Biturigos
Aktives Mitglied
Ich kenne mich mit germanischen Stammesverfassungen wenig aus. Es gibt in Gallien zwar plebiszitäre Elemente, wie die waffentragende Versammlung aller Krieger, durch vielfältige Abhängigkeitsverhältnisse (familiär, ökonomisch, sozial, politisch) der Klientel sind diese stummen Zwänge jedoch Mittel zur Legitimation der Adelsherrschacht in Gallien durch die Zustimmung "von unten". Wollte man Teil der Familie bleiben, musste man sich mit dem Hausherrn (Kennom) gut stellen, Raimund Karl spricht von selbstähnlichen Systemen, und überträgt den patriarchalen Kennom auf den Toutorix ("König"), der einem toutā (Stamm) vorsteht (Raimund Karl, Altkeltische Sozialstrukturen, 2006).Davon würde ich jetzt auch nicht ausgehen.
Über die einzelnen Aktionen wird sich mehr über die Ebene der Anführer verständigt worden sein.
Dennoch wird man die Mannschaften erstmal grundsätzlich dazu bewegt haben müssen mitzuziehen. Das kann, in Form von Beuteversprechungen etc. natürlich relativ einfache Überzeugungsarbeit gewesen sein, aber ganz ohne mit den Leuten zu reden und dabei Informationen preiszugeben wird es nicht gegangen sein.
Vielleicht nicht, wenn man unter "Kriegsfreiwilligen" völlig unerfahrene Kader versteht.
Aber auch professionelle Krieger müssen ggf. erstmal überzeugt werden sich für eine Sache zu schlagen, im Besonderen dürfte professionellen Kriegern klar gewesen sein, dass ein Angriff auf eine römische Armee aus mehreren Legionen kein Spaziergang wird.
Für mich spricht das erstmal nur dafür, dass man Wert auf eine gewisse Einheitlichkeit legte, oder aber einfach die Vorteile einigermaßen standardisierter Fertigung erkannt hatte.
Warum genau müssen Waffen, nur weil sie einigermaßen homogen sind von irgendeiner Forn von Obrigkeit angeschafft und verwaltet worden sein?
Können wir uns außerdem sicher sein, dass die bei Opferungen dargebrachten Waffengaben tatsächlich Waffen waren, die für den praktischen Einsatz bestimmt waren (Gebrauchsspuren) und nicht eigens für die Darbringung als Opfergabe hergestellt wurden?
Möglicherweise von einem wohlhabenden Spender, der dann gleich 20 von jeder Sorte bestellte, ohne für die jeweilige Ausführung individuelle Wünsche zu äußern?
Die "Adeligen"(*aryoks, *tegernos, *ulatis) Klientelherren waren vertraglich und gefolgschaftlich an den König gebunden (wobei sich im Spätlatène im Bereich der mittel- und westeuropäischen eisenzeitlichen Keltiké und darüber hinaus Adelsrepubliken ganz ohne oder bestenfalls mit einem sehr schwachen Königtum im Sinne eines „primus inter pares“ entwickeln), Karl vergleicht diese altkeltischen Verhältnisse mit frümittelalterlichen irischen Verfassungen, und hält sie für realistisch übertragbar:
Wenn wir davon ausgehen, daß, wie in Irland, der durchschnittliche Adelige nicht mehr als 15–20 Vasallen hatte, dann hätte Orgetorix bei jeder „Versammlung“ seines Gefolges zu einer Menge von fünf- bis sechshundertsechzig Zuhörern sprechen müssen, was nicht nur organisatorisch nicht sehr praktisch, sondern alleine schon aufgrund des gewaltigen Raumbedarfs für eine solche Menge an Leuten nicht besonders sinnvoll erscheint. Eine zusätzliche Strukturierung dieser Gruppe durch ein „mittleres Management“ erscheint also naheliegend, bei einer einfachen Rechnung könnte eine einzige solche Ebene von Adeligen, die jeder selbst über wieder 15–20 Vasallenadelige herrschen, die Gruppe, mit der Orgetorix direkte Klientelverträge hatte, auf eine dann durchaus überschaubare Gruppe von etwa fünfundzwanzig bis fünfzig Personen reduzieren – Zahlen, die dem „direkten Gefolge“ der verschiedenen Grade irischer Könige, 12 für den rí túaithe, den König einer túath, 24 für den rí túath, den König über 3–4 túatha, und 30 für den rí ruirech, den König, der über andere Könige herrscht."
Die germanischen Stämme waren wahrscheinlich nicht so komplex strukturiert. Aber: wenn die Sueben eine Kriegsverfassung hatten, so wie Cäsar berichtet, in der festgelegt ist, wer Waffendienst hat, und wer dessen Land mit bewirtschaftet, dann muss diese Ordnung jemand durchsetzen. Oder regelt alles das Thing? Tacitus lobt die Freiheitsliebe der Germanen hoch; doch wie frei waren sie wirklich?