Ja, aber zuletzt war er ein Eiferer, wollte Juden eigenhändig umbringen, hat es aber wegen des 5. Gebots immerhin nicht getan.
Ich kann es nur wiederholen: Die Nazis habe seine antijüdischen Schriften bzw. Sprüche nachgedruckt und zitiert, um mit ihnen die Bevölkerung, die damals zu 2 Drittel evangelisch war, davon zu überzeugen, dass Juden keine Berechtigung haben, in Deutschland zu leben - so nach dem Motto, seht her, Luther hat über die Juden das gleiche gesagt wie wir. Dass sie ab 1941 alle Juden, also auch getaufte, in den Vernichtungslagern ermordeten, steht auf einem anderen Blatt, denn da war die Sache schon gelaufen, weil die organisierten Christen schon zuvor gegen die unwürdige, ja unmenschliche Behandlung von Juden nicht protestierten. Die Proteste kamen, wenn überhaupt, nur von einzelnen Gläubigen, die nach dem Krieg gleichwohl von den Kirchen als Beispiele des christlichen Widerstands hingestellt wurden, der aber in Wirklichkeit so gut wie nicht vorhanden war.
Anscheinend waren es die Nazis und nur die Nazis, die Luther richtig verstanden haben. Die haben nicht nur mit traumwandlerischer Sicherheit Luthers Pamphlet von 1543 als das eigentliche Hauptwerk Luthers erkannt.
Sie haben nicht nur dieses Hauptwerk erkannt, sondern daraus auch die alles entscheidenden 3-4 Zitate rezipiert, und sie haben auch erkannt, dass damit alles andere, was Luther je geschrieben hat, ungültig und hinfällig und völlig zu ignorieren war.
Die Nazis haben Luther anscheinend auch so gut verstanden, dass sie auch zwischen den Zeilen die wahre Botschaft lesen konnten, auch wenn Luther sich hin und wieder widersprach. Die wussten, wenn Luther theologisch argumentierte, war es in Wirklichkeit rassistisch und biologistisch gemeint.
Pogrome hatte es in Mitteleuropa seit dem frühen 17. Jahrhundert nicht mehr gegeben, und es waren Pogrome zu allen Zeiten ein enormer Tabubruch. In der Regel geschahen sie gegen Willen der Obrigkeit. Im Zuge der Französischen Revolution hatten Juden in vielen deutschen Staaten die Gleichberechtigung erhalten, und seit der Reichsgründung waren Juden endgültig gleichberechtigte Bürger geworden, sie nahmen vielerorts am öffentlichen Leben teil, und etliche jüdische Familien lebten seit mehreren Hundert Jahren in Deutschland.
Es gab in Mitteleuropa seit über 1000 Jahren die Zehn Gebote, die Goldene Regel, und dass sie von 1933-45 ziemlich radikal von Staats wegen mit Füßen getreten wurden,, setzte sie nicht außer Kraft, und ich wage mal die Prognose, dass es nirgendwo in Deutschland gelang, die Mehrheit davon zu überzeugen, dass es gut und richtig war, Synagogen niederzubrennen, Juden zu misshandeln und öffentlich zu demütigen, und bei den Novemberpogromen auch die ersten Juden umzubringen. So moralisch heruntergekommen war das deutsche Volk trotz allem nicht. Es wurde viel geklaut und geplündert, es gab Morde und Vergewaltigungen, aber Jubel und Zustimmung der Bevölkerung das blieb doch aus. Die Bevölkerung war verstört, peinlich berührt und schockiert.
Manche missbilligten es nicht mal aus Mitgefühl mit den Juden, sondern weil man keine Fensterscheiben einschlägt, Wehrlose misshandelt, raubt oder stiehlt und natürlich auch keine Frauen vergewaltigt oder Leute umbringt.
Es ließ sich so etwas auch nicht rechtfertigen mit der Berufung auf Martin Luther. Eigentlich haben die Nazis sich gar nicht oder kaum für Luther interessiert, all die theologischen Argumente waren denen völlig gleichgültig. Es gibt überhaupt keine Indizien dafür, dass Luthers Pamphlet von 1543 irgend eine Rolle spielte bei der ideologischen Schulung im Reichssicherheitshauptamt oder im Rasse- und Siedlungsamt. Es war keine Pflichtlektüre, die etwa Mitgliedern von Einsatzgruppen oder SS-Offizieren empfohlen wurde.
Eigentlich beschränkte sich die Luther-Rezeption von Nazi-Größen wie Julius Streicher auf 3.4 Zitate aus dem Pamphlet von 1543 und einige Versatzstücke und angebliche Luther-Zitate. Die theologischen Argumente, die Vorwürfe, die Luther den Juden machte, waren Streicher völlig gleichgültig, und seine Berufung auf Luther vor dem Kriegsverbrecher-Tribunal in Nürnberg war nichts, als ein Whataboutismus und eine erbärmliche Rechtfertigungs-Taktik, um jahrelange Hetze und Aufruf zum Massenmord damit entschuldigen zu wollen, dass man ja nur Luther beim Wort genommen habe.
Worauf sich Nazis beriefen bei Luther das waren lediglich Versatzstücke: 3-4 Zitate aus dem Pamphlet von 1543 und angebliche Zitate Luthers, die sich aber gar nicht so wie zitiert nachweisen lassen. Heinrich von Treitschke oder auch Luther waren anerkannte Persönlichkeiten, sie verfügten über hohes Ansehen, waren zitierfähig, und beide haben sich sehr negativ über Juden geäußert.
Luther wurde von den Nazis vereinnahmt, wie auch Treitschke, Richard Wagner und Friedrich Nietzsche als Brüder im Geiste von den Nazis vereinnahmt wurden. Als Apologeten der Endlösung lässt sich aber sowohl Martin Luther wie auch Heinrich von Treitschke nur vereinnahmen, wenn man ihre umfangreichen Publikationen auf einige Auszüge, im Falle Luthers 3-4 Zitate reduziert und alles, was sie geschrieben haben, das sich nicht im Sinne der NS-Ideologie vereinnahmen lässt oder dem sogar fundamental widerspricht geflissentlich ausblendet.