Sollten Nazi-Verbrecher heute noch verurteilt werden??

Ich habe ja für eine Schule gearbeitet. Derzeit arbeite ich als Deutschlehrer für eine Firma aber im betrieblichen Einsatz einer anderen Firma. Ich kann nur sagen, dass in der Schule, als auch in dem Betrieb, in dem ich eingesetzt bin, die Sekretärinnen die linke und rechte Hand des Direktors/Niederlassungsleiters sind. Der Direktor respektive Niederlassungsleiter treffen die schulischen respektive operativen Entscheidungen, aber die Sekretärinnen sind diejenigen, die alles im Kopf haben. Das ist meine Erfahrungswelt. Die Sekretärinnen waren an keinem Ort „Tippsen“, die nichts weiter können mussten als Orthographie und Grammatik, sondern die halten den Laden am Laufen, waren/sind die semiheimlichen Chefinnen.
Ich kenne zwar auch Sekretärinnen von Chefs, die sich selbst für Chefinnen halten, aber die blutjunge weibliche Schreibkraft eines KZ-Kommandanten in einer zutiefst männerdominierten und militarisierten Gesellschaft zur eigentlichen KZ-Kommandantin hochzustilisieren, halte ich doch für überzogen.
Zumindest räumst ja auch Du ein, dass operative Entscheidungen nicht von einer Sekretärin getroffen werden.
Immerhin konnten nach den Krieg zwei gesuchte Verbrecher bei ihr Zuhause einkehren, ohne befürchten zu müssen, von ihr verraten zu werden. Der Kontakt war also enger, als ein Arbeitsverhältnis, sondern wohl auch kollegial-freundschaftlich.
Möglich. Oder es wirkte einfach nur ihre Loyalität (bzw. ihr Korpsgeist) nach, dass sie keine ehemaligen Vorgesetzten und Kollegen verraten wollte. Der zweijährige Dienst im KZ musste zusammenschweißen, gerade auch durch den Gegensatz zwischen denen, die es betrieben, und denen, die gefangengehalten, misshandelt und ermordet wurden. Ich kann mir schon vorstellen, dass das noch nach dem Krieg nachwirkte. Egal was Frau F. persönlich über die Vorgänge im KZ gedacht haben mag, war sie letztlich doch auch eine von "denen".
(Das Betriebsklima in einem KZ kann man sicherlich nicht mit dem Betriebsklima in einem modernen Dienstleistungsbetrieb vergleichen.)
 
Ich kenne zwar auch Sekretärinnen von Chefs, die sich selbst für Chefinnen halten,
Ich rede nicht von Egozentrikerinnen, die sich selbst zu wichtig nehmen, sondern von Personen, die von der Belegschaft (oder auch einem gestandenen Lehrerkollegium) in eben dieser Rolle anerkannt sind und eine solche Anerkennung vor allem aufgrund ihrer Fähigkeiten erworben haben, nicht etwa, weil sie sich wichtig nähmen.
 
Da stellt sich doch erst recht die Frage, ob eine blutjunge Frau als Schreibkraft in einem "Betrieb" voll enthemmter, brutaler, menschenverachtender Männer, die so sozialisiert wurden, dass sich Frauen unterzuordnen haben und keine "wichtigen" Tätigkeiten auszuüben haben (sondern, wenn sie schon berufstätig sind, sich auf Berufe wie Krankenschwester, Sekretärin, Verkäuferin oder allenfalls Grundschullehrerin zu beschränken haben), tatsächlich diese Anerkennung erfahren konnte - in einer Zeit, in der selbst die (wenigen) Wissenschaftlerinnen von ihren männlichen Kollegen kaum anerkannt wurden, sondern ihre Leistungen kleingeredet oder verschwiegen wurden.
 
Zuletzt bearbeitet:
"Die Angeklagte hingegen bekleidete eine Schlüsselfunktion in der Kommandantur des Konzentrationslagers S.. Sie gliederte sich nicht in eine Masse gleichrangiger Bediensteter mit identischer Funktion ein, sondern war die Stenotypistin im geteilten Geschäftszimmer von Kommandant und Adjutant des Lagers und damit unmittelbar an der Spitze der Befehlskette in unterstützender Funktion tätig."
Höchst seltsam, nicht wahr? Einerseits war F. "die Stenotypistin" des Lagers und bekleidete eine "Schlüsselfunktion", andererseits konnte das Gericht "für keines der tatrelevanten Schriftstücke ohne vernünftigen Zweifel" feststellen, "dass die Angeklagte daran physisch mitgewirkt hat." Weswegen es, gewissermaßen ersatzweise, auf ein rein psychisches Mittun abstellt. Das war es, was ich meinte, als ich (unnötig verklausuliert im Bestreben zu vereinfachen) von einer extensiven Auslegung der Gehilfen-Eigenschaft sprach. Wie viele Sekretärinnen, wie viele "Führergehilfinnen" gab es denn in Stutthof? Das müsste man mal in Erfahrung bringen.
Vergleichsmaßsstab sollten ja durchaus auch die Urteile sein, die heute so gefällt werden und da sehe ich im Fall der Stutthof-Sekretärin das wesentlich größere Problem, da mir das Strafmaß völlig unverständlich ist.

[…]

Wenn sich heute ein Jugendlicher oder junger Erwachsener, der noch unter das Jugendstrafrecht fallen würde im Rahmen einer kriminellen Bande der Mitäterschaft an 10 Morden schuldig machen würde und man ihn für schuldfähig hielte, würde dieser eine erheblich längere Haftstrafe auferlegt bekommen, die garantiert nicht mit einer Bewährung verbunden wäre und das völlig zurecht.
Jain.

Das deutsche Jugendstrafrecht stellt den Erziehungs- und Rehabilitationscharakter nicht nur in den Vordergrund, sondern er verdrängt hier schier alle anderen Anliegen des Strafrechts. Das JGG ist nur dazu da, den Delinquenten, der aufgrund seines jungen Alters nicht voll einsichtsfähig, aber durchaus noch "formbar" sei, auf den Weg der Besserung zu führen und zu einem produktiven Mitglied der Gesellschaft zu machen.

Soweit jedenfalls die Theorie.

Am Beispiel Irmgard F. zeigt sich besonders krass, warum eine ganze Rechtsschule das JGG als untauglich ablehnt und stattdessen fordert, einen "Altersrabatt" im gewöhnlichen Strafprozessrecht zu realisieren, um der Jugend eines Angeklagten ohne ein häufig nutzloses Sonderstrafrecht zu begegnen. Denn gemäß des Grundsatzes nullum crimen sine lege kann der zum Tatzeitpunkt Jugendliche nur nach dem JGG behandelt werden, selbst wenn er wie Irmgard F. zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung bereits steinalt ist und der Zweck des JGG nicht erreicht werden kann.

Für die Strafzumessung kamen bei Irmgard F. allerhand Faktoren zum Tragen: Grad der persönlichen Reife; die Verwerflichkeit der Gesinnung; die Größe des Rädchens im Tatgetriebe, das sie verkörperte; Reue oder deren Fehlen; und auch die Wiederholungsgefahr, die hier nicht gegeben war.

Die Kammer wird große Zweifel an F.'s persönlicher Reife und Einsichtsfähigkeit gehegt haben, sonst hätte man sie auch nach Erwachsenenstrafrecht verurteilen können. Hat der Angeklagte das 17. Lebensjahr vollendet, wie eben sie, ist das JGG nur noch fakultativ anwendbar.

Nicht zuletzt wollte das LG Itzehoe wohl angesichts des Alters und Gesundheitszustands der Angeklagten eine Haftstrafe vermeiden (gem. § 56 Abs. 2 StGB ist bei einem Strafmaß größer als zwei Jahre keine Bewährung mehr möglich). Dabei handelte die Kammer durchaus nicht uneigennützig; es ist sehr wahrscheinlich, dass F. eine ohnehin verhängte Haftstrafe niemals hätte antreten müssen.
 
In einer Zeit in der 20 Jährige als Unteroffizier tätig waren ist man mit 19 nicht mehr blutjung als eben jene Soldaten.

Ich arbeite in einer kleineren Behörde mit ca 450 Mitarbeitern und unsere Sektretärin, obgleich bedeutend älter - ist sowas von fähig und muss es auch sein. Die hat immer alles im Kopf und muss schon strategisch vorausplanen wenn sie die Termine koordiniert und die beteiligten Personen dazu anfragt.

Ob man da mit 17 bereits so gefestigt ist da nicht mitzumachen und sich gegen die doppelt so alten Vorgesetzten zu stellen ist fraglich. Aber wenn man diesen Wahnsinn zwei Jahre immer eskalierender mitmacht - dann ist man schuldig ohne Wenn und Aber. Nach zwei Jahren weiß man was wozu führt, welches Schriftstück welche Konsequenzen für die Insassen hat.
 
Die Chefsekretärin (heuer "Direktionsassistentin" genannt, indes trotz des hochtrabenden Titels schlecht bezahlt) eines Radiologieprofessors/direktors einer (Uni)Klinik bestrahlt/heilt/verseucht/verpfuscht nicht einen einzigen Patienten, die Chefsekretärin eines Zahnchirurgen (wie oben) vermurkst kein einziges Gebiss mit Amalgam, für ihre Tätigkeit bedürfen sie beide keines wirtschaftswissenschaftlichen (Buchungen, Bestellungen, Kalkulationen) und keines medizinischen Studiums.
 
Das nicht, aber wenn sie über Jahre mitbekommt das der Chef absichtlich pfuscht oder betrügt oder Leute umbringt - dann sollte sie aufhören da mitzumachen oder sich auf eine Verurteilung gefasst machen. Dafür muss man nicht studiert haben.
 
Man kann ihr einen Vorwurf daraus machen, dass sie ihren Chef nicht stoppt, indem sie ihn anzeigt. Würde sie ihn anzeigen, wären die Chancen gut, dass er gestoppt werden kann. Dass sie ihn gewähren lässt, ist das Problem, nicht dass sie ihren Schreibkram erledigt.
Diese Möglichkeit hatte Frau F. nicht. Ihre Vorgesetzten und Kollegen anzuzeigen hätte rein gar nichts bewirkt.
In einer Zeit in der 20 Jährige als Unteroffizier tätig waren ist man mit 19 nicht mehr blutjung als eben jene Soldaten.
Ein 20-jähriger Mann in Uniform hat in einer männerdominierten militaristischen Gesellschaft immer noch einen anderen Stellenwert als eine 19-jährige weibliche Schreibkraft.

Im Übrigen sollte man Unteroffiziere nicht überbewerten. In den Augen von Offizieren sind sie auch nur kleine Lichter.
 
Ich frage mich schon, warum die deusche Justiz kein Verfahren gegen Edmond Réveil begonnen hat. Justiz ist immer auch politisch. Es wäre nicht opportun, einen französischen Widerstandskämpfer wegen eines Kriegsverbrechens an Deutsche anzuklagen. Würde man heute jedoch den deutschen Mechaniker finden, der vor der Abfahrt nach Oradour sur Glane den Wagen von SS-Hauptsturmführer Otto Erich Kahn betankt hat, dürfte diesem wohl eine Anklage drohen.

Mit 98: Ex-Partisan gesteht Erschießungen gefangener Wehrmachtssoldaten

Seit 2002 beschäftige ich mich beruflich unfreiwillig mit der Justiz. Seitdem habe ich meinen Glauben an die Gerechtigkeit als auch an das Recht weitgehend verloren.

Mein "Lieblingsurteil" ist das des Bundesgerichtshofes zum Thema Haftung, wenn der Notar mit dem Geld eines Immobilienkäufers durchbrennt. Ein Käufer einer Immobilie hatte seine Bank beauftragt, den kreditfinanzierten Kaufpreis eines Hauses an den Notar X als Treuhänder auszuzahlen. Die Bank tat, was der Käufer beauftragt hatte. Der Notar nahm das Geld und setzte sich ins Ausland ab. Das Gericht kam zum Schluss, dass die Bank kein Verschulden habe. Aber sie könne solch ein Schaden viel besser tragen als der Käufer. Daher habe die Bank den Schaden dem Käufer zu erstatten beziehungsweise aus eigenen Mitteln den Kaufpreis an den Verkäufer zu zahlen. Eines der ganz großen Meilensteine des römischen Rechtes. Der Schaden trägt immer der, welcher das größte Vermögen hat - unabhängig vom Verschulden.

Der Jahrmarkt der Eitelkeiten zwischen EuGH und dem BGH zum Thema deutsches Verjährungsrecht ist ganz großes Kino. Der EuGH zerschmettert das deutsche Recht und gibt jeden Kläger recht. Und der BGH sagt dann, dass die Urteile des EuGH von den nachgeordneten deutschen Gerichten zu ignorieren sind.

In dieses Bild fügt sich für mich auch das Urteil gegen die KZ-Sekretärin. Aus Scham für den Umgang der Gesellschaft gegenüber dem Frankfurter Staatsanwalt Fritz Bauer versucht man heute, dass zu heilen, indem man zittrige Greise vor den Kadi zerrt. Alles sehr traurig.
 
Das Jugendgerichtsgesetz (JGG) beruht auf der Annahme, dass der minderjährige Angeklagte grundsätzlich nicht für seine Taten im vollen Umfang verantwortlich gemacht werden kann, und der 18- bis 21-jährige Angeklagte ebenfalls nicht, falls die Anklage nicht durch fachliche Begutachtung nachweisen kann, dass er bereits die Einsichtsfähigkeit des Erwachsenen besitzt. Zumindest aus Sicht des Rechts gibt es keinen Grund, davon auszugehen, dass Irmgard F. an ihrem letzten Tag in Stutthof reifer und einsichtsfähiger gewesen sein musste als an ihrem ersten.
Ich frage mich schon, warum die deusche Justiz kein Verfahren gegen Edmond Réveil begonnen hat. Justiz ist immer auch politisch. Es wäre nicht opportun, einen französischen Widerstandskämpfer wegen eines Kriegsverbrechens an Deutsche anzuklagen. Würde man heute jedoch den deutschen Mechaniker finden, der vor der Abfahrt nach Oradour sur Glane den Wagen von SS-Hauptsturmführer Otto Erich Kahn betankt hat, dürfte diesem wohl eine Anklage drohen.
Die Antwort auf Deine Frage lautet: Weil die deutsche Justiz dazu keine Befugnis hat (§ 3 StGB). Damit stellt sich die politisch heikle Frage, ob die deutsche Justiz einen Resistance-Kämpfer wegen Mordes an Wehrmachtssoldaten belangen sollte, erst gar nicht.

Im Völkerrecht gilt der metaphorisch zu verstehende Grundsatz cuius est solum, eius est usque ad coelum et ad inferos, d.h. wem die Erde gehört, dem gehört alles vom Himmel bis zur Hölle. Besser bekannt als Territorialitätsprinzip.

Jeder Nicht-Deutsche, der in Frankreich eine Straftat begeht (ob Franzose oder Ausländer aus einem Drittstaat), unterfällt nur französischem Strafrecht. Eine etwaige deutsche Staatsangehörigkeit des Opfers ist dafür belanglos, zuständig bleiben französische Gerichte. Aus eigener Machtvollkommenheit kann die deutsche Justiz für eine in Frankreich begangene Tat jemanden nur belangen, wenn er deutscher Staatsangehöriger ist.

Durchbrochen wird das Territorialitätsprinzip nur durch das Weltrechtsprinzip (§ 6 StGB), wenn die dort abschließend genannten international anerkannten Rechtsgüter verletzt wurden (Bsp. § 6 Nr. 3 StGB, Luft- und Seepiraterie), oder den Grundsatz der stellvertretenden Rechtspflege (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB), wenn ein formal zuständiges ausländisches Gericht an der Verfolgung einer in beiden Ländern strafbaren Tat aus praktischen Gründen gehindert ist (z.B. weil sie in einem zerrütteten Bürgerkriegsland ohne funktionierende Justiz geschah).

Zwar handelt es sich bei der Tat, derer sich Edmond Réveil bezichtigt hat, um ein Kriegsverbrechen, und demnach könnte prinzipiell der Anwendungsbereich des Völkerstrafgesetzbuchs (VStGB) eröffnet sein (schwere Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit können auch durch Drittstaaten verfolgt werden, die weder Tatort noch von der Tat betroffen waren).

Aber auch hier gilt das Territorialitätsprinzip. Zuständig bleiben zunächst die nach dem Recht des Tatorts zuständigen Gerichte.

Drittstaaten können nur dann eine subsidiäre Zuständigkeit beanspruchen, wenn die Judikative des Tatorts sich entgegen ihrer völkerrechtlichen Pflichten weigert, die Tat zu verfolgen, oder aus praktischen Gründen an der Verfolgung gehindert ist. Das ist hier aber nicht der Fall. Réveils Taten sind nach französischem Recht verjährt. Prinzipiell ist eine Verjährung auch bei Mord als zulässig anzusehen (sie existiert in vielen Staaten).

Damit hat der französische Staat seine Schuldigkeit auch dann getan, wenn er Réveil nicht verfolgt.

Das ist unbefriedigend, aber rechtlich einwandfrei.
 
Die Sekretärin - die offensichtlich hinreichend eng vertraut sowohl mit dem Lagerkommandanten als auch seinem Adjuntanten war, dass diese sie nach dem Krieg aufsuchten - zur bloßen Schreibkraft herunterzustufen, die auf einer Stufe mit einem Tankstellenwärter gestanden habe, das wird weder der Tätigkeit noch der Involvierung gerecht.
Der Vergleich Widerstand und Dienst im Konzentrationlager tut schon richtiggehend weh.
 
die offensichtlich hinreichend eng vertraut
wer hat da wen aufgesucht und markiert das eine Straftat, d.h. hat die ex-Sekretärin da aktiv Strafvereitelung betrieben? Ich frage danach, weil ich hier Irmgard Furchner – Wikipedia . nichts dazu finde.

zur bloßen Schreibkraft herunterzustufen
ist das eine Extrem, das andere ist das hochstilisieren zur heimlichen Superassistentin des KZ Kommandanten hinter den Kulissen. Grundlos hatte ich den geringen Wirkungsgrad einer heutigen "Direktionsassistentin" nicht erwähnt.
Ich weiß auch nicht, wo man Irmgard Furchner zwischen den Extrembildern einordnen muss, sondern kann nur wiederholen:
@Carolus hat das erste Urteil verlinkt, ein sehr bemühter Text von beinahe Romanlänge ... Mir hat sich beim Lesen der Eindruck aufgedrängt, dass man mit sehr vielen Worten den politischen Charakter der Urteilsfindung zu kaschieren versucht - freilich mag mich mein Eindruck auch täuschen. Misstrauisch macht mich die wortreiche Darstellung der immensen Beihilfeleistungen des Berufsbilds Stenotypistin.
 
wer hat da wen aufgesucht und markiert das eine Straftat, d.h. hat die ex-Sekretärin da aktiv Strafvereitelung betrieben? Ich frage danach, weil ich hier Irmgard Furchner – Wikipedia . nichts dazu finde.
Es stand in den Auszügen der Urteilsbegründung, die Carlous zitiert hatte, dass Lagerkommandant und Adjutant nach dem Krieg bei ihr einkehren konnten, ohne befürchten zu müssen, an die Behörden ausgeliefert zu werden.

ist das eine Extrem, das andere ist das hochstilisieren zur heimlichen Superassistentin des KZ Kommandanten hinter den Kulissen. Grundlos hatte ich den geringen Wirkungsgrad einer heutigen "Direktionsassistentin" nicht erwähnt.
Sowohl deine als auch meine Erfahrungen diesbezglich sind letztlich nur anekdotischer Evidenz. Ich habe es so erlebt und erlebe es so, dass Sekretärinnen die rechte und linke Hand des Chefs sind und über alles im Bilde sind und nicht bloß Weisungen weitergeben, sondern auch ziemlich selbständig organisieren und Mitarbeiter einsetzen. Ich empfinde das als normal und mich irritiert das Bild einer Sekretärin als machtloser Tippse.
 
Sowohl deine als auch meine Erfahrungen diesbezglich sind letztlich nur anekdotischer Evidenz. Ich habe es so erlebt und erlebe es so, dass Sekretärinnen die rechte und linke Hand des Chefs sind und über alles im Bilde sind und nicht bloß Weisungen weitergeben, sondern auch ziemlich selbständig organisieren und Mitarbeiter einsetzen.
Gilt das auch schon für 18/19-jährige Sekretärinnen?

Selbst wenn, haben heute berufstätige Frauen einen anderen Stellenwert und auch ein anderes Selbstwertgefühl.
Ich empfinde das als normal und mich irritiert das Bild einer Sekretärin als machtloser Tippse.
Dazu muss man aber auch bedenken, inwiefern sich das Berufsbild der Sekretärin gewandelt hat. Im heutigen Computerzeitalter schreiben viele Mitarbeiter selbst, was sie früher bloß diktiert hätten. (In meinem bisherigen Berufsleben habe ich es nur - vor über zehn Jahren - in einer Rechtsanwaltskanzlei erlebt, dass die Anwälte noch auf Band diktierten und die Sekretärinnen dann tippten. Sogar in den Behörden, die ich kenne, schreiben die Mitarbeiter heutzutage ihre Erledigungen selbst; von der Kanzlei werden sie - sofern sie nicht als formlose E-Mails ergehen - maximal noch formatiert und nach Schreibfehlern durchsucht. Ich selbst habe noch nie etwas diktiert.) Somit haben die Sekretärinnen (die heute lieber "Assistentinnen" genannt werden) natürlich (sofern sie nicht eingespart wurden) neue Aufgaben übernommen. Entsprechend haben sich auch die Anforderungen geändert: Auch von Sekretärinnen werden heutzutage umfassende EDV-Kenntnisse erwartet.
 
Gilt das auch schon für 18/19-jährige Sekretärinnen?

Selbst wenn, haben heute berufstätige Frauen einen anderen Stellenwert und auch ein anderes Selbstwertgefühl.
würde ich auch so sehen.
Andererseits: es war ein besonderer Job, der entweder durch besondere Fähigkeiten (Schnellschreiben?) oder durch Vitamin B erreicht wurde.

Dazu muss man aber auch bedenken, inwiefern sich das Berufsbild der Sekretärin gewandelt hat. Im heutigen Computerzeitalter nutzen viele Mitarbeiter KI.
(hervor gehobene Änderung von mir!)
selbst erlebt bei einem Arzt in der Uniklinik. Und ich vermute, dass das keine Ausnahme war.
 
Andererseits: es war ein besonderer Job, der entweder durch besondere Fähigkeiten (Schnellschreiben?) oder durch Vitamin B erreicht wurde.
Keine Ahnung, ob die Stelle so gefragt war. War sie überdurchschnittlich gut bezahlt? Zumindest konnten sich Interessentinnen wohl ausrechnen, dass unter all den SSlern, die sich selbst für eine Elite hielten, vermutlich ein eher rüder Kommandoton herrschen würde. Eine gewisse Anrüchigkeit war wohl auch gegeben.
 
Andererseits: es war ein besonderer Job, der entweder durch besondere Fähigkeiten (Schnellschreiben?) oder durch Vitamin B erreicht wurde.
War das so besonders?

Schreibmaschinenkenntnisse und Stenographie dürften um die Zeit bereits realtiv verbreitet gewesen sein. Mindestens für junge Frauen aus dem städtischen Bürgertum war es bereits im Kaiserreich nicht mehr vollständig exotisch im Anschluss am die reguläre/minimale Schulbildung eine "höhere Mädchenschule" oder ein Mädchengymnasium, mitunter auch ein oder zwei Jahre lang eine Handelsschule besucht zu haben.

Da werden sehr wahrscheinlich entsprechende Kenntnisse vermittelt worden sein.
Schreibmaschinen beginnen ja in den 1900er bis 1910er Jahren sich durchzusetzen, so dass das mehr oder weniger 25 bis 30 Jahre vor dem ersten Weltkrieg tabliert war.
Entsprechend wird man das in den Bedarf auch einbezogen haben und spätestens ab de 1. Weltkrieg und den wirtschaftlich schwierigen Zeiten in den 1920er Jahren, war es ja durchaus nicht unüblich, dass Frauen berufstätig waren und entsprechende Kenntnisse erwarben.

Auch im 2. Weltktrieg konnte ja wegen der Einberufung der Männer auf die Arbeitskraft der Frauen nicht verzichtet werden.

Da die Frau F. diese Tätigkeit erst im Jahr 1943 aufnahm, dürfte die Konkurrenz da wahrscheinlich nicht allzu groß gewesen sein, weil die meisteen Frauen mit einschlägiger Berufserfahrung längst anderweitig eingesetzt gewesen sein dürften (Kriegswichtige Industrie, Parteibürokratie, Zivilverwaltung der annektierten Gebiete oder der Gebiete, deren Annexion beabsichtigt war, etc.).
 
Ich habe schon einmal meine Bedenken ausgedrückt, von einem heutigen (Dienstleistungs-)Betrieb auf die Zustände in einem KZ schließen zu wollen.
Was in den KZs (KL, nicht VL) passierte, war bekannt, die Nazis machten da keinen Hehl draus, auch wenn sie Details nichts nannten und entlassene KZ-Häftlinge nicht reden durften. Und letzlich dürfte in Danzig bekannt gewesen sein, dass in Stutthof auch schlimmere Dinge passierten als in einem "gewöhnlichen" KL. Selbst meine Großeltern aufm Bauernhof im Westmünsterland sollen nach Aussagen meines Vaters gewusst haben, dass die Juden im Osten ermordet wurden. Dass das keine Sanatorien waren und irgendwie auch nicht so ganz rechtstaatlich, das müsste eigentlich jedem bekannt gewesen sein. Insofern sehe ich keine Entlastungsgründe für eine Sekretärin, selbst wenn sie tatsächlich in der männerbündischen Umgebung der SS nur ein kleines Licht war. Ich sehe im Gegenteil, dass sie gute Beziehungen zu ihren Vorgesetzten pflegte.
 
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