Okkultismus, Esoterik, Grenzwissenschaft und NS

hatl

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Wissenschaft, „Grenzwissenschaft“ und Heisenberg

Am 21.Juli 1938 verfasst der Reichsführer der SS Himmler zwei Briefe.
Der eine geht an Werner Heisenberg, dem führenden deutschen Physiker,
Der andere an SS-Gruppenführer (Gestapo, SD) Heydrich.

An den Heisenberg schreibt er:

Sehr geehrter Herr Professor Heisenberg !

Ich komme erst jetzt dazu Ihnen abschliessend
auf Ihren Brief vom 21.7.1937, in dem Sie sich we-
gen des Artikels im Schwarzen Korps von Prof. Stark
an mich wandten, zu antworten.
Ich habe, gerade weil Sie mir durch meine Fa-
milie empfohlen wurden, Ihren Fall besonders korrekt
und besonders scharf untersuchen lassen.
Ich freue mich, Ihnen heute mitteilen zu
können, dass ich den Angriff des Schwarzen Korps
durch seinen Artikel nicht billige und das ich unter-
bunden habe, dass ein weiterer Angriff gegen Sie er-
folgt.


Ich hoffe dass ich Sie im Herbst -aller-
dings erst sehr spät, im November oder Dezember-
einmal bei mir in Berlin sehen kann, sodass wir uns
eingehend mündlich von Mann zu Mann aussprechen kön-
nen.


Mit freundlichem Gruss und

Heil Hitler !

Ihr
H. Himmler“

Am gleichen Tag, und offensichtlich im Anschluss an den Brief an Heisenberg, schreibt der Himmler an den Heydrich folgendes:

„Lieber Heydrich!

Den sehr sachlichen und guten Bericht über
Prof. Werner Heisenberg, Leipzig, habe ich erhalten.
Ich lege Ihnen einen sehr ordentlichen Brief des
Prof. Prandtl, Göttingen, bei, dem ich sehr
beipflichten muss. Ferner lege ich Ihnen meinen Brief
an Heisenberg in Abschrift zur Kenntnisnahme bei.


Ich bitte Sie, den Reichsstudentenführer doch
den Vorschlag von Dr. Prandtl, dass Heisenberg in
der "Zeitschrift für die gesamte Naturwissenschaft"
etwas erscheinen lassen kann, sehr nahe zu legen.


Ich bitte Sie ferner, durch Six den ganzen
Fall sowohl beim Studentenbund als auch bei der
Reichsstudentenführung zu klären, da ich ebenfalls
glaube, dass Heisenberg anständig ist, und wir es
uns nicht leisten können, diesen Mann, der verhält-
nismässig jung ist und Nachwuchs heranbringen kann,
zu verlieren oder tot zu machen.


Darüber hinaus hielte ich es für gut, wenn Six
Prof. Heisenberg einmal mit Prof. Wüst zusammenbräch-
te. Leiten Sie doch diesen gesamten Schriftwechsel
Wüst zu mit der Bitte, ihn nach Kenntnisnahme den Pers
Stab wieder zurückzuschicken. Wüst soll dann versuchen,
mit Heisenberg Fühlung aufzunehmen, da wir ihn für
das Ahnenerbe, wenn es einmal eine totale Akademie
werden soll, vielleicht brauchen können und den Mann
als guten Wissenschaftler zu einer Zusammenarbeit mit
unseren Leuten von der Welteislehre bringen können.


Heil Hitler ! Ihr

gez. H. Himmler“

Kopien dieser Dokumente finden sich auf S.116 und S.119 bei Goudsmit.
Hervorhebungen sind von mir.
Es lohnt sich diese zu lesen, denn sie enthüllen Situation und Haltung deutscher Wissenschaftler,
den Aufstieg der Humbugwissenschaften (Grenzwissenschaften) und die Vorstellungswelt der Nazigrößen.


Goudsmit, Samuel A. (1996): Alsos. [Repr.]. Woodbury, NY: American Inst. of Physics (History of modern physics and astronomy, 1).
 
Was ist passiert?
Am 15. Juli 1937 veröffentlicht die SS-Zeitung „Das Schwarze Korps“ einen Artikel des Präsidenten der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt Johannes Stark. Dieser ist auch Nobelpreisträger.
Die Überschrift: Weisse Juden in der Wissenschaft.
Was er darunter versteht macht unzweideutig klar:
„Denn es ist leider so, dass die furchtbare Gefahr der Bejudung unseres öffentlichen Lebens und die Macht des jüdischen Einflusse, die der Nationalismus dämmen musste, nicht allein von dem zahlenmäßig schwachen Judentum getragen wurde, sondern in nicht geringerem Maße auch von solchen Menschen arischen Geblüts, die sich für den jüdischen Geist empfänglich zeigten und ihm hörig wurden. …..........
Der Volksmund hat für solche Bazillenträger die Bezeichnung „Weißer Jude“ geprägt, die überaus treffend ist, weil sie den Begriff des Juden über das Rassische hinaus erweitert.
…......
Wie sicher sich die „Weißen Juden“ in ihren Stellungen fühlen, beweist das Vorgehen des Professors für theoretische Physik in Leipzig, Professors Werner Heisenberg, der es 1936 zuwege brachte, in ein parteiamtliches Organ einen Aufsatz einzuschmuggeln, worin er Einstein Relativitätstheorie als „die selbstverständliche Grundlage weiterer Forschung“ erklärte ...“
https://uni-tuebingen.de/fileadmin/...Oettel/Geburt_QM/stark_weisse_juden_1937.html
(Es ist fast unglaublich, dass ein vormals anerkannter Wissenschaftler sich in solcher Weise in einem solchen Blatt äußert.)
Danach fürchtet sich Heisenberg begründet um seine Sicherheit und wendet sich an den Reichsführer der SS, mit dessen Familie er bekannt ist,
Der lässt sich Zeit, genau ein Jahr, mit seiner Antwort die Schutz verspricht und subtile Drohungen enthält.
Dem Heydrich schreibt er zeitgleich, dass es nicht klug sei den Heisenberg „tot zu machen“.
Man könne doch diesen berühmten Wissenschaftler für das Ahnenerbe und die Welteislehre gewinnen.
Auf diesem Feld sind gar wunderliche Gestalten unterwegs.
Eine recht bemerkenswerte Karriere machte u. a. dieser Herr:
https;//de.wikipedia.org/wiki/Karl_Maria_Willigut

Aus einer Psychiatrie bei Salzburg flüchtete Willigut alias Weißthor vor seiner Familie nach Deutschland und machte als "Himmlers Rasputin" Karriere in der SS wo er Brigadeführer und Mitarbeiter im Rasse- und Siedlungshauptamt machte. Willigut war am Ausbau der Wewelsburg als Kultzentrum beteiligt, und er entwarf die Totenkopfringe der SS. Willigut war auch an der Errichtung einer Abteilung für Ur- und Frühgeschichte im RuSHA beteiligt. In dieser Funktion forschte er nach dem Ur-Arier und glaubte im Irak Reste von Atlantis gefunden zu haben. Seine Abstammung führte er auf Magier von Atlantis zurück.

Im Laufe der Zeit kristallisierte sich aber heraus, dass Willigut wirklich eine heftige Klatsche hatte. Es sickerte durch, dass Willigut mehrere Jahre in der geschlossenen Psychiatrie verbracht und seine Frau 1925 ein Entmündigungsverfahren eingeleitet hatte. Zunehmend wurde Willigut als Scharlatan entlarvt. Deswegen und nicht zuletzt wegen Williguts Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit war er in der SS nicht mehr zu halten. Auch Hitler hatte öffentlich Stellung gegen Okkultismus genommen. Willigut musste daher 1939 die SS verlassen.

Himmler ließ aber den Kontakt zu Willigut nicht völlig abreißen und konsultierte ihn bei verschiedenen Gelegenheiten.
 
Der lässt sich Zeit, genau ein Jahr

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In diesem Zeit-Artikel wird darüber spekuliert, ob ein Gutachten der Universitätssternwarte Berlin-Babelsberg, das Himmler am 22. Juni 1938 zugesandt wurde, die recht späte Reaktion ausgelöst hatte. In diesem Gutachten war die von Himmler heiß geliebte Welteislehre böse verrissen worden.

Darauf reagierte Himmler (zwei Tage nach den Briefen an Heisenberg und Heydrich) wie folgt:

"Ich wiederhole an dieser Stelle noch einmal meine schon so oft gestellte Forderung, daß das Reichserziehungsministerium diese eingebildete Art der Hochschulprofessoren endlich zurückweisen möge. Es gibt so viel Dinge, die wir nicht wissen und über deren Erforschung – auch durch Laien – wir froh sein müssen. Ich darf daher bitten, dem Herrn Direktor der Sternwarte Neubabelsberg das Unmögliche seines ungezogenen Schreibens sehr eindringlich vorzuhalten und mich sowie mir unterstellte Dienststellen vor solchen Schreiben zu bewahren."

Himmler könnte sich hinter Heisenberg gestellt haben, um Philipp Lenard (den wohl schärfsten Kritiker der Welteislehre unter den Nazi-Wissenschaftler) eins auszuwischen, "sozusagen als Rache für die Schmach, die seinem geistigen Lieblingskind durch Lenard, den er wohl als Drahtzieher hinter diesen Ausfällen des Astronomen vermutete, zugefügt worden war. Somit könnte man auch die sonst etwas mysteriöse Bemerkung in Himmlers Brief an Heydrich (vom 21. Juli 1938, also zwei Tage vor dem Brief in Sachen Welteislehre) verstehen, daß Heisenberg mit '"unseren Leuten von der Welteislehre' zusammengebracht werden sollte."
 
Dem Heydrich schreibt er zeitgleich, dass es nicht klug sei den Heisenberg „tot zu machen“.
Man könne doch diesen berühmten Wissenschaftler für das Ahnenerbe und die Welteislehre gewinnen.
Auf diesem Feld sind gar wunderliche Gestalten unterwegs.
Laut Wikipedia sollen Gottfried Benn und Max Bense zeitweilig mit der wunderlichen Welteislehre sympathisiert haben, zudem soll sie in der Weimarer Zeit vorübergehend sehr populär geworden sein -- manchmal fragt man sich, ob im Lauf der Zeiten zwangsläufig jede denkbare Absurdität vorübergehend Nahrung finden muss (etwa auch die Hohlwelten) und ob das eine universale Gesetzmäßigkeit ist...;)
 
So abstrus diese Theorie ist, so gibt es doch, was die Erde (und andere Planeten) betrifft, durchaus Perioden, in der sie vollkommen zugefroren war, etwa im Präkambrium (750-580 Millionen Jahre) und vorher, was mit dem Stichwort Schneeball Erde – Wikipedia etikettiert wird.
Allerdings hat das nichts mit den abstrusen Thesen Himmlers zu tun. In der Tat finde ich die Formulierung, dass man Heisenberg nicht tot machen solle, bemerkenswert. Wollte Himmler damit andeuten, dass man ihn umbringen sollte, wäre er gerade mal nicht zufällig Heisenberg, sondern irgendein Hansel? Und das 1938? Oder wollte er ihn vielleicht nur mundtot machen?
 
Das ist lt. Wiki eine umstrittene Hypothese.
Ob die Theorie zutrifft oder nicht, kann ich nicht beurteilen. Es handelt sich aber um eine naturwissenschaftliche These, die von manchen vertreten wird und von manchen nicht, wo man Belege beibringt und kritisiert usw. Und das steht im krassen Gegensatz zum esoterischen Geschwurbel der Welteislehre.
 
Laut Wikipedia sollen Gottfried Benn und Max Bense zeitweilig mit der wunderlichen Welteislehre sympathisiert haben, zudem soll sie in der Weimarer Zeit vorübergehend sehr populär geworden sein -- manchmal fragt man sich, ob im Lauf der Zeiten zwangsläufig jede denkbare Absurdität vorübergehend Nahrung finden muss (etwa auch die Hohlwelten) und ob das eine universale Gesetzmäßigkeit ist...
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Ich denke, eine „universale Gesetzmäßigkeit“ besteht darin daran, dass unsinnige Vorstellungen keine per se schlechtere Verbreitungsfähigkeit haben.;)
(Bei dem Benn wundert mich garnix.)

Ich hab mir mal den Schmöker: Hörbiger-Fauth(Herausgeber) – Glazial-Kosmogonie – 1925, Erstausgabe 1913 angeschaut.
Kann man als PDF runterladen hier: https://archive.org/details/hoerbig...zial-kosmogonie-welteislehre-1925-823-s.-scan
Das ist eine richtig dicke Schwarte von rd. 800 Seiten mit umfangreichem Inhaltsverzeichnis, Literaturliste, Sachregister und auch mit Quellenverzeichnis.
Angereichert ist das mit zahlreichen Diagrammen und Zeichnungen.
Für einen Laien geht das ohne Weiters als Fachbuch durch.

Wenn das eine Kosmologische Theorie wäre, wie häufig wahrgenommen, dann interessiert das ja normalerweise keine alte ….,
Ist es aber nicht. Es ist „Kosmogonie“, ein Begriff den auch Rudolf Steiner benutzt, wie auch Blavatsky zuvor.
Ich versuche das mal zusammen zu bringen.
Die „Kosmogonie“ (Blavatsky, Steiner, Hörbiger) sieht das Schicksal der Menschheit in unmittelbarer Verbindung mit der Entwicklung und den Erscheinungen des Kosmos,
@Sepiola kann man das so sagen?

Die Faszination die das Buch Hörbigers ausübte ist wahrscheinlich im Zusammenhang mit der Konjuktur der Esoterik in den 20ern (und danach) zu sehen.
Denn Hörbiger erklärt ja die ganze Welt inklusive Menschwerdung, Frühgeschichte, Mythen (Atlantis), Rassespaltung, Arier, ..und auch das Wetter und Fluten und was nicht alles .. im unmittelbarem Zusammenspiel mit kosmischen Kräften.
Das ist Esoterik im kunstvollen Gewand eines wissenschaftlichen Fachbuchs.
 
Das ist eine richtig dicke Schwarte von rd. 800 Seiten mit umfangreichem Inhaltsverzeichnis, Literaturliste, Sachregister und auch mit Quellenverzeichnis.
Angereichert ist das mit zahlreichen Diagrammen und Zeichnungen.
Für einen Laien geht das ohne Weiters als Fachbuch durch.
Aber kein Laie liest sich durch diese 800 Seiten Mega-Geschwurbel durch. (Und Fachleute erst recht nicht.)

Populär wurde der Welteishumbug auch nicht durch diese Schwarte, sondern durch kompakte und leicht lesbare Büchlein von gewieften Schreibern, z. B. Hanns Fischer, Die Wunder des Welteises - Eine gemeinverständliche Einführung in die Welteislehre Hanns Hörbigers, Berlin-Wilmersdorf 1922 (104 Seiten) oder Hans Wolfgang Behm, Welteis und Weltentwicklung - Leitfaden der Hörbigerschen Welteislehre, Leipzig 1931 (47 Seiten), sowie durch Zeitschriftenartikel und Vorträge. Heute würde man haufenweise Videos produzieren und auf Youtube stellen. Bei der Vermarktung stellten sich Hörbiger und Fauth jedenfalls ziemlich clever an.

Wenn das eine Kosmologische Theorie wäre, wie häufig wahrgenommen, dann interessiert das ja normalerweise keine alte ….,
Ist es aber nicht. Es ist „Kosmogonie“, ein Begriff den auch Rudolf Steiner benutzt, wie auch Blavatsky zuvor.
Ich versuche das mal zusammen zu bringen.
Die „Kosmogonie“ (Blavatsky, Steiner, Hörbiger) sieht das Schicksal der Menschheit in unmittelbarer Verbindung mit der Entwicklung und den Erscheinungen des Kosmos,
@Sepiola kann man das so sagen?
Ich würde es nicht so sagen. Kosmogonie bezieht sich auf die Entstehung des Kosmos, ist also eigentlich ein Teilbereich der Kosmologie. Der Ausdruck wird oft im mythologischen Sinne verwendet, kann aber auch für wissenschaftliche Theorien verwendet werden.
 
Kosmogonie

Abgesehen davon gibt es haufenweise Wörter, Bezeichnungen, Namen, die "von Anfang an falsch" waren. Der Waschbär ist kein Bär, die Kartoffel ist kein Pilz, der Ginkgo verdankt seine Bezeichnung einem Lesefehler, Rio de Janeiro seinen Namen einem Irrtum.
Aus Rudolf Steiner – KOSMOGONIE - Sechster Vortrag, Paris, 30. Mai 1906
„ In der Tat unterliegen die großen Menschheitsperioden dem Einfluß
der himmlischen Umschwünge, dem Gang der Erde in Beziehung
zu Sonne und Sternen.
Diese Tatsache erklärt den Unterschied der Epochen und gibt den
Verkörperungen, die sich in jeder dieser Epochen vollziehen, einen
neuen Sinn.“

Knapper und treffender lässt sich Hörbigers „Glazial-Kosmogonie“ von 1913 kaum zusammenfassen.
Ich denke die Blavatsky (Geheimlehre) gebrauchte diesen Begriff in mindestens ähnlichem Sinn.

(..es ist halt auch mühsam sich in ganzen Quatsch einzulesen. ..die Schmerzen!
Und der Hörbiger war auch noch Maschinenbauingenieur. ..das tut weh:D.)
 
Kosmogonie


Aus Rudolf Steiner – KOSMOGONIE - Sechster Vortrag, Paris, 30. Mai 1906
„ In der Tat unterliegen die großen Menschheitsperioden dem Einfluß
der himmlischen Umschwünge, dem Gang der Erde in Beziehung
zu Sonne und Sternen.
Diese Tatsache erklärt den Unterschied der Epochen und gibt den
Verkörperungen, die sich in jeder dieser Epochen vollziehen, einen
neuen Sinn.“

Knapper und treffender lässt sich Hörbigers „Glazial-Kosmogonie“ von 1913 kaum zusammenfassen.

So ganz verstehe ich nicht, worauf Du hinauswillst. Das Steiner-Zitat scheint mir ziemlich aus dem Zusammenhang gerissen. Wenn ich Steiner richtig verstehe, rechnet er die Epochen nach Platonischen Monaten mit einer eigenwilligen Zahlensymbolik (7 x 7), das Ganze hat einen eher astrologischen Hintergrund und mit Hörbigers Phantasien über herabstürzende Eismonde nichts zu tun.


Zurück zum Thema Okkultismus, Esoterik, Grenzwissenschaft und Nationalsozialismus:

Manche führende Nazis waren überzeugte Esoteriker, andere hielten davon gar nichts. Himmler, der auf nahezu jeden Schwachsinn abfuhr, kreierte mit dem "Ahnenerbe" eine pseudowissenschaftliche Spielwiese. Die Aktivitäten reichten von harmlosen Spinnereien bis zu mörderischen "Experimenten" an KZ-Häftlingen. Als Abteilungsleiter fungierten sowohl promovierte Wissenschaftler (die sich keineswegs nur mit Unsinn befassten) wie auch Hobby- und Pseudowissenschaftler; hinter der "Abteilung für Astronomie" verbarg sich der Welteislehrer Philipp Fauth, hinter der "Abteilung für Angewandte Geologie" der Wünschelrutengänger Josef Wimmer.

Nach dem Englandflug des astrologiegläubigen Rudolf Heß gab es eine groß angelegte
Aktion gegen Geheimlehren und sogenannte Geheimwissenschaften; sie betraf "Astrologen, Okkultisten, Spiritisten, Anhänger okkulter Strahlentheorien, Wahrsager, Gesundbeter sowie Anhänger der Christian Science, der Anthroposophie, der Theosophie und der Ariosophie. Diese Personen und ihre Organisationen sollten dauerhaft ausgeschaltet werden".
Auch Himmlers Oberwünschelrutengänger Wimmer war betroffen, er beschwerte sich beim Kurator des "Ahnenerbes" Walther Wüst darüber, dass seine Wünschelruten beschlagnahmt worden waren. Er war aber auch nach 1941 weiter wünschelnd für Himmler tätig.
 
Wenn ich Steiner richtig verstehe, rechnet er die
Epochen nach Platonischen Monaten mit einer eigenwilligen Zahlensymbolik (7 x 7), das Ganze hat einen eher astrologischen Hintergrund und mit Hörbigers Phantasien über herabstürzende Eismonde nichts zu tun.

Und doch gehen beide davon aus es sei das Schicksal des Menschen sehr eng mit kosmischen Erscheinungen verbunden. Irdisches und kosmisches Schicksal sind nicht zu trennen.
Es ist m.E. kein Zufall, dass die Anhänger der Welteistheorie der Nazi-Führungskaste, auch Anhänger der Esoterik insgesamt waren, wie auch Steiners im Speziellen
Selbst Hitler äußerte seine Zustimmung zur Welteislehre. Er lies zudem die neue Reichskanzlei von
einem berühmten Pendler auf schädliche Erdstrahlen untersuchen.
Die Lehre Hörbigers, und deren Erfolg im 3. Reich, ist auch in dieser Einbettung zu sehen.

Bleibt die Frage wie Nazi-Ideologie daran andocken konnte.
Kurlander (S. 151) beschreibt das so:
„With its insane claims to constituting a grand unified, interdisciplinary theory of the universe, while
simultaneously incorporating völkisch conceptions of race, space, and Nordic mythology, World Ice Theory was the perfect exemplar of Nazi border science.“

(Als ich vor einiger Zeit, in einem ganz anderen Zusammenhang, auf die zitierten Briefe Himmlers gestoßen bin, war ich schon erstaunt.
Wie kommt der spätere Obermörder auf die Idee, man könne Heisenberg vielleicht für die Welteislehre gewinnen? Das erscheint ja zunächst komplett absurd.)

Kurlander, Eric (2017): Hitler's monsters. A supernatural history of the Third Reich. New Haven, London: Yale University Press.
 
Wie kommt der spätere Obermörder auf die Idee, man könne Heisenberg vielleicht für die Welteislehre gewinnen? Das erscheint ja zunächst komplett absurd.

Michael H. Kater, Das "Ahnenerbe" der SS 1935-1945, München 1997, versucht einen Einblick in Himmlers Denkweise zu geben. Eine Leseprobe gibt es hier. Ich zitiere einige Passagen:

Die wissenschaftliche Praxis sah für Himmler so aus: anstatt eine geisteswissenschaftliche Hypothese anhand vorhandener Fakten zu verifizieren und gegebenenfalls zu modifizieren, stellte er diese Prozedur auf den Kopf, indem er eine einmal gefaßte These, die bei ihm stets den Normen nationalsozialistischen Kalküls entsprach, wie ein feststehendes Axiom behandelte, zu dem beweiskräftige Fakten passend ausgesucht werden müßten. Tatsachen, die die These nicht zu stützen vermochten, wurden entweder ignoriert oder abgeändert.
[...]
Daraus erhellt, daß Himmler mit der herkömmlichen wissenschaftlichen Methodik nichts anzufangen wußte. Wollte er eine von ihm vertretene These bewiesen haben, so verlangte er von dem forschenden Wissenschaftler, daß er mit unermüdlichem Fleiß so lange arbeite, bis er die entsprechenden Fakten gefunden habe. [...] Falls der Wissenschaftler es dennoch wagen sollte, in die herkömmliche Forschungsmethode zu verfallen und seine These anhand der tatsächlich vorhandenen Beweismittel änderte, betrachtete Himmler die Forschung als umsonst. Für diese Art von Wissenschaftler verspürte er nur ein verachtendes Mitleid.


So war denn Himmlers Verhältnis zu Wissenschaftlern stets sehr zwiespältig. Einerseits war er naiv genug zu glauben, daß deutsche Professoren, vor denen er eine achtungsvolle Scheu empfand, sich durch seine Gunst geschmeichelt fühlen mußten. So hat er allen Ernstes verschiedentlich versucht, wirkliche Koryphäen, darunter sogar den berühmten Atomphysiker Werner Heisenberg, für seine zweckwissenschaftlichen Ziele einzuspannen, meist aber nur mit kläglichem Erfolg. Soweit Fachwissenschaftler von Rang den Denker in Himmler nicht ernst nahmen, umgab dieser sich zwangsläufig mit einer Reihe „sehr merkwürdiger Existenzen", deren Loyalität ihm gewiß war und die seine Wissenschaftsauffassung kritiklos akzeptieren. Seine Dienststelle korrespondierte mit einem opportunistischen Scharlatan namens Kirchhoff, der sich in Theorien über die künftige Einigung aller „Germanen" und über „geodätische Konstruktionen, die sich über Kontinente erstreckten", erging, und er selbst engagierte sich als privaten „Erberinnerer" einen pensionierten Obersten mit Namen Karl-Maria Wiligut [...] Diesen Narren, deren Tätigkeit hart ans Betrügerische grenzte, sprach Himmler laut überdurchschnittliche wissenschaftliche Fähigkeiten zu, da sie, anders als die Vertreter der „Schulweisheit", einen Blick für die scheinbar unwichtigen Einzelheiten der Geschichte hätten. „Es gibt viele Dinge", schrieb Himmler 1938 an den Staatsminister Wacker, „die wir nicht wissen und über deren Erforschung – auch durch Laien wir froh sein müssen."

(Den letzten Satz habe ich oben schon einmal zitiert.)

Es ist m.E. kein Zufall, dass die Anhänger der Welteistheorie der Nazi-Führungskaste, auch Anhänger der Esoterik insgesamt waren
Hörbigers "Methode des Erkenntnisgewinns" war ja zutiefst esoterisch. Intuition, Träume, Visionen, Bauchgefühl lieferten ihm die grundlegenden "Wahrheiten", auf deren Basis er weiterspekulierte. Korrekturen von fremder Seite an seiner Lehre duldete er nicht; wer ihm widersprach, der hatte halt nichts verstanden. Er war das alle überragende Genie – so sah er sich, so sahen ihn seine Anhänger. Natürlich hatten die Nazis ein Faible für den Geniekult, doch das eine, alle überragende Genie war für sie der Führer. Für andere Gurus, die blinde Gefolgschaft forderten, war letztlich kein Platz. Herman Wirth, ebenfalls ein selbsternanntes "Universalgenie", Mitbegründer und erster Präsident des "Ahnenerbe", wurde von Himmler schon nach zwei Jahren in dieser Funktion abgesägt und wenig später ganz aus dem Verein gedrängt.


Bleibt die Frage wie Nazi-Ideologie daran andocken konnte.
Kurlander (S. 151) beschreibt das so:
„With its insane claims to constituting a grand unified, interdisciplinary theory of the universe, while
simultaneously incorporating völkisch conceptions of race, space, and Nordic mythology, World Ice Theory was the perfect exemplar of Nazi border science.“
Trotzdem konnte sich die Welteislehre nie einen festen Platz in der Nazi-Ideologie sichern. Rosenberg war dagegen, Hitler hielt sich (trotz gewisser Sympathien für die Lehre) eher bedeckt, und auch Himmler wollte die Lehre nicht mehr an die große Glocke hängen.
Der Reichsführer-SS hat im übrigen 1938 dem "Ahnenerbe" für seine Arbeit an der WEL grundsätzliche Richtlinien gegeben: ganz unter Windschutz halten, in keiner Weise an die Öffentlichkeit treten und von ganz bestimmten und begrenzten Arbeitsgebieten aus eine kritische Nachprüfung der WEL anstreben.
(Schreiben des Reichsgeschäftsführers Sievers vom 7. 9. 1942, abgedruckt in: Brigitte Nagel, Die Welteislehre - Ihre Geschichte und ihre Rolle im "Dritten Reich", Stuttgart 1991, S. 183)

Nagel schreibt dazu (S. 83):
Ganz offensichtlich war also die anfängliche unkritische Begeisterung für die Welteislehre im Ahnenerbe einer differenzierteren Betrachtungsweise gewichen, zumindest bezüglich der Form, in der sich das Ahnenerbe für die Welteislehre eingesetzt hat. Vor allem erfüllte die Welteislehre nicht die Erwartungen in Bezug auf die langfristige Wettervorhersage, die jetzt, in den Kriegsjahren, so dringend gebraucht wurde. [...] Das Interesse des Ahnenerbes an der Welteislehre war also offensichtlich erlahmt. Entsprechend seiner Zielsetzung, wesentliche Forschungen zu fördern, die von der offiziellen Wissenschaft nicht anerkannt wurden, wandte es sich nun z. B. der Wünschelrutenerforschung zu. Der erste Wünschelrutenlehrgang war im Oktober 1942 abgeschlossen. Für die Zeit danach war vorgesehen, daß jedem SS-Wehrgeologentrupp ein Wünschelrutengänger beigegeben werden sollte.
 
Danke @Sepiola,

für die guten Hinweise und den Link.
Ich hab mir schon überlegt ob ich mir den Kater zulege.
(Momentan bin ich bei Corinna Treitel.)
 
Eines muss ich noch loswerden:

Und doch gehen beide davon aus es sei das Schicksal des Menschen sehr eng mit kosmischen Erscheinungen verbunden.

Der Unterschied ist: Bei Hörbiger geht es um Himmelskörper, die auf die Erde krachen und Katastrophen auslösen, bei Steiner geht es um den Einfluss der Tierkreiszeichen. Das sind einfach zwei Paar Stiefel.

Vor ein paar Tagen ließ die NASA eine Sonda mit einem Asteroiden kollidieren, damit will man herausfinden, "ob künftig möglicherweise direkt auf die Erde zurasende Asteroiden so abgelenkt werden können, dass sie an der Erde vorbeifliegen, ohne Schaden anzurichten." ("DART"-Mission: Die NASA lässt es krachen )

Die NASA beschäftigt sich also auch mit dem "Einfluss kosmischer Erscheinungen auf das Schicksal der Menschen". Ist das demnach fast dasselbe wie das Erstellen von Horoskopen?
 
Eines muss ich noch loswerden:

Der Unterschied ist: Bei Hörbiger geht es um Himmelskörper, die auf die Erde krachen und Katastrophen auslösen, bei Steiner geht es um den Einfluss der Tierkreiszeichen. Das sind einfach zwei Paar Stiefel.

Vor ein paar Tagen ließ die NASA eine Sonda mit einem Asteroiden kollidieren, damit will man herausfinden, "ob künftig möglicherweise direkt auf die Erde zurasende Asteroiden so abgelenkt werden können, dass sie an der Erde vorbeifliegen, ohne Schaden anzurichten." ("DART"-Mission: Die NASA lässt es krachen )

Die NASA beschäftigt sich also auch mit dem "Einfluss kosmischer Erscheinungen auf das Schicksal der Menschen". Ist das demnach fast dasselbe wie das Erstellen von Horoskopen?

Zur Frage : nein, natürlich nicht.
Es geht bei Hörbiger auch nicht im besonderen „ um Himmelskörper, die auf die Erde krachen und Katastrophen auslösen“, was ja den NASA-Vergleich plausibel machen würde.
Es gibt vielmehr einen permanenten 'solaren Roheiszufluss'* der unterschiedliche Ausprägungen haben kann. Von Regen, Hagel, Überschwemmungen bis zu einem Erdbeben welches durch einen Korona-Eisstrahl (S. 264) ausgelöst wird.
Und recht selten haut es auch mal einen Eismond runter, was ausreichend sein könnte um den Kontinent Atlantis zu versenken.
Dieser kosmische Einfluss wirkt stets auf das menschliche Schicksal und ist geeignet auch Epochen zu formen.
Also da ist der Hörbiger sehr viel näher am Steiner.
Der bemüht lediglich ein anderes Konstrukt um die kosmische Bindung des Menschen darzustellen.
..würd ich mal sagen und lass mich gerne korrigieren. Fang ja grad erst an mich einzulesen.

* „solarer Roheiszufluss“ .. die Sonne sendet Strahlen gefrorenen Wassereises in das All. Dieses schießt aus den Sonnenflecken. Super Idee.:D
 
Zur Frage : nein, natürlich nicht.
Es geht bei Hörbiger auch nicht im besonderen „ um Himmelskörper, die auf die Erde krachen und Katastrophen auslösen“, was ja den NASA-Vergleich plausibel machen würde.

Es sind bei Hörbiger speziell die Monde, die von der Erdanziehungskraft "eingefangen" werden (was zu Flut- und anderen Katastrophen führt), und die im Lauf der Jahrtausende immer schneller rotieren und der Erde immer näher kommen, bis sie unter ebenfalls katastrophalen Begleiterscheinungen vollends herunterstürzen. Wenn ich die Welteislehre richtig verstehe (im Original kann ich das nicht nachlesen, diese aufgeblasene Sprache ist mir eine Qual), werden dadurch die erdgeschichtlichen Epochen markiert, und der Mensch hat deren wohl auch mehrere miterlebt. Man hat seine Fossilien nur nicht gefunden, weil er schlau genug war, vor den Flutwellen rechtzeitig ins Hochgebirge auszuweichen, während z. B. der doofe Neandertaler unter den Fluten begraben wurde.

Ansonsten werden alle möglichen meteorologischen Erscheinungen durch diverse Eiszuflüsse erklärt, seien es die Zirruswölkchen, das Aprilwetter, Taifune. Und meinetwegen auch ein Erdbeben. Aber wo siehst Du da epochale Ereignisse?
 
Alles epochal. Durchgehend.
Z.B. S. 515:
"Aber nicht nur die Frage nach den Ursachen der Rassenzerspaltungen kommt hier zur aufdringlichen Beantwortung, sondern auch das Mysterium der menschlichen Nacktheit beginnt sich durch die Einführung der Kataklysmen zu lichten."
(Die "Kataklysmen" sind Flutereignisse hervorgerufen durch solaren Eisstrom.)
Jede Epoche, alles erklärt er "kosmogonisch".

..und meint überdies selbst zu epochaler Erkenntnis gelangt zu sein. :D
 
(Die "Kataklysmen" sind Flutereignisse hervorgerufen durch solaren Eisstrom.)

Wo liest Du denn das heraus? Die Kataklysmen beziehen sich auf die verschiedenen Monde: Primär-, Sekundär, Tertiär- und Quartärmond (Luna); der nächste Mond, den sich die Erde einfangen wird, wird der Mars sein.


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Hoerbiger, Hanns Und Fauth, Philipp Glazial Kosmogonie Welteislehre ( 1925, 823 S., Scan) : Hans Hörbiger Phillip Fauth : Free Download, Borrow, and Streaming : Internet Archive
 
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