Hexenjagden gab es nicht nur in der frühen Neuzeit …

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PS: Du kannst mir den Unterschied zwischen grundsätzlicher Negation von Etwas und dieses Etwas für Aberglauben zu halten sicher erklären, oder?

Ja, kann ich. Die Möglichkeit von Magie und Schadenzauber schloss die Kirche , bevor die Vorstellung von Hexenpakt und Hexenflug Algemeingut wurde, keineswegs aus, auch Francesco Albizzi tat das nicht, was die Kirche lange für Aberglauben hielt, das war, dass Hexen fliegen können, und dass der Teufel mit Hexen einen Pakt schließt und Hexen solche Macht gibt. u

Ende des 14. Anfang des 15. Jahrhunderts änderte sich das und es ist die Rede von einer Sekte. Die ersten Abbildungen von Frauen auf Besen, die durch die Luft reiten, stammen aus dem 14. Jahrhundert, nur sind da Katharerinnen und Waldenserinnen abgebildet.
 
Ganz anders @El Quijote:
Die Hexenverfolgung bediente sich etwa der Methoden der Inquisition, hielt sich aber nicht an die Regeln, oft wurden hier fundamentale Rechtsbrüche begangen.
Das ist das, was ich von Anfang an sagte: Schon bei Ketzerprozessen achtete man nicht auf Rechte der Angeklagten, und später bei Hexenprozessen noch weniger.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich richtig verstanden wurde.
 
Indirekt schon:

Art 9: Sterben soll, wer einen Menschen dem Teufel opfert und nach heidnischer Sitte den Götzen als Opfer darbringt. - Das sind Handlungen, die auch Hexen vorgeworfen wurden.

Art 21: Wer Gelübde nach heidnischem Brauch an Quellen, Bäumen oder Hainen darbringt oder nach heidnischem Brauch opfert und ein Gemeinschaftsmahl zu Ehren der Götzen veranstaltet, zahlt als Edeling 60, als Friling 30, als Late 15 sol. Und wenn er das Geld nicht hat, soll er es im Dienste der Kirche abarbeiten. - Der Gemeinschaftsmahl zu Ehren des Teufels war das klassische Vorwurf Namens Hexensabbath.

Art 23: Die Wahrsager und Zauberer sollen den Kirchen und den Pfarrern ausgeliefert werden. - Einer der Hauptvorwürfe war, Hexen könnten mit Hilfe des Teufels zaubern, sprich durch die Luft fliegen, etc.
@Dion du behauptest hier, aus einer karolingischen Quelle des späten 8. Jhs. Sachverhalte herauslesen zu können, die erst nach mehr als 5 Jahrhunderten in anderen Quellen auftauchen - wie machst du das?

Art 9 erwähnt keine Hexen und meint auch keine. Es existiert keine frühmittelalterliche Quelle, welche von Hexen behauptet, sie würden dem Teufel Menschenopfer darbieten. Stattdessen werden hier schauerliche heidnische Rituale unter Strafe gestellt (unklar muss bleiben, ob die sächsischen Heiden des 8.Jhs. wirklich Menschenopfer praktiziert hatten)

Art 21 stellt heidnisches Brauchtum unter Strafe, von Hexen ist da nicht die Rede. Man muss schon über eine kräftige Mixtur aus Leseschwäche und burlesker Fantasie verfügen, um da den frühneuzeitlichen Hexensabbat hineinzudeuteln...

Art 23 erwähnt keine Hexen (strigae), sondern Zauberer/Wahrsager (divinos et sortilegos) - weder von Hexen, noch von Hilfe des Teufels und durch die Luft fliegen ist da die Rede.

Einzig Art 6 erwähnt "Hexe" (striga), interessanterweise nicht als Anklage oder Tatbestand (!) stattdessen wird unter Todesstrafe gestellt, wenn quasi in heidnischem Wahn andere Leute als Hexe oder Menschenfresser beschuldigt und verbrannt oder gar gefressen werden:
  1. Todesstrafe erleidet der, der vom Teufel getäuscht, nach heidnischer Sitte wähnt, irgendein Mann oder eine Frau sei Hexe und Menschenfresser und sie deshalb verbrennt oder deren Fleisch verzehrt bzw. zum Verzehr weitergibt.

Darüber hinaus sollte bzgl der Capitulatio de partibus Saxoniae erwähnt werden, dass sie 11 Jahre später durch das abgemilderte Capitulare Saxonicum abgelöst wurde!

Hier Capitulatio de partibus Saxoniae – Wikipedia ist das lateinische Original samt deutscher Übersetzung schnell nachzulesen. @Sepiola hatte schon klargestellt, dass einzig Art 6 Hexe erwähnt, ich ergänze das um den Hinweis, dass wir aus dieser Erwähnung nicht erfahren, was sächsische Hexen im späten 8. Jh. getrieben haben - und es ist unsachlich und falsch, der frühmittelalterlichen Quelle heutige populärwissenschaftliche Vorstellungen überzustülpen.

Weil das so leicht nachprüfbar ist (einfach drei Minuten Tante Wiki gucken) komme ich zu dem Schluss, dass @Dion seine Leser für Esel halten muss - anders kann ich mir das dozierende Zitat am Beginn dieses Beitrags nicht erklären.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe einige Isländersagas gelesen. Vielleicht etwas jugendschutzmässig gekürzt. Da kommen viele Tötungen vor aber keine Hexenverfolgungen. Über eine Frau wurde geschrieben, sie war wunderschön und kannte sich mit vielen Zauberdingen aus. Über eine andere , "Sie konnte ein wenig zaubern." Das wurde positiv gesehen.
Mindestens eine Frau wurde des Schadenszaubers beschuldigt und beschimpft. Man hat sie aber nicht getötet oder angegriffen (nicht geprügelt oder ihr Haus zerstört). Schwer zu glauben. Man könnte sie für zu mächtig gehalten haben.
In der nordischen Mythologie sind die Völvas (Hexen, Zauberinnen) ambivalente Personen. Man fürchtet sich vor ihnen, sie sind oft aber auch geschätzte Ratgeberinnen. Die meisten von ihnen sind nicht eindeutig einer moralischen Kategorie zuzuordnen.
Die Frage ist doch, warum sich in früheren Zeiten diese Volksfrömmigkeit nicht in solchem Fanatismus äußerte - wenn man einmal von den sich wiederholenden Judenpogromen absieht.
Und warum sollte man ausgerechnet von den Judenpogromen absehen, waren sie doch ähnlich verlustreich? Außerdem äußerte sich die Volksfrömmigkeit in Krisenzeiten doch immer wieder in Fanatismus. Man tötete schwarze Katzen und Frösche, weil man in ihnen den Satan sah. Seuchen wurden für Giftanschläge durch Juden oder Ketzer gehalten. Es gibt eine Vielzahl psychologisch ähnlich gelagerter Beispiele.
Dieser Hexenwahn kam, wie gezeigt, nicht aus dem nichts. Die Autorität der Kirche war (selbstverschuldet, daher Luther ...) gefährdet, also inszenierte sie sich als Helferin, indem sie den Menschen bei deren Suche nach den Schuldigen half. Oder, wie @muck schon richtig feststellte, sie redete ihnen nach dem Mund. Hexenglaube war ein fester Bestandteil des Volkglauben, es bedürfte nur der offiziellen Bestätigung seitens der Geistlichkeit und die Hexenjagd konnte beginnen.
@Scorpio ist in #96 hinreichend darauf eingegangen.
Das ist das, was ich von Anfang an sagte: Schon bei Ketzerprozessen achtete man nicht auf Rechte der Angeklagten, und später bei Hexenprozessen noch weniger.
Damit ziehst Du nur zum x-ten Mal eine personelle und institutionelle Kontinuität zwischen Häretiker- und Hexenerfolgung, die so nicht bestand.

Davon abgesehen bist Du halt einfach auf dem Holzweg, wenn Du hier eine kirchliche Sonder- oder Alleinstellung herbeischreiben willst, die es so nicht gegeben hat. Nicht im Zuge der Hexenverfolgungen, nicht im Zuge der Rechtsprechung allgemein.

Zwei Beispiele: Im Königreich England wurde die Folter als Mittel der "Wahrheitsfindung" 1219 per Statut abgeschafft. Trotzdem wurden jahrhundertelang in England Menschen gefoltert, um ihnen Geständnisse abzupressen. Im Heiligen Römischen Reich unter Karl IV. standen Juden unter dem persönlichen Schutz des Kaisers. Diesen Schutz versagte Karl ihnen mehrmals, als es politisch opportun war und er Geld brauchte.

Was soll nun pars pro toto stehen? Der Zustand, der nach dem Willen des "Systems" bestehen sollte, oder der Zustand, der tatsächlich bestand? Du bist aus irgendeinem Grund einfach nicht bereit oder willens, da einen Unterschied zu machen, und das ergibt halt einfach keinen Sinn.

Es würde heute einen Sinn ergeben, wo wir gefestigte staatliche Strukturen haben, die allgemein akzeptiert sind, die meisten Menschen das Gesetz auch ohne staatlichen Druck achten und die Übergabe der Regierungsmacht an Amtsnachfolger reibungslos verläuft.
Es macht für die betrachtete Zeit jedoch keinen Sinn. Die Regeln des Systems wurden durchbrochen, weil die gesellschaftlichen Voraussetzungen für sein reibungsloses Funktionieren nicht bestanden.
Spanische Inquisition hatte meist andere Ziele als Hexen zu verfolgen
Geschickt verpackt, aber Du wirst mit dieser Formulierung nicht hinwegwischen können, dass die Spanische Inquisition keine Jagd auf Hexen machte.

Sie ging Anzeigen nach und verwarf fast alle, das ist etwas anderes als eine Hexenverfolgung. Deine Formulierung hier und im Folgenden …
und die römische war strenger auf Einhaltung der Regeln bedacht, so dass es bei den wenigen aus anderen Ländern an Rom weitergereichten Fälle, dort regelmäßig zum Freispruch kam. Das sprach sich herum, so dass der spanische Großinquisitor Nicolas Eymerich, der im 14. Jahrhundert auch Hexen verfolgte, anderen Inquisitoren empfahl, die Urteile hieb- und stichfest zu formulieren, denn sonst käme es zu Berufungen in Rom, wo die meistens mit Freisprüchen endeten.
… soll offenkundig den Eindruck erwecken, die Spanische Inquisition sei bloß durch ihre Arbeitsbelastung nicht dazu gekommen, Hexen zu verfolgen?
Wenn das wahr wäre, dann müsstest du die Fälle in Nordfrankreich, wo laut @Scorpio von 32 Angeklagten mehr als die Hälfte exekutiert wurde, zur Ausnahme deklarieren.
Frage: Warum sollten 32 Fälle in Frankreich beachtlich sein, die 40 Todesurteile bei 900 Fällen vor Bernard Gui aber nicht?
Ähnliches müsste dann auch für Nördlingen, Bamberg, Würzburg, Eichstätt und Lemgo gelten. Es gab mehrere tausend Hinrichtungen – wo kamen sie denn her, wenn das nur in Ausnahmefällen geschah?

Klar, sie alle haben sich geirrt bzw. bewusst übertrieben. Das mag auch geschehen sein, aber Tatsache ist, dass geschätzt 40.000 bis 60.000 Personen wegen Hexerei hingerichtet wurden – dir zufolge waren das alles nur Ausnahmen. Ich hoffe, du siehst selbst, dass diese deine Annahme nicht zu halten ist.
Und ich hoffe, Du siehst selbst, was das für ein törichter Einwand ist. Du müsstest einfach nur mal die Zahl der Todesurteile in Relation zur Zahl der Anzeigen setzen, und schon löst sich Dein Rätsel in Wohlgefallen auf. Nach Levack, 'The Witch-Hunt in Early Modern Europe' fanden vor der Spanischen Inquisition in der gesamten Zeit ihres Bestehens rund 150.000 Verfahren statt, von denen 2,7% mit der Todesstrafe endeten.

2,7%!

Den Anteil der Verfahren, in denen die Tortur angewandt wurde, schätzt Levack auf unter 10%.

Die Aussage, dass es sich um Ausnahmen handelte, ist also mehr als haltbar.

Wir können das gleiche Spiel auch mit der Römischen Inquisition treiben. Wenn Du endlich einmal trennscharf unterscheiden würdest zwischen der Inquisition als Institution und den Hexenprozessen, die kaum jemals vor die Inquisition kamen, würdest Du nicht andauernd argumentativ über Deine eigenen Füße stolpern. In Lemgo wütete die Inquisition nicht. Das Gros der Hexenprozesse in Deutschland fand vor weltlichen Gerichten statt.
Nein. Du bestätigst hier nur @Scorpio's Vorwurf der Quellenpickerei.
Art 9: Sterben soll, wer einen Menschen dem Teufel opfert und nach heidnischer Sitte den Götzen als Opfer darbringt. - Das sind Handlungen, die auch Hexen vorgeworfen wurden.
Zunächst einmal müsstest Du die Aussage hinter dem Bindestrich belegen.

Falls mal einer Hexe überhaupt ein Menschenopfer an den Satan oder an nicht-christliche Götter vorgeworfen wurde, war das ganz gewiss nicht die Regel. Schadenszauber, Teufelspakt, Teufelsbuhlschaft, darauf lauteten die Anklagepunkte, wie weiter oben vielfach anhand der Literatur gezeigt wurde.
Der Gemeinschaftsmahl zu Ehren des Teufels war das klassische Vorwurf Namens Hexensabbath.
Und wieder: Wo ist der Beleg? Hexensabbath ist etwas völlig anderes als ein Gottesdienst für heidnische Götter, um die es hier geht!
Art 23: Die Wahrsager und Zauberer sollen den Kirchen und den Pfarrern ausgeliefert werden. - Einer der Hauptvorwürfe war, Hexen könnten mit Hilfe des Teufels zaubern, sprich durch die Luft fliegen, etc.
Und Du merkst auch, was da nicht steht? Genau das steht da nicht, worauf Du vielfach hingewiesen wurdest.

Apropos Gesetze: Ich bitte Dich jetzt zum dritten Mal, meine Frage zu beantworten, wo es im Schwabenspiegel um Hexen geht. Ich kann die von Dir angegebene Stelle nämlich nicht finden.
Ich ermahne euch aber, Brüder und Schwestern, auf die Acht zu geben, die im Widerspruch zu der Lehre, die ihr gelernt habt, Spaltung und Verwirrung verursachen: Haltet euch von ihnen fern!

In dem die Kirche Ketzer verfolgte, missachtete sie das Wort Paulus’. Wäre interessant zu erfahren, wie sie damals diese Abweichung begründete.
Dir ist doch hoffentlich klar, dass Paulus hier intellektuelles und räumliches Fernhalten meint? Dass man sich mit Ketzern nicht gemein machen soll? Warum um alles in der Welt sollte daraus ein Verbot der Bibel hervorgehen, Ketzer zu verfolgen?
 
Danke für die Bestätigung meines diesbezüglichen Beitrags. Und trotzdem meinte @Shinigami danach, dass nichts dagegen spräche, “Jemandes Aussage in einem Prozess prinzipiell nicht zuzulassen”:
Es wäre schön, wenn du endlich aufhören würdest den Leuten das Wort im Munde umzudrehen und ihre Aussagen aus dem Zusammenhang zu reißen.

Ich habe genau das Gegenteil geschrieben. Ich habe geschrieben, dass es im Sinne der Wahrheitsfindung objektiv betrachtet keinen Grund gibt, Aussagen bestimmter Personen prinzipiell nicht zuzulassen, wenn die zur Wahrheitsfindung beitragen können.

Ich habe auch en gros @Scorpio nicht widersprochen, da Scorpio diesen Punkt mit anderen zusammen im Rahmen einer Gesamtaussage subsummiert hat. Den Punkt, den Scorpio innerhalb des Zitats angbracht hat, dass Prozesse auch zugelassen wurden, ohne dass jemand offen als Ankläger fungierte, wird man zweifellos als Problematisch und als verschärfend betrachten können.

Du aber hast dich zu einer Aussage eingelassen, nach der die Zulassung von bestimmten Zeugen ausschließlich als Schikane gegenüber Angeklagten zu begreifen sei, da du (natürlich ohne das vernünftig zu Begründen, was auch sonst) einfach mal unterstellst, solche Zeugen würden ausnahmslos einfach nur im Interesse entsprechender Anklagen aussagen.
Fakt ist aber, sie konnten genau so gut Aussagen machen, die Angeklagte entlasteten und damit erweiterte die Zulassung entsprechender Aussagen erstmal einfach nur den Kreis der Beweismittel und Zeugen ohne dem insgesamt eine Tendenz zu geben.
Wir reden ja hier vor allen Dingen auch von Personen, die nicht deswegen, weil sie sich irgndwas zu Schulden hatten kommen lassen, sonst als Zeugen ausgechlossen waren, sondern vor allem von Personen bei denen dies auf Grund eines niedrigen sozialen Rangs der Fall war.

Personen allein auf Grund eines niedrigen sozialen Status nicht als Zeugen vor Gericht zuzulassen, entspricht, modern gesprochen allerdings einer Behinderung der Wahrheitfindung aus Gründen klassistischer Gesellschaftsauffassungen.
Entsprechend ist die Aussetzung solcher Beschränkungen im Sinne einer objektiv funktionalen Justiz kein Skandal, sondern ein durchaus richtiger Schritt gewesen.



Du versuchst nach wie vor Hexenprozsse und Inquisitionsprozesse im Allgemeinen zu Schauprozessen stalinistischen Ausmaßes zu stilisieren, bei denen das Ziel nicht die Klärung eines Sachverhalts sondern von vorn herein reiner Sadismus und reine Mordlust von Seiten der damit befassten Justiz gewesen wäre und bei denen es einfach nur darum gegangen wäre möglichst viele Menschen auf den Scheiterhaufen zu bringen und möglichst viel Terror auszuüben.
Die prozentual geringe Menge an Todesurteilen und wahrscheinlich auch an Folterungen und die realtiv hohen Anteile an Freisprüchen, Geldbußen oder vergleichsweise leicht wiegenden Bußstrafen/Kirchenstrafen, im Gesamtmaßstab, die sich nicht so ohne weiteres aus der Welt reden lassen, sprechen gegen diese Auffassung.

Auch ändern lokale Hysteriephänomene, die in bestimmten Jahren in einzelnen Gegenden zu Häufungen von Prozessen führen, nichts am europaweiten Gesamtbild.
 
Zuletzt bearbeitet:
Spanische Inquisition hatte meist andere Ziele als Hexen zu verfolgen, und die römische war strenger auf Einhaltung der Regeln bedacht, so dass es bei den wenigen aus anderen Ländern an Rom weitergereichten Fälle, dort regelmäßig zum Freispruch kam. Das sprach sich herum, so dass der spanische Großinquisitor Nicolas Eymerich, der im 14. Jahrhundert auch Hexen verfolgte, anderen Inquisitoren empfahl, die Urteile hieb- und stichfest zu formulieren, denn sonst käme es zu Berufungen in Rom, wo die meistens mit Freisprüchen endeten. Er war übrigens wahrscheinlich der erste, der entgegen der kirchlichen Order, Delinquenten mehr als einmal folterte.


Wo gab es denn überhaupt einen Fall, dass ein Gericht nördlich der Alpen einen Hexenprozess an die Römische Inquisition übertragen hat?

Bei den frühesten Hexenprozessen im 15. Jahrhundert waren tatsächlich noch Inquisitoren eingebunden. Die Hexenverfolgung war aber die Sache weltlicher Gerichte, und Hexenverfolger und Hexenkommissare wie Franz Bürmann, Hermann Cothmann oder Mathew Hopkins waren eben keine "Inquisitoren".

Was in Lothringen, der Normandie, in Kurköln, Bamberg, Eichstätt, Lemgo oder Nördlingen geschah, das ging die Römische Inquisition gar nichts an, und die zuständigen Gerichte taten den Teufel, sich die Kompetenz für Hexenprozesse nehmen zu lassen, und sie an die Römische Inquisition zu übertragen. Die Römische Inquisition hatte keine Macht nördlich der Alpen, und Francesco Albizzi, ein Inquisitor, der als Gesandter die Verfolgungen im Reich beobachtete, konnte nicht einmal die kurkölnischen Hexenkommissare zurückpfeifen.

Die Hexenverfolgung geschah teilweise auf Druck der Bevölkerung, die ersten Exekutionen stießen auf Erleichterung und Zustimmung der Bevölkerung, und da sollen Gerichte nördlich der Alpen ihre Kompetenz an die Römische Inquisition abgegeben haben, die überhaupt nicht zuständig war? Sie sollen die Akten und die Angeklagten nach Rom geschickt haben, damit Rom entscheidet, was mit Hexen aus Lothringen, dem Rheinland, aus Schwaben und Westfalen geschehen soll?
 
@Dion du behauptest hier, aus einer karolingischen Quelle des späten 8. Jhs. Sachverhalte herauslesen zu können, die erst nach mehr als 5 Jahrhunderten in anderen Quellen auftauchen - wie machst du das?

Erwartest Du hier eine ernsthafte Antwort? Es ist doch wohl vergebliche Liebesmüh, auf "Argumente" einzugehen, deren Verfasser sich darüber im Klaren ist, dass er puren Bullshit serviert:

[...] schließlich geht es hier um einen Zeitraum von 1000 Jahren des Mittelalters, und wenn man noch die ersten Jahrhunderte der Neuzeit hinzunimmt, dann sind das gern 1300 Jahre. Wir sollten schon möglichst genau sagen, auf welche Zeit wir uns bei welchem Fakt beziehen.

Wer auf "Diskussionen" auf diesem Level aus ist, dem erkläre ich gerne in aller Ausführlichkeit, warum in § 37 StVO in erster Linie von der Promillegrenze die Rede ist, vielleicht nicht explizit, aber indirekt schon...
 
Es ist doch wohl vergebliche Liebesmüh, auf "Argumente" einzugehen, deren Verfasser sich darüber im Klaren ist, dass er puren Bullshit serviert:
@Sepiola (ich sehe nur zwei Erklärungen: 1. dass sich besagter Verfasser nicht darüber im Klaren ist, Unsinn zu verzapfen, und 2. dass besagter Verfasser seine Leser/Gesprächspartner für unterbelichtet hält -- momentan neige ich zu 1. ...)
 
'Außenseiter des Mittelalters'

Du meinst sicherlich Franz Irsigler / Arnold Lassotta Bettler und Gaukler, Dirnen und Henker - Außenseiter in einer mittelalterlichen Stadt, Köln 1984.

Hier geht es um Köln in in den Jahren 1300 - 1600. Ich zitiere Auszüge aus dem Kapitel "Die Not der Weisen Frauen" (S. 162-166):

"Was waren das für Frauen, die sich solcherart mit Wahrsagen, Zaubern und allerhand Magie beschäftigen [...]?
Auffällig ist, daß sie mehrheitlich aus bescheidenen Verhältnissen stammen, was sich schon an ihren normalen Berufen erkennen läßt."

"Die Erwerbsmöglichkeiten für Frauen waren in der fraglichen Zeit relativ eingeschränkt, der Verdienst bei den angeführten Tätigkeiten gering. Waren noch kleine Kinder zu unterhalten, so reichte er kaum zur Deckung der elementarsten Bedürfnisse. So nimmt es nicht wunder, daß die meisten der Wahrsagerinnen als Grund für ihre - wie die gerichtliche Verfolgung beweist - nicht ganz ungefährliche Tätigkeit Armut anführen."

"Ihre Kundschaft finden die Frauen, wenn man ihren Worten Glauben schenken darf, beinahe in allen Bevölkerungskreisen, sogar unter Angehörigen der führenden Kölner Familien oder des Adels."

"Interessant ist auch die Rolle der Geistlichen, die sich vielfach in der Materie auskennen, Zauber- und Planetenbücher besitzen und z. T. auch ihr magisches Wissen an die Frauen weitergeben, die ihnen ihr Tun und ihre Traumgesichte im Beichtstuhl offenbaren. Sie stehen durchaus nicht in einer einheitlichen Front gegen das Zauberwesen, sondern sind selbst mitunter tief darin verstrickt, wobei sie die damit verbundene Problematik durchaus erkennen."

"Die Anwendung der Magie erweist sich also im 15. und 16. Jahrhundert ale eine allgemeine Zeiterscheinung. Sicherlich gehört sie in den Bereich der Subkultur, doch wird ihre Ausübung wie die Zuflucht zu ihr von der Gesellschaft nicht in jedem Fall verurteilt, allenfalls, wenn es zur Hilfeleistung einer mit Zauberkräften begabten Frau für einen Kriminellen kommt."

"Gewöhnlich gilt eine Frau, die sich dem Geschäft mit der Zauberei widmet, nicht a priori als eine zu fürchtende Außenseiterin, die man mit Schimpfworten wie Hexe, 'zaubersche' etikettiert und tunlichst zu meiden sucht. Dazu muß ein weiteres kommen, und zwar der Verdacht des Schadenzaubers. Erst dieser 'verbannt' die Beschuldigte aus dem Kreis ihrer Mitmenschen, führt zur sozialen Diskriminierung, nun aber unabhängig davon, ob sie sich in magischen Handlungen versucht hat oder nicht."

"Einige wesentliche Elemente, die für die Hexenverfolgungen des 16. und 17. Jahrhunderts bestimmend waren, lassen sich an diesen Beispielen erkennen: zum einen individuelle Beweggründe, vielleicht Neid, vielleicht das Bemühen, durch eine falsche Anschuldigung sich eines lästigen Gläubigers entledigen zu können. [...] Doch reichen solche Rationalisierungen für sich allein nicht aus, um die Massenhinrichtungen vor allem in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts zu erklären. Hinzu kommt die Furcht breiter Schichten vor unerklärlichen und als bedrohlich empfundenen Geschehnissen und Entwicklungen. Die subjektiv spürbare und objektiv vorhandene Verschlechterung der Lebenssituation seit Beginn des 16. Jahrhunderts, verursacht durch rasches Bevölkerungswachstum, Klimaänderung, Teuerung, Krieg, führte zur Suche nach einem vermeintlich verantwortlichen Sündenbock. Die Zuweisung der Schuld an Hexen und Zauberer, deren undurchschaubares magisches Treiben die anonyme Bedrohung zu symbolisieren schien, war eine Möglichkeit, ein Ventil für die aufgestauten Ängste zu schaffen."
 
Zuletzt bearbeitet:
Übrigens ein Punkt, der in der Debatte viel zu kurz gekommen ist: Dass es Menschen gab, wahrscheinlich nicht einmal wenige, die wirklich glaubten, sie könnten zaubern.
 
Übrigens ein Punkt, der in der Debatte viel zu kurz gekommen ist: Dass es Menschen gab, wahrscheinlich nicht einmal wenige, die wirklich glaubten, sie könnten zaubern.
Magisches Denken ist auch heutzutage noch verbreitet. Bei Kindern gehört es zu einer Entwicklungsphase. Erwachsene manifestieren, führen Rituale und Beschwörungen aus, glauben an Wunderheilung etc. pp. Vermutlich gehört es zur menschlichen Natur.
 
Zuletzt bearbeitet:
Mit nur geringer oder keiner naturwissenschaftlicher Bildung, was hätten die Menschen des Mittelalters oder der Frühen Neuzeit auch anderes denken sollen? Stellen wir uns vor, die Müllerin kauft von irgendeinem Quacksalber einen Schadenszauber um, Simsalabim, die verhasste Weberin zu piesacken. Die Weberin hat über Nacht einen Schlaganfall. Wie könnte die Müllerin nicht glauben, dass sie daran schuld war?
 
Übrigens ein Punkt, der in der Debatte viel zu kurz gekommen ist: Dass es Menschen gab, wahrscheinlich nicht einmal wenige, die wirklich glaubten, sie könnten zaubern.

Nicht nur die Täter glaubten an Hexerei, so manches Opfer, bis zum Exzess gefoltert, monatelang in Isolationshaft gehalten, glaubte es am Ende selbst, und sicher gab es auch Menschen, die mit Hexendrogen experimentierten. Der Volkskundler Peuckert stellte mal Experimente mit "Flugsalben" an und bestätigte die starke psychotrope Wirkung, experimentierte mit Liebestränken. In einer Zeit totaler medizinischer Unterversorgung, mussten die Menschen Zuflucht zu Kräutern nehmen, die ja auch halfen. Das Schmerzmittel Buskopan enthält die gleichen Wirkstoffe wie Bilsenkraut. Datura- Stechapfel ist durchaus eine Rauschdroge, dass es in der Szene wenig Verwendung findet, liegt vielmehr daran, das die Wirkung eher unangenehm ist.

Bei dem was an Aberglauben in der Bevölkerung vorhanden war, bei dem, was wir heute über Autosuggestion und Placebo-Effekte wissen, halte ich das auch für wahrscheinlich, dass es durchaus Leute gab, die daran glaubten, selbst zaubern zu können oder die zumindest Zuflucht zu Magie, zu Verwünschungszauber nahmen, die vielleicht glaubten, den Unglücksfall eines ungeliebten Nachbarn verursacht zu haben.

Bei vielen Verfolgungen gab es immer wieder Fälle von Selbstbezichtigungen. Der Junge aus Bamberg war keine Ausnahme, zwar nicht sehr häufig, aber doch immer wieder einige Fälle in den verschiedensten Regionen.
 
Es ist ja auch eine Zeit, in der (durchaus von gebildeten, respektablen Menschen) vom Auftauchen zahlreicher Himmelserscheinungen und anderer wunderlicher Begebenheiten (etwa Monstergeburten) berichtet wird. Andreas Bähr hat darauf hingewiesen, dass dies zumindest zum Teil auch mit dem Verzehr verdorbenen Getreides zu tun gehabt haben könnte, der in Krisenzeiten vermutlich häufiger vorkam als gewöhnlich.
 
Das gab es allerdings immer schon, quer durch Zeiten und Kulturen.
Diverse „Vorzeichen“ (darunter auch Geburten von missgestalteten Menschen und Tieren) wurden etwa von Livius und Cassius Dio (die sich jeweils selbst auf ältere Autoren stützten) berichtet. Himmelserscheinungen spielen in vielen mittelalterlichen Chroniken (bereits von fränkischer Zeit an) eine Rolle.
 
Ich habe in diesen Tagen nur wenig Zeit und kann mich daher euren Argumenten nicht richtig widmen. Deshalb will ich heute nur auf dieses eine Argument eingehen:
Du müsstest einfach nur mal die Zahl der Todesurteile in Relation zur Zahl der Anzeigen setzen, und schon löst sich Dein Rätsel in Wohlgefallen auf. Nach Levack, 'The Witch-Hunt in Early Modern Europe' fanden vor der Spanischen Inquisition in der gesamten Zeit ihres Bestehens rund 150.000 Verfahren statt, von denen 2,7% mit der Todesstrafe endeten.
Nehmen wir an, dass für Hexenprozesse ähnliche Relationen galten, d.h. nur 2,7 % der Verfahren endete mit der Todesstrafe. Dann würden die geschätzten 40.000 bis 60.000 Personen, die insgesamt in Europa im Zuge der Hexenverfolgung wegen Hexerei hingerichtet wurden, 2,7 % der Verfahren entsprechen. Dann hätten wir es mit ca. 1.480.000 bis 2.220.000 Hexenverfahren zu tun.

Das wären wohl zu viele Verfahren, zumal die Hexenverfolgung nicht in ganz Europa stattfand.

Und in der Tat finde ich in der https://www.britannica.com/topic/witch-hunt]Britannica folgende Angabe*:

Some three-fourths of those European witch hunts took place in western Germany, the Low Countries, France, northern Italy, and Switzerland. The number of trials and executions varied widely according to time and place, but in fact no more than about 110,000 persons in all were tried for witchcraft, and no more than 40,000 to 60,000 executed.

Das bedeutet, dass 40 bis 50 % der Verfahren mit der Todesstrafe endeten. Das finde selbst ich als übertrieben.

* Ich habe absichtlich Britannica zitiert und nicht deutsche Wikipedia, denn wenn ich sie zitiere, kommt fast regelmäßig der Vorwurf, dies und jenes ist nicht belegt. Nun aber bringt Jeffrey Burton Russell, der Autor des Artikels in Britannica auch keine Belege, ist aber ein anerkannter Historiker, sonst durfte er wohl nicht in Britannica schreiben.
 
@Dion,
ich bitte Dich vielmals, endlich genauer zu lesen, was man Dir antwortet.

Ich bezog mich nicht auf die Hexenprozesse.

Ich bezog mich auf die Inquisition.

Hexenprozesse ≠ Inquisition! Diese ganzen Missverständnisse kommen daher, dass Du Hexenprozesse und Inquisition gleichsetzt bzw. mal über das eine, mal über das andere sprechen willst. Ich blicke nicht mehr durch.
 
Die ersten Abbildungen von Frauen auf Besen, die durch die Luft reiten, stammen aus dem 14. Jahrhundert, nur sind da Katharerinnen und Waldenserinnen abgebildet.
Eben. Schon mit (Papst Gregor IX.) gab es die Gleichsetzung: Hexen = Ketzerinnen = Häretikerinnen. Zitat aus dem Link (Fettschreibung durch mich): Gregor IX. führte das Amt des Inquisitors als eines von den lokalen Bischofsgerichten unabhängigen Sonderbeauftragten ein und übertrug diese Aufgabe besonders eifrigen Männern wie dem in Deutschland tätigen Konrad von Marburg. Auf Konrads Berichte gestützt, warnte er im Jahr 1233 den römisch-deutschen König Heinrich (VII.) in seinem Brief Vox in Rama über eine angeblich in Deutschland wirkende Häresie von Luziferianern.

Luziferianer waren also Teufelsanbeter, was in Hexenprozessen als Abfall von Gott thematisiert wurde. Auch finden sich schon 1233 in der päpstlichen Bulle Vox in Rama all die Elemente wieder, die später in Hexenprozessen eine Rolle spielten - Beispiel: Osculum infame.

Nur nebenbei: Vox in Rama identifizierte (schwarze) Katzen als personifizierte Teufel. Diese Dämonisierung führte langfristig dazu, dass Katzen verfolgt und getötet wurden. Die Verfolgung war angeblich so total, dass einige Wissenschaftler glauben, die verbliebenen Katzen hätten nicht mehr Mäuse und Ratten in Schach halten können. Das hätte u.a. zur Folge gehabt, dass sich Mitte des 14. Jahrhunderts die Pest so schnell ausbreiten konnte.
Hier gibt es eine englische Übersetzung der Vox in Rama.

In Artikel 23 ist noch nicht einmal von Zauberern die Rede. Dass die Übersetzung irreführend ist, hast Du anscheinend auch nicht mitbekommen. Divini et sortilegi sind 'Seher und Wahrsager'.
In der Tat habe ich die Übersetzung “Zauberer” als genauso legitim betrachtet, wie “Wahrsager”. Insofern ziehe ich meine diesbezügliche Behauptung zurück.

@Dion du behauptest hier, aus einer karolingischen Quelle des späten 8. Jhs. Sachverhalte herauslesen zu können, die erst nach mehr als 5 Jahrhunderten in anderen Quellen auftauchen - wie machst du das?
Wie aus der Chronologie der Beiträge ersichtlich, erfolgte meine Erstverlinkung der karolingischen Quelle als Entgegnung auf einen Beitrag von @Scorpio, in dem er sagte, im “frühen und hohen Mittelalter wurde für Tötungsdelikte meist nur "Wergeld" gezahlt.” Also war mein Verweis auf eine Quelle aus diesem Zeitraum legitim. Daraus ergab sich dann eine Diskussion, in der ich an 2 Stellen mit der Interpretation zu weit ging.

Art 9 erwähnt keine Hexen und meint auch keine. Es existiert keine frühmittelalterliche Quelle, welche von Hexen behauptet, sie würden dem Teufel Menschenopfer darbieten.
Das ist wahr. Aber später wurde den Hexen unterstellt, sie würden - wie das auch Juden unterstellt wurde – Kinder entführen und rituell töten. Das war nicht die einzige Unterstellung, die von Juden auf Hexen übertragen wurde – siehe z.B. den sog. Hostienfrevel.

Art 21 stellt heidnisches Brauchtum unter Strafe, von Hexen ist da nicht die Rede.
Schon im Canon Episcopi wird vom Hexenflug als Einflüsterung des Teufels beschrieben. Konkret: Er ließ Frauen glauben, sie ritten zu nächtlicher Stunde mit Diana, der Göttin der Heiden ...

Das spricht eigentlich gegen die Existenz von Hexen, was voll in der Tradition der frühmittelalterlichen Kirche stand, aber die späteren "Ketzerverfolger machten aus dem Abfall von Gott im Traum einen ausdrücklichen Teufelspakt, Hexenverfolger weigerten sich, den von ihnen als real betrachteten Hexenflug mit dem im Canon Episcopi als teuflische Verblendung angesehenen Flug gleichzusetzen.”

Siehe dazu auch Hexenlehre

Einzig Art 6 erwähnt "Hexe" (striga), interessanterweise nicht als Anklage oder Tatbestand (!) stattdessen wird unter Todesstrafe gestellt, wenn quasi in heidnischem Wahn andere Leute als Hexe oder Menschenfresser beschuldigt und verbrannt oder gar gefressen werden:
Auch hier muss ich Abbitte leisten: Ich habe diesen Artikel 6 missverstanden.

- und es ist unsachlich und falsch, der frühmittelalterlichen Quelle heutige populärwissenschaftliche Vorstellungen überzustülpen.
Wie ich am Beispiel des Art 21 zeigen konnte, haben die späteren Hexenverfolger die Aussagen der frühmittelalterlichen Bestimmungen missachtet. Dazu haben auch päpstlichen Bullen - siehe z.B. Vox in Rama - dazu beigetragen.

Damit ziehst Du nur zum x-ten Mal eine personelle und institutionelle Kontinuität zwischen Häretiker- und Hexenerfolgung, die so nicht bestand.
Wie ich oben hoffentlich zeigen konnte, gab es diese Gleichsetzung Häretiker = Hexer, weil Anbetung des Teufels als Abfall von Gott betrachtet wurde.

Davon abgesehen bist Du halt einfach auf dem Holzweg, wenn Du hier eine kirchliche Sonder- oder Alleinstellung herbeischreiben willst, die es so nicht gegeben hat. Nicht im Zuge der Hexenverfolgungen, nicht im Zuge der Rechtsprechung allgemein.
Die päpstlichen Bullen, die sie in den 3 Jahrhunderten (von 1184 bis 1484) über die Ketzer bzw. Hexen verfassten, haben ihre Wirkung gehabt. Dabei war die aus dem Jahr 1484 besonders wirkungsvoll. Das kannst du nicht als nicht relevant hinstellen.

Was soll nun pars pro toto stehen? Der Zustand, der nach dem Willen des "Systems" bestehen sollte, oder der Zustand, der tatsächlich bestand?
Es gab in System sowohl Stimmen für Folter als auch gegen sie. Das gleiche galt auch für Hexen. Wir wissen, welche Stimmen ab dem 16. Jahrhundert die Meinungshoheit hatten: Die vermeintlichen Hexen sind so lange zu foltern, bis sie gestehen. Das allein ist relevant. Und zu Carolina kann ich folgendes Zitat bringen: Nahezu unwirksam war die Peinliche Gerichtsordnung bei den massenhaften Hexenverfolgungen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und im 17. Jahrhundert. Für diese Hexenverfolgungen war es – ebenso wie für die zeitlich meist früheren Ritualmordbeschuldigungen gegen Juden – kennzeichnend, dass man so lange, so heftig und so oft folterte, bis die von den Peinigern erwünschten Geständnisse vorlagen. Verschärfend kam hinzu, dass die so Verhörten oftmals selbst dem entsprechenden Aberglauben anhingen und mit den zu gestehenden Wahnbildern vertraut waren.
Die Begründung für die Missachtung der Peinlichen Gerichtsordnung bei den großen Hexenverfolgungen war auf katholischer wie auf protestantischer Seite die gleiche. Die Hexerei sei ein crimen exceptum, ein Ausnahmeverbrechen (so der katholische Weihbischof in Trier Peter Binsfeld in seinem berühmt-berüchtigten Hexentraktat von 1589), ein crimen atrocissimum, ein Verbrechen schrecklichster Art (so der Lutheraner und sächsische Rechtsgelehrte Benedikt Carpzov in einem 1635 erschienenen.


Geschickt verpackt, aber Du wirst mit dieser Formulierung nicht hinwegwischen können, dass die Spanische Inquisition keine Jagd auf Hexen machte.
Ja, weder in Spanien noch in Rom machte man Jagd auf Hexen, trotzdem gab es in Europa 40.000 bis 60.000 Opfer des Hexenwahns. Und darüber reden wir jetzt.

Auf dieses Argument ging ich schon gestern ein - siehe dort.

Fortsetzung folgt.
 
Ich bitte Dich jetzt zum dritten Mal, meine Frage zu beantworten, wo es im Schwabenspiegel um Hexen geht. Ich kann die von Dir angegebene Stelle nämlich nicht finden.
Sorry, ich habe die Stelle von irgendwo übernommen - ich werde sie suchen.

Dir ist doch hoffentlich klar, dass Paulus hier intellektuelles und räumliches Fernhalten meint? Dass man sich mit Ketzern nicht gemein machen soll? Warum um alles in der Welt sollte daraus ein Verbot der Bibel hervorgehen, Ketzer zu verfolgen?
Um sich intellektuell und räumlich von den Ketzern fernzuhalten, darf man sich weder intellektuell mit ihnen befassen noch ihnen räumlich nahekommen. Das Gegenteil davon ist geschehen.

Ich habe geschrieben, dass es im Sinne der Wahrheitsfindung objektiv betrachtet keinen Grund gibt, Aussagen bestimmter Personen prinzipiell nicht zuzulassen, wenn die zur Wahrheitsfindung beitragen können.
Ja, du hast das geschrieben als Antwort auf einem Beitrag von @Scorpio, in dem z.B. auch Geisteskranken als vor Gericht zugelassen genannt wurden.

Du aber hast dich zu einer Aussage eingelassen, nach der die Zulassung von bestimmten Zeugen ausschließlich als Schikane gegenüber Angeklagten zu begreifen sei, ...
Als was sonst als Schikane sollte die Zulassung von geistig Kranker vor Gericht aufgefasst werden? Oder: Uns ist jeder Zeuge recht, Hauptsache er kann dazu beitragen, die Angeklagten zu verurteilen.

Du versuchst nach wie vor Hexenprozsse und Inquisitionsprozesse im Allgemeinen zu Schauprozessen stalinistischen Ausmaßes zu stilisieren, bei denen das Ziel nicht die Klärung eines Sachverhalts sondern von vorn herein reiner Sadismus und reine Mordlust von Seiten der damit befassten Justiz gewesen wäre und bei denen es einfach nur darum gegangen wäre möglichst viele Menschen auf den Scheiterhaufen zu bringen und möglichst viel Terror auszuüben.
Wir sprechen hier vom Hexenwahn, der weite Teile der Bevölkerung erfasst hatte. In einer solchen Stimmung gerät die Suche nach Beweisen ins Hintertreffen – wichtig war es allein, von den Angeklagten ein Geständnis zu bekommen. Gab es ein Geständnis nicht, musste man den Angeklagten freilassen, was auch manchmal geschah. Um ein Geständnis zu erpressen, wurde über Tage und Wochen gefoltert, obwohl das nicht erlaubt war. Und weil dabei Angeklagten auch sterben konnten, konnten die Hexenverfolger, in der Regel Dominikaner und Franziskaner, sich gegenseitig die Absolution geben. Das hatte ihnen Papst Urban IV. im Jahre 1261 extra erlaubt. Und natürlich musste das auch für weltliche Richter gelten - ich sehe zumindest keinen Grund, ihnen das zu verwehren.

Die prozentual geringe Menge an Todesurteilen und wahrscheinlich auch an Folterungen und die realtiv hohen Anteile an Freisprüchen, Geldbußen oder vergleichsweise leicht wiegenden Bußstrafen/Kirchenstrafen, im Gesamtmaßstab, die sich nicht so ohne weiteres aus der Welt reden lassen, sprechen gegen diese Auffassung.
Ich habe gestern in meiner Antwort auf @muck darauf hingewiesen, dass die Quote der Hinrichtungen sehr hoch sein müsste, weil sonst die 40.000 bis 60.000 Opfer der Hexenverfolgung nicht zu erklären seien.

Wo gab es denn überhaupt einen Fall, dass ein Gericht nördlich der Alpen einen Hexenprozess an die Römische Inquisition übertragen hat?
Spanische Inquisition hatte das getan, nicht die im HRR oder in anderen Ländern nördlich der Alpen. Und ich sprach von dem spanischen Großinquisitor Nicolaus Eymerich, über den die englische Wikipedia folgendes schreibt – Zitat:

He quotes Pope Innocent V in saying that in order to receive aid from a demon, a person must enter into some form of pact with the demon. Eymerich then extrapolates on this postulate to demonstrate that any agreement with a demon is a heresy. Eymerich was among the first to condemn all forms of demonic conjuration as heresy.

Bei den frühesten Hexenprozessen im 15. Jahrhundert waren tatsächlich noch Inquisitoren eingebunden. Die Hexenverfolgung war aber die Sache weltlicher Gerichte, ...
Auch weltliche Gerichte bedienten sich des Hexenhammers, den ein Dominikaner, Heinrich Kramer, geschrieben und ein Papst für gut befunden hatte. Es spielt hier keine Rolle, wie das zustande kam, denn die Zeitgenossen glaubten, was sie da lasen. Anders wäre die hohe Auflage nicht zu erklären gewesen: Bis Mitte des 18. Jahrhunderts gab es 27 Auflagen - der Bedarf war also da.

Bei dem was an Aberglauben in der Bevölkerung vorhanden war, bei dem, was wir heute über Autosuggestion und Placebo-Effekte wissen, halte ich das auch für wahrscheinlich, dass es durchaus Leute gab, die daran glaubten, selbst zaubern zu können oder die zumindest Zuflucht zu Magie, zu Verwünschungszauber nahmen, die vielleicht glaubten, den Unglücksfall eines ungeliebten Nachbarn verursacht zu haben.
Ja, das hatte es sicherlich gegeben, aber das war wahrscheinlich eine Minderheit. Oder gab sie das in Verhören am Ende nur an, um nicht lebendig verbrannt zu werden: Wenn ich schon sterben muss, dann bitte schnell. Ich kann mir vorstellen, dass dieses Motiv auch bei der von dir geschilderten Kooperation der Delinquenten bei Hinrichtungen eine Rolle spielte.

Hexenprozesse ≠ Inquisition! Diese ganzen Missverständnisse kommen daher, dass Du Hexenprozesse und Inquisition gleichsetzt bzw. mal über das eine, mal über das andere sprechen willst. Ich blicke nicht mehr durch.
Wir sind hier in einem Faden mit dem Titel “Hexenjagden gab es nicht nur in der frühen Neuzeit”, also ist es sogar ein Muss über diese frühe Zeit zu referieren. Diese Zeit war es auch, die die Grundlagen für die Hexenverfolgungen in der frühen Neuzeit schaffte: Diesbezüglichen maßgeblichen Schriften stammen aus dem Hoch- und Spätmittelalter. So kannte Heinrich Kramer wahrscheinlich die Schriften von Nicolaus Eymerich, obwohl die für Verfolgung von Ketzern geschrieben waren. Aber für Eymerich waren Hexen auch Ketzerinnen - siehe oben -, also war es für Kramer leicht, die dortigen Anleitungen zu übernehmen.

Ich habe das Buch Inquisition in the Fourteenth Century: The Manuals of Bernard Gui and Nicholas Eymerich nicht gelesen – ich vertraue einfach auf die, die es rezensiert haben.
 
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