Poincaré besucht Russland im Juli 1914

Nein.

Deutschland aggierte über die Bestimmungen seiner Bündnisverpflichtungen des Zweibundvertrages hinaus, als es 1914 Russland den Krieg erklärte.

Wäre der Zweibundvertrag so zu lesen, wie du das unterstellst, wäre der "Blankoscheck" an Wien völlig unerheblich und die Diskussion darum obsolet, weil dann alles einfach nur den Vertragsbestimmungen entsprochen hätte und es für Wien gar keinen Grund gegeben hätte sich gesondert der deutschen Rückendeckung zu versichern.

Wäre dem so gewesen und hätten die Österreicher das so interpretiert, hätte es keinen Grund für die "Mission Hoyos" gegeben um sich von Berlin für diesen Fall gesondert Rückendeckung zu erbitten (Blankoschek), sondern dann hätte Wien einfach loslegen können, wie es auch während der Balkankriege schon hätte loslegen können.
Da allerdings bremste Berlin ein und machte klar, dass man das nicht mittragen würde, was schon recht deutlich machte, dass man sich nicht verpflichtet sah jeden Mist, den Wien fabrizierte auszubaden.

Ich glaube, du bekommst da möglicherweise etwas durcheinander.

Artikel 1 des Zweibundvertrages vom 07.Oktober 1879
"Sollte wider Verhoffen und gegen den aufrichtigen Wunsch der beiden Hohen Kontrahenten Eines der beiden Reich von Seiten Russlands angegriffen werden, so sind die Hohen Kontrahenten verpflichtet Einander mit der gesamten Kriegsmacht Ihrer Reiche beizustehen und demgemäß den Frieden nur gemeinsam und übereinstimmend zu schließen."

Und genau diese Situation war Ende Juli 1914 gegeben.

Es war doch für jedermann erkennbar, die russische Generalmobilmachung war nun auch offiziell verkündet, das Russland Österreich-Ungarn angreifen wollte. Seit dem 26.Juli 1914 liefen die entsprechenden Vorbereitungen.
Der größere Teil des russischen Heeres marschierte gegen Österreich auf. Es waren insgesamt vier Armeen.

Und noch kurz zur Ergänzung. Russland war gegenüber Serbien zu nichts verpflichtet. Es gab kein Bündnis. Was gab, das war der Panslawismus und der Drang nach den Meerengen, wozu man einen russisch kontrollierten Balkan wünschte. Der Einfluss Österreich-Ungarn, der ohnehin nur noch gering war, war nicht erwünscht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hier passt vieles nicht zusammen, besonders die hier ambitioniert vorgetragene und angeblich belegte hohe, jederzeitige Bereitschaft seit 1913, spätestens Anfang bzw. Juni 1914 sowohl Poincarés und der russ. Führung zum Krieg, zum Vernichtungskrieg gegen Deutschland - mit folgender Tatsache.

Poincaré hat angeblich im Februar 1913 die französische Bevölkerung zur Kriegsbereitschaft - natürlich gegen Deutschland - aufgerufen. Und wartete angeblich spätestens seit dem nur auf angeblich (fast) jede Gelegenheit zum Krieg gegen Berlin.
Anfang 1914 und im Juni 1914 wird in öffentlichen, (angeblich) bedeutsamen Publikationen in Russland angeblich der kommende große Krieg gegen Deutschland, der notwendige Vernichtungskrieg avisiert, teils vom russ. Kriegsminister Suchomlinow veranlasst.

Mitte Juli 1914 reist Poincaré, wie schon lange seit 1913 angekündigt, nach St. Petersburg, nachdem dem Mordanschlag von Sarajewo und Spannungen zwischen ÖU und Serbien.
Und da drängt die Reichsleitung in Berlin nachgewiesener weise die Wiener Entscheider dazu, das Ultimatum gegen Serbien erst nach Abfahrt Poincarés von St. Petersburg bekannt zu geben - weil man davon ausging, dass Poincaré ohne diese Information nicht kriegsbereit sei....

Hier im Faden, siehe oben, war er doch angeblich vorher schon definitiv jederzeit kriegsbereit. Was denn nun?
Waren Berlin die Aussagen Poincarés vom 20. Februar in den beiden Pariser Kammern, die angeblich so prominenten entsprechenden öffentlichen Presse-Aussagen aus dem Umfeld der russ. Regierung unbekannt geblieben? Haben die Berliner Entscheider das nicht bemerkt, verstanden?
Trotz des Topspions Siebert in der russ. Botschaft in London, der seit Ende 1908 sehr erfolgreich für die dt. Regierung spionierte?

Warum sollten Poincaré und die russ. Entscheider beim Zusammentreffen im Juli nicht das machen, was sie ja angeblich teils schon etliche Monate vorher öffentlich haben werden lassen, nur weil das konkrete Ultimatum ÖUs gegen Serbien noch nicht bekannt gemacht worden sei? Erneute und erneuerte, enge und engste Beistandserklärungen bei jeder Art von möglichen Kriegsauslösern gegen Deutschland.

Die notorischen Ungereimtheiten in der fragmentierten 'Darstellung' der anti-deutschen, kriegerischen Omnipotenz eines Poincaré im Faden, können, wie vielfach angeregt und an einigen wenigen prägnanten Ereignissen vorgestellt, mit/von differenzierteren und genaueren Blicken ergänzt oder im besten Fall vielleicht auch ersetzt werden.

Die Position Poincarés in der französischen Politik Ende 1913 bis Frühjahr/Frühsommer 1914 wird u.a. in den Ausführungen von Klaus Wilsberg in "Terrible ami - aimable ennemi". Kooperation und Konflikt in den deutsch-französischen Beziehungen 1911-1914. (1998) S. 102 gut und zutreffend abgebildet. Er notiert u.a.:

[...] Insgesamt zeichnete sich in den deutsch-französischen Beziehungen seit Dezember 1913 eine spürbare Entspannung ab. Diese hatte ihre Ursachen im Abflauen der Feindseligkeiten auf dem Balkan, im Abschluß der Rüstungsdebatten, im Erfolg der Verhandlungen über die kleinasiatischen Bahnprojekte, aber auch in der innenpolitischen Niederlage Poincarés, die Frankreich in den Augen der Reichsleitung geschwächt erscheinen und die Hoffnung auf ein deutschen Zielen eher gewogenes Kabinett aus Linksrepublikanern wachsen ließ. [...]​

Poincarés Stellung und Einfluss als Staatspräsident blieb im genannten Zeitraum eher prekär, u.a. durch die einflussreiche und breite Opposition aus Sozialisten, Radikalen, Linksrepublikanern, die sich auch nicht in die durch den angeblichen, sofort und umfassend wirksamen Aufruf Poincarés an 'die Bevölkerung Frankreichs' in eine vermeintlich landesweite Front der Kriegsbereiten - natürlich gegen Deutschland - einreihen lassen.

Diese politischen Ungewissheiten/Instabilitäten in jenen Monaten in Paris waren ein bedeutsamer Grund für publizistische und sonstige Aktionen in Russland, um die französische hohe Politik an die Erfüllung der Bündnispflichten, der militärpolitischen und militärischen Ziele und Maßnahmen zu erinnern, zu binden. Innerhalb kurzer Zeit hatten mehrfache Regierungswechsel in Paris statt gefunden, wie bekannt, mit zunehmend politisch progressiver Ausrichtung.
 
Und genau diese Situation war Ende Juli 1914 gegeben.
War sie nicht.

Österreich hatte Serbien angegriffen.

Wenn ein drittes Land einem überfallenen Land militärisch zur Hilfe kommt und militärisch in diesen Konflikt eingreift, wird dieses dritte Land dadurch nicht zum Agressor, sondern tritt einfach nur dem Konflikt auf der Seite des überfallenen Landes bei.

Russland reagierte auf Österreichs Überfall auf Serbien und kam dem überfallenen Land militärisch zur Hilfe.
Dadurch war keine Agression Russlands gegeben.

Und damit griff der Zweibundvertrag nicht.


Im Übrigen wiederhole ich ich nochmal haben das auch die Zeitgenossen so gesehen.
Denn Wien hätte nicht die Mission Hoyos nach Berlin geschickt um sich für ein solches Vorgehen explizite Rückendeckung zu holen und KWII. zu einer entsprechenden Garantie zu bequatschen, wenn sich diese ohnehin aus den bereits bestehenden Vertragswerken ergeben hätte.


In diesem Fall hätte es ja gereicht Bostschafter Szödyény in Berlin knapp anzuweisen dem Kaiser und dem Kabinett Bethmann-Hollweg kurz und knapp zur Kenntnis zu bringen:

"Wien und Budapest haben beschlossen wegen des Attentats und des Verhaltens der serbsischen Regierung militärisch gegen Serbien vorzugehen, im Falle einer russischen Intervention erwartet man die Erfüllung der geschuldeten Bündnispflichten seitens Berlin und bittet darum im Erwartung dieser Evetualität zeitnah Mobilimachungsvorbereitungen einzuleiten."

Wäre man in Berlin und Wien davon ausgegangen, dass das was Wien da vor hatte gemäß Zweibundvertrag ohnehin gedeckt gewesen wäre, hätte das ja gereicht und man hätte sich jedes darüber hinausgehendes Theater sparen können.
 
Am 17.April 1912, Raymond Poincaré war Ministerpräsiden seit ein paar Monaten Ministerpräsident, schrieb der deutsche Botschafter Schön in Paris an Kanzler Bethmann:

"Es läßt sich nicht verkennen, das die deutsch-feindliche Stimmung in Frankreich tiefe Wurzeln geschlagen hat. Vor einigen Wochen hatte zwar den Anschein, als ob der Chauvinismus etwas nachließe, auch die Presse schlug uns gegenüber einen milderen Ton an. Jetzt zeigt sich aber, daß man es nur den Zuständen im Inneren (Automobilbanditen, parteipolitischen Vorgängen usw.) zu verdanken hatte, wenn in den Blättern die feindseligen Ausfälle gegen Deutschland seltener geworden waren."
 
War sie nicht.

Österreich hatte Serbien angegriffen.

Jetzt wird der Hund in der Pfanne verrückt.

Hast du eigentlich meine ganzen Beiträge gelesen?

Der Reihe nach. Am 25.Juli begann in Russland die (Teil) Mobilmachung. Muss erwähnt werden, gegen wem sich diese richtete? Der Chef der russischen Mobilmachungsabteilung, ich wiederhole es schon wieder, hat hierzu unmissverständlich Auskunft gegeben, nämlich der der Krieg beschlossene Sache gewesen sei. Zur gleichen Zeit sprach der Zar noch mit dem deutschen Kaiser, dem er dann gegenüber einräumt, das eben seit dem 25.07. die sogenannte Teilmobilmachung gegen Österreich lief; was technisch gar nicht möglich war, da hierzu der Militäristrikt Warschau benötigt wurde.

In Serbien begann, interessanter ebenfalls am 25.07.1914, die Mobilmachung. Gab es zu jenem Zeitpunkt eine Kriegserklärung von Österreich.? Nein!

War Russland mit Serbien verbündet? Nein! Warum meinte Russland am 30.06. Serbien umfänglich Waffen- und Munitionslieferung zuzusagen müssen?

Russland mischte sich letzten Endes in einen Konflikt zwischen Serbien und Österreich-Ungarn ein. Immerhin wurde der Thronfolger Österreich-Ungarns ermordet. Russland wollte die "Strafaktion" Österreichs nicht dulden und meinte sich direkt in die Auseinandersetzung einschalten zu müssen. Das Serbien nun gewisse nicht die Unschuld vom Lande oder eine friedliebende, unschuldige Nation war, das wissen wir spätestens seit dem Balkankriegen, wo die serbische Soldateska nicht gerade durch humanes Auftreten aufgefallen ist.

Der französische Botschafter Paléologue in Petersburg erteilt Auskunft, er erfuhr durch den britischen Botschafter Buchanan, der gerade aus Sasonow Büro gekommen war, davon, "Russland ist zum Krieg entschlossen. Wir müssen nun Deutschland die ganze Verantwortlichkeit und die initiative des Angriffs zuschieben, nur so wird die öffentliche Meinung in England für den Krieg zu gewinnen sein."

Der russische Außenminister Prokowski gibt hier auch eine unmissverständliche Auskunft: "Das der Krieg von 1914 für das kaiserlich und bürgerlich Russland ein Krieg um Konstantinopel, ein Krieg um das türkische Erbe war, musste auch nur für einigermaßen hellsehende Leute klar sein."

Der Angriff Österreichs auf Serbien erfolgte erst später.
 
Am 17.April 1912, Raymond Poincaré war Ministerpräsiden seit ein paar Monaten Ministerpräsident, schrieb der deutsche Botschafter Schön in Paris an Kanzler Bethmann:

"Es läßt sich nicht verkennen, das die deutsch-feindliche Stimmung in Frankreich tiefe Wurzeln geschlagen hat. Vor einigen Wochen hatte zwar den Anschein, als ob der Chauvinismus etwas nachließe, auch die Presse schlug uns gegenüber einen milderen Ton an. Jetzt zeigt sich aber, daß man es nur den Zuständen im Inneren (Automobilbanditen, parteipolitischen Vorgängen usw.) zu verdanken hatte, wenn in den Blättern die feindseligen Ausfälle gegen Deutschland seltener geworden waren."


Genau... dann kommen, nachdem Poincaré schon in der Durazzokrise im November 1912 der serbischen Regierung überdeutlich mitteilen ließ, jeden Beistand bei dessen militärischen Sturmlauf im Rahmen des überaus erfolgreichen 1. Balkankrieg hin aus den lang ersehnten und dringend benötigten Adriahafen, den ÖU um jeden Preis verhindern wollte, zu verweigern, ganz verschiedene Phasen, innenpolitisch entwickeln sich die Dinge in Frankreich turbulent, Poincaré und dessen Politik verlieren an Unterstützung, die Regierungen werden tendenziell progressiver, weniger nationalistisch usw. usw.

In der bekannten Liman-Sanders-Krise Ende 1913/1914 steht die russ. Regierung oder gewisse Vertreter letztlich ohne französische dauerhafte, nachhaltige Unterstützung da.
Und die französische Regierung schließt im Frühjahr 1914 mit Berlin ein Abkommen über die Unterstützung/Mitbeteiligung bzw. Finanzierung der Bagdadbahn.
Ohne Zweifel, Ponicaré ist politisch in jener Phase geschwächt, vor allem seine Rolle als Staatspräsident machte ihm eher Probleme.

Das lässt sich an den Berichten von Botschafter Schön in Paris, dankenswerter weise von Dir genannt, wenn auch einseitig auf den wohl ideologisch lukrativeren Anfang der Tätigkeit Poincaré in den höchsten Ämtern, recht gut für die Zeit 1913/1914 zeigen, meine ich.

Die Position Poincarés in der französischen Politik Ende 1913 bis Frühjahr/Frühsommer 1914 wird u.a. in den Ausführungen von Klaus Wilsberg in "Terrible ami - aimable ennemi". Kooperation und Konflikt in den deutsch-französischen Beziehungen 1911-1914. (1998) S. 102 gut und zutreffend abgebildet. Er notiert u.a.:

[...] Insgesamt zeichnete sich in den deutsch-französischen Beziehungen seit Dezember 1913 eine spürbare Entspannung ab. Diese hatte ihre Ursachen im Abflauen der Feindseligkeiten auf dem Balkan, im Abschluß der Rüstungsdebatten, im Erfolg der Verhandlungen über die kleinasiatischen Bahnprojekte, aber auch in der innenpolitischen Niederlage Poincarés, die Frankreich in den Augen der Reichsleitung geschwächt erscheinen und die Hoffnung auf ein deutschen Zielen eher gewogenes Kabinett aus Linksrepublikanern wachsen ließ. [...]
 
Danke für deine Zeilen, Solar Andy,
wir Solar und Tesla Freunde müssen zusammenhalten. Ich bin auch total Fan von E Mobilität in Kombination mit Solar auf dem Dach.

ich habe dazu auch einen Artikel in der Welt gefunden der echt interessant ist. Man lernt da viel über den Charakter von diesem Menschen, ziemlich übler Scharfmacher, den muss man auch nicht verteidigen, wozu auch?


Heucheln ist eine Kunst, überzeugend heucheln noch viel mehr. Doch vielleicht wollte Frankreichs Präsident Raymond Poincaré gar nicht überzeugen, als er am 4. Juli 1914 den Botschafter Österreich-Ungarns empfing. Jedenfalls tat der höchst selbstbewusste, gemäßigt-nationale Politiker wenig, um Nikolaus Graf Szécsen von seinen guten Absichten zu überzeugen. Im Gegenteil. (...)
Szécsen verstand, was Poincaré sagen wollte: Wien solle sich nicht so haben, es handele sich eben um einen bedauerlichen Zwischenfall. Der Botschafter ließ sich aber nicht auf eine Diskussion über die Hintergründe der Tat ein.
(...)
Hatte doch Frankreichs Staatspräsident mit zwei Sätzen die gesamte geheuchelte Anteilnahme entwertet.
(....)
Nach diplomatischen Gepflogenheiten hätte Poincaré wenigstens seiner Hoffnung Ausdruck verleihen müssen, die Befürchtungen Österreich-Ungarns, Franz Ferdinand sei das Opfer einer staatlich geförderten serbisch-nationalistischen Verschwörung geworden, würden sich als unbegründet herausstellen. Stattdessen teilte er mit, was das Ergebnis der noch gar nicht ernsthaft begonnenen Untersuchungen zu sein habe.

Quelle:

 
Botschafter Schön berichtet mit Datum 1. März 1913 die intensive Aufnahme u. Diskussion in der französischen Öffentlichkeit, bei 'Volk und Gewalthabern', der bekannt gewordenen deutschen militärischen Planungen, zb. zur deutlichen Heeresverstärkung.
Schön notiert in seinem Bericht an Berlin weiter, dass nun damit zu rechnen sei, dass die [französische, Anm. von mir] Regierung in der Tat die Wiedereinführung der vollen dreijähren Militärdienstzeit vorschlagen werde.
 
Der "Temps" war sich in seinen Stellungnahmen gar nicht so sicher, ob die neuen militärischen Maßnahmen Frankreichs als Allianz- und Gleichgewichtspolitik oder als Verteidigungsmaßnahme gegen Deutschland zu legitimieren sei.

Ohnehin schöpfte Frankreich sein Wehrpotenzial erheblich besser und höher aus, als Deutschland.
 
Poincarés Stellung und Einfluss als Staatspräsident blieb im genannten Zeitraum eher prekär, u.a. durch die einflussreiche und breite Opposition aus Sozialisten, Radikalen, Linksrepublikanern, die sich auch nicht in die durch den angeblichen, sofort und umfassend wirksamen Aufruf Poincarés an 'die Bevölkerung Frankreichs' in eine vermeintlich landesweite Front der Kriegsbereiten - natürlich gegen Deutschland - einreihen lassen.

Diese politischen Ungewissheiten/Instabilitäten in jenen Monaten in Paris waren ein bedeutsamer Grund für publizistische und sonstige Aktionen in Russland, um die französische hohe Politik an die Erfüllung der Bündnispflichten, der militärpolitischen und militärischen Ziele und Maßnahmen zu erinnern, zu binden. Innerhalb kurzer Zeit hatten mehrfache Regierungswechsel in Paris statt gefunden, wie bekannt, mit zunehmend politisch progressiver Ausrichtung.
Dazu zwei Fragen:
1. änderte Poincare wegen zunehmendem (innenpolitischem) Gegenwind seine Haltung?
2. die erfreuliche politisch progressive Ausrichtung (wohl nicht in Poincares Sinn) wirkte in Richtung Friedensbemühungen, Ausgleich, Krisenbewältigung etc oder ließ sie das bleiben?

...eine dritte Frage ist noch offen, siehe Poincaré besucht Russland im Juli 1914 (zwischenzeitlich sind auch Zitate aus der engl. Wikipedia zitiert worden, die für mich nichts erkennbar anderes aussagen als der als revisionistisch verdächtigte deutsche Wikipedia Artikel)
 
1. änderte Poincare wegen zunehmendem (innenpolitischem) Gegenwind seine Haltung?
Welche?
2. die erfreuliche politisch progressive Ausrichtung (wohl nicht in Poincares Sinn) wirkte in Richtung Friedensbemühungen, Ausgleich, Krisenbewältigung etc oder ließ sie das bleiben?
siehe Zitat in Beitrag 424

mich nichts erkennbar anderes aussagen als der als revisionistisch verdächtigte deutsche Wikipedia Artikel)
und was genau?
Der "Temps" war sich in seinen Stellungnahmen gar nicht so sicher, ob die neuen militärischen Maßnahmen Frankreichs als Allianz- und Gleichgewichtspolitik oder als Verteidigungsmaßnahme gegen Deutschland zu legitimieren sei.
Es gab, siehe u.a. die diplomatischen Berichte aus Paris für Berlin in GP, diverse Dis. u.a. zu diesem Punkt. U.a. wurde genau erörtert, dass das Dt. Reich bereits 50% mehr Einwohner habe, knapp 70 Mill. im Vergleich zu 39 Mill. für Frankreich. In Frankreich gab es seit ca. 1900 eine immer wieder aufflammende, breite öffentliche Dis. nicht nur zum scheinbar unaufhaltsamen, teils fast beängstigend schnell immer größer werdenden wirtschaftlichen und militärischen Potential, sondern auch zum erstaunlichen demographischen Wachstum des Dt. Reiches - während damals in Frankreich seit Jahren ein Geburtenrückgang, ein Bevölkerungsrückgang beobachtet werden konnte.

Die Verlängerung der Wehrzeit würde zudem nicht nur mehr Soldaten bedeuten, sondern auch mehr Waffen, mehr Ausstattung, deutlich steigende Aufwendungen und Kosten - die von der angesichts der deutlich geringeren französischen Wirtschaftsleistung im Vergleich zum Dt. Reich tatsächlich eine große finanzielle Herausforderung darstellte, wie sich leicht anhand der damaligen Berichte und Veröffentlichungen belegen lässt.

Der allmächtige 'Deutschfresser', jederzeit kriegsbereite und stets kriegsrüstende Poincaré? Der Faden kann nun darauf verzichten, scheint mir.

Verzichten kann der Faden wohl auch auf den wiederholten Hinweis auf den Nachweis, dass die Poincaré-Antrittsbotschaft vom 20. Februar 1913 für die beiden Kammern in Paris weder bei Caron, Frankreich, S. 583, als angebliche Quelle dafür, noch bei Schön in GP, nicht mal bei KWII., besonders als akuter, dringender Aufruf/Appell an die Bevölkerung zur Kriegsbereitschaft gegenüber dem Dt. Reich gedeutet, gewertet oder wahrgenommen wurde, nachdem der 'berüchtigte' Poincaré bereits unmittelbar davor bereits ein Jahr als Premierminister die französische Politik mit formen konnte.
Verzichten wir auch auf wiederholten Hinweis auf den Nachweis, dass das vermeintliche Organ des russ. Generalstabs, das militärisch-literarische Wochenjournal Raswjädtschik, eben kein solchiges gewesen war, welches auch in der GP nicht im Zeitraum erwähnt wird, soweit ich sehen konnte; dass ein angeblicher "Neujahrsaufsatz" weiterhin nicht in der Ausgabe 1 des Jahrgangs 1914 zu finden ist, wie bislang auch kein weiterer Militärartikel speziell zum Thema 'Krieg gegen das Dt. Reich'.
Verzichten wir auch auf den wiederholten Hinweis auf den Nachweis, das der Artikel vom 13. Juni 1914 in der Tageszeitung Birschewija Wedomosti , im Auftrag von Kriegsminister Suchomlinow geschrieben, unmittelbar auf den Sturz des französischen Kabinetts Ribot vom Vortag reagiert, dass der Kontext stets die Frage war, ob die jeweilige neue Regierung die dreijährige Militärzeit weiter verfolgt, wie auch die anderen Bündnisaufgaben u. -verpflichtungen. (wer es genau wissen will: Die französischen Regierungen wechselten zwischen dem 1.1.1912 und dem 1. August 1914 acht mal. Die russ. Regierung kam kaum hinterher, jeweils Bündnis-Erinnerungs-Militärzeitverlängerungs-Artikel, adressiert an den französischen Bündnispartner, lancieren zu lassen. Mit stets gleicher Intension, sehr ähnlichen Inhalten. Siehe GP).
Verzichten wir auch auf den wiederholten Hinweis auf den Nachweis, dass die am 30. Juni 1914 vom russ. Generalstab beschlossene Lieferung von 120.000 Gewehren samt Munition an Serbien - auf dringende Bitte der serbischen Regierung seit Jahresbeginn 1914 - mitnichten eine 'Verfügung' des Zaren gewesen war und auch nicht als Reaktion auf den Sarajewo-Mord geplant, eingeleitet worden war, sondern von der serbischen Regierung als Ersatz für die großen Ausstattungsverluste in den eigenen Balkenkriegen bereits viele Monate dringend gebraucht und angefordert worden war.
 
Verzichten kann der Faden ebenfalls auf die Hybris eines bestimmten Mitglieds, das da meint, andere Mitglieder belehren zu müssen, wie diese ihre Beiträge zu verfassen hätten, verzichten können wir auch darauf, Ausführungen anderer Mitglieder einfach für unkorrekt und unzutreffend zu bezeichnen, ohne selbst einen tatsächlich konkreten und präzisen und nachprüfbaren Hinweis, russische Websites sind da wohl nicht hilfreich, da eben bestimmt nur eine Minderheit über russische Sprachkenntnisse verfügt,. Verzichten können wir auch darauf, das viele, belegbare Äußerungen, schlicht einfach ausgeblendet bzw. übersehen werden.

Im Jahre 1911 hatte Frankreich ca. 40 Millionen Einwohner.
Russland als der Verbündete Frankreichs, das sollte bei der Hernaziehung der Zahlen nicht einfach unter dem Tisch fallen, knapp 143 Millionen Einwohner.
Großbritannien etwas über 42 Millionen.
In der Summe verfügte die Triple Entente also über ca. 225 Millionen Einwohner.

Aber auch nur Frankreich und Russland kamen zusammen auf 183 Millionen Einwohner.
Deutschland verfüge zu jenem Zeitpunkt über ca. 64 Millionen Einwohner.
Österreich-Ungarn über knapp 50 Millionen Einwohner.

Die Triple Entente stand also mit 225 Millionen gegenüber 114 Millionen also deutlich besser da. Nur so macht die Spielerei mit den Zahlen Sinn.
Aber auch Russland und Frankreich allein verfügten über das deutlich größere Wehrpotenzial als der Zweibund.

Das gigantische Rüstungsprogramm, welches Russland noch vor dem Weltkrieg auflegte, findet auch keine Erwähnung und Berücksichtigung. Warum eigentlich nicht? Poincaré setzte jedenfalls die dreijährige Dienstpflicht durch. Deutschland und Österreich konnten mit den vereinten Bemühungen Russlands und Frankreichs jedenfalls nicht mithalten.

Es sollte auch nicht einfach übersehen ,welche ungeheuren Summen Frankreich Russland zur Aufrüstung zur Verfügung stellte. Aber auch Serbien wurde entsprechende Gelder zur Verfügung gestellt.

Zur erweiterten Wehrvorlage von 1912 ist auch anzumerken, das die Ereignisse der Balkankriege hier reinspielten Die Staaten des im März 1912 unter maßgeblichen Einfluß Russlands gebildeten Balkanbundes haben doch für eine Veränderung der außenpolitischen Großwetterlage gesorgt. Sicher nicht zugunsten Österreichs und Deutschlands. Im Gegenteil. Es war klar, das die nachhaltige Schwächung der Türkei nicht geraden einen Vorteil für de Zweibund darstellte. Als dann noch die Adriakrise zu eskalieren drohte, wurde über die neuen Rüstungsmaßnahmen entschieden.

Es ist zwar zutreffend, das Serbien in Petersburg schon seit Beginn des Jahres 1914 hinter Waffen und Munition hinterher bettelte, aber viel interessanter ist das Datum der Bewilligung durch den Zaren. Das war der 30.06.1914; zwei Tage nach dem Attentat. Auch ist darauf hinzuweisen, das die deutsche Heeresrüstung in den vergangenen Jahren eher bescheiden war.

@andressolar hatte hier auch angedeutet, das die Schrift von Kuhl möglicherweise gar nicht existiere. Auch werden hier einfach Belege, obwohl dieser an prominenter Stelle genannt wurden, beiseite gewischt. Allerdings ohne wirklich präzisen Hinweis. Wenn jemand wie Christopher Clark mit einer Publikation an die Öffentlichkeit tritt, dann werden die Belege wohl schon entsprechend sorgfältig geprüft worden sein. Außerdem gibt es ja auch Aussagen von Zeitzeugen wie beispielsweise des General Sergei Doborolski, Chef de russischen Mobilmachungsabteilung, in seinem Werk, " Die Mobilmachung der Russischen Armee 1914" von mir mehrfach benannt und souverän übersehen wird. Ebenso die Ausführungen eines Stefan Schmidt, das ein Poincaré, ein Maurice Paléologue und möglicherweise auch der russische Außenminister Sasonow ihre Aufzeichnungen frisiert und gefälscht haben. Auch das von Besuch Poincarés Besuch sowohl in Petersburg als auch in Paris keine Aufzeichnungen existieren. Ebenfalls keine Berücksichtigung der vollkommen, für die Sicherheit Frankreichs, unnötigen Ausdehnung des Bündnisfalles, Clark sprich in diesem Kontext von einer Balkanisierung der französischen Außenpolitik. Poincaré erteilte den Russen mehrfach einen Blankoscheck. Wozu war das denn nötig, wenn man Frieden wollte ?Wird jedenfalls auch ausgeblendet. Das Sasonow, das deckt sich mit der Ausführung von Doborolski, gegenüber den britischen Botschafter klar den Entschluss zum Krieg signalisierte, ebenfalls nicht zur Kenntnis genommen. Ja, das ist alles sehr schade.
 
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Gibt es diese Ausgabe online?
Kannst Du hier runter laden

Das kam dann in die OCR-Software zur Texterkennung...hat nur leidlich funktionert, ansonsten bisschen händisch übersetzt...




Es ist natürlich wissenschaftlicher Unfug, hier durchweg und ohne ausreichende Quellenrecherche in GP usw. & ausnahmslos & wenig kritisch das revisionistische Kriegs- und Nachkriegsbild von Poincaré (weiter) zu pflegen. Revisionistisch 'fundiert' und mit dem offenkundigen Ziel einer gründlichen moralischen Diskreditierung?
Es kann anhand selbst der revisionistisch angelegten GP-Bände ausreichend recherchiert werden, dass Poincaré vor dem I. Weltkrieg nicht als der aggressive und revanchistische Politiker galt, in welchen er dann während des Krieges und in der anschließenden Kriegsschulddebatte verwandelt wurde.

Vielleicht hilft hier Krumeichs Arbeit Poincaré vu de l'Allemagne, avant et après la Guerre de 1914-1918, in: J. Lanher/N.Cazin. (Hg.), Raymond Poincaré. Un homme d'Etat lorrain, Bar le Duc 1989. S. 127 -137, weiter.

Mit den gleichen 'Mitteln' konnte und kann man Liman von Sanders, die Affäre dazu oder KWII nicht nur in diesem Zusammenhang ebenfalls hinreichend 'gut' als aggressive und militaristische Akteure diskreditieren. Siehe beispielsweise teils bei Fritz Fischers oder von Fischer-Schüler Immanuel Geiss, Juli 1914.
 
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Jetzt wird der Hund in der Pfanne verrückt.
Nun, dann rege ich an ihn in ein angemesseneres Habitat zu verlegen, ich würde da wahrscheinlich auch verrückt.

Hast du eigentlich meine ganzen Beiträge gelesen?
Ich denke schon.

Der Reihe nach. Am 25.Juli begann in Russland die (Teil) Mobilmachung. Muss erwähnt werden, gegen wem sich diese richtete?
Nein, aber du müsstest mir erklären, wo du da irgendeine Relevanz im Hinblick auf den Zweibundvertrag siehst, denn dessen Beistandsverpflichtungen bezogen sich nur auf den Fall eines Angriffs auf einen der Partner, nicht auf die bloße (Teil)Mobilisation dritter Mächte.

Und natürlich hatte St. Petersburg Kenntnis vom auf den 25. Juli befristeten Ultimatum und der damit verbundenen Kriegsdrohung Wiens gegen Serbien.

Der Chef der russischen Mobilmachungsabteilung, ich wiederhole es schon wieder, hat hierzu unmissverständlich Auskunft gegeben, nämlich der der Krieg beschlossene Sache gewesen sei.
Beeindruckend.

Nur hatte der Chef der Mobilmachungsabtilung nicht über den Krieg zu beschließen, dass war Prärogative des Zaren.
Welches Dokument belegt, dass Zar Nikolaus II. unabhängig jeder anderen internationalen Entwicklung, fest entschlossen gewesen wäre Österreich-Ungarn anzugreifen?

Zur gleichen Zeit sprach der Zar noch mit dem deutschen Kaiser, dem er dann gegenüber einräumt, das eben seit dem 25.07. die sogenannte Teilmobilmachung gegen Österreich lief; was technisch gar nicht möglich war, da hierzu der Militäristrikt Warschau benötigt wurde.
Was für die Beistandsklausel des Zweibundvertrags genau welche Relevanz hatte?

In Serbien begann, interessanter ebenfalls am 25.07.1914, die Mobilmachung. Gab es zu jenem Zeitpunkt eine Kriegserklärung von Österreich.? Nein!
Nein, aber es gab das Österreichische Ultimatum vom 23.07.1914, dass Serbien bei Nichtannahme Krieg androhte und es gab die Verlegung von Verbänden der Österreichisch-Ungarischen Streitkräfte in Richtung serbische Grenze.

Es lässt sich also kaum behaupten, Serbien hätte keinen Grund zur Mobilisation gehabt.

Was du aber natürlich nicht erwähnt hast, ist der Umstand, dass ein größerer Teil der serbischen Streitkräfte begann nach Süden von der Österreichisch-Ungarischen Grenze weg in Richtung Nis zu verlegen, was klar auf die Absicht deutete nicht selbst offensiv zu werden, sondern sich auf eine tiefe Verteidigung im Landesinneren zu verlegen.

Russland mischte sich letzten Endes in einen Konflikt zwischen Serbien und Österreich-Ungarn ein.
Russland unternahm keine Kriegshandlungen gegen Österreich-Ungarn, bevor Wien gegen Serbien losgeschlagen hatte.

Was das Völkerrecht im Hinblick auf das Unterstützen eines angergriffenen Landes sagt und auch damals schon sagte, ist eigengentlich im aktuellen Kontext des Ukrainekrieges so hinreichend erörtert worden, dass man eigentlich der Meinung sein sollte, diese Frage wäre hinlänglich geklärt:

Jeder dritte Staat hat in einem militärischen konflikt das Recht der angegriffenen Partei militärisch zur Hilfe zu kommen. Und zwar ohne dass er deswegen als Agessor gelten würde.

Im Übrigen, als im Kontext der Balkankriege Österreich mobilisierte und drauf und drann war gegen Serbien wegen der Albanischen Territorien zu intervenieren, da hatte Wien so überhaupt nichts dagegen sich in einen Konflikt zwischen Serbien und dem Osmanischen Reich einzumischen.

Und ich muss sagen, dafür, dass du dich so über das russische Verhalten aufregst, habe ich von dir bisher relativ wenig Kritik an der damaligen Österreichischen Einmischung gelesen.

Wie habe ich das also zu verstehen?

Wenn sich Österreich in einen Konflikt zweier anderer Staaten einmischt, ist das legitim, wenn Russland dies tut aber nicht?


War Russland mit Serbien verbündet? Nein! Warum meinte Russland am 30.06. Serbien umfänglich Waffen- und Munitionslieferung zuzusagen müssen?
Was tut beide Dinge im Hinblick auf die Modalitäten des Zweibundes zur Sache?

Der französische Botschafter Paléologue in Petersburg erteilt Auskunft, er erfuhr durch den britischen Botschafter Buchanan, der gerade aus Sasonow Büro gekommen war, davon, "Russland ist zum Krieg entschlossen. Wir müssen nun Deutschland die ganze Verantwortlichkeit und die initiative des Angriffs zuschieben, nur so wird die öffentliche Meinung in England für den Krieg zu gewinnen sein."

Der russische Außenminister Prokowski gibt hier auch eine unmissverständliche Auskunft: "Das der Krieg von 1914 für das kaiserlich und bürgerlich Russland ein Krieg um Konstantinopel, ein Krieg um das türkische Erbe war, musste auch nur für einigermaßen hellsehende Leute klar sein."

Der Angriff Österreichs auf Serbien erfolgte erst später.
Die österreichische Absicht Serbien anzugreifen, wenn dieses das Ultimatum nicht abnickte, war aber bereits angekündigt.

Und wenn in Kenntnis dieser Ankündigung die Außenpolitiker Russlands sich auf Krieg einstellten, weil sie auf dem Standpunkt standen einen Österreichischen Angriff auf Serbien nicht unbeantwortet zu lassen und Serbien beizustehen, ist dies kein Nachweis für eine Agression, die unmissverständlich den Zweibundvertrag aktiviert hätte.

Auch die Meinung Prokowskis, dass es sich letztlich auch um einen Krieg um die Meeregengen handelte, tut dem keinen Abbruch. Wenn die beiden Balkan-Großmächte gegneinander zu Felde zogen, musste das Ergebnis unweigerlich als Nebenprodukt Auswirkungen auf das Osmanische Reich und die Machtverhältnisse an den Meerengen haben.

Konstantinopel und die Meerengen zu erobern war aber nicht der Grund dafür in den Krieg zu ziehen, da hätte man ja gegen das Osmanische Reich Krieg führen müssen, wäre dies das unmittelbare Ziel gewesen.
Dem wurde allerdings nicht der Krieg erklärt, sondern der Donaumonarchie wegen ihres Vorgehens gegen Serbien.
 
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Im Jahre 1911 hatte Frankreich ca. 40 Millionen Einwohner.
Russland als der Verbündete Frankreichs, das sollte bei der Hernaziehung der Zahlen nicht einfach unter dem Tisch fallen, knapp 143 Millionen Einwohner.
Großbritannien etwas über 42 Millionen.
In der Summe verfügte die Triple Entente also über ca. 225 Millionen Einwohner.

Aber auch nur Frankreich und Russland kamen zusammen auf 183 Millionen Einwohner.
Deutschland verfüge zu jenem Zeitpunkt über ca. 64 Millionen Einwohner.
Österreich-Ungarn über knapp 50 Millionen Einwohner.

Die Triple Entente stand also mit 225 Millionen gegenüber 114 Millionen also deutlich besser da. Nur so macht die Spielerei mit den Zahlen Sinn.
Aber auch Russland und Frankreich allein verfügten über das deutlich größere Wehrpotenzial als der Zweibund.
Diese Spielerei mit Zahlen, wie du sie weiter treibst , macht relativ wenig, weil sie weder die Ausrüstung der Truppn, noch die Implikationen des Schlieffenplans berücksichtigt.

Ganz Europa, oder zumindest Festlandeuropa ging damals von einem kurzen Krieg aus, der sich dadurch entscheiden Würde, ob Deutschland Frankreich würde aus dem Krieg schlagen können, bevor Russland seine militärischen Potentiale überhaupt voll aktivieren konnte.

Das gigantische Rüstungsprogramm, welches Russland noch vor dem Weltkrieg auflegte, findet auch keine Erwähnung und Berücksichtigung.
So wenig wie die deutschen Gegenrüstungen, die hier auch noch nicht thematisiert wurden.

Poincaré setzte jedenfalls die dreijährige Dienstpflicht durch.
Was aus der französischenn Position heraus durchaus nicht unbedingt als Akt aggressiver Politik zu verstehen ist. Der Hinweis auf die auseinanderklaffende demographische und industrielle Entwicklung Deutschlands und Frankreichs war ja gegeben worden.

Frankreich hatte, wenn man kalkuliert, dass auch immer ein gewisser Prozentsatz an nicht Militärdiensttauglichen in jedem Jahrgang dazwischen sind, die Grenzen seiner Manpowerreserven mehr oder weniger erreicht, Aufstockung des Friedensheeres war im größeren Stil vor allem noch über die Erhöhung der Dienstzeit möglich.

Und angesichts des Umstands, dass man in Frankreich den Schlieffenplan in Grundzügen kannte und damit rechnen musste es mit der geballten deutschen Militärmacht zu tun zu bekommen, bevor der russische Verbündete etwas tun konnte, war das grundsätzlich auch nicht unvernünftig.

Zumal, wenn man auch bedenkt, dass Frankreichs großes Kolonialreich auch stets einen Teil des französischen Militärpotentials band und damit gerechnet werden musste, dass diese Truppen nicht binnen kürzester Zeit ad hoc nach Frankreich zurückkverlegt werden konnten und wenn man darüber hinaus noch berücksichtigt, dass Frankreich mit Italienn durchaus noch einen unberechenbaren Nachbarn hatte, dessen Haltung in einer Krise sich nicht unbedingt vorwegnehmen ließ.
Man hatte zwar den Neutralitätspakt, aber um die italienischen Begehrlichkeiten hinsichtlich Korsika und Tunesien wusste man ja und damit usste grundsätzlich infrage stehen, was dieser Pakt wert war.
 
Es ist natürlich wissenschaftlicher Unfug, hier durchweg und ohne ausreichende Quellenrecherche in GP usw. & ausnahmslos & wenig kritisch das revisionistische Kriegs- und Nachkriegsbild von Poincaré (weiter) zu pflegen. Revisionistisch 'fundiert' und mit dem offenkundigen Ziel einer gründlichen moralischen Diskreditierung?

Es auch unwissenschaftlich, andere Diskutanten zu diskreditieren. Den Begriff Unfug und andere herabsetzende Begriffe will ich mir ersparen.

Das kam in den letzten Tagen ja schon häufiger vor.

In den letzten Beiträgen können bei dir keine Quellen gesichtet werden.
Dein spezieller Umgang mit meinen Belegen haben mich dazu veranlasst, die Quellen nicht zu nennen. Entweder existiert diese möglicherweise nicht oder ist schlicht revisionistisch. Ein von dir häufig verwendetes Totschlagargument. Deine Zielsetzung, so könnte man meinen, ist deutlich.

Unterstelllungen wie im zitierten letzten Satz , vor allem wenn diese nicht zutreffend sind, ist nicht nur unwissenschaftlich, sondern einfach eine Ungezogenheit.

Manchmal ist, so scheint es, sich von liebgewonnenen Meinungen zu verabschieden. Poincaré war nicht der liebe Onkel von nebenan. Ich bekommen den Eindruck, so scheint es zumindest, alles, was das deutsche Kaiserreich nicht als böse und schuldig, sondern zu einer differenzierten Betrachtung kommt, eben das die ehemaligen Kriegsgegner auch eine gehörige Portion Schuld an dem Kriege haben, wird als revisionistisch verdammt und gleichzeitig der Autor diskreditiert.
 
@Shinigami

Wir kommen ganz bestimmt nicht zusammen!
Was für die Beistandsklausel des Zweibundvertrags genau welche Relevanz hatte?


Wenn A und B ein Vertrag darüber abgeschlossen, das sie sich militärisch, für den Fall, das C angreift, unterstützen, ist doch eigentlich kaum missverständlich.
D hat mit der ganzen Sache überhaupt nichts zu tun. C war mit D nicht einmal verbündet. Hintergrund war der aggressive Panslawismus und der russische Drang zu den Meerengen und der sollte nicht durch ein Vorgehen Österreich-Ungarns in Frage gestellt werden. Die Russen hatten Schiss, das die Österreicher Serbien besetzen und territorial reduzieren würden und das war Russland Interessen hinderlich. Petersburg hat gewissermaßen gleichzeitig , gewissermaßen synchron mit Serbien mobilgemacht.

Ich bemühe einmal Gerd Krumreich. Es geht um denn Staatsbesuch im August 1912 in Petersburg. Poincaré gestand hier zu, das Frankreich auch dann auf seiten Russlands kämpfen würde, wenn Russland in Verfolgung seiner Balkaninteressen einen Krieg mit Österreich-Ungarn führe. Die Einschränkung, dass diese Zusage nur dann Geltung habe, wenn Deutschland in dem Krieg eingreife, konnte deren Bedeutung nicht mindern, da ja Deutschland in Falle eines russischen Angriffs gemäß den Bestimmungen des Zweibundvertrages zum Eingreifen verpflichtet war.

Diese Spielerei mit Zahlen, wie du sie weiter treibst , macht relativ wenig, weil sie weder die Ausrüstung der Truppn, noch die Implikationen des Schlieffenplans berücksichtigt.

Zur Info. Damit habe ich nicht begonnen; deine Kritik richtet sich aber nur an meine Adresse. Darf ich fragen, warum?
Davon einmal abgesehen, geben dieses Zahlen zumindest Auskunft über das gewaltige Wehrpotenzial, über welches die Tripleentente verfügte. Ach ja, das hat nichts mit Revisionismus zu tun, sondern sind ganz einfach nackte Tatsachen.

Und zum Kolonialreich: Frankreich rekrutierte aus den Kolonien Soldaten für den Kampf gegen Deutschland.

Man hatte zwar den Neutralitätspakt, aber um die italienischen Begehrlichkeiten hinsichtlich Korsika und Tunesien wusste man ja und damit usste grundsätzlich infrage stehen, was dieser Pakt wert war.

Der war einiges wert, nämlich das Frankreich seine Grenze an den Alpen militärisch weitgehend entblößen konnte. Es gelang ja auch zügig Italien auf die Seite der Triple Entente zu ziehen.

Beeindruckend.

Nur hatte der Chef der Mobilmachungsabtilung nicht über den Krieg zu beschließen, dass war Prärogative des Zaren.
Welches Dokument belegt, dass Zar Nikolaus II. unabhängig jeder anderen internationalen Entwicklung, fest entschlossen gewesen wäre Österreich-Ungarn anzugreifen?

Das "Beeindruckend" kannst du dir sparen. Solche Spitzen sind unnötig!
Der Chef der Mobilmachungsabteilung war informiert, das der Krieg beschlossene Sache gewesen war. Quelle ist oben benannt. Was ist daran misszuverstehen? Der Zar war schwach und er war sich selbst bewusst darüber, das den Druck der Militärs und Saosnows nicht standhalten würde. So kam es ja auch.

Russland unternahm keine Kriegshandlungen gegen Österreich-Ungarn, bevor Wien gegen Serbien losgeschlagen hatte.

Russland mach mobil. Was eine Mobilmachung bedeutet wirst du wissen. Die Mobilmachung sollte zuerst nur gegen Österreich-Ungarn gerichtet sein, das war wegen Warschau schlecht möglich, richtete sich dann aber auch ganz klar gegen das Deutsche Reich. Da weder Österreich-Ungarn noch Deutschland an ihren Grenzen zu Russland aktiv wurden, war das ein erster militärisch aggressiver Schritt Russlands.

Und wenn in Kenntnis dieser Ankündigung die Außenpolitiker Russlands sich auf Krieg einstellten, weil sie auf dem Standpunkt standen einen Österreichischen Angriff auf Serbien nicht unbeantwortet zu lassen und Serbien beizustehen, ist dies kein Nachweis für eine Agression, die unmissverständlich den Zweibundvertrag aktiviert hätte.

Dazu habe ich nun schon einiges und das mehrfach ausgeführt. Das muss nicht schon wieder wiederholt werden.

Ganz Europa, oder zumindest Festlandeuropa ging damals von einem kurzen Krieg aus, der sich dadurch entscheiden Würde, ob Deutschland Frankreich würde aus dem Krieg schlagen können, bevor Russland seine militärischen Potentiale überhaupt voll aktivieren konnte.

Moltke eher nicht. Moltke hatte auch seinen Kollegen Conrad über die erheblich schnellere russische Mobilmachung, französisches Geld hat es möglichgemacht, informiert.

Auch die Meinung Prokowskis, dass es sich letztlich auch um einen Krieg um die Meeregengen handelte, tut dem keinen Abbruch. Wenn die beiden Balkan-Großmächte gegneinander zu Felde zogen, musste das Ergebnis unweigerlich als Nebenprodukt Auswirkungen auf das Osmanische Reich und die Machtverhältnisse an den Meerengen haben.

Konstantinopel und die Meerengen zu erobern war aber nicht der Grund dafür in den Krieg zu ziehen, da hätte man ja gegen das Osmanische Reich Krieg führen müssen, wäre dies das unmittelbare Ziel gewesen.
Dem wurde allerdings nicht der Krieg erklärt, sondern der Donaumonarchie wegen ihres Vorgehens gegen Serbien.

Natürlich interessiert auch dieser erstklassige Zeitzeuge nicht. Was soll man da noch entgegnen. Die Meerengen waren kein Nebenprodukt. Ich empfehle dir dringend die Lektüre des Buches von Prokowski, "Drei Konferenzen". Wenn du das liest, das stehen dir möglicherweise die Haare zu Berge.
 
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Wenn Frankreich so friedliebend war, weshalb wurde Russland dann mit geradezu "monströsen" finanziellen Mittel für eine bis dahin nie dagewesene Aufrüstung ausgestattet. Auch Serbien bekam Geld. Weshalb Deutschland die Wehrvorlage von 1912 beschlossen hatte, habe ich auch schon erwähnt. Aber es wird immer wieder einfach übersehen.

Auch habe ich bisher nicht ein einziges Statement zu den Verfälschungen Poincaré, Paleologue und möglicherweise eben Sasonow gelesen. Aber es wird dafür behauptet, die GP sei revisionistisch; dabei als Unterlage für jeden Historiker, der sich mit der diplomatischen Geschichte jener Zeit beschäftigt, unentbehrlich.

Auch die Quellen zur Loi de Trois Ans lag quellenmäßig zu gut wie nichts vor. Weder die Protokolle des Ministerrats, des Obersten Kriegsrates noch die der Armeekommission. Erst viel später gelang es zumindest so einiges aufzufinden. Zu Poincaré Besuch, das da auch die Unterlagen in beiden Hauptstädten fehlen, habe ich auch schon angemerkt. Findet auch keine Berücksichtigung. Findet niemand eigenartig.

Es war klar, das eine Offensive in Richtung Lothringen nur mit russischen Entlastungsangriffen Aussicht auf Erfolg haben würde. Der neue Ministerpräsiden Poincaré suchte deshalb den Schulterschluss mit Russland. Frankreich tat mit seinen gewaltigen finanziellen Hilfen gegenüber Russland gewissermaßen in Vorleistung.

Der Grund für die französische Aufrüstung war wohl nicht die Furcht vor einen unmittelbaren Überfall Deutschlands, sondern wohl vielmehr das die deutsche Heeresvermehrung die strategischen Planungen Frankreichs, insbesondere den seit 1911 in Erarbeitung befindlichen offensiven Aufmarschplan, in Frage stellte. Aber natürlich wurden die Deutschen als Legitimation bemüht; so wie es die Briten bezüglich ihrer Flottenrüstung auch taten. Dort wurde das Märchen von einer bevorstehenden deutschen Invasion verbreitet. Die Regierung wusste, dass das Blödsinn war, stellte aber nichts richtig.

Ganz kurz zum Ergebnis der Parlamentswahl von 1914:
Die französischen Parlamentswahlen 1914 sind ja nicht gerade im Sinne von Poincaré ausgefallen. Gemäß Mayers Überzeugung in " Causes and Purposes", war es die Tatsache, die Poincaré als Exponenten des gegenrevolutionären Lagers, dazu bewog, in der Julikrise 1914 bewusst auf den Krieg zu setzen, den er getreu der konservativen Doktrin , als Gegengift gegen die Revolution betrachtete.
 
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