Das sehe ich anders: Auch die SS-Männer waren Menschen, und wie alle Menschen waren auch sie auf die Zustimmung ihrer näheren Umgebung angewiesen.
Was
@Ravenik meint, und er möge mich korrigieren, wenn ich es falsch darstelle, ist das bereits angesprochene Problem des Vorsatzes.
Das deutsche Strafrecht fragt zuallererst nicht: Was hat F. erreicht?
Sondern es fragt: Was wollte F. erreichen?
Verlangt wird zumindest ein Eventualvorsatz. Es ist nicht nötig, dass sie sinngemäß gesagt oder gedacht* hat: "Ich will, dass es passiert." Es genügte, wenn sie gesagt oder gedacht hat*: "Es kann passieren, aber ob's passiert, ist mir schnuppe."
*) Gemeint sind natürlich nicht ihre Gedanken, sondern ihr durch Handeln schlüssig ausgedrückter innerer Wille; denn wenn eine Handlung
erkennbar zu einem bestimmten Resultat führen
wird, kann man sich nicht damit herausreden, man habe das Resultat nicht gewollt.
Und diesen Vorsatz muss sie gleich doppelt gehabt haben, nämlich sowohl im Bezug auf die Tat, der die Hilfeleistung gedient haben soll (also das Morden im KZ), als auch im Bezug auf ihre eigene Hilfeleistung (sonst wäre ja z.B. auch jeder Taxifahrer der Beihilfe schuldig, der ahnungslos einen Mörder zum Tatort fährt).
Irmgard F. muss also das Morden im KZ zumindest egal gewesen sein,
und es muss ihr zumindest egal gewesen sein, dass sie, indem sie in der Lagerverwaltung arbeitete, den Mördern half.
Problem: Was, wenn sie nicht für möglich hielt, dass sie den Mördern tatsächlich half, weil sie entweder ihr Handeln nicht als Hilfe erkannte, oder glaubte, die Mörder hätten ihre Hilfe gar nicht nötig? Dann hätte sie keinen Vorsatz zu einer Hilfeleistung gehabt.
Die Staatsanwaltschaft antwortete darauf: "Das glauben wir nicht! Die ganze Verwaltungskorrespondenz ist durch ihre Hände gegangen, hier der Bedarf an Munition, dort der Bedarf an Brennstoff fürs Krematorium! Sie
muss es gewusst haben! Und
wenn sie es gewusst hat, und sich
trotzdem nicht wegversetzen ließ oder gar Widerstand leistete,
dann kann sie nicht behaupten, dass sie es
nicht gewollt hat."
Was an und für sich auch plausibel ist.
Das LG Itzehoe hat deswegen die psychische Beihilfe bejaht, also geurteilt, dass sie
1. wusste, dass gemordet wird,
2. ihr das Morden mindestens egal war,
3. sie wusste, dass sie den Mördern half, und
4. es ihr mindestens egal war, dass sie den Mördern half.
Wobei es für das Helfen schon genügt habe, dass sie als Bürokraft dafür sorgte, dass die Lagerkommandantur bekam, was sie wollte und tun konnte, was sie wollte. Nur: Offenbar konnte F. keines der Dokumente, welches dieses Den-Laden-am-Laufen-Halten zeigen sollten, zweifelsfrei zugeordnet werden. Demnach hätte auch jemand anderes die Schriftstücke ausgefertigt haben können.
Das sind zwei widersprüchliche Feststellungen:
Einerseits gilt sie als wichtiges Rädchen im Getriebe.
Andererseits könnte das Rädchen unbemerkt nicht funktioniert haben, und man würde es nicht einmal merken.
Ehrlich gesagt, ich komme mit der Urteilsbegründung nicht ganz klar. Das Ergebnis halte ich für richtig, aber der Weg dorthin kommt mir seltsam vor. Ich verstehe schon, auch wenn ich anderer Meinung bin, warum z.B.
@flavius-sterius findet, dass man sich hier extrem aus dem Fenster gelehnt hat, um den Schuldspruch zu erhaschen.
Da gehe ich nicht mit. Sie wäre einfach ausgetauscht worden und jemand anders wäre schuldig geworden.
Dann stellt sich freilich die Frage, worin die "Leistung" bestand, die F. für die Mordtat erbrachte.