Weiß ich nicht, müssten sie?
Anfänglich habe ich mich in den Kalkriesediskussionen hier im Forum sehr zurückgehalten. Mein historisches Steckenpferd ist al-Andalus (aber da lässt sich hier im Forum wenig zu diskutieren).
Als ich hier anfing, waren Meinungsführer bzgl. Kalkriese die User cherusker und Cato. Die beiden lehnten Kalkriese als Varusschlachtort ab und schienen sich unheimlich gut mit den historischen Quellen auszukennen. Ich wunderte mich ein wenig über die Aggressivität gegenüber Rost und Wilbers-Rost, aber mir als Ahnungslosem erschien es oberflächlich betrachtet plausibel, was sie schrieben. Was ich nicht glauben konnte, war, dass die Kalkrieser Archäologen so dermaßen borniert wären, dass sie nicht begriffen, dass K'Riese nicht Ort der Varusschlacht sei (was in Kalkriese im Übrigen gar nicht so wichtig genommen wird, die können sehr gut damit leben, dass auch andere Szenarien denkbar sind). Und irgendwann bemerkte ich bei Cherusker und Cato, dass sie Tacitus immer so drehten, wie es ihnen gerade passte und sich dabei in Widersprüche verstrickten. Da habe ich angefangen, mich in die Thematik einzuarbeiten. Sowohl was die Quellen, als auch was die fachwissenschaftliche Literatur anbelangt. Da ich zudem hin und wieder in archäologischen Grabungen gearbeitet habe, habe ich natürlich auch ein gewisses Verständnis für die Archäologie entwickelt, auch wenn ich in der keine Fakultas habe. Aber die habe ich auch nicht in der Semitistik und dennoch aus historiolinguistischem Interesse erst Kenntnisse des Arabischen und später des Hebräischen erworben.
Es war mir zu diesem Zeitpunkt im Grunde egal, was dabei herauskäme - ich bin weder Militärhistoriker (auch wenn ich vielleicht manchem aufgrund meiner vielen Teilnahme an Varusschlachtthreads so erscheine) noch ein großer Germanen - der Römerfan - obwohl, zum Römerfan habe ich mich durch die Beschäftigung mit Kalkriese und Reisen in den Mittelmeerraum schon entwickelt.
De facto ist es mittlerweile so, dass man fast überall in der Fachliteratur, wenn Kalkriese oder die Varusschlacht zur Sprache kommen, die Althistoriker und Archäologen mehr oder weniger bestimmt (manche mehr, manche weniger) beides gleichsetzen. Selten ist die Ablehnung von wissenschaftlicher Seite geworden, die es anfänglich gab.
Es sind i.d.R. historische Laien, welche andere Orte als Ort der Varusschlacht bestimmt sehen wollen, die Kalkriese als Ort der Varusschlacht ablehnen.
Ohne explizit Kalkriese ablehnen zu wollen was spräche dagegen, dass Kalkriese ein anderes, zeitnahes Ereignis sein könnte, dass uns einfach nicht überliefert ist (aus welchen Gründen auch immer)?
Die Abundanz der Funde spricht dagegen.
Es spricht dagegen, dass man menschliche Knochen hat, die jahrelang auf der Oberfläche lagen, bevor sie bestattet wurde, was genau für die Varusschlacht überliefert wurde. (Da kommen immer Kalkriese-Kritiker mit dem
tumulus und unterstellen, dass alle 12. - 20.000 Gefallenen in demselben
tumulus bestattet worden seien. bzw. dass man in K'Riese keinen
tumulus gefunden habe).
Kalkriese ist - von römischen Siedlungen und Lagern abgesehen - der Ort in der Region Westfalen/Niedersachsen schlechthin - wo seit Jahrhunderten immer wieder römische Funde aus dem Boden kommen, so viele, wir nirgends sonst.
Es gibt einfach keinen anderen Ort, der in der Zeitstellung dermaßen viele Militaria und Münzen aufweisen kann, außer eben Lager und Städte.
Ich sehe nicht unbedingt, dass man Kalkriese diskreditieren müsste wenn man einen anderen Ort annehmen wollte (wobei natürlich zu fragen wäre, was denn für einen anderen Ort spräche, Interpreationen antiker Texte allein sind da sicherlich etwas dünn).
Nun, um hier den Faden wieder aufzugreifen: Ich bin seit 2004 oder 05 Mitglied hier im Forum, 2007/08 habe ich angefangen, mich an die Varusschlachtthematik, die bei mir zuvor unter Germanentümeleiverdacht stand, heranzutasten, ungefähr seit 2008 bin ich andauernd mit dieser Thematik beschäftigt. Also seit mittlerweile 15 Jahren. Und auffällig häufig (um nicht zu sagen: fast immer) haben Leute, die versucht haben die Varusschlacht anderswo zu verorten, sich an Kalkriese abgearbeitet [womit sie ungewollt die Bedeutung von Kalkriese belegen] und oft genug auch unter der Gürtellinie, also mit persönlichen Angriffen gegen die Archäologen in Kalkriese, denen man teilweise die Kompetenz absprach oder denen man unterstellte, sie behaupteten Kalkriese sei Ort der Varusschlacht, um unrechtmäßig aus Geldtöpfe zu schöpfen. So als ob der Fundplatz Kalkriese plötzlich unbedeutend wäre, wenn sich herausstellen würde, dass es sich doch nicht um den Ort der Varusschlacht handelte. Dabei ist das archäologisch letztlich latte, ob Kalkriese Ort der Varusschlacht ist oder nicht.
Was mich ärgert, sind bornierte und/oder faktenwidrige Argumentationen, Versuche die Kalkrieser Funde zu bagatellisieren. Kalkriese ist ein international anerkannter Fundort, dessen Bedeutung sich - entgegen den Vorstellungen mancher Laien - eben nicht daran misst, ob es nun der Ort dieser einen Schlacht war oder nicht.
Nun muss ich zugeben, dass ich die Sache mit dem metallurgischen Fingerabdruck in letzter Zeit nicht verfolgt habe und da ggf. nicht auf dem Laufenden bin.
Hat sich da inzwischen ein eindeutiger Bezug zu den 3 Legionen des Varus ergeben?
Die verantwortliche Metallurgin vom Bergbau-Museum Bochum glaubt in Kalkriese die Anwesenheit der 19. Legion nachweisen können. Da könnte ich mich jetzt zurücklehnen und sagen "Siehste!", aber mein Problem ist, dass hier v.a. der gesicherte Legionsstandort der 19. Legion Dangstetten eine Rolle spielt und in Dangstetten war die 19. Legion (im Übrigen unter dem Befehl des Varus) 18 Jahre vor der Varusschlacht. Zwar kann man davon ausgehen, dass Rüstungsbestandteile innerhalb der Legion weiterverkauft wurden (etwa von aus dem Dienst scheidenden Veteranen an Rekruten), aber das sich 18 Jahre lang der metallurgische Fingerabdruck der Legion nicht gewandelt haben soll, stimmt mich schon skeptisch.