Wenn alles, aber auch alles inflationär als "rassistisch" und "Nazi" etikettiert wird, banalisiert man die tatsächlichen Nazis und Neo-Nazis und banalisiert man wirklichen Rassismus, über den man dringend sprechen müsste. Sich permanent an Banalitäten und läppischem Kram abzuarbeiten, Dinge zu skandalisieren, die nicht skandalös sind, führt zu Unmut.
Da greift aber einfach ein anderes Problem, dass weit über Funk und Fernsehen hinausgeht und das liegt in einer, undurchdachten öffentlichen Erinnerungskultur und einem ungeschickten Umgang auch im Schulwesen mit der NS-Thematik.
Zum einen der Umstand, dass beim Thema NS meines Erachtens zu viel in Schemen gearbeitet und zu wenig erklärt wird.
Wenn dem Schüler eingepaukt wird: "Erkennungsmerkmale des Nationalsozialismus waren unter anderem, Antisemitismus, konservative Geschlechterrollen, etc. etc.", ist das inhaltlich zwar richtig, aber wenn man es bei derartigen Formeln belässt ohne das im Einzelnen näher zu erklären und damit eben nur dieses Schema implementiert, hat das Nebenwirkungen.
Wenn man das tut, nimmt man natürlich aber auch in Kauf, dass ohne näheres ausdifferenzieren, in den Kategorien solcher Schematas gedacht wird und Umkehrschlüsse à la "das ist ja wie bei den Nazis" provoziert werden.
Wenn sich das auf ein Schematisches Lernen und Denken ohne ausdifferenzierung beschränkt, darf man sich nicht wundern, wenn eine Person, die gelernt hat, dass etwa ein konservatives Frauenbild ein typisches Merkmal der extremen Rechten war und ist, im Umkehrschluss dann Personen oder Gruppen die solche Vorstellungen vertreten, als extrem rechts verortet.
Zumal ohnehin fraglich ist, wie gut solche Schemata in the long run überhaupt tragen, weil sich Dinge natürlich auch ändern.
Man versuche z.B. mal mit den in der Schule gelernten, aus der Totalitarismustheorie abgeleteten Annahmen, über Rechtsextremismus heutige politische Phänomene, wie etwa die Trump-Bewegung in den USA zu fassen.
Das haut nicht hin, weil die theoretischen Grundsätze, die man in diesem Land in der Schule mal vermittelt bekommen hat, z.B. davon ausgehen, dass sich Rechtsextremismus mit dem Modell eines stark autoritären bis totalitätren, übergriffigen Staatsmodell/-verständnis verbindet.
Da kann man sagen, dass ist die historische Erfahrung in Europa, aber offensichtlich kein dauernd greifendes Erkennungsmerkmal.
Der andere Punkt, den ich sehe, den man aber auch nicht mehr korrigieren kann, ist derjenige, dass Anwürfe, etwas sei rechtsextrem oder jemand sei ein Nazi, vor allem auch in Zeiten über Gebühr verwendet wurden oder mit absurden Szenarien zum Teil Panik fabriziert wurde, in denen die öffentliche Zustimmung zu tatsächlich rechtsextremen Ideen historisch niedrig war.
Wie gesagt, ich bin vor allem in den 2000ern zur Schule gegangen. Das war deutlich nach dem Abebben der "Baseballschlägerjahre" in den 1990ern, in denen auch faktisch auf Bundesebene keine in dem Sinne rechtsextreme oder rechtsradikale Partei besondere Erfolge verbuchen konnte.
Trotzdem hatte ich in der Zeit in den höheren Klassen noch genügend Lehrer die Klamotten wie den bescheuerten Satz: "Denkt drann, wer nicht wählt, wählt die NPD!" durch die Gegend parolierten, als hätte die damals 30% gehabt und kurz vor der Machtübernahme gestanden.
Angesichts des Umstands, dass diese Partei damals eine wirklich unbedeutende politische Splittergruppe war, die nur in Sachsen und McPomm (was von meiner Lebenswirklichkeit im Ruhrpott ohnehin weit entfernt war) ernsthafte Chancen hatte ggf. in den Landtag einzuziehen, war das einfach nur lächerlich.
Ich denke, die von dir beobachtete Banalisierung dieser Begrifflichkeiten, haben wir vor allem deswegen, weil durch solche und vergleichbare Aktionen vor allem in den Jahren, in denen es relativ ruhig war (2000er bis 1. Hälfte 2010er), viele der Versuchung nicht wiederstehen konnten, alles in Hitler zu messen und Dinge an die Wand zu malen, die realiter nicht da waren um sich und ihre Anliegen wichtig zu machen.
Das fällt uns jetzt wo wirklich problematische Entwicklungen da sind, durch die Beliebigkeit natürlich auf die Füße.
Aber ich sehe da nicht unbedingt beim Fernsehen die Hauptverantwortung oder eine neue Entwicklung der letzten Jahre, sondern eher die Sünden der Zeit am Werk, in der die Vorstellung des "Endes der Geschichte" und dass alles auf Demokratie und Liberalismus zuliefe und deterministisch zulaufen müsse extrem wirkmächtig war, denn das hat nachhaltig Maßstäbe verschoben und demontiert, die dann heute vielfach fehlen.
Da ist das Fernsehen mMn weniger die Quelle des Problems, als viel mehr Vehikel, dass Dinge transportiert, die anderswo schief gelaufen sind und die durch das Fernsehen sichtbar werden.