Ist vielleicht hier besser aufgehoben als im Grey-Faden:
Es war vorgesehen, Ostpreußen nur hinhaltend zu verteidigen und im schlimmsten Fall sogar bis zur Weichsel zurückzuweichen, General Francois wurde sogar "gerüffelt", weil er mit völlig unzureichenden ostpreußischen Truppen zum Angriff überging.
Sogar hinter die Weichsel zurück zu gehen, hatte Moltke, Prittwitz im äußersten Fall erlaubt, dafür aber streng verboten sich auf die Festung Königsberg zurück zu ziehen (hätte Festsetzung der Armee nördlich der vorrückenden Russen, bei gleichzeitig weitgehend freiem Weg für die russischen Truppen westwärts bedeutet).
Moltkes Befehle an Prittwitz liefen darauf hinaus, die russischen Truppen in Ostpreußen möglichst zu binden (Vorstoß der Russen westwärts über die Weichsel hinaus oder nach Schlesien mit seiner bedeutenden Industrie, wäre ein strategisch weit größeres Problem gewesen), dabei aber ohne besondere Rücksicht auf die Provinz und auch auf die westlich der Weichsel gelegenen Teile Westpreußens zu nehmen, unbedingt die 8. Armee zu erhalten, um so lange keine anderen Truppen aus dem Westen abkömmlich waren die Russen beschäftigen und ihren Vormarsch stoppen oder wenigstens stören und verlangsamen zu können.
Herrmann v. Francois (einer von Prittwits Korps-Kommandanten) scheint mehrfach dadurch aufgefallen zu sein, auf unbedingte Offensive gegen die Russen setzen zu wollen, was wahrscheinlich vom strategischen Standpunkt nicht unbedingt besonders vernünftig war. Er hatte sich in das Gefecht bei Stallupönen eingelassen und war wohl auch bei Gumbinnen der Meinung, die Schlacht nicht abbrechen, sondern fortsetzen zu wollen.
Noch nach dem Krieg hat v. Francois einen Erinnerungsband an die Schlacht von Tannenberg und die vorrangegangenen Operationen im Osten verfasst und veröffentlicht, in dem er an Prittwitzens Entscheidung die Schlacht bei Gumbinnen abzubrechen herumkritisiert und unter anderem beschwört, dass bei Fortsetzung der Schlacht ein deutscher Sieg gewunken hätte.
An Hand des Verlaufs der Schlacht ist das nicht wirklich nachvollziehbar, die war als v. Prittwitz sie abbrach und Rückzug anordnete eher ein blutiges Patt, dafür hatte allerdings die russische 2. Armee unter Sasonow begonnen sich in Richtung Masuren und Weichselübergänge in Marsch zu setzen, der keine adäquate deutsche Gegenmacht gegenüberstand.
Diese russischen Kräfte waren für die 8. Armee offensichtlich wegen der Gefahr des Kappens der rückwärtigen Verbindungen deutlich gefährlicher, als die Njemen-Armee unter v. Rennenkampf, weswegen es wahrscheinlich strategisch ein großer Fehler gewesen wäre, die Kämpfe bei Gumbinnen fortzusetzen, die Russen im Südwesten dabei weiter vorgehen zu lassen und die Narew-Armee dann anschließend erst später und mit stärker geschwächten Kräften (denn weitere Verluste bei Gumbinnen wären zu erwarten gewesen) zu konfrontieren und anzugreifen.
Als die Russen aber bereits halb Ostpreußen zu überfluten begannen, setzte eine Umdenkungsprozess in der OHL ein. Man löste den Prittwitz, den Befehlshaber in Ostpreußen ab und gab dem "Lüttich-Sieger" Ludendorff (pro forma mit Hindenburg als "Hut") das Kommando für den Osten.
Das hatte aber weniger mit den Geländeverlusten in Ostpreußen selbst zu tun (die waren mit dem vorhandenen Truppenaufgebot im Osten gar nicht zu vermeiden) und mehr mit einem Telefonat, zwischen v. Prittwitz und v. Moltke, nachdem Moltke davon ausging, dass Prittwitz die Nerven verloren habe und deswegen abgelöst werden müsse.
Konkret hatte Prittwitz wohl gegenüber Moltke geäußert selbst nach Rückzug auf oder Übergang über die Weichsel, diese gegen die Russen nicht halten zu können.
Das Interessante ist, dass man das Überstellen von Verstärkungen aus dem Westen dahingehend interpretieren kann, dass Moltke dass in der Sache ähnlich sah, wie Prittwitz und mehr Anstoß an dessen Verhalten nahm, dass er wohl als defaitistisch betrachtete.
Gleichzeitig wurden in einer äußerst entscheidenden Phase für den rechten Flügel im Westen drei Armee-Korps dort abgezweigt und nach Osten befördet. (Sie kamen allerdings für Tannenberg zu spät und fehlten dringend im Westen!! Manche machen diese Aktion für das Scheitern des Angriffsflügels verantwortlich.
Wenn ich das recht im Kopf habe, handelte es sich um zwei Korps.
Und ob die im Westen was gebracht hätten, sei mal dahingestellt. Die Truppen waren nach wochenlangem Vormarsch müde, daran Paris selbst anzugreifen, war bei dem straffen Zeitplan und mit Flankenbedrohung aus Richtung Süden nicht zu denken, ob man weiter südlich vorran gekommen wäre ist auch fraglich.
Hätten die 2 Korps im Westen zur Verfügung gestanden, wäre es den Truppen der Entente-Mächte wahrscheinlich nicht gelungen, die Deutschen in der Marneschlacht nicht nur aufzuhalten, sondern auch zum partiellen Rückzug zu zwingen, möglicherweise hätten sie die ermüdeten deutschen Truppen aber doch aufhalten, die Lage an der Marne stabilisieren und per Eisenbahn sukzessive aus Lothringen und dem Elsass abgezogene Reserven heranführen können.
Was die Auswirkungen der 2 Armeekorps auf die Lage im Osten angeht:
Moltke war ja kein Phantast und er hatte Meldungen über die ostpreußischen Operationen und die Bewegungen der Russen. Das es logistisch nicht möglich sein würde mit den aus dem Westen abgezogenen Korps die "Tannenberg-Operation" zu unterstützen, dass dürfte ihm durchaus klar gewesen sein, zumal er nach der Westoperation davon ausgehen musste, dass die beiden Korps mit den vorrausgegangenen Kämpfen in den Knochen ohnehin erstmal nur über reduzierte Kampfkraft verfügen würden.
Gleichzeitig war es auch nicht möglich die Tannenberg-Operation hinaus zu zögern um einen Einsatz der verlegten Korps hier zu ermöglichen, weil mit jeder verstrichenen Stunde die Gefahr stieg, dass v. Rennenkampf mit seiner Njemen-Armee erkennen würde, dass er außer einer sehr schwachen Verteidigungslinie, die er leicht durchbrechen konnte, nichts mehr vor sich hatte und nach Westen marschieren oder sein Vorgesetzter Zhillinski ihm das befehlen würde. In dem Fall hätte dann steigende Gefahr des Eingrifens der Njemen-Armee in die Tannenberg-Operation von Norden und Osten her bestanden und dass hätte Tannenberg mit einiger Sicherheit zum Desaster für die Deutschen gemacht.
Ich würde sagen Moltkes Intention bei dieser Verlegung dürfte weniger in der Absicht bestanden haben die Tannenberg-Schlacht zu unterstützen, als viel mehr nach der Tannenbergschlacht die Weichsellinie unbedingt zu verstärken.
Das bei Tannenberg die Einkesselung und Vernichtung der größeren russischen 2. Armee gelingen würde, war ja alles andere als ausgemacht, eigentlich war es eher unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher war, dass man, in irgendeiner Weise einen Frontalsieg gegen die Russen würde erringen und die russischen Truppen zeitweise zurückwerfen können.
Das wäre aber, ohne Verstärkungen nicht nachhaltig gewesen. Hätte sich die Narew-Armee der Vernichtung entziehen können, wäre der nächst logische russische Schritt dass weitere fesseln der deutschen Streitkräfte in der Weichselregion und im westlichen Masuren durch die Narew-Armee bei gleichzeitigem Westvorstoß der Njemen-Armee durch Ostpreußen gewesen.
Hätte die Njemen-Armee dann erst in Richtung der Weichsel aufgeschlossen hätten 2 russische Armeen gegenüber einer relativ kleinen Deutschen für den Sturm auf die Weichselstellungen bereit gestanden oder auch für einen Umgehungsversuch (Njemen-Armee im Norden übernimmt die Aufgabe des Fesslens von der Narew-Armee und Narew-Armee versucht Südumfassung der Weichselstellung, während deutsche 8. Armee nördlich gebunden ist und nicht reagieren kann).
Wie ich das sehe, hatte Moltke, als er die 2 Korps abzog Ostpreußen abgeschrieben und bereitete die Sicherung der Weichselübergänge und -Festungen gegen weitere russische Operationen vor, nicht unbedingt den Gegenangriff.
Ich denke, da werden die Absichten der Truppenverlegung bis heute deutlich missverstanden.
Kronprinz Rupprecht, der Oberbefehlshaber der bayerischen 6. Armee hatte der OHL nach dem Sieg in Mörchingen (Lothringen) weit mehr nun frei werdende Einheiten angeboten, das wurde aber von der OHL abgelehnt, weil (sinngemäß) Ostpreußen schlechterdings nicht von den Bayern "befreit" werden sollte.
Könntest du das bequellen? Im Besonderen die Begründung erscheint mir ziemlich fragwürdig, weil zum Zeitpunkt des Abzugs eigentlich nicht klar war, ob eine Kampagne zur Befreiung Ostpreußens in näherer Zukunft überhaupt möglich gewesen wäre. Wenn sich die Narew-Armee der Vernichtung entziehen hätte können, wäre das utopisch gewesen und ob sie das konnte entschied sich letztendlich erst in der Endphase der Schlacht, also deutlich nach der Entscheidung für die Truppenverlegungen.
Erst ab diesem Zeitpunkt und weil die Österreich-Ungarn schwerste Niederlagen einstecken musste, wurde auch von deutscher Seite eine Ostfront aufgebaut, die ursprünglich gar nicht vorgesehen war.
Vorgesehen war sie schon, sollte nur eben schwerpunktmäßig von den Österreichern getragen werden um die deutschen Kräfte im Westen frei zu haben.