Es ging vielleicht um 100, 200 Soldaten. Das lässt sich selbst bei Papiermagel organisieren. Über den Rest könnt Ihr Euch streiten. Es handelt sich um einen Zeitzeugenbericht und nicht mehr. [...]
100-200 Soldaten entsprächen mehreren Zügen, einer Kompanie oder allenfalls einem arg unter Sollstärke befindlichen Batallion.
Ich war bislang davon ausgegangen, wir redeten hier über eine potentielle Anordnung auf irgendwas zwischen Regiments- und Divisionsebene (mindestens).
Für eine Kompanie oder ein dezimiertes Batallion weit unter Sollstärke, macht eine solche Anordnung eigentlich überhaupt keinen Sinn, weil damit allenfalls ein einziger Punkt, in der Verteidigungslinie verteidigt werden konnte, dass aber bei weitem zu wenig gewesen wäre, um einen größeren Abschnitt zu halten.
Welchen Sinn, sollte irgendein Hauptmann oder Major als Kompanie- oder Batallionschef darin sehen, so etwas zu veranlassen, ohne dass die anderen Teile des Großverbands da mit involviert und auf das Gleiche festgelegt worden wären?
Das macht auch die angebliche Sippenhaft-Androhung nochmal unglaubwürdiger. Wenn irgendein General, der Divisionen bis Armeekorps befehligte und einen direkten Draht, mindestens zum Oberbefhelshaber des Kriegstheaters, oder aber zu OKH und OKW hatte und vielleicht wichtig genug gewesen wäre Dräte in die höheren Parteiinstanzen zu haben, wäre ja theoretisch noch denkbar, dass der sich für so eine Anordnung in irgendeiner Form Rückendeckung von Oben geholt hatte, mindestens für die Drohung.
Aber wer hätte nem kleinen Hauptmann oder Major das ohne amtliche Bekanntmachung, entsprechenden Tagesbefehl von weiter oben o.ä. das abnehmen sollen?
Drohungen machen allenfalls dann Sinn, wenn sie glaubhaft sind.
Die Fallschirmjäger waren eine Truppe, die man nicht mit normalen Maßstäben messen sollte. Es herrschte eine andere Mentalität. Es waren Einheiten, die eigentlich dazu vorgesehen waren, HINTER den feindlichen Linien zu operieren. Frage: Wo existiert hinter den feindlichen Linien bitteschön eine deutsche Feldpolizei, die den Deserteur schnappt?
Die Argumentation zieht aus 2 Gründen nicht.
1. Ist schon genannt worden, dass die Fallschirmjäger in diesem Stadium des Krieges de facto nicht als Fallschirmjäger, sondern mehr oder weniger als Bodentruppen direkt an der Front eingesetzt wurden.
2. Das Argument, nachdem von der eigenen Feldpolizei bei Desertion größere Gefahr ausgeht, als vom Gegner, zieht nur dann, wenn davon ausgegangen werden kann, dass es sich um einen Gegner handelt, der den Soldaten gefangennehmen und den Gepflogenheiten des Kriegsrechts entsprechend auch als kriegsgefangenen Soldaten korrekt behandeln wird.
Das war aber in Italien so wenig gegeben, wie in der Sowjetunion oder am Balkan, weil sich die Wehrmacht hier ja selbst nicht an die Spielregeln hielt. Die Massendeportationen und extrem schlechte Behandlung der italienischen "Militärinternierten" waren bekannt. Ebenso Kriegsverbrechen der Wehrmacht in Italien, die bereits vorgekommen waren.
Ein Deutscher, der bei Monte Cassino den Versuch unternahm zu desertieren und sich in Gefangenschaft zu begeben lief Gefahr bei der Aktion italienischen regulären Kräften auf Seite der Westmächte oder noch schlimmer irregulären in die Hände zu laufen.
Zwischen dem, was Deserteure von der deutschen Feldpolizei zu erwarten hatten und was sie ggf. von rachedurstigen italienischen Partisanen zu erwarten hatten, dürfte in praxi wenig Unterschied bestanden haben.
Der Versuch zu desertieren, war unter diesen Umständen mit gesteigerten Risiken verbunden, die nicht mit Gebieten vergleichbar waren, wo man darauf rechnen konnte in jedem Fall in britische oder amerikanische Gefangenschaft zu kommen und da anständig behandelt zu werden.
Die Frage ist doch: Wie schüchtere ich junge Leute ein, damit sie parieren? Antwort: Indem ich mit Repressalien gegenüber ihren Familien drohe. Würde man es in Nordkorea anders machen?
Dazu müsste die Warnung aber auch ziehen, wozu wiederrum die Eigenmächtigkeit eines kleinen Hauptmanns kaum geeignet gewesen sein dürfte. Wenn die Unterschrifft des Armee-Oberbefehlshabers unter der Drohung drunter ist, dann macht es Eindruck, aber nicht wenn es sich um eine mündliche Einlassung von Hauptmann Müller/Meyer/Schulze handelt.