Ich habe einige Isländersagas gelesen. Vielleicht etwas jugendschutzmässig gekürzt. Da kommen viele Tötungen vor aber keine Hexenverfolgungen. Über eine Frau wurde geschrieben, sie war wunderschön und kannte sich mit vielen Zauberdingen aus. Über eine andere , "Sie konnte ein wenig zaubern." Das wurde positiv gesehen.
Mindestens eine Frau wurde des Schadenszaubers beschuldigt und beschimpft. Man hat sie aber nicht getötet oder angegriffen (nicht geprügelt oder ihr Haus zerstört). Schwer zu glauben. Man könnte sie für zu mächtig gehalten haben.
In der nordischen Mythologie sind die Völvas (Hexen, Zauberinnen) ambivalente Personen. Man fürchtet sich vor ihnen, sie sind oft aber auch geschätzte Ratgeberinnen. Die meisten von ihnen sind nicht eindeutig einer moralischen Kategorie zuzuordnen.
Die Frage ist doch, warum sich in früheren Zeiten diese Volksfrömmigkeit nicht in solchem Fanatismus äußerte - wenn man einmal von den sich wiederholenden Judenpogromen absieht.
Und warum sollte man ausgerechnet von den Judenpogromen absehen, waren sie doch ähnlich verlustreich? Außerdem äußerte sich die Volksfrömmigkeit in Krisenzeiten doch immer wieder in Fanatismus. Man tötete schwarze Katzen und Frösche, weil man in ihnen den Satan sah. Seuchen wurden für Giftanschläge durch Juden oder Ketzer gehalten. Es gibt eine Vielzahl psychologisch ähnlich gelagerter Beispiele.
Dieser Hexenwahn kam, wie gezeigt, nicht aus dem nichts. Die Autorität der Kirche war (selbstverschuldet, daher Luther ...) gefährdet, also inszenierte sie sich als Helferin, indem sie den Menschen bei deren Suche nach den Schuldigen half. Oder, wie
@muck schon richtig feststellte, sie redete ihnen nach dem Mund. Hexenglaube war ein fester Bestandteil des Volkglauben, es bedürfte nur der offiziellen Bestätigung seitens der Geistlichkeit und die Hexenjagd konnte beginnen.
@Scorpio ist in #96 hinreichend darauf eingegangen.
Das ist das, was ich von Anfang an sagte: Schon bei Ketzerprozessen achtete man nicht auf Rechte der Angeklagten, und später bei Hexenprozessen noch weniger.
Damit ziehst Du nur zum x-ten Mal eine personelle und institutionelle Kontinuität zwischen Häretiker- und Hexenerfolgung, die so nicht bestand.
Davon abgesehen bist Du halt einfach auf dem Holzweg, wenn Du hier eine kirchliche Sonder- oder Alleinstellung herbeischreiben willst, die es so nicht gegeben hat. Nicht im Zuge der Hexenverfolgungen, nicht im Zuge der Rechtsprechung allgemein.
Zwei Beispiele: Im Königreich England wurde die Folter als Mittel der "Wahrheitsfindung" 1219 per Statut abgeschafft. Trotzdem wurden jahrhundertelang in England Menschen gefoltert, um ihnen Geständnisse abzupressen. Im Heiligen Römischen Reich unter Karl IV. standen Juden unter dem persönlichen Schutz des Kaisers. Diesen Schutz versagte Karl ihnen mehrmals, als es politisch opportun war und er Geld brauchte.
Was soll nun pars pro toto stehen? Der Zustand, der nach dem Willen des "Systems" bestehen sollte, oder der Zustand, der tatsächlich bestand? Du bist aus irgendeinem Grund einfach nicht bereit oder willens, da einen Unterschied zu machen, und das ergibt halt einfach keinen Sinn.
Es würde
heute einen Sinn ergeben, wo wir gefestigte staatliche Strukturen haben, die allgemein akzeptiert sind, die meisten Menschen das Gesetz auch ohne staatlichen Druck achten und die Übergabe der Regierungsmacht an Amtsnachfolger reibungslos verläuft.
Es macht für die betrachtete Zeit jedoch keinen Sinn. Die Regeln des Systems wurden durchbrochen, weil die gesellschaftlichen Voraussetzungen für sein reibungsloses Funktionieren nicht bestanden.
Spanische Inquisition hatte meist andere Ziele als Hexen zu verfolgen
Geschickt verpackt, aber Du wirst mit dieser Formulierung nicht hinwegwischen können, dass die Spanische Inquisition keine Jagd auf Hexen machte.
Sie ging Anzeigen nach und verwarf fast alle, das ist etwas anderes als eine Hexenverfolgung. Deine Formulierung hier und im Folgenden …
und die römische war strenger auf Einhaltung der Regeln bedacht, so dass es bei den wenigen aus anderen Ländern an Rom weitergereichten Fälle, dort regelmäßig zum Freispruch kam. Das sprach sich herum, so dass der spanische Großinquisitor Nicolas Eymerich, der im 14. Jahrhundert auch Hexen verfolgte, anderen Inquisitoren empfahl, die Urteile hieb- und stichfest zu formulieren, denn sonst käme es zu Berufungen in Rom, wo die meistens mit Freisprüchen endeten.
… soll offenkundig den Eindruck erwecken, die Spanische Inquisition sei bloß durch ihre Arbeitsbelastung nicht dazu gekommen, Hexen zu verfolgen?
Wenn das wahr wäre, dann müsstest du die Fälle in Nordfrankreich, wo laut
@Scorpio von 32 Angeklagten mehr als die Hälfte exekutiert wurde, zur Ausnahme deklarieren.
Frage: Warum sollten 32 Fälle in Frankreich beachtlich sein, die 40 Todesurteile bei 900 Fällen vor Bernard Gui aber nicht?
Ähnliches müsste dann auch für Nördlingen, Bamberg, Würzburg, Eichstätt und Lemgo gelten. Es gab mehrere tausend Hinrichtungen – wo kamen sie denn her, wenn das nur in Ausnahmefällen geschah?
Klar, sie alle haben sich geirrt bzw. bewusst übertrieben. Das mag auch geschehen sein, aber Tatsache ist, dass geschätzt 40.000 bis 60.000 Personen wegen Hexerei hingerichtet wurden – dir zufolge waren das alles nur Ausnahmen. Ich hoffe, du siehst selbst, dass diese deine Annahme nicht zu halten ist.
Und ich hoffe, Du siehst selbst, was das für ein törichter Einwand ist. Du müsstest einfach nur mal die Zahl der Todesurteile in Relation zur Zahl der Anzeigen setzen, und schon löst sich Dein Rätsel in Wohlgefallen auf. Nach Levack, 'The Witch-Hunt in Early Modern Europe' fanden vor der Spanischen Inquisition in der gesamten Zeit ihres Bestehens rund 150.000 Verfahren statt, von denen 2,7% mit der Todesstrafe endeten.
2,7%!
Den Anteil der Verfahren, in denen die Tortur angewandt wurde, schätzt Levack auf unter 10%.
Die Aussage, dass es sich um Ausnahmen handelte, ist also mehr als haltbar.
Wir können das gleiche Spiel auch mit der Römischen Inquisition treiben. Wenn Du endlich einmal trennscharf unterscheiden würdest zwischen der Inquisition als Institution und den Hexenprozessen, die kaum jemals vor die Inquisition kamen, würdest Du nicht andauernd argumentativ über Deine eigenen Füße stolpern. In Lemgo wütete die Inquisition nicht. Das Gros der Hexenprozesse in Deutschland fand vor weltlichen Gerichten statt.
Nein. Du bestätigst hier nur
@Scorpio's Vorwurf der Quellenpickerei.
Art 9: Sterben soll, wer einen Menschen dem Teufel opfert und nach heidnischer Sitte den Götzen als Opfer darbringt. - Das sind Handlungen, die auch Hexen vorgeworfen wurden.
Zunächst einmal müsstest Du die Aussage hinter dem Bindestrich belegen.
Falls mal einer Hexe überhaupt ein Menschenopfer an den Satan oder an nicht-christliche Götter vorgeworfen wurde, war das ganz gewiss nicht die Regel. Schadenszauber, Teufelspakt, Teufelsbuhlschaft, darauf lauteten die Anklagepunkte, wie weiter oben vielfach anhand der Literatur gezeigt wurde.
Der Gemeinschaftsmahl zu Ehren des Teufels war das klassische Vorwurf Namens Hexensabbath.
Und wieder: Wo ist der Beleg? Hexensabbath ist etwas völlig anderes als ein Gottesdienst für heidnische Götter, um die es hier geht!
Art 23: Die Wahrsager und Zauberer sollen den Kirchen und den Pfarrern ausgeliefert werden. - Einer der Hauptvorwürfe war, Hexen könnten mit Hilfe des Teufels zaubern, sprich durch die Luft fliegen, etc.
Und Du merkst auch, was da nicht steht? Genau das steht da nicht, worauf Du vielfach hingewiesen wurdest.
Apropos Gesetze: Ich bitte Dich jetzt zum dritten Mal, meine Frage zu beantworten, wo es im Schwabenspiegel um Hexen geht. Ich kann die von Dir angegebene Stelle nämlich nicht finden.
Ich ermahne euch aber, Brüder und Schwestern, auf die Acht zu geben, die im Widerspruch zu der Lehre, die ihr gelernt habt, Spaltung und Verwirrung verursachen: Haltet euch von ihnen fern!
In dem die Kirche Ketzer verfolgte, missachtete sie das Wort Paulus’. Wäre interessant zu erfahren, wie sie damals diese Abweichung begründete.
Dir ist doch hoffentlich klar, dass Paulus hier intellektuelles und räumliches Fernhalten meint? Dass man sich mit Ketzern nicht gemein machen soll? Warum um alles in der Welt sollte daraus ein Verbot der Bibel hervorgehen, Ketzer zu verfolgen?