Zu "Fürsten im Luxus, Bauern darben
Sorry, ich hatte mich abgemeldet, aber eines kann und will ich nicht auf mir sitzen lassen, nämlich so liebe Antworten, wie ich hätte nicht recherchiert, und natürlich kam Jedermann in den Genuss von Kunst und Opern.
Ich habe und kenne nämlich eine Aufstellung über eine Diskussion aus dem Jahre 1849, ob 3 Taler, 7 Silbergroschen, die ein Arbeiter erhielt eine ausreichende Bezahlung waren, um sein Leben und Auskommen zu sichern. Arbeitgeber fanden damals jedenfalls, das wäre mehr als genug ...
Dem gegegenüber gestellt waren die Kosten.
Historisches Zentrum Wuppertal
Sorry, irgendwie klappt es mit dem Link nicht. Also hier ein Auszug der Seite:
SOZIALGESCHICHTE
LEBENHALTUNGSKOSTEN - PREISE - LÖHNE
Im Februar 1849 berichtete das Elberfelder Kreisblatt von einer Debatte in einem der politischen Klubs in Elberfeld über die Lebenshaltungskosten einer Wuppertaler Arbeiterfamilie. Einer der Redner hatte die Behauptung aufgestellt, dass der Wochenlohn von 3 Tlr. 7 Sgr. wie er seinerzeit von mehreren bedeutenden Unternehmen Elberfelds gezahlt wurde, einen sehr guten Verdienst für einen Arbeiter darstelle. Dem wurde die nebenstehende Berechnung "der notdürftigsten Gegenstände, welche eine Haushaltung von fünf Personen zukommen", entgegengehalten.
In jener Berechnung folgen dann die Angaben über benötigtes Schuhwerk und Bekleidung. Jedem Familienmitglied wurden pro Jahr zwei Paar Schuhe und zwei Hemden zugestanden, darüber hinaus noch für die gesamte Familie zwei Bettlaken und vier Handtücher pro Jahr, was auf die einzelne Woche umgerechnet ungefähr 12 Sgr. 2 Pfg. gekostet haben soll. Zusammen mit den oben angeführten Kosten ergibt das eine Summe von 4 Tlr. 4 Sgr., die zur Deckung des wöchentlichen Bedarfs notwendig erschien. Dieser Betrag war bestimmt zu niedrig angesetzt. Vergessen wurden bei der Berechnung u. a. die Ausgaben für Jacken, Kleider, Hosen, Strohsäcke und andere Einrichtungsgegenstände, für Bier, Schnaps und Tabak sowie für ärztliche Behandlung. 4 Tlr. 4 Sgr. stellten mithin das Minimum an Lebenshaltungskosten dar. Ein Verdienst von 3Tlr. 7 Sgr. liegt aber um über 20% unter diesem Minimum, und dieser Betrag wurde als guter Wochenlohn bezeichnet. Wie konnte dann eine Arbeiterfamilie mit normalem Wochenlohn überleben, zumal wenn bei Wirtschaftskrisen die Löhne sanken, oder wenn nach Missernten die Preise für die Lebensmittel anstiegen? Die einzige Möglichkeit bestand darin, dass Frau und Kinder mitarbeiteten, um das Familieneinkommen zu verbessern - vorausgesetzt, dass sie Arbeit fanden.
Setzt man die heutige durchschnittliche Wochenarbeitszeit unter Berücksichtigung von Urlaubs- und Feiertagen mit 35 Stunden und die Wochenarbeitszeit Mitte des vergangenen Jahrhunderts mit 80 Stunden an, so ergibt sich, dass ein Arbeitnehmer heute ca. 9 1/2 Stunden, ein Arbeiter um 1849 aber 49 Stunden arbeiten musste, um eine Familie eine Woche lang ernähren zu können.
Schwarzbrot und Kartoffeln bildeten die Grundlage der Ernährung des größten Teils der Wuppertaler Bevölkerung in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts. Umso schwerer muss es einen Arbeiterhaushalt getroffen haben, wenn gerade die Preise für Kartoffeln und Brot stiegen. Neben naturbedingten Preisschwankungen lässt sich noch ein anderes Phänomen beobachten. Da die Böden im bergischen Industriegebiet relativ schlecht sind, konnte schon im 18. Jahrhundert die heimische Landwirtschaft die Ernährung der Wuppertaler Bevölkerung nicht mehr sicherstellen, und je höher die Einwohnerzahl der Wupperstädte stieg, umso größere Mengen mussten aus immer weiter entfernteren Gegenden importiert werden. Durch die hohen Transportkosten auf den schlechten Straßen und Wegen erhöhten sich nicht nur die Preise fortlaufend, auch reagierte der Wuppertaler Markt auf jede Änderung der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lage in den Nachbarländern.
Seit Mitte des 18. Jahrhunderts hatten sich bis 1775 die Lebenshaltungskosten um mehr als 60% erhöht, seit Anfang des Jahrhunderts hatten sie sich mindestens verdoppelt. Schon in der Epoche vor der Industriellen Revolution sind also im Wuppertal gewaltige Preissteigerungen zu verzeichnen, die nicht auf niedrige Ernteerträge, sondern auf Strukturveränderungen im hiesigen Gewerbegebiet zurückzuführen sind. So hoch wie hier waren die Preise nirgends im ganzen Herzogtum Berg und weit darüber hinaus.
Die Löhne betreffend sind nur wenige Daten überliefert; ihnen zufolge müssen aber nicht nur die Preise, sondern auch die Löhne im Wuppertal relativ hoch gewesen sein. Ein Wuppertaler Bleicherknecht verdiente ungefähr ein Fünftel mehr als ein Vertreter des gleichen Gewerbes im Raum Bielefeld. Das hohe Lohnniveau im Wuppertal ändert aber nichts an der Tatsache, dass hier wie überall in Mitteleuropa die Reallöhne im 18. Jahrhundert sanken, besonders in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts.
Die Preise aber sollten noch weiter steigen. Das hohe Preisniveau zwischen 1789 und 1818 hat seine Gründe nicht nur in den gelegentlichen Missernten und anschließenden Teuerungswellen (1794/95 und 1816/17), sondern auch in der politischen Lage (Koalitionskriege gegen Frankreich, Napoleonische Kriege, Befreiungskriege). Besonders gravierend aber war der Umstand, dass der linke Niederrhein, die Kornkammer des Bergischen Landes, von Frankreich besetzt wurde und die Ausfuhr von Getreide durch hohe Zölle sehr erschwert wurde.
Ihre traurigen Höhepunkte erreichte die dreißigjährige Krise in den Jahren 1795 und 1817 mit Roggenpreisen, die im Jahresdurchschnitt über 19 Rtlr. pro Malter lagen. Auf dem Höhepunkt der Teuerungswelle von 1817 hätte ein Arbeiter 47 Stunden arbeiten müssen, nur um den Brotbedarf seiner Familie decken zu können. Für die benötigten 14 kg Kartoffeln hätte er weitere 32 Stunden arbeiten müssen, d. h. der gesamte Lohn für eine 80-Stundenwoche musste allein für den Erwerb der beiden Grundnahrungsmittel aufgewendet werden.
Nach 1819 entspannte sich die Lage zusehends. Nach den Rekordernten von 1823 und 1824 sank der Roggenpreis sogar unter das Niveau von 1777, und der Kartoffelpreis fiel auf ein Achtel desjenigen vom Juni 1817. Zum ersten Mal seit fast fünfzig Jahren konnte sich der größte Teil der Menschen satt essen. Aber trotz niedrigster Preise musste in Elberfeld immer noch ein Zehntel der Bevölkerung von der öffentlichen Armenpflege unterstützt werden.
Diese niedrigen Preise stellten während des ganzen Zeitraums bis 1850 die Ausnahme dar. Schon Ende der zwanziger Jahre lagen die Preise für die Grundnahrungsmittel auf dem normal hohen Niveau, und bis zur Mitte des Jahrhunderts zeigten sie eine steigende Tendenz.
Anders als im Zeitraum 1775 bis 1817, in dem trotz gewaltiger Preissteigerungen keine Lohnerhöhung zu verzeichnen war, müssen die Löhne mit dem Wirtschaftsaufschwung nach 1819 erstmals beträchtlich angezogen haben. Aber in den dreißiger und vierziger Jahren scheinen die Löhne wieder gefallen zu sein und erreichten ihren Tiefpunkt auf dem Höhepunkt der Krise von 1843 - 48. Nach dem Ende dieser Krise zahlten 1849 einige Wuppertaler Unternehmen den guten Lohn von 3 Tlr. 7 Sgr., wie eingangs erwähnt wurde. Die Errungenschaften der Industriellen Revolution waren an der Masse der Bevölkerung vorbeigegangen und hatten ihnen nur Not und Entbehrungen gebracht.
Und dann kommt ihr und wollt mir erzählen, dass jeder Zugang zu Kunst und Oper hatte, und dass Personal und Arbeiter ja nur einen Mangel an Zeit gehabt hätten.
Sorry, aber auf dieser Stufe kann und will ich nicht weiter diskutieren ...
Gehabt Euch wohl, Caro