Entwicklung kleinrussische Sprachen

Dieses Thema im Forum "Russland | Sowjetunion | Osteuropa" wurde erstellt von El Quijote, 14. April 2022.

  1. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    Der Punkt, um den es im Zusammenhang mit dem Schwyzerdütsch ging, war folgender:
    Du hast meine Vermutung entrüstet zurückgewiesen, aber nicht widerlegt. Jetzt würde mich aber wirklich interessieren, wie Du aus Deiner Sicht erklären würdest, warum es für Frisch selbstverständlich war, nicht in seiner Muttersprache zu schreiben.


    Vielleicht liest Du nochmal diesen Beitrag, dann wird Dir möglicherweise auffallen, dass ich auch das Russische als Dialekt bezeichnet habe.
    Die Sache mit dem Dialektkontinuum habe ich Dir schon mal anhand der romanischen Sprachen erklärt. Und der Unterschied zwischen Sprache und Dialekt findet sich bei dem Sprachwissenschaftler Max Weinreich in dem pointierten Spruch, der @Maglor als Signatur gewählt hat:

    אַ שפּראַך איז אַ דיאַלעקט מיט אַן אַרמיי און פֿלאָט
    a schprach is a dialekt mit an armej un flot

    Und das Niederländische zählt zu den niederfränkischen Dialekten und damit zum selben Dialektkontinuum wie die schwyzerdütschen Mundarten, die von der hochdeutschen Standardsprache mindestens im selben Maße abweichen.
     
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  2. Ugh Valencia

    Ugh Valencia Aktives Mitglied

    Interssant an Masepa ist, dass er bis 1707 für den Zaren gegen die Schweden kämpfte, um dann die Seiten zu wechseln und selbst in diesem Moment bezeichnete er sich nicht als Ukrainer sondern als Kleinrusse: "Moskau, das heißt die großrussische Nation, hat unsere kleinrussische Nation von jeher gehasst; in Böswilligkeit ist Moskau seit langem entschlossen, unsere Nation ins Verderben zu stürzen." Iwan Masepa – Wikipedia
     
  3. El Quijote

    El Quijote Moderator Mitarbeiter

    Soooooo, die Diskussion ist etwas hitzig geworden Vielleicht kühlen sich alle Gemüter mal wieder herunter und lesen bitte nur das, was die Diskussionsteilnehmer auch wirklich geschrieben haben und nicht, was sie da fälschlich hinein interpretieren. Dann kann die Moderation auch weiter schlafen. Tagespolitik ist natürlich trotzdem tabu, auch wenn die Moderation sich als Siebenschläfer geriert. Wer sich nicht von alleine herunterkühlen kann, mag eine neue Ice-Bucket-Challenge starten.
    Es kann jedes Mitglied wegen jeder Aussage kritisiert werden, solange dies in sachlich [und] angemessener Art und Weise geschieht.
     
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  4. Nebularis

    Nebularis Mitglied

    Ich bin der erste, der diese kleine Entgleisung bedauert. Wer jedoch die Diskussion von Anfang an mitverfolgt wird bemerkt haben, dass es zuerst Shinigami und Sepiola waren, die sich im Ton vergriffen haben. Ich habe lediglich darauf geantwortet. Ich bin von Anbeginn an respektvoll geblieben.
    Ich beharre weiterhin darauf, dass Sepiola insinuiert, ich würde seine Beiträge nicht verstehen:
    Das ist eine unterschwellige Beleidigung. Solange er solche Töne anschlägt, kann er keine Antwort von mir erwarten.

    Wenn es sich hier nicht um eine Beleidigung handelt, kann er uns gerne erklären, wie er es denn in Wirklichkeit meint.
     
  5. Nebularis

    Nebularis Mitglied

    Ja, zu dieser Zeit hatte “Kleinrusse“ noch keine pejorative Beedeutung.
     
  6. Clemens64

    Clemens64 Aktives Mitglied

    Ich hätte da mal eine Frage zu dem recht hohen Anteil von russischen Muttersprachlern im Donbas: Ist der darin begründet, dass das Gebiet zur Zeit der Eroberung durch Moskau nur dünn besiedelt war und dann russische Migranten ins Land geholt wurden, oder ist da wichtiger, dass in der Industrialisierung um 1900 vor allem ehemalige russische Landarbeiter in die Städte einwanderten und weniger Ukrainer, und zwar weil Landarbeit in der Ukraine wegen der hohen Bodenfruchtbakeit lukrativer war als im Rest des Reiches?
     
  7. Shinigami

    Shinigami Aktives Mitglied

    Es ist nur eine Vermutung, ich könnte mir aber vorstellen, dass sich im Besonderen der letzte Aspekt möglicherweise noch mit einem anderen Faktor verbunden haben mag und zwar mit der Umstrukturirung der Landwirtschaft durch die Bauernbefreiung in den 1860er Jahren.
    Möglicherweise hat diese Veränderung der Gegebenheiten in den nördlichen Gebieten für die Bauern zu nachteilhafteren Konditionen geführt oder war mit solchen verbunden, als in den südlichen Gebieten.

    Letztendlich krankte diese Reform ja daran, dass die Bauern gezwungen wurden für ihre Entalssung aus der Leibeigenschaft ihrem vormaligen Gutsherren finanzielle Entschädigung zu leisten, woran die Bauern oft über Jahrzehnte trugen und was nicht selten wegen der hohen Belastung zur Aufgabe gerade kleinerer Anbauflächen (um die finanziellen Forderungen bedienen zu können), deren Veräußerung und der Abwanderung der Bauern führte.

    Vielleicht müsste man sich da einmal anschauen ob in den nördlichen Landesteilen höhere Kompensationen für die Grundherren verlangt wurden, oder der Zuschnitt der von aus der Leibeingeschaft entlassenen Bauern bewirtschafteten Landflächen signifikant kleiner war, als in der heutigen Ukraine.

    Ob die höhere Produktivität der ukrainischen Böden sich auf den wirtschaftlichen Nutzen der Bewohner so unbedingt deutlich positiv ausgewirkt hat, weiß ich nicht, denn mit der größeren Produktionsmenge verfielen ja auch die Preise.
    Das mochte in der Zeit der Freihandelsordnung des 19. Jahrhunderts noch nicht die große Rolle gespielt haben, spätestens aber mit dem Aufkommen von Schutzzöllen gegen russische Agrarprodukte in Europa dürfte das auch zu Absatzproblemen geführt haben, während im Hinblick auf den innerrussischen Markt die Ukraine als periphere Region vor dem Problen relativ hoher Transportkosten vergleichen mit den Erzeugnissen aus der Zentralregion stand, die einen Teil der höheren Bodenproduktivität wieder egalisieren musste.

    Natürlich half die höhere Produktion in Subsistenzfragen, ob sie aber in Fragen finanziellen Profits und im Hinblick auf steuerliche Belange (auch da ist der Nichtabsatz von Produkten ein Problem) von Vorteil war, weiß ich nicht.
    Ich würde es nicht unbedingt voraussetzen wollen.

    Der Wiederspruch am Interesse an einer allgemein erhöhten Produktion aus volkswirtschaftlicher Sicht und dem Desinteresse daran aus betriebswirtschaftlicher Sicht (Konkurrenzdruck, Absatzprobleme) etc. ist ja im Grunde genommen genau die Problematik an der später die Agrarpolitik der Bolschewiki und der Kommunistischen Partei scheiterte und warum das Interesse sich freiwillig in einer Produktionsgenossenschaft zu organisieren relativ gering blieb.
     
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  8. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    Das ist sachlich falsch, es geht nicht um "meine Beiträge" als solche, sondern lediglich um die Ansicht, es sei für Schriftsteller wie Frisch, Gogol oder auch Kafka selbstverständlich, dass sie ihre Werke in der jeweiligen überregionalen Schriftsprache verfassen statt in ihrer eigentlichen regionalen Muttersprache. Ob Du das verstehst oder nicht, weiß ich nicht, das kannst nur Du selber klären.

    Im übrigen verstehe ich auch nicht immer alles. Zum Beispiel, dass Du immer meinst, ich hielte Ukrainisch für einen Dialekt des Russischen.

    Das hatten wir früher schon, in einem Thread, wo ich mich überhaupt nicht über das Ukrainische geäußert habe.
     
  9. Nebularis

    Nebularis Mitglied

    Die regionalen Muttersprachen Kafkas und Frischs sind eben das: regionale Sprachen. Wir reden hier aber über die ukrainische Nationalsprache, die jahrhundertelang (zuerst) verboten, (dann) unterdrückt, verpönt und verunglimpft und (später) erneut verboten wurde.
    Ist der Unterschied wirklich so schwer zu verstehen?
     
    Zuletzt bearbeitet: 31. Oktober 2022
  10. Clemens64

    Clemens64 Aktives Mitglied

    Im Prinzip bringt halt ein marktwirtschaftliches System private und öffentliche Ziele besser zur Deckung als eine Planwirtschaft, weshalb letztere nicht mehr praktiziert wird. Aber wie das genau in der ukrainischen Landwirtschaft vor 1917 war, das weiß man nur nach Studium der einschlägigen Literatur, die es sicher geben wird.
     
  11. Shinigami

    Shinigami Aktives Mitglied

    Es wäre ja ganz nett, wenn du dich nicht fortwährend in Sinnverdrehungen ergehen würdest.

    - Bei Atzteken wäre ich überfragt, weil ich in der Forschungsliteratur zum präkolumbischen Mesoamerika absolut nicht drinn bin und sich meine Kenntnisse über atztekische und Maya-Kultur darauf beschränken meine Nase mal in 2-3 Einführungswerke gesteckt zu haben.
    Ob sich aus der Überlieferung der dortigen Kulturen und Sprachen herleiten lässt, mit welchen Begriffen genau sich diese Kulturen identifizierten, entzieht sich meiner Kenntnis, auf dem Gebiet bin ich nicht satisfaktionsfähig.

    - Im Bezug auf Franken wissen wir, dass sich jedenfalls die Eliten in dieser Form definiert haben mögen, für die einfache Bevölkerung fehlt im frühen Mittelalter schlicht und ergreifend die Quellenlage, was die Situation grundsätzlich von der Frage einer "kleinrussischen" Identität unterscheidet, davon einmal abgesehen fehlen hier schlicht überlieferte Konkurrenzbeegriffe, die eine Diskussion darum sinnvoll machen könnten.

    Im Fall möglicher kleinrussischer Selbstidentitäten, ist der Begriff einer möglichen Selbstidentität aber überliefert und das in einer wesentlich höheren Quellendichte, als im Frühmittelalter, und zwar in einer Form, dass die Überlieferung keine reine Überlieferung der Sicht der Herrschaftselite mehr ist, sondern zunehmend auch Blickwinkel des Bildungs- und Wirtschaftsbürgertums darin Eingang gefunden haben.
    Sicherlich nicht in dem Maße, dass man solche Identifikationen mal eben pars pro toto auf die unteren gesellschaftlichen Schichten übertragen oder irgendwelche "Mehrheiten" sauber identifizieren könnte, im Vergleich zum Frühmittelalter und seinen Umständen ist das Spektrum allerdings deutlich geweitet.


    Zurück zur Kategorie "Ruthenisch":

    - Du versuchst einmal mehr das Faktum der Betrachtung der Kategorie "kleinrussisch", als durchaus gängige Selbstidentifikation auszublenden.
    In dem Moment, in dem das in der Überlieferung gegeben ist, genügt es selbstverständlich nicht mehr, dass einfach ignorieren und mit der Behauptung es handle sich um "Ruthenen" oder "ruthenische Sprache" abbügeln zu wollen.

    - Du ignorierst nach wie vor, auch die Abgrenzungsprobleme des Begriffs Ruthene/Ruthenisch im Bezug vor allen Dingen auf den belarussischen Raum.
    Das Konzept "Ruthene"/"Ruthenisch" einfach mal axiomatisch als Identifikationskategorie annehmen zu wollen, liefe darauf hinaus sich möglicherweise auseinander entwickelnde Selbstidentitäten und die Formierung regionaler auf Belarus oder die Ukraine beschränkte Besonderheiten zu ignorieren oder zu negieren.
    Die Bezeichnung "kleinrussisch", hingegen, zumal in Selbstzeugnissen durchaus vorhanden, hat den Vorzug, dass sie eben die notwendige Trennschärfe liefert, eine realitier vorhandene, auf die ukrainischen Gebiete beschränkte, von der Sitution in Belarus unabhängige Identitätsformierung zu beschreiben, die es einmal gab und gibt.
    Dafür ist der Begriff "Ruthenisch", sofern wir hier über eine speziell in der Ukraine vorkommende Identitätsbildung reden, nicht geeigneet.
     
  12. Shinigami

    Shinigami Aktives Mitglied

    Du bist derjenige, der fortwährend Vergleich zwischen den polnisch-litauischen und den russischen Herrschaftspraktiken im Hinblick auf die ukrainischen Gebiete gezogen hat.
    Ich habe mir lediglich erlaubt dem entgegen zu setzen, dass solche Vergleiche arg schief sind, weil sie auf einen Vergleich vormoderner Herrschaftstechniken mit modernen Herrschaftstechniken hinauslaufen.

    Es geht durchaus nicht darum, darüber zu spekulieren, was die Polen oder Litauer politisch in der Ukraine betrieben hätten, hätte ihnen der zaristische Repressionsapparat aus dem 19. Jahrhundert zur Verfügung gestanden, sondern darum, dass es keine besondere Leistung und auch kein besonderes Gütekriterium von Herrschaft ist, wenn Herrschaftstechniken, für die ohnehin die materiellen Grundlagen fehlten, nicht angewendet wurden.

    Genau letzteres hast du allerdings im Verlauf der Diskussion mehr als einmal sehr deutlich impliziert.

    Welchen Sinn hat es über den Abgrenzungswillen zu Polen im 17. und 18. Jahrhundert zu sprechen? Vielleicht denjenigen, dass er für die Herausbildung der Selbstidentifikation der Bevölkerung dieses Zeitraums relevant ist, gerade auch vor dem Hintergrund, dass in dieser Zeit der Begriff "kleinrussisch" anfängt, seine Konjunkturen zu haben?
    Ich war ja noch immer der Meinung wir führen eine Diskussion über einen historischen Sachverhalt und beetreiben hier keinen Wettbewerb in der Disziplin politischer Aktivismus.
    Sich mit dden Abgrenzungsbedürfnissen der Bevölkerung des 17. und 18. Jahrhunderts zu befassen ist im Hinblick auf die Formierung von Identitäten und Entwicklung von Sprachen in genau diesem Zeitraum natürlich relevant.
    Heutige Abgrenzungsbeürfnisse die auf die historische Entwicklung keinen Einfluss hatten, sondern allenfalls in Zukunft haben werden, sind dies nicht.

    Dein Umgang mit diesem Begriff, wie bereits mehrfach angesprochen.

    Ja, es ist in der Tat ein himmelweiter Unterschied, ob wie du behauptest eine Sprache mal eben komplett verboten wird oder ob lediglich ihre Verbreitung in Druckerzeugnissen eingeschränkt wird, im Besonderen wenn man es mit einer weitgehend analphabetischen Bevölkerung zu tun hat, der auf Grund ihrer Unfähigkeit zu lesen weitgehend egal sein konnte, in welcher Sprache gedruckt wurde, denn dass ging an ihrer Lebensrealität ohnehin vorbei.

    Zunächst einmal wurde den Bewohnern der Ukraine unter Peter I. ihre Sprache nicht verboten, hör bitte auf hier faktenbefreite Märchen aufzutischen.
    Und was den Rest angeht, ich weiß nicht, was es an meiner Einlassung nicht zu verstehen gibt.
    Das eine Regierung, die von bewaffneten Gruppen aus der eigenen Bevölkerung angegriffen wird, nach der Niederschlagung des Aufstands mit Repressionen reagiert, die vor allem darauf abzielen propagandistische Unterstützung für diese Gruppen abzuwügen, nimmt nicht wunder.

    Das in diesem Zusammenhang die Verbreitung ukrainischsprachiger Druckerzeugnisse eingeschränkt wurde, dürfte zu diesem Zeitpunkt weniger auf darauf abgezielt haben, ukrainische Dichter und Denker nicht zur Geltung kommen zu lassen, sondern die Verbreitung von Flugschriften staatsgefährdenden Inhalts und mit Aufrufen zur offenen Rebellion zu unterdrücken.

    Hatte Mazepa ein Recht zu rebellieren? Was genau hätte ihm dieses Recht geben sollen? Er hatte sich aus freien Stücken in ein Treueverhältnis zum Zaren begeben und war innerhalb des russischen Zarentums keinerlei ungebührlichen Repressionen ausgesetzt, im Gegenteil war er ja durchaus Profiteur dieses Systems.

    Wenn sich jemand, der sich persönlich durch Eid einer Staatsmacht gegebüber aus freien Stücken verpflichtet hat, in bewaffneter Weise gegen diese Staatsmacht erhebt, nennen das unsere Juristen für gewöhnlich "Hochverrat".

    Hatte Mazepa also ein Recht auf Hochverrat? Das hätte er nach unseren Rechtsvorstellungen allenfalls dann haben können, wenn die Staatsmacht, sprich die Regierung Zar Peters dezidiert verbrecherisch gehandelt hätte.
    Das hat sie aus den Wertmaßstäben der Zeit heraus allerdings nicht, Krieg galt als legitimes Mittel der Politik (zumal Mazepa das ja durchaus zum Teil aus freien Stücken mittrug) und auch die Niederschlagung bewaffneter Aufstände (Bulawin-Aufstand) ist an und für sich erst einmal nichts, was damals oder heute als besonderes Verbrechen betrachtet würde/worden wäre.

    Ein Sprachverbot hat es, wie mehrfach angeführt zu Zeiten Peters nicht gegeben und was die Einschränkung des Drucks ukrainischsprachiger Schriften betrifft, war aus dem Zusammenhang mit dem Bulawin- undd dem Mazepa-Aufstand heraus nicht Kulturimpeerialismus das Leitmotiv, sondern Aufstandsprävention.

    Erneut wäre es schön, wenn du deine Sinnverdrehungen für dich behalten würdest.
    Wenn du mit mir diskutieren möchtest, arbeite dich an dem ab, was ich geschrieben habe, nicht an etwas von dem du dir wünschst, dass ich es geschrieben hätte.



    Darauf auf den Rest einzugehen, verzichte ich an dieser Stelle dann. Es ist natürlich deine Entscheidung, ob dass das Niveau ist, auf dem man deine Einlassungen wahrnehmen soll.
     
    Zuletzt bearbeitet: 1. November 2022
  13. Shinigami

    Shinigami Aktives Mitglied

    Wer jedoch die Diskussion von Anfang an mitverfolgt hat, wird in der Lage sein sich vom Verlauf sein eigenes Bild zu machen und bedarf einer Bevormundung durch deine sehr spezielle Interpretation nicht.
    Auch die Moderation ist in der Regel durchaus in der Lage sich ein Bild davon zu machen und bedarf derartiger Belehrungsversuche wohl eher nicht.

    Das ist keine Beleidigungs, sondern eine Feststellung.
    Wenn sich jemand in bestimmte falsche Grundannahmen verrannt hat, mag er beestimmte Einwände nicht begreifen können, bevor er sich davon wieder gelöst hat.
    Daran ist nichts beleigendes.
     
    Zuletzt bearbeitet: 1. November 2022
  14. dekumatland

    dekumatland Aktives Mitglied

    Jahrhundertelang verboten?
    - Emser Erlass 1876 verbot ukrainischsprachige Publikationen aus Angst vor separatistischen Bestrebungen*), was nicht zwingend bedeutet, dass man ukrainisch ab 1876 nicht mehr auf der Straße hätte sprechen dürfen. Allerdings in Behörden, z.B. bei Beurkundungen etc., musste die vorgeschriebene Amtssprache russisch verwendet werden.
    - 1918 ukrainisch Staatssprache der ukrainischen Volksrepublik
    - in der "Sowjatzeit" bis 1991 war ukrainisch nicht verboten, aber russisch "dominiert" (russisch als Verkehrssprache)
    - 1991 dann die Gründung der heutigen Ukraine mit ukrainisch als einziger Amtssprache.

    Das jahrhundertelange Verbot kann ich da nirgends erkennen. Von 1876 bis 1918 sind es keine 100 Jahre.
    ___________________

    *) sowohl separatistische als auch revolutionäre Bestrebungen, Vereinigungen (Dekabristen, Kyrill-Method-Bruderschaft etc) waren im russischen Imperium verboten. Schewtschenko geriet wegen seiner aktiven Mitgliedschaft in der https://de.wikipedia.org/wiki/Kyrill-und-Method-Bruderschaft in Haft und Verbannung.
     
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  15. Nebularis

    Nebularis Mitglied

    Genau wie für die einfache Bevölkerung der Ukraine im 17. und 18. Jahrhundert.
    Also: da wir diese Bevölkerung auf keinen Fall “Franken“ nennen dürfen, da das katastrophale Folgen hätte, möchte ich gerne von dir wissen wie wir sie nennen sollen.
    Es darf also auf keinen Fall die Bezeichnung “Ruthenen“ auf die gesamtukrainische Bevölkerung ausgedehnt werden, umgekehrt ist es aber kein Problem, den Begriff “Kleinrussen“ auf die gesamtukrainische Bevölkerung auszudehnen. Und das vor dem Hintergrund, dass wir mit ziemlicher Sicherheit wissen dass es a) doppelte oder sogar dreifache, sich überlappende Identitäten und Selbstidentifikationen gegeben haben kann und b) sich die Selbstbezeichnung “Kleinrussen“ auf Teile der Oberschicht beschränkte, die Bezeichnung “Ruthenen“ hingegen viel weiter verbreitet war. Das geht auch aus dem Umstand hervor, dass wir sie ebenfalls in Russland und Belarus antreffen.

    Ich verstehe also immer noch nicht wieso wir nicht ab dem 14./15. von einer altukrainischen Sprache, ab dem 17. Jahrhundert von einem ukrainischen Volk sprechen dürfen. Warum nur willst du uns hier so ein Denkverbot aufzwingen?

    Die Antwort befindet sich weiter unten...

    (Übrigens: Was sollen wir eigentlich mit der Bezeichnung “Russen“ (руський = ruthenisch = russisch) machen? Hier besteht ja ebenfalls keine Trennschärfe zwischen russischen, belarussischen und ukrainischen Populationen: )
    «Русь», «Росія», «Великоросія», «Малоросія». Григорій Півторак. Походження українців, росіян, білорусів та їхніх мов.
    Nein, damit hast du angefangen. Du hast gesagt, die Ukrainer hätten sich nicht nur von Russland, sondern auch von Polen emanzipieren wollen. Ich habe gesagt dass das vollkommen richtig ist, sich die Emanzipation der Ukraine als Nation jedoch in erster Linie gegen Russland vollzogen hat. Wo ist jetzt dein Problem?
    Du lügst. Nirgendwo habe ich behauptet, es habe ein “komplettes“ Sprachverbot gegeben, schon allein deshalb weil ein solches nicht wirklich durchsetzbar ist.

    Wenn es per Dekret verboten ist, eine Sprache zu drucken, dann ist das aber ein Sprachverbot, daran ändert dein Herumgezappel nichts.
    Wenn jemand in einer historischen Diskussion gedankenlos die großrussische Propaganda nachplappert, sollte jemand sich vielleicht hinsetzen und seine Arbeitsmethoden überdenken:

    https://web.archive.org/web/20090903124152/http://www.mazepa.name/history/stanislavsky4.html
    Du legitimierst hier den russischen Imperialismus. Das ist dir schon klar oder?

    Mazepa ist 1709 gestorben, das Dekret ist von 1720.

    Im Übrigen wurden erste Verbote bereits 1690 ausgesprochen:
    https://ru.wikipedia.org/wiki/Русификация_Украины

    Wir können gerne weiter diskutieren, auch wenn mir nicht klar ist wieso du relativ einfache Sachverhalte künstlich verkomplizieren willst. Allerdings wäre ich dir dankbar, wenn du auf eristische Dialektikmethoden verzichten und den aggressiven Tonfall abschalten würdest.
     
    Zuletzt bearbeitet: 1. November 2022
  16. Nebularis

    Nebularis Mitglied

  17. dekumatland

    dekumatland Aktives Mitglied

    eingeschränkt, d.h. in der publizistischen Verwendung eingeschränkt, hin und wieder vor 1876 - kein totales "Sprechverbot"
    und zwischenzeitlich auch Phasen der Akzeptanz, ja Förderung:
    zitiert aus https://de.wikipedia.org/wiki/Ukrainisierung
     
  18. Nebularis

    Nebularis Mitglied

    8 Jahren Förderung stehen 288 Jahre mehr oder weniger radikale Repression gegenüber (1690-1917 und 1931-1991).
     
  19. dekumatland

    dekumatland Aktives Mitglied

    diese Aufrechnung kollidiert u.a. mit:
    aus https://de.wikipedia.org/wiki/Ukrainische_Sprache

    Die radikalen Repressionen der ukrainischen Sprache, Kultur, Literatur in der ersten Hälfte des 19.Jhs. sehe ich nirgendwo.

    Nebenbei: etliche Literaten/Künstler des 19. Jhs. hatten Probleme mit Zensur und Administration, derartige Zustände reduzieren sich nun wahrlich nicht auf den russisch/zaristisch beherrschten Teil des heutigen ukrainischen Territoriums - man denke an Heine (Exil in Paris) oder Hugo (Exil auf den Kanalinseln), und diese zwei sehr prominenten Literaten waren weder wegen ihrer Sprache noch wegen Teilnahme an "subversiven Zirkeln" im Exil, sondern wegen ihrer Kritik an den polit./gesellschaftl. Zuständen. Schewtschenko wurde auch nicht ins kasachische Exil (nach Sibirien wie Dostojewskis hat er es nicht geschafft) wegen des schriftstellernden Gebrauchs der ukrainischen Sprache verbannt, sondern wegen seiner Kritik an der russ. Herrschaft und wegen seiner aktiven Teilnahme in der Kyrill-Method-Bruderschaft.

    Zudem starb die ukrainischsprachige Literatur nicht 1876 plötzlich aus: in den österreichischen Teilen der Ukraine konnte man ungehindert ukrainisch publizieren, was die ukr. Literaten dann auch machten.
     
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  20. Shinigami

    Shinigami Aktives Mitglied

    Ich hatte dir bereits dargelegt, wo der Unterschied liegt. Begreife das oder tue es nicht, deine Wahl.

    Wenn du es für sinnvoll hältst in den Begriff Ruthenen unter anderem auch die Krimtartaren zu inkludieren, kannst du das sehr gerne tun. Es ist eben einfach nur entsprechend unsinnig.
    Sinnvoll wäre zu erkennen, dass "Ruthenen" und "Ukrainer" nicht deckungsgleich sind, der Begriff "Ruthenen" erfasst aus Gruppen außerhalb der Ukraine und ist daher nicht geeignet Identitäten und Entwicklungen, die speziell in der Ukraine stattgefunden haben zu beschreiben und von Vorgängen außerhalb davon abzugrenzen.

    Ansonsten habe ich das bereits x-mal geschrieben, macht es keinen Sinn und wäre ziemlich a historisch eine vorhandene Selbstidentität als "Kleinrussen" bei Teilen der Bevölkerung dieser Gebiete einfach mal in "Ruthenen" umzudeuten, weil dir der Begriff besser gefällt.

    Und ich frage dich noch einmal, woher du dass bei 90% analphabetischer Bevölkerung zu wissen meinst, in Verhältnissen, die kaum eine Chance lassen, diese Frage tatsächlich zu klären.
    Dadurch, dass du deine politischen Wünsche repetiest werden daraus nicht evidente historische Tatsachen.

    Ich bin der letzte, der behaupten würde, dass man irgendwas nicht dürfe, den Begriff "nicht dürfen" habe ich im Bezug darauf im gesamten Faden nicht in den Mund genommen, also dichte mir das bitte auch nicht an.
    Ich habe dir mehrfach dargelegt, warum es in meinen Augen keinen Sinn macht das zu tun.
    Wenn du die Begründung nicht verstanden hast, ließ sie bitte einfach noch einmal nach, statt zu versuchen mir irgendwelche Wünsche nach Denkverboten anzudichten.

    Ist immer schön, wenn das Erinnerungsvermögen eines Mitdiskutanten nicht einmal bis zum Anfang der letzten Seite des Fadens zurückgreift.
    Ich darf da z.B. mal aus Posting #89 zitieren:

    Benötigst du weitere Gedächtnisstützen dafür, was du nicht geschrieben haben willst?

    Dann arf ich dich nochmal aus #73 zitieren:


    Ich habe ja nicht dagegen, wenn mit harten Bandagen diskutiert wird, aber wenn man seinem Gegenüber vorwirft dezidierte Lügen zu verbreiten sollte man sich tunlichst nicht selbst beim Lügen erwischen lassen.

    Du hast sowohl generelle Sprachverbote, als auch generelle Verbote der Schriftsprache unterstellt, beides war nicht der Fall.
    Es gab lediglich, eingeschränkte und zeitweise gar keine Möglichkeiten innerhalb Russlands Druckerzeugnisse auf in der entsprechenden Sprache zu publizieren.
    Dadurch wurde der Großteil der Bevölkerung weder in seinem täglichen Leben, noch in der privaten Korrespondenz eingeschränkt, die weiterhin ungehindert auf ukrainisch stattfinden konnte.

    Nein, ist es nicht. Es ist eine Form der Zensur öffentlicher Publikationen. Nicht mehr und nicht weniger.

    Ein Verbot einer bestimmten Sprache und der Versuch der Bevölkerung eine andere Sprache aufzuzwingen war das durchaus nicht, da hat die Geschichte ganz andere Beispiele geliefert.

    So so, der Umstand, dass es sich um Hochverrat handelt, wenn jemand der sich aus freien Stücken durch Eid zur Treue gegenüber einem Staat verpflichtet hat, einen bewaffneten Aufstand gegen diesen Staat lostritt, ist also russische Propaganda.

    Ich bin ja der Meinung seine Arbeitsmethoden sollte überdenken wer unhinterfragt ein Recht auf bewaffnete Aufstände gegen die Rechtmäßige Regierung postuliert.
    Was im Übrigen nebenbei ja genau die Art und Weise ist, in der die Kreml-Propaganda das Vorgehen der Separatisten im Donbas 2014 zu rechtfertigen versucht hat.

    Insofern wäre dann hier auch sehr deutlich zu hinterfragen, wer von uns gerade Sichtweisen unhinterfragt wiederkäut, die gängigen Bildern großrussischer Propaganda entsprechen.

    Das tust im Moment eher du, wenn du postullierst, dass jeder dem irgendeine Laus über die Leber gelaufen ist, das Recht zum bewaffneten Aufstand und zur Separation habe, wenn es nur gegen den in deinen Augen richtigen Gegner geht.

    Ich habe ja auch mit keinem Wort behauptet, dass dieses Dekret gegen Mazepa gerichtet gewesen sei, sondern dass es sich um prävention handelte um den nächsten Mazepa zu verhindern vor dem Hintergrund der Erfahrungen in den ukrainischen Gebieten in den vergangenen Jahren.

    Das Dekret ist von 1720, der Große Nordische Krieg dauerte bis 1721. Nachvollziehbar, dass man ein Gesetz, dass möglicherweise kurzfristig erstmal für Unmut sorgen würde erst in dem Moment erlassen hat, in dem klar war, dass der Krieg enden würde, um nicht parallel einen zweiten innenpolitischen Krisenherd zu eskalieren.

    Aha. Du möchtest mir also einen Beschluss der russisch orthodoxen Kirche in ruthenischer/kleinrussischer Schriftsprache gedruckte Kirchenbücher aus der Liturgie zu werfen, als staatlich verordnetes Sprachverbot verkaufen?

    Wie war das oben noch mit dem Verbreiten von Lügen, dem gedankenlosen Wiederkäuen von Propaganda und so weiter?

    Oh, ich habe durchaus nicht dagegen die Diskussion fortzusetzen, allerdings würde ich es vorziehen, wenn du aufhören würdest komplexe Sachverhalte zu gunsten von politischer Schwarz-Weiß-Malerie künstlich zu simplifizieren.

    Ich muss schon sagen es entbehrt nicht einer gewissen Komik, wenn ausgerechnet du ich über agressiven Tonfall mokierst, wo du diesen doch bereits seitenlang selbst betrieben hast.

    "Wie man in den Wald ruft......"

    Seinen Gegenüber mal eben kontrafaktisch der Lüge und dem Wiederkäuen von Propaganda zu bezichtigen, wie du das oben getann hast, ist jedenfalls keine geschickte Deeskalationsstrategie und wenn du der Meinung bist, dir ein solches Verhalten mir gegenüber herausnehmen zu können, ohne dass das entsprechend beantwortet wird, hast du dich geschnitten.
     

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