zu verhindern gewesen, wenn Frankreich auf den richtigen Mann gehört hätte.
Allerdings wirst du nicht bestreiten wollen, dass ein schneller russischer Einsatz, der Deutschland zwingen Musste Kräfte nach dem Osten zu verlagern, potentiell dazu führte, dass die Deutschen weniger Zeit hatten in Frankreich Schaden anzurichten, als wenn dieser Einsatz Wochen später erfolgte?
 
Also für die Vorstellung dass Russland da unbedingt Krieg führen müsse, um seine x0.000 Km lange grenze um 500 Km zu verkürzen hätte man sicherlich reichlich Lacher geerntet.

Die Länge der Grenze irgendwo in Sibirien ist jetzt eher zweitrangig, da man diese nicht so stark sichern musste wie die Grenze gegen Deutschland.

Deutschland und Österreich-Ungarn hätten im Kriegsfalls, wenn sie denn nicht wie im Ersten Weltkrieg anderweitig beschäftigt gewesen wären, die Möglichkeit gehabt, von Ostpreußen und Galizien aus in Polen stationierte russische Truppen einzukesseln. Das wäre nicht mehr so ohne weiteres möglich gewesen, wenn Russland Ostpreußen und Posen besessen hätte.


Welche interessanten Häfen hatte Ostpreußen so, die klimatisch jetzt wesentlich günstiger waren, als die in den russischen Ostsee-Gouvernements?

Memel liegt wie viele Km südlich von Libau und Windau? 60? 70?
Da herrschte kein entscheidend anderes Klima.

Der königsberger Hafen war für die wirklich moderne Schiffahrt nur begrenzt brauchbar, weil das vorgelagerte frische Haff nur wenige Meter tief ist, Schiffen mit allzu großem Tiefgang das Anlaufen also gar nicht erlaubt (weiß nicht ob man da inzwischen die Fahhrinne ausgebaggert hat, damals betrug die Tiefe teilweise 6m und weniger.

Das ist dann wirklich schon sehr sehr konstruiert.

Neben Memel gab es auch noch Danzig. Nicht mehr Ostpreußen, aber gleich nebenan. Libau und Windau liegen übrigens nicht nur weiter nördlich, sondern der Salzgehalt der Ostsee nimmt nach Osten und Norden auch immer weiter ab und die Ostsee friert dadurch schneller zu. Da könnte die unterschiedliche geographische Lage schon einen Unterschied machen.


Ich hatte allerdings nicht nach irgendwelchen Konstruktionen gefragt, sondern danach, ob du aus irgendeiner Quelle irgendelche Handfesten russischen Interessen an deutschem Territorium nachweisen kannst, die es naheglegt hätten deswegen Krieg zu führen.

Nein, kann ich nicht und Du kannst das wahrscheinlich für die französischen Gebiete, an denen Deutschland potentielles Interesse gehabt haben soll sicher auch nicht. Deshalb meinte ich ja gerade, dass man viel unterstellen kann.
 
Deutschland hätte dadurch gewinnen können, dass Russland nicht übermächtig wird.
Wäre es dadurch Vormacht auf dem Balkan zu werden ohnehin nicht geworden.
Damit hätte es sich nur Probleme eingefangen.

Schon historisch war die Angst vor einem in Zukunft übermächtigen Russland eine wichtige Motivation für Deutschland, in den Ersten Weltkrieg zu gehen, bzw. die Eskalation in der Julikrise nicht zu stoppen, weil man annahm, dass man bald keine Chance mehr haben würde, gegen Frankreich und Russland gewinnen zu können. Da konnte Deutschland kein Interesse daran haben, Russland durch freie Hand auf dem Balkan zu stärken.

Und ich frage noch einmal:

1. Welches Interesse hätte Russland haben sollen gegenn Deutschland Krieg zu führen, wenn ihm Deutschland bei seinen Zielen überhaupt nicht im Weg stand?
Diese Frage stellten sich die maßgeblichen Zeitgenossen augenscheinlich nicht und ich verstehe nicht warum. Denn eigentlich wäre es naheliegend gewesen.

Ich frage nochmal was hätte Russland von Deutschland haben wollen sollen?

500 Km Grenze weniger, was das Problem diese zu Sichern bei der Ausdehnung nicht maßgeblich behoben hätte, zumal wenn man das Territorium anderswo noch ausgedehnt hätte?

Häfen in Ostpreußen, die im Jahr ne halbe Woche weniger vereist sind, als die russischen Häfen in Lettland, wenn Deutschland ihm freie Hand hinsichtlich der Meerengen lassen würde, so dass die russischen Schwarzmeerhäfen, die so ungefähr das ganze Jahr über eisfrei sind, völlig an den Welthandel angebunden gewesen wären (der russische Exportschwerpunkt lag ja ohnehin in der Ukraine)
Verzeihung, aber das ist albern.

Eisfreie Häfen sind eine Argumentationsfigur aus der Zeit Peters des Großen, und haben mit den Realitäten von 1900 nichts mehr zu tun, Russland hat eisfreie Häfen.

Und einerseits unterstellen, Ein land könne sich massiv ausdehnen würde andererseits aber gesteigertes Intetresse an der Verkürzung seiner Grenzen haben, ist einfach eine widersprüchliche Argumentation.

Und nehmen wir z. B. mal an, Russland hätte garantiert, Österreich-Ungarns territoriale Integration zu wahren und hätte im Gegenzug von Deutschland freie Hand auf dem Balkan erhalten. Nehmen wir weiter an, im Laufe der russischen Expansion auf dem Balkan wäre es dann um Krieg mit Österreich-Ungarn gekommen. Konnte Russland dann wirklich so sicher sein, dass Deutschland zusehen würde, wie Russland Galizien und Ungarn erobert und auf

Ich frage hier nochmal, welches Interesse hätte Deutschland daran haben sollen, sich für rein österreichische Interessen am Balkan mit Russland zu schlagen?
Das ist vollkommen abwegig.

Die ganze Vorstellung, dass Deutschland Österreich als Partner unbedingt bräuchte, macht nur dann Sinn, wenn man davon ausgeht, dass Russland auf irgendelche deutschen Gebiete scharf gewesen wäre.

Aber dafür gibt es, so weit mir bekannt (lasse mich gerne eines Besseren belehren) keine belastbaren Indizien.

Ansonsten ist ganze Argumentation ist ein einzelner um sich selbst kreisender Tunnelblick:

Wir haben Ärger mit der Triple, also brauchen wir Österreich als Bündnispartner -------------------> Was hält die Tripleentente zusammen? Die russischen Großmachtsambitionen am Balkan und die Tatsache, dass Deutschland sie stützt.-----------------> Wir haben Ärger mit der Triple-Entente, also brauchen wir Österreich als Bündnispartner..........

Das Problem bei den handelnden Akteuren auf der deutschen Seite ist, dass sie versuchen Mittels des Bündnisses mit Österreich die Probleme zu bearbeiten, die maßgeblich durch das Bündnis mit Österreich hervorgerufen wurden.

Klassischer Fall von Betriebsblindheit würde ich meinen.

Deutschland hätte nicht unbedingt große Gebiete oder überhaupt etwas annektieren müssen. Deutschland hätte schon massiv profitiert, wenn Gebiete mit nicht-russischsprachiger Bevölkerung wie Finnland, das Baltikum, Polen oder die Ukraine unabhängig geworden wären.

Inwiefern hätte Deutschland davon profitiert, nachdem man mit St. Petersburg deutscherseits keine Probleme hatte und eigentlich ein gutes Einvernehmen wünschte?

Davon ab, nein, dass hätte Deutschland nicht unbedingt viel genutzt, weil es einige innenpolitische Probleme Russland gelöst und Russland damit mehr Handlungsspielräume gegeben hätte.

Deutschland konnte nach Lage der Dinge weder ein eigenständiges Polen, noch eine eigenständige Ukraine anstreben, weil es damit die Zukunft seiner eigenen Ostprovinzen zur Disposition gestellt hätte.

Die Österreicher hätten sich im Hinblick auf die Zukunft Galiziens für solches sicherlich auch nicht gerade bedankt, das wäre ein Eigentor gewesen und geeignet den eigenen Verbündeten vor den Kopf zu stoßen.

Das Resulatat, wenn man Polen oder die Ukraine befreit hätte, wäre geswesen, dass sich diese Staaten postwendend mit Russland verbündet hätten um sich die Territorien auf die sie auf Grund der Bevölkerung sonst noch hätten Anspruch erheben können bei Zeiten von Deutschland und Österreich zu holen?

Was nutzte Deutschland ein eigenständiges Finnland oder ein eigenständiges Baltikum?

Die Letten und Esten warenauf ihre 1-2% starke deutsch-baltische Oberschicht nicht so unbedingt gut zu sprechen.
Welche Veranlassung hätten diese Länder haben sollen sich besonders an Deutschland anzulehnen?

Was hätte Deutschland von einem unabhängigem Finnland gehabt?

Russland vom Imperium auf das Format eines Nationalstaats zu reduzieren hätte es Russland ermöglicht in ganz anderer Weise vor allem in Österreich die Nationalitäten gegen Wien aufzustacheln.
Eine Verhaltensweise, die es sich als Vielvölkerimperium nicht leisten konnte.

Russland diese Territorien abzunehmen hätte es in Teilen möglicherweise in seiner Enwticklung konsolidiert und sonst hätte man ihm als Akteur einige militärische Möglichkeiten genommen, dafür hätte man ihm aber die Möglichkeit der revolutionären Infektion gegeben und es für Nationalbewegungen innerhalb der eigenen Grenzen zu einem potentiellen Bündnispartner gemacht.
Das hätte die Problemlage verändert, aber nicht behoben.


Ich sehe auch nicht, dass ein unabhängiges Polen so ein großes Problem für Deutschland hätte sein sollen.

Ja, dass sah aber z.B. ein Bismarck seinerzeit anders, der sich mal furchtbar darüber aufgeregt hat, dass die liberale Presse in Deutschland auch Polen seinen Nationalstaat zugestehen wollte, weil er damit das Ende Preußens heraufziehen sah.
Die Ereignisse im Gefolge des ersten Weltkriegs zeigen uns auch eigentlich ganz gut, dass ein eigenständiges Polen für ein Deutschland, dass keine Territorien herzugeben bereit war, durchaus ein Problem war.

Du scheinst Dir hier auch selbst zu widersprechen, wenn Du annimmst, dass ein unabhängiges Polen wegen der polnischen Minderheit in Deutschland zu große Problem verursacht hätte, während Du gleichzeitig Deutschland Interesse an Gebieten mit französischer Bevölkerung unterstellst. Da hätte es ja die gleichen potentiellen Probleme gegeben, außer dass Frankreich als stärkerer Staat wesentlich eher in der Lage gewesen wäre, seine Minderheit auf deutschem Boden zu unterstützen.

Nein, das wären eben nicht die gleichen Probleme gewesen.
Knackpunkt ist einmal mehr die polnische Teilung.

Man hätte diese die polnischsprachigen Gebiete Russlands für eigenständig erklären können.
Wie hätten sich diese Staaten verhalten?
Nachdem Russland sämmtliche Territorien losgeworen wäre, auf die sie hätten Anspruch erheben können, was hätte diese Staaten auf einem pro-deutschen Kurs gegen Russland halten sollen?

Logisch wäre das Gegenteil gewesen, nämlich dass sie sich mit Russland alliieren um die restlichen Territorien, auf die sie Anspruch erheben konnten, ebenfalls noch zu erhalten.
Glaubst du die Polen hätten freiwillig auf Posen und Krakau verzichtet um den Deutschen und Österreichern einen Gefallen zu tun?
Russland hätte seinen Einfluss auf diese Gebiete sehr schnell zurück gewonnen, aber mit einem Unterschied.

So lange diese Gebiete zu Russland gehörten, hassten ihre Einwohner die russische Herrschaft und waren nicht besonders motiviert dafür, sich für irgendeinen Zaren zu schlagen.
Wären die Probleme mit Russland entfallen, hätte sich dieser Hass sehr schnell gen Westen auf die anderen Unterdrücker gerichtet und sie wären sehr motiviert gewesen da mit zu machen, wenn Russland Revanche angestrebt hätte, immerhin hätten sie dann selbst etwas zu gewinnen gehabt.



Um weiter auf den Vergleich zwischen potentiellen deutschen und französischen eroberungen zurück zu kommen, es macht schon einen massiven Unterschied, ob die betreffenden Gebiete wirtschaftlich einen tatsächlichen Gewinn dargestellt hätten und das hätte Lothringen mit seinen Erzvorkommen für Deutschland zweifellos getan, oder aber ob man wirtschaftlich unterentwickelte Gebiete erobert, in die man erst einmal massiv hineininvestieren muss um sie überhaupt auf das Durchscnittsniveau des eigenen Landes zu bringen.

Auf dem Balkan und in Anatolien gab es nichts zu erobern, dass der russischen Wirtscahft besonders geholfen hätte, zumal die eines nicht hatte, nämlich Rohstoffprobleme.
Was es auf dem Balkan und in Anatolien zu erobern gab, hätte Russlands Wirtschaft runtergezogen, nicht gestärkt.
 
Die Länge der Grenze irgendwo in Sibirien ist jetzt eher zweitrangig, da man diese nicht so stark sichern musste wie die Grenze gegen Deutschland.

Die Grenze gegen Deutschland muss man nicht besonders sichern, wenn man mit Deutschland keineschwerwiegenden Streitpunkte hat.
Wenn man allerdings welche schafft, in dem man Gebiete annektiert, dann muss man sie sichern, weil man dann Revanch fürchten muss.

Deutschland und Österreich-Ungarn hätten im Kriegsfalls, wenn sie denn nicht wie im Ersten Weltkrieg anderweitig beschäftigt gewesen wären, die Möglichkeit gehabt, von Ostpreußen und Galizien aus in Polen stationierte russische Truppen einzukesseln. Das wäre nicht mehr so ohne weiteres möglich gewesen, wenn Russland Ostpreußen und Posen besessen hätte.

Die waren aber eben einmal anderweitig beschäftigt, weil es die Triple-Entente gab.
Ich frage dich an anderer Stelle noch einmal, was hätte, wenn es die Triple-Entente nicht geben hätte Deutschland dazu veranlassen sollen gegen Russland Krieg zu führen, wo es dort nichts wirklich vorteilhaftes für sich erreichen konnte?

Sicher es hätte die grundsätzliche militärische Möglichkeit gegeben, aber wo war die politsiche Grundlage/Motivation dafür?

Die Möglichkeit hätten Deutschland und Österreich im Übrigen schon gehabt, bevor es die Triple-Entente gab. Hat die Russen damals nicht besonders beunruhigt, weil denen klar war, dass weder Östereich noch Preußen/Deutschland ein Interesse daran haben konnten, sich aus dem polnischen Teilungskonsens zu verabschieden.

Neben Memel gab es auch noch Danzig. Nicht mehr Ostpreußen, aber gleich nebenan.

Und genau so wenig garantiert ganzjährig eisfrei wie die anderen genannten Häfen.
Was darf's noch sein? Stettin? Emden?

Davon ab, ist die Frage von Eisfreien Häfen, was den Verkehr angeht, nun wirklich eine die in die Zeit vor dem Eisenbahnzeitalter gehört.
Russland brauchte für den Export seiner landwirschaftlichen Produkte keine Eisfreien Häfen, die Ernte fällt schließlich nicht in den Winter und zur Erntezeit muss man durchaus nicht mit einer Vereisung der baltischen Häfen rechnen.
Und für den weiteren Personen- und Handelsverkehr im Winter der nicht diese Massen an Tonnage benötigt, gibt es in dieser Zeit die Eisenbahn.
Was man nicht aus dem Baltikum exportieren kann bringt man eben per Bahn nach Hamburg und exportiert es von da aus. Wo ist das Problem?
Deswegen musste man anno 1900 jedenfalls keinen Krieg mehr führen.

Nein, kann ich nicht und Du kannst das wahrscheinlich für die französischen Gebiete, an denen Deutschland potentielles Interesse gehabt haben soll sicher auch nicht

Nein, kann ich nicht.
die Konstruktion eines solchen Interesses ist aber naheliegen, weil diese Territorien für Deutschland tatsächlich einige Probleme hätten lösen können.
Etwas was bei deinen unterstellten russischen Ambitionen nicht der Fall war.

Es gab im Bezug auf Russland keine schwerwiegenden Streitigkeiten also auch keine Notwendigkeit sich auf irgendwelche Revnachekriege vorzubereiten, dass ist im Westen anders.
Und Ostpreußen bot wirtschaftlich auch so gar nichts, was Russland wirklich weitergeholfen hätten, Forstwirtschaft und Milchvieh gab es im russischen Reich nun wirklich hinreichend und eisfeie Häfen (abgesehen davon, dass die preußischen damals nicht völlig eisfrei waren) sind wirklich auch in dieser Zeit ein vorsintflutliches Problem, dass durch die Eisenbahn seine Relevanz weitehend verliert.
Auch das ist im Westen anders, die entwickelte deutsche Montanindustrie konnte die Erze von denen man nicht genügend hatte und importieren musste wirklich sehr gut gebrauchen.

In diesem Sinne, ich kann das nicht belegen, aber die Untestellung macht noch einigermaßen Sinn. Deine Unterstellung, ohne dir zu nahe treten zu wollen, eher weniger.
 
Das würde ich anders sehen. Es war doch klar, dass die Schwächung Russlands durch den verlorenen Krieg nur sehr vorübergehend sein würde. Wenn Deutschland tatsächlich an französischen Gebieten interessiert gewesen wäre und dafür auch einen Krieg riskiert hatte, hätte es also quasi möglichst direkt nach dem Russisch-Japanischen Krieg zuschlagen müssen. Die Marokkokrise hätte auch einen Vorwand für einen Krieg geliefert.


Ich stimme dir zu.

Da Deutschland diese Gelegenheit nicht genutzt hatte, konnte Frankreich zum Zeitpunkt der Gründung der Triple Entente eigentlich davon ausgehen, dass auch in naher Zukunft kein Angriff Deutschlands zu erwarten war.

Das war die "Gelegenheit" schlechthin gewesen. Aber am Besten wäre es gewesen, wenn die französsiche Außenpolitik nach dem Frankfurter Frieden anders angelegt gewesen wäre. Und hier ist das eigentlich Problem zu suchen; dieser Drang zur Revanche, dieses Nichtakzeptieren können den Krieg verloren zu haben und die Provinzen zurückzuholen wollen, das wird hier schlicht übersehen und merkwürdigerweise nicht kritisiert.


ch sehe nicht, wo Deutschland Expansionsinteressen in Bezug auf Frankreich hatte.

Hattes es auch nicht. Bismarck hatte es immer wieder betont und selbst Wilhelm II. wollte eigentlich eine Verbesserung der Beziehungen zu Frankreich; aber da war eben nichts zu wollen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich frage hier nochmal, welches Interesse hätte Deutschland daran haben sollen, sich für rein österreichische Interessen am Balkan mit Russland zu schlagen?
Das ist vollkommen abwegig.

Das greift etwas zu kurz. Bismarck hatte diese Maxime in seiner Außenpolitik postuliert und sich streng daran gehalten. Er hat es die ganzen Jahre mit großer Konsequenz abgelehnt, sich von ÖU das Leitseil um den Hals werfen zu lassen.

Shinigami schrieb:
Die ganze Vorstellung, dass Deutschland Österreich als Partner unbedingt bräuchte, macht nur dann Sinn, wenn man davon ausgeht, dass Russland auf irgendelche deutschen Gebiete scharf gewesen wäre.

Aber dafür gibt es, so weit mir bekannt (lasse mich gerne eines Besseren belehren) keine belastbaren Indizien.

Ansonsten ist ganze Argumentation ist ein einzelner um sich selbst kreisender Tunnelblick:

Wir haben Ärger mit der Triple, also brauchen wir Österreich als Bündnispartner -------------------> Was hält die Tripleentente zusammen? Die russischen Großmachtsambitionen am Balkan und die Tatsache, dass Deutschland sie stützt.-----------------> Wir haben Ärger mit der Triple-Entente, also brauchen wir Österreich als Bündnispartner..........

Das Problem bei den handelnden Akteuren auf der deutschen Seite ist, dass sie versuchen Mittels des Bündnisses mit Österreich die Probleme zu bearbeiten, die maßgeblich durch das Bündnis mit Österreich hervorgerufen wurden.

Klassischer Fall von Betriebsblindheit würde ich meinen.

Der Ballhausplatz hatte unter Aehrenthal eine zunehmend selbstbewusstere Außenpolitik gefahren, da man eben wusste, das Deutschland Österreich-Ungarn benötigte und das wurde ausgenutzt.

ÖU hätte sich wohl mit Frankreich beispielsweise durchaus engagieren können; es bestanden zu Paris keine direkten Gegensätze. Das gleich galt auch für London.

Ganz so einfach war es also nicht. Wen hatte Deutschland denn noch als Verbündeten? Da war nur ÖU als verlässlicher Partner vorhanden? Italien hatte sich bereits vom Acker gemacht und auch auf Rumänien brauchte man nicht groß zu zählen.

Das Bündnis mit Österreich-Ungarn war tief in der deutschen Bevölkerung verankert und wurde von dieser entsprechend mitgetragen. Ich weiß nicht, ob man dieses so einfach über Bord werfen hätte können? Und, wer bot sich denn als Alternative an? Ich sehe da keine einzige.
 
Lieber Shinigami,
man merkt, dir brennt es unter den Fingern.
Nur du machst es den Moderatoren nicht einfach. Der Strang hat ja den Titel "Bismarcks Friedenspolitik".
Jetzt haben wir mittlerweile so ziemlich jedes Thema aus dem Zeitraum von 1850 bis 1918 auf dem Tisch.
Das ist jetzt unübersichtlich.
 
Das greift etwas zu kurz. Bismarck hatte diese Maxime in seiner Außenpolitik postuliert und sich streng daran gehalten. Er hat es die ganzen Jahre mit großer Konsequenz abgelehnt, sich von ÖU das Leitseil um den Hals werfen zu lassen.



Der Ballhausplatz hatte unter Aehrenthal eine zunehmend selbstbewusstere Außenpolitik gefahren, da man eben wusste, das Deutschland Österreich-Ungarn benötigte und das wurde ausgenutzt.

ÖU hätte sich wohl mit Frankreich beispielsweise durchaus engagieren können; es bestanden zu Paris keine direkten Gegensätze. Das gleich galt auch für London.

Ganz so einfach war es also nicht. Wen hatte Deutschland denn noch als Verbündeten? Da war nur ÖU als verlässlicher Partner vorhanden? Italien hatte sich bereits vom Acker gemacht und auch auf Rumänien brauchte man nicht groß zu zählen.

Das Bündnis mit Österreich-Ungarn war tief in der deutschen Bevölkerung verankert und wurde von dieser entsprechend mitgetragen. Ich weiß nicht, ob man dieses so einfach über Bord werfen hätte können? Und, wer bot sich denn als Alternative an? Ich sehe da keine einzige.


Ich frage an der Stelle einfach noch einmal, weil das für mich ein absoluter Knackpunkt ist:

Ich lese hier die ganze Zeit immer wieder, dass Deutschland das Bündnis mit Österreich gebraucht hätte, aber wozu?

Deutschland brauchte Österreich um militärisch der Triple-Entente paroli bieten zu können.
Gleichzeitig ist die Tatsache, dass Deutschland Österreichs Balkaninteressen stützte und Russland hier im Wege stand aber das einzige, was die Triple-Entente zusammen hielt und für Russland die militärische Zusammenarbeit mit Frankreich plausibel machte.

Einerseits sind die damals der einhelligen Überzeugung, dass sie Österreich-Ungarn um jeden Preis brauchen, andererseits wundern sie sich, dass sie die Entente nicht auseinanderbekommen, deren Existenzbedingung in dieser Form eigentlich der Zweibund ist.

Ich sehe zwar, dass die so tickten, ich bekomme aber in meinen Kopf nicht rein, warum.
Letztendlich geht die Argumentation ja dahin, dass man mit Österreich verbündet sein muss um irgendeinen Verbündeten zu haben, egal welche Probleme man sich damit aufläd.

Eigentlich hätte an dem Punkt die Überlegung einsetzen müssen, ob man denn nun mit einem Verbündeten tatsächlich unbedingt viel besser darstand als ohne, egal welche Probleme man sich dadurch zuzieht und die findet irgendwie nicht statt.
Das begreife ich nicht.

Warum brauchte es unbedingt eine bündnispolitische Alternative?
Wo genau hätte sich Deutschlands Position denn verschlechtert, wenn es mit dem Österreichischen Bündnis gleichzeitig die maßgeblichen Differenzen mit Russland liquidiert hätte?

Die ganze Vorstellung, dass man zwangsläufig irgendeinen Verbündeten bräuchte, basiert doch mehr oder minder auf der Vorstellung, dass eine Beendigung der Zusammenarbeit mit Österreich sich auf das gesamte übrige Mächtesystem nicht auswirken würde.

Woher kommt diese Vorstellung?
 
Zuletzt bearbeitet:
Davon ab, ist die Frage von Eisfreien Häfen, was den Verkehr angeht, nun wirklich eine die in die Zeit vor dem Eisenbahnzeitalter gehört.
Russland brauchte für den Export seiner landwirschaftlichen Produkte keine Eisfreien Häfen, die Ernte fällt schließlich nicht in den Winter und zur Erntezeit muss man durchaus nicht mit einer Vereisung der baltischen Häfen rechnen.
Hat denn ein Russe zur damaligen Zeit so argumentiert oder schüttelst du dir das gerade aus der Hand?

In diesem Sinne, ich kann das nicht belegen, aber die Untestellung macht noch einigermaßen Sinn. Deine Unterstellung, ohne dir zu nahe treten zu wollen, eher weniger.

Das ist jetzt aber echt ein Lacher :D
Beste Satire, köstlich!!!
 
ch frage an der Stelle einfach noch einmal, weil das für mich ein absoluter Knackpunkt ist:

Null Problem.:)

ch lese hier die ganze Zeit immer wieder, dass Deutschland das Bündnis mit Österreich gebraucht hätte, aber wozu?

Deutschland brauchte Österreich um militärisch der Triple-Entente paroli bieten zu können.
Gleichzeitig ist die Tatsache, dass Deutschland Österreichs Balkaninteressen stützte und Russland hier im Wege stand aber das einzige, was die Triple-Entente zusammen hielt und für Russland die militärische Zusammenarbeit mit Frankreich plausibel machte.

Der Zweibund hat seinen Ursprung ja in der überaus heftigen Reaktion des Zaren auf die Resultate des Berliner Kongresses. Die Stimmung zwischen Berlin und Petersburg erreichte einen Tiefpunkt. Gortschkow und der Zar waren mächtig sauer und gaben an alles und jedes Bismarck die Schuld. Vergessen wurde großzügig, das man schon vorher in London den Engländern die wesentlichen Resultate des Berlinger Kongresses konzediert hatte.
Russische Truppen marschierten an der deutschen Grenze auf. Bismarck sah sich veranlasst einen Partner für einen russischen Angriff zu suchen. Hierfür kam Österreich-Ungarn in Frage. Russland war als gewissermaßen Geburtshelfer des Zweibundes, der aber streng defensiv ausgerichtet war.

Das tat Deutschland bis 1890 gar nicht. Für die folgenden 24 Jahre mal so und mal so. Beispielsweise die Balkankriege - da erfuhr Österreich keine oder bestenfalls unwesentlich Unterstützung. Bei der Auseinandersetzung mit Serbien, Stichwort Schweinekrieg, war es Deutschland welches Wien in den Rücken fiel und Belgrad auch die Schweine abnahm. Österreich fühlte sich brüskiert.

Die militärischen Abmachung zwischen Frankreich und Russland galten eben nicht für den Balkan. Erst Poincaré war der Auffassung, ohne jede Not, Frankreichs Verpflichtung gegenüber dem Zarenreich auf den Balkanraum auszudehnen. Damit wurde natürlich auch die Gefahr eines Krieges um einiges größer.


Einerseits sind die damals der einhelligen Überzeugung, dass sie Österreich-Ungarn um jeden Preis brauchen, andererseits wundern sie sich, dass sie die Entente nicht auseinanderbekommen, deren Existenzbedingung in dieser Form eigentlich der Zweibund ist.

Deutschlands aggressives Agieren in der 1.Marokkorkrise war gewissermaßen der Lackmustest für die Entente. Es bestanden ja noch überhaupt gar keine militärischen Abmachungen und trotzdem war England entschlossen an der Seite Frankreichs zu finden. Das hatte auch seine gute Gründe. Der Zweibund hat damit eher deutlich weniger zu tun. Die Idee von einen Herrn Holstein, der meinte so die Entente wieder auseinander zu dividieren bedarf keines weiteren Kommentars.


Ich sehe zwar, dass die so tickten, ich bekomme aber in meinen Kopf nicht rein, warum.
Letztendlich geht die Argumentation ja dahin, dass man mit Österreich verbündet sein muss um irgendeinen Verbündeten zu haben, egal welche Probleme man sich damit aufläd.

Gab es denn eine Alternative? Nein! Nachdem man im AA auf leichtfertige Art und Weise und nicht immer nachvollziehbaren Argumenten den Rückversicherungsvertrag nicht verlängert hatte, sahen die Russen die Notwendigkeit, eben um in Europa nicht isoliert dazustehen, man überschätzte die Annäherung Englands an dem Dreibund deutlich, sich mit Frankreich zu engagieren. Paris gab Vollgas und machte großen Druck in Richtung Militärkonvention und war schnell erfolgreich. Die Abmachungen wurden dann im Verlauf der Jahre weiterentwickelt.

Italien hatte sich so um die Jahrhundertwende vom Dreibund eigentlich verabschiedet, in dem es sich von Frankreich einfangen ließ.

Wilhelm II. hatte es auf der monarchischen Schiene in Björkö versucht, sich mit Nikolaus zu einen Vereinbarung zu kommen. Es gelang Wilhelm II. auch Nikolaus zu überzeugen, aber in Petersburg wurde der Zar zurückgepfiffen. Es kam das Gefühl auf, eingekreist zu sein.

Mit Frankreich war eh nichts zu bewegen und für England stand die Sicherung des Empire an erster Stelle. Hier konnten nur Russland und Frankreich London das bieten, was es wollte. Außerdem stand das dämliche Flottenrüsten auch ziemlich im Wege.

Als 1907 dann der Ausgleich zwischen Russland und England vereinbart war, gab es für das Deutsche Reich nur noch Österreich-Ungarn als einzige Großmacht als verlässlichen Partner. Allein wollte man im Falle eines Krieges auf gar keine Fall da stehen.
 
Hat denn ein Russe zur damaligen Zeit so argumentiert oder schüttelst du dir das gerade aus der Hand?

Hat in der damaligen Zeit irgendein Russe irgendwas davon fabuliert, dass Russland keine eisfreien Häfen besitze?

Damit eisfreie Häfen in die Hand bekommen zu wollen, hat seinerzeit Peter der Große seine Kriege gegen das Osmanische Reich und gegen Schweden begründet.

Zu dem Zeitpunkt besaß Russland allerdings tatsächlich nur einen nennenswerten Hafen mit direkten Meereszugang und zwar Archangelsk. Liegt bekanntlich am Weißen Meer.
Und die russischen Klagen keinen eisfreien Hafen zu besitzenbezogen sich auch damals nicht darauf, dass ein Hafen mal ein paar Wochen zufrieren konnte, sondern darauf, dass Russlands einziger nennenswerter Hafen damals tatsächlich nur wenige Monate im Jahr nutzbar war und dazu weit ab von allen gängigen Verkehrsrouten.

Diese Problematik hatte sich aber bereits mit dem Frieden von Nystad am Ende des Großen nordischen Krieges, der Ingermanland und die baltischen Provinzen Schwedens in russische Hand brachte, erledigt.


Um 1900 herum verfügte Russland an einigermaßen bedeutenden Häfen über:

Ostsee:

- St. Petersburg
- Helsinki
- Viipuri
- Turku
- Vaasa
- Reval/Tallin
- Pernau
- Riga
- Windau
- Libau

Schwarzes Meer:

- Odessa
- Nikolaew/Mykolajiw
- Cherson
- Sewastopol
- Mariupol
- Berdjansk
- Rostow

Weißes Meer und Pazifik lassen wir hier mal außen vor.

Die russischen Ostseehäfen, im Besonderen die Lettischen waren den Großteil des Jahres über eisfrei und eine Garantie, dass sie ganzjährig eisfrei bleiben hätten auch die Preußischen Häfen, im Besonderen Königsberg (dass Haff friert ja gerne mal zu) nicht geboten.
Die russischen Schwerzmeerhäfen waren ganzäjhig eisfrei.

Und da der Schwerpunkt der russischen Exporte vor allem Getreide aus der Ukraine und Kohle aus der Don-Region betraf, waren hierfür ohnehin im Besonderen die Schwarzmeerhäfen maßgeblich.
Der Transport der Getreideernte und der meisten sonstigen landwirtschaftlichen Produkte erfolgte ohnehin zu Jahreszeiten, in denen selbst am Bottnischen Meerbusen mit Eis nicht zu rechnen gewesen wäre.

Und kein vernünftiger Mensch hätte auf die Idee kommen können die geförderte Kohle aus der Donregion erstmal nach Lettland oder Preußen zu transportieren um sie von da aus zu verschiffen, wenn er auch die wesentlich nähergelegenen Schwarzmeerhäfen nutzen konnte.

Wie man angesichts dessen auf die Idee kommt, dass Russland irgendein Problem mit zufrierenden Häfen gehabt hätte, dem es dadurch Ostpreußen zu annektieren hätte Abhilfe schaffen können, verstehe wer will.
Wenn du das verstehst und es mir erklären kannst, lese ich mir das sehr gerne an. ;-)

Das ist jetzt aber echt ein Lacher :D

Freut mich, dass es dich so erheitert.

Noch mehr würde mich freuen, wenn du mir erklären könntest, warum es aus französischer Sicht so abwegig hätte sein sollen die Deutschen zu verdächtigen sich bei Gelegenheit die grenznahen lothringischen Erzfelder unter den Nagel reißen zu wollen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Paris gab Vollgas und machte großen Druck in Richtung Militärkonvention und war schnell erfolgreich. Die Abmachungen wurden dann im Verlauf der Jahre weiterentwickelt.

Ja, aber für die Russen doch im Endeffekt nur so lange interessant, wie man damit rechnen musste sowohl mit Österreich, als auch mit Deutschland aneinder zu geraten.

Ich frage auch da nochmal:

Welche Motivation hätte Russland haben können militärisch weiter mit Frankreich zusammen zu arbeiten, wenn Deutschland Österreich auf dem Balkan nicht mehr unterstützte?

Russland hatte keine Interessen an deutschen Territorien und dafür mit Österreich allein fertig zu werden, brauchte es Frankreich nicht.
Was hätte ihm also das Bündnis mit Frankreich unter diesen Umständen noch geboten, außer der Gefahr von Paris in eine Auseinandersetzung mit Berlin hinein gezogen zu werden, die man in St. Petersburg in dieser Form nicht unbedingt wollte und aus der sich auch nichts gewinnen ließ, wofür man sich vorangig interessierte.

Die Vorstellung dass St. Petersburg unter diesem Umständen militärische Zusammenarbeit mit Frankreich fortgesetzt hätte, ist eigentlich abwegig.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ja, aber für die Russen doch im Endeffekt nur so lange interessant, wie man damit rechnen musste sowohl mit Österreich, als auch mit Deutschland aneinder zu geraten.

Österreich-Ungarn stand dem Zarenreich bei dessen Ambitionen auf dem Balkan und nicht zu vergessen dem Schüssel zum russischen Hause im Wege. Und hinter Wien stand das Deutsche Reich. Petersburg konnte also nicht einfach zur Tat schreiten und Wien beseitigen.

Es ist darauf hinzuweisen, das zum Zeitpunkt des Abschlusses der Militärkonvention Frankreich und Russland expansionistische Bestrebungen hatten. Giers und Lamsdorff standen mit ihrer Verneinung solcher Bestrebungen allein auf weiter Flur. Die Fraktion der Militärs, Chauvinisten und schließlich der Zar obsiegten in diesem Konflikt. Auf der Speisekarte stand u.a. der österreichische Teil Polens, natürlich die Dardanellen, Bulgarien vielleicht in einen Satelliten umfunktionieren. Aber da war eben das Hindernis namens Österreich-Ungarn.

Interessant ist, das doch der Teil der Militärkonvention, wo der Text verlangte - sofort in einem Krieg mit Deutschland einzutreten - bei einer Mobilmachung eines der Länder des Dreibundes; auch wenn Berlin selber gar nicht mobil machte. Das galt auch schon für eine Teilmobilmachung. Das ließ nichts an Klarheit zu wünschen übrig. Wichtig war also Deutschland zu bekriegen und daran hatten offenkundig beide Seiten im Falle des casu belli ein Interesse. Warum liegt auf der Hand.

Die Russen waren durchaus nicht willens nur für französische Interessen in den Krieg zu ziehen.

Vielleicht wäre es auch nicht verkehrt zu fragen, in welcher Situation sich die Russen befunden hätten, wenn sie keine Vereinbarung mit Frankreich gehabt hätten. Sie wären allein und isoliert gewesen.

Um 1890 hatte die französische Armee gegenüber der deutschen aufgeholt. General von Loe unterstrich sehr die enormen Fortschritte und urteilte, zwar wünsche Frankreich den Krieg nicht, aber man fürchte ihn auch nicht. Der Chef des russischen Generalstabes Obrutschew sah die Notwendigkeit nachzulegen, um gegenüber Deutschland und Österreich-Ungarn nicht zurückzufallen. Hierbei machte er den Zaren mit Nachdruck auf die Vorteile einer Zusammenarbeit mit Frankreich aufmerksam.

Ich hoffe, ich kann dir mit diesen Zeilen das Ganze jetzt etwas näherbringen.:)
 
Zuletzt bearbeitet:
Hat in der damaligen Zeit irgendein Russe irgendwas davon fabuliert, dass Russland keine eisfreien Häfen besitze?

Damit eisfreie Häfen in die Hand bekommen zu wollen, hat seinerzeit Peter der Große seine Kriege gegen das Osmanische Reich und gegen Schweden begründet.

Zu dem Zeitpunkt besaß Russland allerdings tatsächlich nur einen nennenswerten Hafen mit direkten Meereszugang und zwar Archangelsk. Liegt bekanntlich am Weißen Meer.
Und die russischen Klagen keinen eisfreien Hafen zu besitzenbezogen sich auch damals nicht darauf, dass ein Hafen mal ein paar Wochen zufrieren konnte, sondern darauf, dass Russlands einziger nennenswerter Hafen damals tatsächlich nur wenige Monate im Jahr nutzbar war und dazu weit ab von allen gängigen Verkehrsrouten.

Diese Problematik hatte sich aber bereits mit dem Frieden von Nystad am Ende des Großen nordischen Krieges, der Ingermanland und die baltischen Provinzen Schwedens in russische Hand brachte, erledigt.


Um 1900 herum verfügte Russland an einigermaßen bedeutenden Häfen über:

Ostsee:

- St. Petersburg
- Helsinki
- Viipuri
- Turku
- Vaasa
- Reval/Tallin
- Pernau
- Riga
- Windau
- Libau

Schwarzes Meer:

- Odessa
- Nikolaew/Mykolajiw
- Cherson
- Sewastopol
- Mariupol
- Berdjansk
- Rostow

Weißes Meer und Pazifik lassen wir hier mal außen vor.

Die russischen Ostseehäfen, im Besonderen die Lettischen waren den Großteil des Jahres über eisfrei und eine Garantie, dass sie ganzjährig eisfrei bleiben hätten auch die Preußischen Häfen, im Besonderen Königsberg (dass Haff friert ja gerne mal zu) nicht geboten.
Die russischen Schwerzmeerhäfen waren ganzäjhig eisfrei.

Und da der Schwerpunkt der russischen Exporte vor allem Getreide aus der Ukraine und Kohle aus der Don-Region betraf, waren hierfür ohnehin im Besonderen die Schwarzmeerhäfen maßgeblich.
Der Transport der Getreideernte und der meisten sonstigen landwirtschaftlichen Produkte erfolgte ohnehin zu Jahreszeiten, in denen selbst am Bottnischen Meerbusen mit Eis nicht zu rechnen gewesen wäre.

Und kein vernünftiger Mensch hätte auf die Idee kommen können die geförderte Kohle aus der Donregion erstmal nach Lettland oder Preußen zu transportieren um sie von da aus zu verschiffen, wenn er auch die wesentlich nähergelegenen Schwarzmeerhäfen nutzen konnte.

Wie man angesichts dessen auf die Idee kommt, dass Russland irgendein Problem mit zufrierenden Häfen gehabt hätte, dem es dadurch Ostpreußen zu annektieren hätte Abhilfe schaffen können, verstehe wer will.
Wenn du das verstehst und es mir erklären kannst, lese ich mir das sehr gerne an. ;-)

Peter der Große war ja nun ein ganz anderes Kaliber als Nikolaus II. .
 
Ja, aber für die Russen doch im Endeffekt nur so lange interessant, wie man damit rechnen musste sowohl mit Österreich, als auch mit Deutschland aneinder zu geraten.

Ich frage auch da nochmal:

Welche Motivation hätte Russland haben können militärisch weiter mit Frankreich zusammen zu arbeiten, wenn Deutschland Österreich auf dem Balkan nicht mehr unterstützte?

Vielleicht wäre die Zusammenarbeit mit Frankreich für Russland überflüssig geworden, wenn Deutschland und Österreich-Ungarn regelrecht verfeindet wären (aber wieso sollte das im deutschen Interesse sein) oder wenn Deutschland sich mit Russland explizit verbündet hätte (aber das wäre dann natürlich nicht gerade eine Vertrauensbildende Maßnahme gegenüber Frankreich und das war ja gerade der Grund, weshalb Du die Auflösung des Dreibundes einforderst und wieso sollte Russland Deutschland vertrauen, die gerade ihren engsten Bündnispartner im Stich gelassen haben).

Solange Deutschland gegenüber Österreich-Ungarn wohlwollende Neutralität gewahrt hätte, wäre eine Absicherung der Expansionsbestrebungen auf dem Balkan für Russland auf jeden Fall sinnvoll gewesen.

Man darf auf nicht vergessen, dass es bei der Triple Entente ja nicht nur darum ging, Deutschland im Zaum zu halten, sondern es ging auch um den Interessenausgleich zwischen den Partnern, insbesondere zwischen dem UK und Frankreich und dem UK und Russland. Die Triple Entente machte also weiter Sinn, auch wenn von Deutschland vorübergehend scheinbar weniger Gefahr ausgehen sollte.

Zwischen Frankreich und Russland gab es zwar weniger Berührungspunkte, die einen Interessenausgleich erforderten, aber ich denke, man muss die Entente da auch als Gesamtpaket sehen. Das Bündnis Russlands mit Frankreich machte es für das UK auch schwerer, mit Russland auf Konfrontationskurs zu gehen und verbesserte die Aussichten, zu einem Ausgleich zu kommen, bzw. diesen zu erhalten.

Und einen Punkt möchte ich noch mal herausstellen:

Dem Deutschen Reich und insbesondere Kaiser Wilhelm II wurde ja ohnehin schon eine teilweise erratische Außenpolitik vorgeworfen und dass man nie wirklich sicher sein konnte, woran mit Deutschland war. Da sehe ich nicht, wie es irgendwie weitergeholfen hätte, sich ohne Not von seinem engsten Verbündeten zu trennen, in der wagen Hoffnung, dadurch das französisch-russische Bündnis oder die Triple Entente zu sprengen.

Im Gegenteil musste so ein Schritt doch den Eindruck verstärken, dass Deutschland kein verlässlicher Partner ist und ständig seine Meinung ändern kann, wenn es sich dadurch einen Vorteil verspricht.
 
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