Ich frage mich, ob die Römer bei Kämpfen im Wald nicht auch wegen ihrer Kommando- und Kommunikationsstruktur im Nachteil waren. Schließlich konnten die Einheiten nicht einfach angefunkt werden. Befehle wurden nicht nur akustisch, sondern auch optisch übermittelt, dazu noch durch Boten. All das war im Wald wohl erschwert.
Kelten und Germanen waren von diesen Problemen vielleicht weniger betroffen, weil sie wohl ein weniger ausgeprägtes Signalwesen und vermutlich auch einfachere Befehlsstrukturen hatten.
Ich denke, gut trainierte und erfahrene Einheiten sind in der Lage in jedem Gelände auch eigenständig zu handeln - dies sieht man gerade dann, wenn Einheiten auf sich alleine gestellt sind.
Bei der Schlachten bei Idistaviso und am Angrivarierwall hat Germanicus eine
gute Vorfeldaufklärung, er weiß wo die Cherusker sind, und befiehlt der Reiterei die bewaldeten Hügel zu umgehen - das ist ähnlich wie ich es weiter oben für Xenophons Manöver in den Bergen gegen die Karduchen beschrieben habe - das erste Ziel ist es, den Feind durch Manöver seinen taktischen Vorteil zu nehmen, hier in dem die Cherusker befürchten, umzingelt und zwischen zwei Fronten zu kommen, bei Xenophon nehmen die Sturmkolonnen den Karduchen ihren taktischen Vorteil der Höhe, weil die Gegner befürchten abgeschnitten zu werden. Die Maßnahmen, die Germanicus dann gegen die im Wald versteckte Reiterei der Arminius-Koalition traf, sind unklar, Tacitus schreibt (An.2,20)
"nichts davon blieb dem Cäsar unbekannt. der Feinde Pläne und Stellung, Offenes und Verborgenes wußte er und wandte ihnen ihre eigene List zu ihrem Verderben." Auch dies spricht für eine
gute Vorfeldaufklärung.
Im weiteren Verlauf wird kein Reitergefecht geschildert, die zusammengedrängten Germanen sind entweder das Fußvolk, dass in der Waldung hinter dem Wall oder am Wall stand, oder die Reiterei war abgesessen, und zur Infanterie gestößen, jedenfalls hat das römische Heer die Infanterie abgeschnitten, sie kämpften mit dem Rücken zu einem Sumpf, und hatten den Vorteil der Beweglichkeit, der bei der Schlacht auf dem idistavischen Feld noch vorhanden war, verloren. Durch Truppenbewegung waren die cheruskischen Reiter aus dem Gefecht genommen, die den Römern in den Rücken fallen wollten. Möglicherweise hatten sie auch befürchten müssen eingezingelt zu werden. Meiner Ansicht nach sind diese Manöver ohne direkte Kampfhandlung bei Gefechten in Hinterhalten und in einem Gelände, bei dem bei dem die Landschaft für den Gegner vorteilhaft ist, entscheidend, erst nach Aufhebung der gegnerischen Vorteile beginnen die Römer die Schlacht.
Beim Kampf am Wall setzte Germanicus überlegene Fernkampfeinheiten und Torsionsgeschütze ein. Zuletzt ging es um die Frage, wie lernfähig ist das römische Heer, obwohl es keine Militärakademie für Offiziere gab): mir erscheint ihr Handeln als ein fast automatisiertes, dass sich in bestimmten Szenarien (bei der Strategemliteratur z.B.
Der Flussübergang oder
Wie kämpfen am Bergpass? wiederholt. Den Einsatz überlegener Fernkämpfer schildern römische Quellen zum Beispiel in einer Schlacht eines römischen konsularischen Heeres unter der Führung von Gnaeus Manlius Vulso189 v.Chr. gegen die Tolistobogier am Berg Olympos in Kleinasien, bei der der Einsatz von Fernkampfeinheiten mitentscheidend war ( Livius 38, 19–23; Appian, Syriaca 42, Poybios 21,38-Polybios muss ich noch einmal überprüfen, Bitu). Livius schreibt:"
der Konsul aber hatte eine große Menge Wurfpfeile, leichte Spieße, Bogenpfeile, Bleikugeln und mäßig große Steine zum Wurf für die Schleuder angeschafft: so mit diesem Vorrat von Geschossen versehen zog er gegen den Berg Olympos "(heute Uludağ , Bergkette in der Marmararegion, bis 2500 m hoch, Bitu)
,.... "Vor ihren Reihen gingen die leichtbewaffneten und von des Attalos gestellten Hilfstruppen die kretischen Bogenschützen, die Schleuderer , die Trailer und Thraker. Das Treffen, was mit Schüssen aus der Ferne eröffnet wurde, blieb sich anfangs gleich, weil den Galliern ihr Stand, den Römern ihre Mannigfaltgkeit und Menge ihres Geschosses zustatten kam. Allein mit der Fortdauer verlor der Kampf an Gleichgewicht...sie (4000 tolistobogische Krieger) aber wurden mit Pfeilen, Bleikugeln, Wurfspießen ohne dagegen verwahrt zu sein, von allen Seiten zusammengeschossen; von Wut und Bestürzung geblendet wussten sie nicht, was sie tun sollten, und sahen sich durch eine Kampfesart überrascht, zu der sie durchaus nicht geeignet waren."
Es gibt einen archäologisch gut erforschten Kampfplatz am Dottenbichl in Oberammergau, auf dem die 19.Legion (die 24 Jahre später beim Varusereignis unterging) gegen Räter während des Alpenfelzugs 15 v.Chr. kämpfte - in gewisser Weise wiederholte die römische Armee 174 Jahre später die Vorgehensweise vom Olympos in Kleinasien. Ob dies tradiert und trainiert wurde, in der Praxis gelehrt, z.B. auf der Laufbahn vom Militärtribun über die Prätur, vom Legat zum Konsul, in dem die jungen aristokratischen Männer im Stab ausgebildet werden? Oder sind es die Zenturionen mit ihrer Kampferfahrung, das Rückgrat der Armee, die Erfahrung und Wissen zu Handlungskompetenz vereinten?
Kurzer Text zum Dottenbichl:
https://badw.de/fileadmin/pub/akademieAktuell/2016/59/AA_0416_11_Zanier_V03.pdf
Ausführlicher wissenschaftlicher Text zum Dottenbichl:
Der spätlatène- und frühkaiserzeitliche Opferplatz auf dem Döttenbichl südlich von Oberammergau
Werner Zanier beschreibt den Kampf am Dottenbichl folgendermaßen:
„Einheimische Raeter ziehen sich vor der römischen Übermacht auf den am höchsten gelegenen Ostteil des Döttenbichl im Bereich der fünf Kuppen zurück und hoffen in ihrem Heiligtum auf die Hilfe der Götter. Viele stellen sich am Nordhang der Kuppe 880 auf, um den vom Gelände vorgegebenen Zugang in den heiligen Bereich zu versperren und gegebenenfalls zu verteidigen. Römische Bogenschützen besteigend den Döttenbichl von seiner gut zugänglichen Westseite und schießen vom Westteil auf die 50 – 60 m entfernten Raeter … Neben gezielten Einzelschüssen werden Salven von Pfeilen mit dreiflügeligen Eisenspitzen verschossen. Zum Spannen der Bögen suchen die Bogenschützen auf dem unebenen felsigen Boden einen festen Stand, wobei sich im Eifer desGefechts Nägel aus ihren Schuhsohlen lösten und auch vereinzelt ganze Schuhe oder Ersatzschuhe verloren gehen. Die Raeter schießen Pfeile mit eisernen Tüllenspitzen und Widerhaken zurück
. Auf seiner Ost- und Südostflanke fällt der Döttenbichl 20 – 25 m steil ab und kann kaum oder nur mühsam kletternd bestiegen werden. Ein zusätzliches Annäherungshindernis bildet im Osten das unmittelbar bis zum Fuß des Döttenbichl reichende Weidmoos. Deshalb stellt die römische Artillerie östlich, südöstlich und südlich des Döttenbichls Torsionsgeschütze auf, mit denen die von den Bogenschützen nicht erreichbaren Areale des Heiligtums ganz im Osten und Südosten auf eine Distanz von 100 – 150 m beschossen werden. Außer auf Lafetten oder Karren montierte Katapulte, die Pfeile mit schweren Vierkantspitzen verschießen, kommen auch von einem Mann bediente Torsionsarmbrüste mit leichterer Munition zum Einsatz. Nach gut zwei Stunden ist der von Raetern besetzte Ostteil des Döttenbichls von allen Seite sturmreif geschossen. Nahkampfwaffen werden nur ausnahmsweise benutzt. Am Ende sind die Belagerten zur Aufgabe gezwungen und die siegreichen Römer behaupten den umkämpften Döttenbichl. Die meisten Verwundeten und Getöteten sind unter den raetischen Kämpfern zu beklagen.(s.555-556)
Außer den neuen Torsionsgeschützen, die Livius für die Schlacht am Olympios nicht erwähnt, klingt der Ablauf in den Grundzügen sehr ähnlich
und eingeübt und kompetent, als wären die Legionen auf verschiedene Szenarien des Alpenfeldzugs vorbereitet worden.