Entwicklung kleinrussische Sprachen

das Dekret ist von 1720.

Das dürfte das ofterwähnte Dekret sein, vielleicht findet jemand noch irgendwo eine Übersetzung in eine moderne Sprache:
Копии Его Царскаго Величества указов, состоявшихся в 1719, и 1720 год. в Санктпетербурхѣ, в Правительствующем Сенатѣ собранны, и напечатаны Июня в 28 день, 1721 году

Ich verstehe zwar nicht viel davon, aber anscheinend geht es um den Druck kirchlicher Bücher in zwei Klosterdruckereien in Kiew/Kyjiw und Tschernigow/Tschernihiw, deren Texte mit den Moskauer Fassungen in Übereinstimmung gebracht werden sollen.

Wenn es sich um kirchliche Bücher handelt, müsste es sich um Bücher in kirchenslawischer Sprache handeln. Es geht hier also wohl um die Vereinheitlichung der kirchenslawischen Sprache, nicht um Russisch oder Ukrainisch.
 
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Es gibt einen großen Unterschied zwischen den Schriftstellern Kafka und Gogol.
Kafkas Erzählungen haftet kaum typisch jüdisches, deutsch-böhmisches oder gar tschechisches an. Die meisten seiner Erzählungen könnten genauso gut in Österreich oder im Deutschen Reich spielen. Es wird nicht explizit ausgedrückt, dass die Geschichten in Prag spielen und die Protagonisten Juden seien. Sie könnten in jeder Stadt spielen.
Bei Gogol ist jedoch ganz anders. Gogol erklärt explizit, dass seine Geschichten in Kleinrussland oder der Ukraine (dem "Grenzland") spielen.
Gogol wollte regionalpatriotische Folklore erzählen, Kafka definitiv nicht. Gogol war auch Nationalist und traf nationalistische Aussagen. Gogols Erzählungen sind ein Loblied auf Kleinrussland als Teil einer allrussischen Nation.

Ich hätte da mal eine Frage zu dem recht hohen Anteil von russischen Muttersprachlern im Donbas: Ist der darin begründet, dass das Gebiet zur Zeit der Eroberung durch Moskau nur dünn besiedelt war und dann russische Migranten ins Land geholt wurden, oder ist da wichtiger, dass in der Industrialisierung um 1900 vor allem ehemalige russische Landarbeiter in die Städte einwanderten und weniger Ukrainer, und zwar weil Landarbeit in der Ukraine wegen der hohen Bodenfruchtbakeit lukrativer war als im Rest des Reiches?
Es gibt dafür mehrere komplizierte Erklärungen, aber keine eindeutige Antwort.
Vor der russischen Eroberung war die Region dünn besiedelt. Die muslimische Bevölkerung (Tataren und andere Turkvölker) wurde durch die russische Truppen nahezu vollständig vertrieben und ist unter anderem nach Anatolien und Arabien geflohen. Die Vertreibung der Muslime aus dem Donbass und dem Nordkaukasus wurde zu einem prägenden Trauma für die sich bildende türkische Nation und die Kaukasus-Region. Stichwort Muhadschir. Das Ausmaß der Vertreibung spielt im deutschen Geschichtsbewusstsein kaum eine Rolle, ist kaum bekannt und wird im politischen Diskurs meistens ignoriert. (Nur in den unwegsamen Gebirgen der Halbinsel Krim verblieb ein kleiner Rest tatarischer Bevölkerung.)
Das nach den Kriegen entvölkerte Land wurde erstmal mit Serben und Walachen aufgesiedelt, daher die Bezeichnung Neuserbien und Slawenoserbien. Diese Migranten wurden binnen kurzer Zeit vollständig assimiliert und gingen in der allrussischen Bevölkerung auf - und zwar zu einer Zeit, als zwischen Ukrainer und Russen nicht systematisch unterschieden wurde.
Die Arbeitsmigranten die mit der Industrialisierung kamen waren teilweise auch keine ethnischen Russen oder Muttersprachler. Klar ist, dass im Verlauf des 20. Jahrhundert alle Minderheitensprachen an Bedeutung verloren haben. Das gilt insbesondere für Jiddisch.
Das Gebiet wurde als Neurussland bezeichnet und von Kleinrussland unterschieden. (hierzu auch Meyers Lexikon von 1905) Erst mit den ukrainischen Staatbildungen nach dem 1. Weltkrieg wurde das Gebiet Teil der Ukraine. Die Begriffe Kleinrussland und Ukraine sind also auch nicht immer deckungsgleich.
Ob die Bevölkerung des Donezk-Beckens mehrheitlich russischsprachig oder russisch war oder ist, ist Gegenstand politischer Diskussionen. Ich glaube man muss schon ein Sprachpurist sein, um ukrainische und russische Dialekte linguistisch zu unterscheiden.

Die Lenisierung von [g] zu [h] ist sehr auffällig - besonders bekannt durch die verschiedenen Schreibweisen der Stadt Lugansk/Luhansk.
Grotesk wird es aber, wenn man die unterschiedlichen Schreibweisen der Stadt betrachtet.
russisch Луганск
ukrainisch Луганськ
Der Unterschied ist schon offensichtlich, aber ausgerechnet der eine Konsonant, der anders ausgesprochen wird, sieht völlig gleich aus. Die unterschiedliche Aussprache des Konsanten ist nicht ablesbar. Es ist in beiden Sprachen ein г.
Die unterscheidbare Schreibweise im Russischen basiert auf der russischen Rechtsschreibreform von 1918. Damals wurde die Schreibweise wesentlich vereinfacht und viele Buchstaben vielen einfach weg.
Die ukrainische Rechtschreibung ist hingegen viel konservativer.
 
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Bei Gogol ist jedoch ganz anders. Gogol erklärt explizit, dass seine Geschichten in Kleinrussland oder der Ukraine (dem "Grenzland") spielen.
Gogol wollte regionalpatriotische Folklore erzählen, Kafka definitiv nicht. Gogol war auch Nationalist und traf nationalistische Aussagen. Gogols Erzählungen sind ein Loblied auf Kleinrussland als Teil einer allrussischen Nation.
Die ersten beiden Erzählungenbände verbinden "kleinrussische" Folklore mit dämonischer Phantastik a la Hoffmann (besonders "der Wij")
Taras Bulba bleibt historischer Roman, verarbeitet "die Kosacken", ist kein Schlüsselroman
Die Meistererzählungen (Nase, Mantel etc) spielen in Petersburg
Die Komödien (Heirat, Revisor u.a.) und sein Hauptwerk, der unvollendete Roman "die toten Seelen", spielen nicht explizit in der Ukraine, sie befassen sich satirisch-kritisch mit provinziellem Spießbürgertum (siehe Nabokov) und dem Adel.
aber Tatsache ist auch, dass Nikolai Gogol (1809-52) nicht an der "ukrainischen Nationalbewegung" teilnahm, sich nicht in oder für diese engagierte und dass diese zu seinen Lebzeiten weder verboten noch irgendwie eingeschränkt war (es war also weder subversiv noch gefährlich - das Verbot dieser Bewegung kam erst in der zweiten Hälfte des 19. Jhs., also nach Gogols Tod)
...und eine weitere Tatsache ist, dass seine literarischen Hauptwerke dezidiert keinerlei Stellung zur ukrainischen Identitätsfindung ausstrahlen. Taras Bulba ist kein Schlüsselwerk zur 1.Hälfte des 19.Jh , d.h. im historischen Sujet ist keine aktuelle "Politik" verschlüsselt (also nicht so wie in Prus' Faraon) und die Meistererzählungen wie Nase, Mantel, der Roman tote Seelen und die Komödien (Revisor etc) enthalten ebenfalls keine spezielle ukrainische Perspektive.
Als kulturelles Aushängeschild ukrainischer Identität ist Gogol sozusagen wenig hilfreich...
 
Die radikalen Repressionen der ukrainischen Sprache, Kultur, Literatur in der ersten Hälfte des 19.Jhs. sehe ich nirgendwo.
Im XVII. und XVIII. Jahrhundert waren die Grundlagen des kulturellen Lebens (ukrainische Schulen, Druckfreiheit usw.) bereits zerstört worden. Anfang des XIX. Jhds ging man also in Moskau davon aus, dass sich die Ukraine allmählich assimilieren würde, was auch teilweise bereits der Fall war. Insbesondere in den Städten (Abschaffung des Magdeburger Stadtrechts) waren Ukrainisch und Polnisch als Amtssprachen durch das Russische ersetzt worden, was automatisch die Russifizierung eines Teils der Eliten mit sich zog. So ist nichts Erstaunliches daran, dass es zu diesem Zeitpunkt keine brachialeren Gesetze gab. Sie waren schlicht nicht mehr nötig.

Sobald aber die ukrainische Romantik an Auftrieb gewann, war es vorbei mit der “Toleranz“.

Das Ukrainische war also keineswegs irgendeine beliebige
regionale Sprache, in der jeder schreiben konnte, der das wollte
sondern die Sprache des ukrainischen Volkes, das damals nach anderthalb Jahrhunderten Repression und Unterjochung bereits an einem Punkt angelangt war, der, hätte es die Nationalbewegung ab den 1840ern nicht gegeben, das Ende der ukrainischen Kultur hätte bedeuten können. Sobald diese Nationalbewegung in Schwung kam, wurden die Ukrainer erneut ihrer Sprachrechte beraubt.

Wer auf Ukrainisch schreiben wollte, musste sich überlegen ob er (durch den “niederen“ Status des Ukrainischen bedingt) seine literarische Karriere aufs Spiel setzen und/oder (durch die Assoziation mit dem Unabhängigkeitsbestreben) negatives Aufsehen bei den moskowitischen Behörden erwecken wollte.

Somit ist das nicht mit der Situation des Bairischen im Prag Kafkas oder der des Schwyzerdütschen zur Zeit Max Frischs zu vergleichen. Es war keineswegs “selbstverständlich“ dass Gogol auf Russisch schrieb. Diese Entscheidung war dem besonderen Status des Ukrainischen im Zarenreich geschuldet: anders als Max Frischs Schweiz war die Ukraine zur Zeit Gogols nicht unabhängig, dass es nur als gesprochene Sprache existierte, ohne standardisierte Nationalversion, war eine Anomalie. Das schriftliche Ukrainische (oder Westruthenische) war im 17. Jahrhundert, zum Zeitpunkt der moskowitischen Annexion, die Nationalsprache der Ukraine. Nicht das Großrussische, wie das hier von einigen angenommen wird, die vermutlich nie einen Fuß in die Ukraine gesetzt haben, was ihre Verachtung vielleicht erklärt, aber nicht entschuldigt.
Nebenbei: etliche Literaten/Künstler des 19. Jhs. hatten Probleme mit Zensur und Administration
Mit dem Unterschied dass ukrainische Literaten auch deswegen “Probleme“ bekamen, weil sie sich für die Unabhängigkeit ihrer Nation einsetzten.
Schewtschenko wurde auch nicht ins kasachische Exil (nach Sibirien wie Dostojewskis hat er es nicht geschafft) wegen des schriftstellernden Gebrauchs der ukrainischen Sprache verbannt, sondern wegen seiner Kritik an der russ. Herrschaft und wegen seiner aktiven Teilnahme in der Kyrill-Method-Bruderschaft.
Das ist schon richtig, er wurde aber ausdrücklich auch für seine Schriften verurteilt, darunter ein Satiregedicht auf Nikolaï I. (welcher ihm dann auch Schreib- und Zeichenverbot erteilte), sowie Freiheitsoden über das Kosakenhetmanat und dem Wunsch nach einer selbständigen Ukraine. Der schriftstellernde Gebrauch des Ukrainischen war zumeist ein militanter Akt: man kann das nicht einfach von dem ukrainischen Unabhängigkeitswillen trennen.
Ich verstehe zwar nicht viel davon, aber anscheinend geht es um den Druck kirchlicher Bücher in zwei Klosterdruckereien in Kiew/Kyjiw und Tschernigow/Tschernihiw, deren Texte mit den Moskauer Fassungen in Übereinstimmung gebracht werden sollen.
Ja, in der Kiewer Druckerei wurden aber nicht nur kirchliche Bücher gedruckt, sondern eine ganze Varietät an Büchern (“alle, die sie für nützlich hielt“) in verschiedenen slawischen Sprachen, von denen manche exportiert wurden.
http://litopys.org.ua/ohienko/oh14.htm
Wenn es sich um kirchliche Bücher handelt, müsste es sich um Bücher in kirchenslawischer Sprache handeln. Es geht hier also wohl um die Vereinheitlichung der kirchenslawischen Sprache, nicht um Russisch oder Ukrainisch.
In der Ukraine wurden Bücher auf Kirchenslawisch aber eben auch auf Westruthenisch (Altukrainisch) geschrieben, z.B. das Evangeliar von Peressopnyzja
Es ging hier sowohl um die Vereinheitlichung des Kirchenslawischen (in der Kiewer Lawra wurden Bücher “nach kleinrussischem Brauch“ (по малороссийскому обыкновению) gedruckt) als auch allgemein um die Druckrechte dieser Klosterdruckereien, welche bei Weitem die bedeutendsten in der Ukraine waren.

Dass sich der Streit mit Moskau also auch um den Gebrauch der Landessprache drehte, zeigt ein Brief des Moskauer Patriarchen an den Archimandriten der Kiewer Lawra-Druckerei von 1693, in dem er ein Verbot seines Vorgängers rückgängig macht (3 Jahre zuvor hatte die Moskowitische Kirche bereits versucht, gedruckte Bücher in der altukrainischen Schriftsprache zu verbieten):
Не возбраняем же вам, в типографии вашей Киево-Печерской обычных книг в чине церковном печатати, еже бы было в ползу, аще и по тоя страны наречию.
Also etwa:
Wir verbieten Euch nicht, in Eurer Kiew-Petschersker Druckerei gewöhnliche Bücher, welche von Nutzen sind, im Rahmen der Kirchenordnung zu drucken, sei es in der Sprache dieses Landes
In Peters Dekret (1720) lesen wir:
В Киево-Печерской и Черниговской типографиях вновь книг никаких, кроме церковных прежних изданий, не печатать, да и оныя церковныя старыя книги для совершеннаго согласия с великороссийскими такими ж церковными книгами справливать прежде печати, дабы никакой розни и особливаго наречия в оных не было...
In den Druckereien von Kiew-Petschersk und Tschernihiw sollen keine anderen Bücher als die früheren kirchlichen Ausgaben neu gedruckt werden, und diese alten Kirchenbücher sollen vor dem Druck auf vollkommene Übereinstimmung mit den großrussischen Kirchenbüchern derselben Art gedruckt werden, damit keine Unstimmigkeiten und keine besondere Redensart [= damit ist das Ukrainische gemeint] in ihnen vorkommen...
Im Jahr 1726 komponierte dann der Kiewer Metropolit einen Akathysten (zu Ehren der hl. Warwara) und die Kiewer Lawra-Druckerei bat darum, die Hymne drucken zu dürfen. Die Erlaubnis wurde erteilt, allerdings unter der Bedingung, dass sie “in die großrussische Sprache“ (великороссийское наречие) übersetzt wird.
Розділ XIV. Іван Огієнко. Українська церква.
 
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Also schön Shinigami. Versuchen wir es mal mit einem zivilisierten Umgangston: also dem Ton, den ich von Anfang an hier bevorzugt habe, bis du angefangen hast dich aggressiv zu verhalten. (Jeder, der die Beiträge mitverfolgt hat, wird bestätigen können dass du als erster gezündelt hast.)

Aber lassen wir das.
Ich hatte dir bereits dargelegt, wo der Unterschied liegt. Begreife das oder tue es nicht, deine Wahl.
Ich sehe nicht dass du diesen Unterschied erklärt hättest. Vielleicht habe ich es übersehen, in welchem Fall ich um Vergebung bitte. Kannst du mir vielleicht nochmal die Stelle zeigen, wo du den Unterschied erläuterst?
Wenn du es für sinnvoll hältst in den Begriff Ruthenen unter anderem auch die Krimtartaren zu inkludieren, kannst du das sehr gerne tun.
Die Krimtataren waren bis Ende des XVIII. Jahrhunderts, sofern ich mich nicht irre, unabhängig. Im XIX. Jahrhundert haben sie auch meines Wissens nicht an der ukrainischen Nationalbewegung teilgenommen. Was nichts daran ändert, dass sie heute als Teil des ukrainischen Volkes anzusehen sind (aber das ist dann wohl Tagespolitik).
Sinnvoll wäre zu erkennen, dass "Ruthenen" und "Ukrainer" nicht deckungsgleich sind, der Begriff "Ruthenen" erfasst aus Gruppen außerhalb der Ukraine und ist daher nicht geeignet Identitäten und Entwicklungen, die speziell in der Ukraine stattgefunden haben zu beschreiben und von Vorgängen außerhalb davon abzugrenzen.
Meine Güte, du bist echt hartnäckig. Wir können es auch “Westruthenisch“ nennen. Diese Karte der ostslawischen Sprachen im XIV. Jahrhundert könnte vielleicht etwas Klarheit verschaffen:
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Ostslawische Umgangssprachen:
[lila] nord-westliche
[dunkelgrün] nord-östliche
[hellgrün] zentrale
[beige-rosa] südliche
[gelb] süd-westliche

Ostslawische Schriftsprachen:
[grüne gestrichelte Linie] West-Ruthenisch (западнорусский)
[orangene gestrichelte Linie] Altrussisch (старорусский)
[blaue gestrichelte Linie] Altnowgorodisch
rot : Staatsgrenzen
Ist immer schön, wenn das Erinnerungsvermögen eines Mitdiskutanten nicht einmal bis zum Anfang der letzten Seite des Fadens zurückgreift.
Ich habe nirgends etwas von einem “kompletten“ Verbot geschrieben.
Dadurch wurde der Großteil der Bevölkerung [nicht] in seinem täglichen Leben (...) eingeschränkt (...).
Wenn Ukrainisch nicht mehr unterrichtet wird, sämtliche administrative Vorgänge auf Russisch stattzufinden haben und es verboten ist, Schriftwerke auf Ukrainisch zu drucken, dann betrifft das schon das tägliche Leben der Bevölkerung, würde ich meinen.
Ein Verbot einer bestimmten Sprache und der Versuch der Bevölkerung eine andere Sprache aufzuzwingen war das durchaus nicht
Wenn es den wichtigsten Druckereien des Landes untersagt wird, ukrainische Werke zu drucken, dann handelt es sich um ein Verbot der ukrainischen Sprache. Das ist elementarste Logik. Von einem “generellen“ oder “allgemeinen“ Verbot habe ich nie etwas geschrieben. Das war zu einer Zeit, als nur relativ wenige Schriftwerke im Umlauf waren, überhaupt nicht nötig.
So so, der Umstand, dass es sich um Hochverrat handelt, wenn jemand der sich aus freien Stücken durch Eid zur Treue gegenüber einem Staat verpflichtet hat, einen bewaffneten Aufstand gegen diesen Staat lostritt, ist also russische Propaganda.
Ja, es ist die reinste russische Propaganda. Vielleicht gehst du mal hierauf ein:
Nach diesen Verträgen versprach der Untertan dem Monarchen treue Dienste, und der Monarch verpflichtete sich, den Untertan zu verteidigen, seine Rechte und die Rechte seines Landes zu achten. Wenn der Monarch seine Pflichten vernachlässigte, hatte der Untertan das Recht, sich gegen ihn aufzulehnen.
https://web.archive.org/web/20090903124152/http://www.mazepa.name/history/stanislavsky4.html
Was im Übrigen nebenbei ja genau die Art und Weise ist, in der die Kreml-Propaganda das Vorgehen der Separatisten im Donbas 2014 zu rechtfertigen versucht hat.
Ich würde gerne darauf antworten, und dir erklären warum das nicht vergleichbar ist, nur leider ist das Tagespolitik und darf hier nicht angesprochen werden.
Ich habe ja auch mit keinem Wort behauptet, dass dieses Dekret gegen Mazepa gerichtet gewesen sei, sondern dass es sich um prävention handelte um den nächsten Mazepa zu verhindern vor dem Hintergrund der Erfahrungen in den ukrainischen Gebieten in den vergangenen Jahren.
Darum ging es dabei eben nicht, siehe mein letzter Beitrag weiter oben.
Aha. Du möchtest mir also einen Beschluss der russisch orthodoxen Kirche in ruthenischer/kleinrussischer Schriftsprache gedruckte Kirchenbücher aus der Liturgie zu werfen, als staatlich verordnetes Sprachverbot verkaufen?
In diesen Druckereien wurden nicht nur Kirchenbücher gedruckt, siehe mein letzter Beitrag weiter oben.
 
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Ich habe nirgends etwas von einem “kompletten“ Verbot geschrieben.
Ich darf da z.B. mal aus Posting #89 zitieren:
Dadurch wurde der Großteil der Bevölkerung [nicht] in seinem täglichen Leben (...) eingeschränkt (...).

Hier ist dein gesamtes Posting #89. Das erwähnte Zitat steht da nicht. Woher kommt das [nicht] in deinem scheinbaren Zitat?
Die regionalen Muttersprachen Kafkas und Frischs sind eben das: regionale Sprachen. Wir reden hier aber über die ukrainische Nationalsprache, die jahrhundertelang (zuerst) verboten, (dann) unterdrückt, verpönt und verunglimpft und (später) erneut verboten wurde.
Ist der Unterschied wirklich so schwer zu verstehen?

Meine Güte, du bist echt hartnäckig. Wir können es auch “Westruthenisch“ nennen. Diese Karte der ostslawischen Sprachen im XIV. Jahrhundert könnte vielleicht etwas Klarheit verschaffen:
Meine Kyrillisch-Kenntnisse sind nicht so super. Ich kann auf der Karte aber weder (West-)Ruthenisch noch Ukrainisch irgendwo finden. Grüneingestrichelt, in etwa da wo heute die Ukraine liegt, finde ich die Bezeichnung "Eapadnorusskija". Was willst du uns mit dieser Karte sagen? Im Übrigen ist es zweifelhaft, dass man für 1389 genaue Grenzen des ostslawischen Dialektkontinuums, von eindeutig abgrenzbaren Sprachen würde ich in dieser Zeit noch nicht reden, aufzeigen kann. Man hat damals schließlich keine Volkszählung durchführen können, um die regionalen Idiome zu katalogisieren.

Wenn Ukrainisch nicht mehr unterrichtet wird, sämtliche administrative Vorgänge auf Russisch stattzufinden haben und es verboten ist, Schriftwerke auf Ukrainisch zu drucken, dann betrifft das schon das tägliche Leben der Bevölkerung, würde ich meinen.
Wieso nicht mehr? Wann wurde denn vor der Sowjetunion Ukrainisch unterrichtet?
 
Hier ist dein gesamtes Posting #89. Das erwähnte Zitat steht da nicht. Woher kommt das [nicht] in deinem scheinbaren Zitat?
Da ist wohl irgendetwas schiefgelaufen. Das war ein Überbleibsel aus Shinigami's Beitrag, der noch in meiner Antwort stand, den ich aber inzwischen wegbearbeitet habe.
Was willst du uns mit dieser Karte sagen?
Die Schriftsprache Moskowiens im XIV. Jahrhundert bezeichnen wir als Altrussisch (oder Ost-Russisch), die Schriftsprache des Großfürstentums Litauen in den ruthenischen Gebieten um die gleiche Zeit, als West-Ruthenisch, oder West-Russisch. Die künftige Ukraine und das künftige Belarus lagen damals beide innerhalb des litauischen Staates. Das moderne Belarussische ist auch heute noch dem Ukrainischen ähnlicher, als dem Russischen. Inwiefern es im Detail betrachtet möglich oder nötig ist, das Altbelarussisch-Ruthenische vom Altukrainisch-Ruthenischen zu unterscheiden, weiß ich nicht. Meine Vermutung ist, dass es sich bis ums 17. Jahrhundert ungefähr um die gleiche Sprache gehandelt hat. Die moderne belarussische und moderne ukrainische Schriftsprache wurden dann erst im 19. Jahrhundert neugegründet.
Im Übrigen ist es zweifelhaft, dass man für 1389 genaue Grenzen des ostslawischen Dialektkontinuums, von eindeutig abgrenzbaren Sprachen würde ich in dieser Zeit noch nicht reden, aufzeigen kann. Man hat damals schließlich keine Volkszählung durchführen können, um die regionalen Idiome zu katalogisieren.
Ja, genaue Grenzen sollen das auch nicht sein. Ungefähr so wird es aber schon ausgesehen haben, würde ich meinen.
Wieso nicht mehr? Wann wurde denn vor der Sowjetunion Ukrainisch unterrichtet?
Ab dem Spätmittelalter (14. Jhd. in Galizien z.B.), in den Klosterschulen usw.
 
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Die Schriftsprache Moskowiens im XIV. Jahrhundert bezeichnen wir als Altrussisch (oder Ost-Russisch), die Schriftsprache des Großfürstentums Litauen in den ruthenischen Gebieten um die gleiche Zeit, als West-Ruthenisch, oder West-Russisch.
Dann halten wir mal fest, dass West-Russisch und Kleinrussisch historisch betrachtet weit ältere Formen sind aus denen sich später mal unter anderem auch die Ukrainische Sprache entwickelte.
 
Ich sehe nicht dass du diesen Unterschied erklärt hättest. Vielleicht habe ich es übersehen, in welchem Fall ich um Vergebung bitte. Kannst du mir vielleicht nochmal die Stelle zeigen, wo du den Unterschied erläuterst?

Du brauchst dich bei mir nicht zu entschuldigen, es würde reichen, wenn du zur Kenntnis nehmen würdest, was ich geschrieben habe.

Die Krimtataren waren bis Ende des XVIII. Jahrhunderts, sofern ich mich nicht irre, unabhängig.
Da irrst du duchaus nicht, allerdings sprachst du ja von der "gesamtukrainischen Bevölkerung".
Da wir uns ja einig waren, dass eine dezidiert fassbare Identität als "ukrainisch" zu dieser Zeit noch nicht gegeben ist, kann "gesamtukrainisch" natürlich nur eine geographische Bezeichnung sein.
Dann müsstest du in diesem Fall entweder die Krimtartarischen Gebiete aus deinem Ukraine-Begriff exkludieren oder aber behaupten auch dieser Teil der gesamtukrainischen Bevölkerung im Sinne eines geographischen Verständnisses von "Ukraine" hätte mit "ruthenisch" irgendetwas am Hut gehabt.

Ich will dir entgegen deiner Vermutung durchaus nicht verbieten das zu tun, sondern einfach nur bezweifelt haben, dass das in irgendeiner Form sinnvoll wäre.

Meine Güte, du bist echt hartnäckig. Wir können es auch “Westruthenisch“ nennen.
Ich habe dazu schon einmal geschrieben dass mir vollkommen egal ist, wie du das Kind nennst, es hebt die Abgrenzungsprobleme nicht auf.

Diese Karte der ostslawischen Sprachen im XIV. Jahrhundert.......
......... unterstreicht sehr deutlich, was ich dazu geschrieben hatte.

Das Verbreitungsgebiet des ruthenischen (grüne gestrichelte Linie) erstreckte sich nur über einen Teil der Ukraine und lag mit etwas 2/3 des umrissenen Raums außerhalb der ukranischen Gebiete, reichte dafür weit nach Belarus, in Teilen auch nach Litauen und in das Gebiet des Fürstentums Moldau hinein.

Auch gab es keinen speziellen größeren Dialekt des Ruthenischen, dessen geographische Ausdehnung in irgendeiner Form mit dem Territorium der Ukraine in besonderer Übereinstimmung sich befand, bzw. ausschließlich dort vorkam.
Die Sprecher der beiden für die Ukraine (geographisch) hauptsächlich relevanten Dialekte hatten sprachlich mehr mit den Sprechern ihres eigenen Dialekts außerhalb der ukranischen Gebiete gemein, als mit den Sprechern des jeweils anderen Dialekts innerhalb.

Insofern reichlich unsinnig, das Ruthenische zu einer Aart protoukranischen Sprache oder eine ruthenische Identität zu einer Art protoukrainischen Identität erklären zu wollen.

Da ist auf wirklich keiner Ebene irgendeine saubere Form von Abgrenzbarkeit gegeben.

Ich habe nirgends etwas von einem “kompletten“ Verbot geschrieben.

Und ich habe dir die Stellen, an denen du das nicht geschrieben hast explizit zitiert also spar dir die Albernheiten, es kann ja wirklich jeder nachlesen.

Wenn Ukrainisch nicht mehr unterrichtet wird, sämtliche administrative Vorgänge auf Russisch stattzufinden haben und es verboten ist, Schriftwerke auf Ukrainisch zu drucken, dann betrifft das schon das tägliche Leben der Bevölkerung, würde ich meinen.
Sofern wir hier von der Zeit Peter I. sprechen:

1. Das "ukrainisch" nicht mehr unterrichtet worden wäre, hätte vorausgesetzt, dass es a) so etwas wie eine entwickelte ukranische Sprache gab, was jedenfalls diskutabel wäre und b) dass es vorher jemals so etwas wie ein allgemeines Schulwesen unter staatlicher Fuchtel gegeben hätte, in dem es unterrichtet worden wäre, was es aber eben vorher nicht gab.
An dieser Stelle unsinnig so zu tun, als wäre den Bewohnern der Ukraine hier irgendetwas genommen worden.

2. Den analphabetischen Teilen der Bevölkerung und das waren 90% konnte es herzlich egal sein ob das Werk, was sie nicht lesen konnten auf russisch, kirchenslawisch, einem ruthenischen Dialekt oder kleinrussisch verfasst war, es war ihnen so oder so nicht zugänglich.

3. Die 10% der Bevölkerung, die sich leisten konnten ihre Kinder unterrichten zu lassen, konnten es sich auch leisten, einen Hauslehrer anzustellen, der den Kindern auch die lokalen dialekte in schriftlicher Form näher bringen konnte, wenn darauf Wert gelegt wurde.
Abgesehen davon, dass wer eine schulische Erziehung genießen durfte ohnehin auf eine spätere Karriere vorbereitet wurde um später avancieren zu können und zu dieser Ausbildung gehörte dann in der Regel auch die Aneignungvon relevanten Sprachkenntnissen um in die Verwaltung oder andere Formen höherer Dienste eintreten zu können.
Sprich, wer das Glück hatte eine schulische Erziehung genießen zu dürfen, bekam dabei in der Regel Kenntnisse des Russischen oder des Polnischen, je nach Landesteil durchaus vermittelt.

Insofern war davon das Leben von so ziemlich niemandem in besonderer Weise tangiert.

Entweder die Leute konnten ohnehin nicht lesen und schreiben, dann war es egal, welche Sprache sie nicht lesen konnten, oder sie konnten es, beherrschten aber auch Sprachkenntnisse im Russischen oder Polnischen, die es ihnen erlaubten diesen Beschränkungen problemlos auszuweichen, wenn sie sich nicht ohnehin im Rahmen eines sozialen Abgrenzungsbedürfnisses als Bildungselite dieser Sprachen bedienten.

Die Annahme dass das Alltagsleben dadurch massiv behindert worden wäre, setzt voraus, dass breite Schichten der Bevölkerung des Lesens und Schreibens ausschließlich in ihren jeweiligen Dialekten, oder nennen wir es mal vorsichtig einer "werdenden ukrainischen Standartsprache" (wobei das ein Widerspruch in sich ist) mächtig gewesen wären.
Dann wäre das in der Tat ein Problem gewesen, aber das war nicht der Fall.

Wenn es den wichtigsten Druckereien des Landes untersagt wird, ukrainische Werke zu drucken, dann handelt es sich um ein Verbot der ukrainischen Sprache.

Die Wiederholung einer falschen Behauptung macht sie nicht richtiger.
Es handelt sich um kein Verbot einer Sprache, es handelt sich um zensorische Einschränkung der Publikation von Druckerzeugnissen.

Ja, es ist die reinste russische Propaganda.
Nein, die Feststellung dass bewaffneter Aufstand gegen die Staatsmacht in juristischen Kategorien "Hochverrat" genannt wird, ist keine russische Propaganda, sondern eine schlichte Tatsache.

Vielleicht gehst du mal hierauf ein:
Darauf bin ich bereits eingegangen, mit meiner vorherigen Einlassung, dass Mazepa allenfalls dann ein Recht auf Hochverrat hätte haben können, wenn sich die zaristische Regierung dezidiert verbrecherisch benommen hätte, was ich bisher so nicht erkennen kann.

Wenn du anderer Meinung bist, dann möchte ich dich doch darum bitten mir mal sehr detailliert darzulegen, welche vertraglich garantierten Rechte des Kosakenhetamants (und bitte vertraglich nachweisbar garantierte Rechte, nicht eingebildete Rechte) Peter I. dezidiert verletzt haben sollte.

Die nicht näher spezifizierte Behauptung, es seien irgendwelche Rechte verletzt worden ohne das näher zu belegen, reicht da nicht hin.

Ferner wäre zu hinterfragen, ob das Verletzen solcher Rechte Mazepa ein dezidiertes Recht zum bewaffneten Aufstand gab, oder lediglich das Recht die Ausführung von Befehlen zu verweigern, auch da wäre Diskussionspotential.

Darüber hinaus wäre dann auch zu hinterfragen ob dass dann nicht auch umgekehrt gilt, denn gerade der vorausgegangene Bulawin-Aufstand und die dem vorangegangenen Probleme gingen ja wohl auch darauf zurück, dass die Kosaken sich weigerten entlaufene Leibeigene an ihre vormalige Gutsbesitzer außerhalb der Kosakengebiete auszuliefern, was sie wohl auf Grund gewisser Vereinbarungen hätten tun müssen.


Ich würde gerne darauf antworten, und dir erklären warum das nicht vergleichbar ist, nur leider ist das Tagespolitik und darf hier nicht angesprochen werden.

Och, das geht völlig unter Umschiffung der Tagespolitik.
Sag mir einfach aus welchen spezifischen Grund (und der ist bitte näher zu erläutern) du der Meinung bist, dass Mazepa ein dezidiertes Recht zum bewaffneten Aufstand gehabt habe.
Diese Frage ist in keiner Weise tagespolitisch, also kannst du sie gefahrlos beantworten.

In diesen Druckereien wurden nicht nur Kirchenbücher gedruckt, siehe mein letzter Beitrag weiter oben.
Ich sprach von deinem Verweis auf 1690, nicht von 1720.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ab dem Spätmittelalter (14. Jhd. in Galizien z.B.), in den Klosterschulen usw.

Ah, also hat die russische Politik dafür gesorgt, dass in galizischen Klosterschulen kein Ukrainisch mehr unterrichtet wurde.
Köstlich.........köstlich..........

Verrätst du uns auch wie es dazu kam, nachdem Galizien nie unter russischer Herrschaft stand und es nach deinen eigenen Worten Sprachverbote in Polen-Litauen nicht gab? ^^
Bzw. was die lokalen Verhältnisse in Galizien noch gleich mit denen der damals unter russischer Herrschaft stehenden Teile der Ukraine zu tun haben?

Außerdem wurde ab dem 14. Jahrhundert Ukrainisch unterrichtet, dass als Schriftsprache nach deinen eigenen Worten aber erst im 19. Jahrhundert aufkam.

Mag das der Beeweis für Zeitreisen sein? Man weiß es nicht.

Aber ich muss sagen deine Inkonsequenz im Umgang mit Begrifflichkeiten und Konzepten und dein permanentes Messen mit zweierlei Maß treiben inzwischen schöne Stilblüten :)
 
Im XVII. und XVIII. Jahrhundert waren die Grundlagen des kulturellen Lebens (ukrainische Schulen, Druckfreiheit usw.) bereits zerstört worden.
Das würde bedeuten, dass es im 17. und 18. Jh. einen explizit ukrainischen Kulturraum gegeben habe - ich sehe da mit Ausnahme der Saporoger Kosaken allerdings keinen solchen. Und der Herrschaftsbereich der Saporoger Kosaken umfasste nur einen eher kleinen Teil des "Grenzlands" (Ukraine)
Ansonsten befanden sich in diesem Zeitraum (alt?)ruthenisch sprechende Bevölkerungen unter verschiedenen "Fremdherrschaften" (Polen/Litauen, Österreich, peu a peu russ. Kaiserreich, osman. Reich) und ohnehin kann man die heutigen Grenzziehungen auf die wirre, wechselhafte Geschichte dieser Regionen wohl nicht anwenden.

Was mich doch stutzig gemacht hat, ist dieser Artikel:
https://de.wikipedia.org/wiki/Neurussland
"anfangs kaum bewohnt", "loca deserta", "Neuansiedlung" usw ist da zu lesen, heutige ukrainische Städte als russ. Neugründungen:
Das Land wurde an den russischen Adel verteilt, der Kolonisten aus Zentralrussland mitbrachte. Zudem wurden viele ausländische Kolonisten angeworben, überwiegend Deutsche, Serben und Griechen. Die Anzahl der Leibeigenen war geringer als in anderen Gebieten.[2] In kurzer Zeit wurden neue Städte gegründet, darunter Odessa (1794), Sewastopol, Jekaterinoslaw (heute: Dnipro), Alexandrowsk (heute: Saporischschja), Nikolajew (heute: Mykolajiw), Cherson, Mariupol und andere.
(das Zitat ist aus dem Wikipedia-Neurussland Artikel)

Ich kann und will den sachlichen Wahrheitsgehalt des zitierten Artikels weder veri- noch falsifizieren - ich führe das nur an, um auf die sehr verworrene Geschichte der Regionen, die heute zum 1991 gegründeten ukrainischen Staat gehören, aufmerksam zu machen. Meine skeptische Haltung dazu, was explizit "ukrainisch", "ukrainische Kultur" im 18.Jh. und davor betrifft, führt mich zu dem Verdacht, dass da manche Rückprojektion mit im Spiel ist; d.h. dass es heutzutage womöglich um die Konstruktion einer besonders langen, explizit ukrainischen Geschichte geht. Aber ich setze da ein großes Fragezeichen, das ist nur (m)ein skeptischer Gedanke angesichts der kaum entwirrbaren wechselhaften Geschichte. Und gerade darum halte ich das eigentliche Thema des Fadens, die historische Entwicklung der ukrainischen Sprache, für relevant (aber dazu kann ich kaum was beitragen, ich bin weder Slawist noch Sprachhistoriker)

A propos Saporoger Kosaken: die hat doch Ilja Repin kunstgeschichtlich unsterblich gemacht! Das Gemälde https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Saporoger_Kosaken_schreiben_dem_türkischen_Sultan_einen_Brief ist ein köstliches Stück "Historienmalerei"! Wird eigentlich versucht, den 1844 in Tschuhujiw geborenen Maler ebenso wie Gogol zum prominenten Aushängeschild ukrainischer Kultur zu machen?
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Das schriftliche Ukrainische (oder Westruthenische) war im 17. Jahrhundert, zum Zeitpunkt der moskowitischen Annexion, die Nationalsprache der Ukraine.
Setzt eine Nationalsprache nicht eine Nation voraus?
Gab es im 17.Jh. eine ukrainische Nation?
Gab es überhaupt den Begriff "Nation" (oder gar Nationalstaat) im heutigen Sinne im 17. Jh.?

Nicht das Großrussische, wie das hier von einigen angenommen wird, die vermutlich nie einen Fuß in die Ukraine gesetzt haben, was ihre Verachtung vielleicht erklärt, aber nicht entschuldigt.
Wozu diese böswillige Unterstellung? Niemand verachtet hier (in dieser Diskussion) irgendwen oder irgendwas!

Mit dem Unterschied dass ukrainische Literaten auch deswegen “Probleme“ bekamen, weil sie sich für die Unabhängigkeit ihrer Nation einsetzten.
Polnische, russische (sic!), ukrainische, "sibirische" Literaten, Künstler, Wissenschaftler, Militärs usw. haben "Probleme" bekommen, wenn sie sich öffentlich gegen die russische Administration und deren Vorgaben wendeten. Manche taten das und erlitten Repressalien deswegen, manche gingen ins Exil - das ist kein ukrainisches Alleinstellungsmerkmal. Damit werden die Zustände unter der russ. Fremdherrschaft z.B. in Masowien weder relativiert noch verharmlost! Es sind Fakten.
Das ist schon richtig, er wurde aber ausdrücklich auch für seine Schriften verurteilt, darunter ein Satiregedicht auf Nikolaï I. (welcher ihm dann auch Schreib- und Zeichenverbot erteilte), sowie Freiheitsoden über das Kosakenhetmanat und dem Wunsch nach einer selbständigen Ukraine.
... um auch einmal zu spekulieren: das hätte ihm dieselben Repressalien eingebracht, wenn er es statt auf ukrainisch auf russisch oder englisch oder deutsch publiziert hätte ;)
Der schriftstellernde Gebrauch des Ukrainischen war zumeist ein militanter Akt: man kann das nicht einfach von dem ukrainischen Unabhängigkeitswillen trennen.
Nein. Wo es im 19. Jh. seitens der russ. Zensur nichts "subversives, umstürzlerisches" zu beanstanden gab, da lag auch kein militanter Akt vor. Der Großteil der ukrainisch-sprachigen literarischen Romantik 1. Hälfte 19. Jh. konnte publiziert werden und war unbehelligt, sofern eben keine von der Zensur beanstandeten Passagen enthalten waren.
 
Das würde bedeuten, dass es im 17. und 18. Jh. einen explizit ukrainischen Kulturraum gegeben habe
Genau, nämlich diesen hier:
(alt?)ruthenisch sprechende Bevölkerungen unter verschiedenen "Fremdherrschaften" (Polen/Litauen, Österreich, peu a peu russ. Kaiserreich, osman. Reich
Es gibt ab dem Spätmittelalter eine identifizierbare west-ruthenische Schriftsprache, die sich von der ostruthenischen Schriftsprache unterscheidet. Mindestens ab dem XVI. Jahrhundert wurden Übersetzer benötigt, um aus der ostrussischen Sprache Moskowiens in die westrussische Sprache des Großfürstentums Litauen zu übersetzen. Das alles habe ich hier bereits mehrmals geschrieben.
Meine skeptische Haltung dazu, was explizit "ukrainisch", "ukrainische Kultur" im 18.Jh. und davor betrifft, führt mich zu dem Verdacht, dass da manche Rückprojektion mit im Spiel ist; d.h. dass es heutzutage womöglich um die Konstruktion einer besonders langen, explizit ukrainischen Geschichte geht.
Die ukrainische Sprache und Kultur sind also im XIX. Jahrhundert einfach vom Himmel gefallen.
A propos Saporoger Kosaken: die hat doch Ilja Repin kunstgeschichtlich unsterblich gemacht! Das Gemälde https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Saporoger_Kosaken_schreiben_dem_türkischen_Sultan_einen_Brief ist ein köstliches Stück "Historienmalerei"! Wird eigentlich versucht, den 1844 in Tschuhujiw geborenen Maler ebenso wie Gogol zum prominenten Aushängeschild ukrainischer Kultur zu machen?
Ja, das ist ein ziemlich geniales Bild. Und ja, natürlich war Ilja Repin Ukrainer, genau wie Chopin oder Marie Curie Polen waren. Wieso Sie das bestreiten möchten, verstehe ich ehrlich gesagt nicht.
Setzt eine Nationalsprache nicht eine Nation voraus?
Gab es im 17.Jh. eine ukrainische Nation?
Gab es überhaupt den Begriff "Nation" (oder gar Nationalstaat) im heutigen Sinne im 17. Jh.?
Aus der deutschen Version des Wiktionary:
Nation
Substantiv, f
[1] Gemeinschaft von Menschen, die durch eine gemeinsame Sprache, Kultur oder ein gemeinsames Territorium verbunden sind
[2] Politik: meist autonomes Gemeinwesen mit Institutionen, die das Zusammenleben der Menschen gewährleisten sollen
[3] umgangssprachlich: Gesamtheit der Personen, die zu einer Nation gehören
Herkunft:
im 14. Jahrhundert Entlehnung des lateinischen nātio → la „Volksstamm“[1]
Synonyme:
[1] Volk, Volksstamm, Völkerschaft
[2] Land, Staat, Staatswesen
[3] Volk
https://de.wiktionary.org/wiki/Nation

Also nochmal:

Es gab also eine ukrainische Nation im Sinne von [1], [2] und [3]. In den Stadtbüchern von Lemberg aus dem Jahr 1599 wird z.B. der Begriff »Ruthenische Nation« (Natio Ruthenica) verwendet.
Diese Nation bediente sich ostslawischer (westrussischer) Umgangssprachen sowie einer westruthenischen Schriftsprache: der Vorgängerin (im politischen Sinne) der modernen ukrainischen Schriftsprache. Es war die direkte Konsequenz der moskowitischen Repression, dass diese erste ukrainische Schriftsprache verschwand. Dieser gewaltsam herbeigeführte Kontinuitätsbruch zwischen dem 17. und dem 19. Jahrhundert bedeutet selbstverständlich nicht, dass es vor der Neugründung der ukrainischen Schriftsprache im 19. Jahrhundert keine von der ostrussischen (moskowitischen) Kultur und Sprache unterscheidbare Identität(en) auf dem Gebiet der heutigen Ukraine gegeben hätte.
Wozu diese böswillige Unterstellung? Niemand verachtet hier (in dieser Diskussion) irgendwen oder irgendwas!
Wenn Sie hier die Existenz einer ukrainischen Kultur und Sprache vor dem 19. Jhd. anzweifeln, dann kommt das bei Ukrainern wie Verachtung rüber.

Allgemein gesprochen (nicht spezifisch an Sie gerichtet):
Ich kann hier nur einmal mehr feststellen, dass sich viele Deutsche nur wenig darum kümmern, was in der weiten Welt vor sich geht. Die Wahrnehmung der deutschen Geschichtsschreibung muss nicht unbedingt deckungsgleich mit der Wahrnehmung in anderen Erdteilen sein. Und es ist arrogant und einigermaßen provinziell zu glauben, die eigene (deutsche) historiographische Wahrnehmung sei die einzig gültige, sinnvolle oder wichtige. Es ist schon ein hohes Maß an Empathielosigkeit vonnöten, um in despektierlichen, herablassenden Tönen über die ukrainische Geschichte, Sprache und Kultur zu reden – insbesondere (aber nicht nur) angesichts der aktuellen Umstände, welche-Tagespolitik-sind-und-hier-nicht-angesprochen-werden-dürfen. (Im Folgenden werde ich besagte Tagespolitik als “Du-weißt-schon-was“ bzw. “Lord Voldemort, der schwärzeste Schwarzmagier aller Zeiten“ umschreiben.)
Nein. Wo es im 19. Jh. seitens der russ. Zensur nichts "subversives, umstürzlerisches" zu beanstanden gab, da lag auch kein militanter Akt vor. Der Großteil der ukrainisch-sprachigen literarischen Romantik 1. Hälfte 19. Jh. konnte publiziert werden und war unbehelligt, sofern eben keine von der Zensur beanstandeten Passagen enthalten waren.
Ist das so? Wurde der Großteil der ukrainischsprachigen literarischen Romantik der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert unbehelligt publiziert? Ich muss gestehen, ich weiß es nicht.

Wenn dies aber der Fall war, ist es gar nicht so erstaunlich. Schließlich war die Ukraine zu diesem Zeitpunkt bereits russifiziert worden und man ging in Moskau davon aus, dass burleske Komödien in der ruthenischen “Bauernsprache“ keine Gefahr darstellten. Sobald klar wurde, dass sich die Moskowiter darin geirrt hatten, wurde die junge ukrainische Schriftsprache verboten.
 
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Ist das so? Wurde der Großteil der ukrainischsprachigen literarischen Romantik der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert unbehelligt publiziert? Ich muss gestehen, ich weiß es nicht.
.Im 19. Jahrhundert erlebte die ukrainische Kultur und damit auch ihre Literatursprache eine Blütezeit; die Entwicklung konzentrierte sich weniger auf politische als auf wissenschaftliche Themen. Literaten wie Gogol bevorzugten Russisch. Dennoch wurde 1876 aus Angst vor separatistischen Bestrebungen von Zar Alexander II. in Bad Ems auf Betreiben der zaristischen Zensurbehörde ein weitreichendes Verbot ukrainischsprachiger Publikationen ausgesprochen (Emser Erlass) mit der Begründung, dass „es keine spezielle kleinrussische Sprache gab, es nicht gibt und nicht geben kann“.
aus https://de.wikipedia.org/wiki/Ukrainische_Sprache (ich hatte das schon einmal zitiert)

Und es ist arrogant und einigermaßen provinziell zu glauben, die eigene (deutsche) historiographische Wahrnehmung sei die einzig gültige, sinnvolle oder wichtige. Es ist schon ein hohes Maß an Empathielosigkeit vonnöten, um in despektierlichen, herablassenden Tönen über die ukrainische Geschichte, Sprache und Kultur zu reden
Aus meiner Perspektive habe ich derartige Vorwürfe nicht verdient.

Da ich in diesem Faden allerdings schon mehrmals in diese Richtung verdächtigt wurde, verlasse ich diese Diskussion als aktiver Teilnehmer und werde nur noch mitlesen. Sicher entspannt das die Tonlage künftig.
 
Vielleicht habe ich Sie ja falsch verstanden? Das Problem ist nur (mal ganz davon abgesehen dass diese Sichtweise einfach falsch ist): es ist ein Gemeinplatz des großrussischen Chauvinismus, die Ukraine als “künstliches Konstrukt“ des 19. Jahrhunderts oder gar der Bolschewiken darzustellen (siehe Putin…oh nein, ich darf das hier nicht sagen, ich darf das hier nicht sagen, ich darf das hier…böser Dobby, böser Dobby *rammt wiederholt seinen Kopf gegen die Wand*)
Es ist schon ein hohes Maß an Empathielosigkeit vonnöten, um in despektierlichen, herablassenden Tönen über die ukrainische Geschichte, Sprache und Kultur zu reden
Exkurs:
Bevor mich die üblichen Verdächtigen wieder mit Tomaten bewerfen: damit meine ich nicht im Entferntesten, dass man sich niemals unter keinen Umständen über keinen einzigen Aspekt der ukrainischen Geschichte kritisch äußern dürfe. Ich meine es generell so: sich abschätzig über die Kultur anderer Menschen zu äußern, ist einfach unfein, unhöflich und unerzogen. Es mag ja sein, dass die Deutschen ihre eigene Geschichte und Kultur vielleicht nicht so wertschätzen, wie das andere tun. Das ist aber kein Grund, von anderen die gleiche (ehrlich gesagt: ungesunde) Einstellung zu verlangen.

Dass es aber in jedem Land, in jeder Kultur, in jedem Menschen ausreichend Stoff gibt, um Megatonnen oder Teratonnen von Kritik über ihnen auszuschütten, steht völlig außer Frage. Nur sollte diese Kritik so formuliert sein, dass dabei nicht der Eindruck einer generellen, “totalisierenden“, endgültigen Missachtung entsteht (wie in “die Ukraine ist ein Konstrukt des 19. Jhd“). Und bei Kulturen, die erst kürzlich ihre Emanzipation von dominanten Fremdmächten erreicht haben (oder noch mitten in diesem Emanzipationsprozess stehen), sollten wir uns nicht wundern, ein besonderes Maß an Empfindlichkeit vorzufinden.
 
Woher kommt eigentlich das "th" in (West-)Ruthenisch, wenn es doch im Original auf kyrillisch: западнорусский - Eapadno (West) russkija (Russisch?) heißt? Gleichermaßen übersetzt man ja старорусский - Staro (alt) russkija (Russisch?) auch nicht als Altruthenisch, sonst würde das ja auch implizieren, dass man im 14. Jahrhundert im Moskowiter Reich ebenfalls eine russkija-Sprache sprach.
Woher kommen also die unterschiedlichen Wahrnehmungsweisen für "russkija" in lateinischer und kyrillscher Darstellung - nämlich einmal als Ruthenisch und einmal als Russisch?

Ich hoffe, das darf man fragen, ohne dass jemand anfängt zu schmollen und mir vorwirft, ich würde die Ukrainische Sprache und Kultur verachten, sei ein großrussischer Imperialist und die Deutschen seien eh alle ach doch so provinziell und hätten keine Ahnung, was vorgeht "draußen" in der Welt.
 
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Also etwa:
In Peters Dekret (1720) lesen wir:
Peter der Große führte auch im Bereich der Sprache Reformen durch. Er ließ die kyrillischen Buchstaben vereinfachen und setzte die "bürgerliche Schrift" durch. Damit war die kirchenslawische Schrift und weltliche russische Schrift erstmals klar getrennt. Diese neue Schriftsprache trat nun in Konkurrenz zur alten Schriftsprache der Kirche. Gewissermaßen wurde Russisch 18. Jahrhundert neu erfunden.
Die Missionare Kyrill und Method hatten die kyrillische Schrift im 9. Jahrhundert entwickelt. Das Kirchenslawischwurde im Russischen Reich nicht nur als Schriftsprache, sondern auch als Liturgiesprache verwendet wurde. Kirchenslawisch war stark bulgarisch beeinflusst und hatte mit der Alltagssprache der Russen, Ruthenen usw. nicht besonders viel zu tun. Daher stellte sich hier auch immer die Frage der Übersetzung vom unverständlichen Kirchenslawisch in eine Alltagssprache.

Ruthenen

Der Begriff Ruthene geht etymologisch auf die mittelalterlichen Rus zurück und ist daher eng verwendet mit der Bezeichnung Russe. Das gleiche gilt für verwandte Begriffe wie Russinen, Reußen, Rusniaken etc.
Woher kommt eigentlich das "th" in (West-)Ruthenisch, wenn es doch im Original auf kyrillisch: западнорусский - Eapadno (West) russkija (Russisch) heißt?
Zugrunde liegt die lateinische Form "Rutheni", die im Fürstentum Litauen und später in Polen-Litauen verwendet wurde. Der genaue Grund für die Schreibweise mit "th" ist mir nicht bekannt, aber das hat sicherlich etwas mit Litauisch und Latein zu tun.
Mit den Ruthenen waren zuerst die ostslawischen Untertanen Litauens und später Polens gemeint. Zum Problem für die katholischen Herrscher wurde allerdings, dass diese Ruthenen immer noch in Tradition der Rus orthodoxe Christen waren. Der Versuch die Ruthenen zum Katholizismus zu bekehren, blieb weitgehend erfolglos. 1596 gelang mit der Kirchenunion von Brest der Kompromiss. Die Griechisch-Katholischen Kirche wurde gegründet. Die Ruthenen behielten so ihre orthodoxe ruthenische Liturgie, wurden aber dem katholischen Papst unterstellt. Ein Ruthene zeichnet sich dadurch aus, dass er eine ostslawische Sprache spricht und zumeist der griechisch-katholischen oder orthodoxen Kirche angehört.

Im Fürstentum Litauen mangelte es an Litauern und so konnte die ruthenische Sprache zur einflussreichen Kanzlei- und Hofsprache in Litauen werden. In Polnischer Zeit geriet jedoch die polnische Sprache immer mehr in den Vordergrund. Die Unterscheidung von Polen und Ruthenisch ist zum Glück ganz einfach, da Ruthenisch meistens mit kyrillischen Buchstaben geschrieben wurde und Polnisch immer in lateinischer Schrift.

Historisch wurden Schwarzruthenien, Weißruthenien und Rotruthenien unterschieden. Schwarz- und Weißruthenien liegen heute in Weißrussland. Hiervon hat sich zumindest ein Name bis heute erhalten. (Weißrussland ist eigentlich die moderne Lehnübersetzung für Belarus, auch wenn das seit ein paar Jahren aus der Mode gekommen ist. Ganz antiquiert wäre Weißruthenien oder gar Weißreußen.) Rotruthenien oder Rotrussland ist heute Teil der Ukraine.

Durch die Kirchenunion wurde auch das Gebiet der späteren Ukraine konfessionell gespalten. Der zu Polen-Litauen gehörige Teil wurde griechisch-katholisch, während das Kosakenstaat orthodox blieb. Der Konflikt zwischen den Konfessionen überlagerte die meiste Zeit den Konflikt der Nationen. In Gogols Novelle "Taras Bulba" geht es ja auch um den religiösen Konflikt zwischen orthodoxen Kosaken und ihren katholischen Feinden.
Mit den Teilungen Polens eroberte das Russiche Reich auch Teile der alten Ruthenen-Gebiete und versuchte die griechisch-katholische Bevölkerung zwangsweise der orthodoxen Kirche des Moskauer Patrichaten zu unterstellen. Das ist auch Unterdrückung, hat aber mit der Sprache und der Nation erstmal nichts zu tun. Zuvor hatte das Zarenbereich sich bereits den Kosakenstaat einverleibt und so wurden rechtsufrige und linksufrige Ukraine zusammengefügt, während andere ruthenisch besiedelt Gebiete weiterhin zu Österreich-Ungarn gehörten.

Ruthenen bzw. Russinen blieben auch nach dem 2. Weltkrieg anerkannte Minderheiten im äußersten Nordens Ungarns und der serbischen Vojvodina.
In Polen wurden die ruthenischen Minderheiten der Lemken und Bojken direkt nach dem 2. Weltkrieg zwangsweise nach Pommern, Masuren und Schlesien umgesiedelt. Ziel war es die Minderheit zu polonisieren.
In der Ukraine selbst sind ruthenische Minderheiten wie die Huzulen nicht als solche anerkannt, sondern gelten als Ukrainer. Aus ukrainischer Sicht gelten auch alle ruthenischen Gruppen in Ungarn, Serbien und Polen als Ukrainer.
 
Du brauchst dich bei mir nicht zu entschuldigen, es würde reichen, wenn du zur Kenntnis nehmen würdest, was ich geschrieben habe.
Das habe ich. Du hast erst geschrieben, dass es nicht möglich sei zu wissen, wie sich die einfachen Leute in der Ukraine des XVII. Jahrhunderts selbst genannt haben, und wir sie daher nicht Ruthenen nennen sollten. Dem steht einerseits die Meinung des Historischen Instituts der Ukraine gegenüber, die ich allerdings nicht überprüfen kann; andererseits wissen wir aber auch nicht wie sich die schriftlosen Franken des V. Jahrhunderts nannten. Wie sollen wir also diese Leute nennen?
Insofern reichlich unsinnig, das Ruthenische zu einer Aart protoukranischen Sprache oder eine ruthenische Identität zu einer Art protoukrainischen Identität erklären zu wollen.
Die Ukraine ist somit im XIX. Jahrhundert einfach vom Himmel gefallen.
Und ich habe dir die Stellen, an denen du das nicht geschrieben hast explizit zitiert also spar dir die Albernheiten, es kann ja wirklich jeder nachlesen.
Ja, es kann wirklich jeder nachlesen, dass das Wort „komplett“ oder „allgemein“ nirgendwo zu sehen ist.
Das "ukrainisch" nicht mehr unterrichtet worden wäre
…ist eine Tatsache. Das Westruthenische war eine Schriftsprache, die ab dem Spätmittelalter im Großfürstentum Litauen in Gebrauch war, bis sie im XVIII. Jahrhundert verboten wurde. Bei dem Ruthenischen handelt es sich durchaus, politisch betrachtet, um den Vorgänger sowohl des modernen Ukrainischen, als auch des modernen Belarussischen.

Dass das Westruthenische nicht identisch mit dem heutigen Ukrainischen ist, liegt auf der Hand. Das Französische des XV. Jahrhunderts ist auch nicht identisch mit dem Französischen des XX. Jahrhunderts. Dennoch kann man beides als Französisch bezeichnen. Der Kontinuitätsbruch in der westruthenisch-ukrainischen Schriftsprache bedeutet nichts anderes als dass die erste Schriftsprache der Ukraine abgestorben ist, und die zweite Schriftsprache daher kein „direkter“ Nachfolger ist. Diese zweite normierte Schriftsprache (= das moderne Ukrainische) ist ein indirekter Nachfolger, entstammt aber genau wie das Westruthenische dem Reservoir ostslawischer Dialekte, die auf dem Gebiet der Ukraine seit Jahrhunderten ununterbrochen gesprochen werden.
Die ruthenische Sprache (ruthenisch: руский языкъ, auch русский языкъ, руська мова, d. h. russische Sprache, oder проста мова, d. h. einfache Sprache oder Umgangssprache) entstand aus dem Altostslawischen und ist der Vorläufer des heutigen Ukrainischen, Belarussischen und Russinischen. Daher wird sie häufig (vor allem von Ostslawen selbst) als „Altbelarussisch“ (belarussisch старабеларуская мова) oder „Altukrainisch“ (ukrainisch староукраїнська мова), in der russischen Forschung vor allem als „Westrussisch“ (russisch западнорусский язык) bezeichnet. Der Linguist Christian Schweigaard Stang verwendete die Bezeichnung „westrussische Kanzleisprache“.
Ruthenische Sprache – Wikipedia
Entweder die Leute konnten ohnehin nicht lesen und schreiben, dann war es egal, welche Sprache sie nicht lesen konnten, oder sie konnten es, beherrschten aber auch Sprachkenntnisse im Russischen oder Polnischen, die es ihnen erlaubten diesen Beschränkungen problemlos auszuweichen, wenn sie sich nicht ohnehin im Rahmen eines sozialen Abgrenzungsbedürfnisses als Bildungselite dieser Sprachen bedienten.
Ach so, dann ist ja alles in Ordnung. Du sprichst ja auch ein bißchen Englisch: dann verbieten wir dir einfach ab jetzt, auf Deutsch zu schreiben. Nur noch auf Englisch. Deine deutsche Bauernsprache kannst du ja zuhause praktizieren.
Es handelt sich um kein Verbot einer Sprache, es handelt sich um zensorische Einschränkung der Publikation von Druckerzeugnissen.
Du bist nicht zufällig Beamter, oder?
Darauf bin ich bereits eingegangen, mit meiner vorherigen Einlassung, dass Mazepa allenfalls dann ein Recht auf Hochverrat hätte haben können, wenn sich die zaristische Regierung dezidiert verbrecherisch benommen hätte, was ich bisher so nicht erkennen kann.
Der Zar wollte die rechtsufrige Ukraine an den polnischen König verscherbeln, das Amt des Hetmans abschaffen und die Autonomie der Ukraine weiter beschneiden. Jeder für sich ein ausgezeichneter Grund, zu rebellieren.
Darüber hinaus wäre dann auch zu hinterfragen ob dass dann nicht auch umgekehrt gilt, denn gerade der vorausgegangene Bulawin-Aufstand und die dem vorangegangenen Probleme gingen ja wohl auch darauf zurück, dass die Kosaken sich weigerten entlaufene Leibeigene an ihre vormalige Gutsbesitzer außerhalb der Kosakengebiete auszuliefern, was sie wohl auf Grund gewisser Vereinbarungen hätten tun müssen.
Und jetzt halten wir mal kurz inne und fragen uns, ob wir als Menschen oder als emotionslose biologische Maschinen reflektieren und leben wollen. Du erzählst mir gerade neben anderer prorussischer historiographischer Klischees dass du die Kosaken als Verräter betrachtest, weil sie sich geweigert haben, entlaufene Leibeigene an ihre vormalige Gutsbesitzer auszuliefern. Du beziehst generell offen Stellung für den russischen Imperialismus und betest dessen Gemeinplätze herunter, weigerst dich, den ukrainischen Standpunkt auch nur in Betracht zu ziehen.

Wie ich bereits geschrieben habe, ist Geschichte kein Fantasyroman, keine tote Materie, keine sinnfreie Fiktion die unserer Unterhaltung dienen soll. Geschichte ist Fleisch und Blut – unser Blut, in einem sehr konkreten, lebendigen Sinne. Jetzt stell dir mal vor, du bist ein Kosak und du hast die Wahl, diese entlaufenen Leibeignen (das waren lebendige Menschen wie du und ich, keine Abstraktionen) auszuliefern oder nicht. Was würdest du tun?

Von deiner Antwort wird abhängen, ob wir diese Diskussion weiterführen können.
Ich sprach von deinem Verweis auf 1690, nicht von 1720.
Da geht es immer noch nicht ausschließlich um Kirchenbücher.
Ah, also hat die russische Politik dafür gesorgt, dass in galizischen Klosterschulen kein Ukrainisch mehr unterrichtet wurde.
Nein, sie hat dafür gesorgt dass in ukrainischen Klosterschulen (die gab es nicht nur in Galizien) kein Altukrainisch unterrichtet wurde.

Und ja, ich habe das Präfix bei Altukrainisch vergessen. Unverzeihlich, ich weiß. Es möge mich jemand geißeln.
Dein Versteifen auf diese haarspalterische (dabei aber weder allgemeingültige noch wirklich sachgemäße) Vorstellung von Genauigkeit erweckt bei mir den Eindruck, als hättest du kein sehr gutes Gespür für das Wesentliche.
Mag das der Beeweis für Zeitreisen sein? Man weiß es nicht.
Um Himmels Willen! Was lese ich da: etwa eine Prise Humor? Ein Quäntchen Witz? Mehr davon bitte. Ich bin sicher, du bist gar nicht so sauertöpfisch wie das hier den Eindruck macht.
 
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