Die Fürsten lebten im Luxus, die Bauern mussten darben!

@Repo?

Der breiten Masse der Bevölkerung stellte sich gewiss auch nicht die Frage ob man sich Porzellan aus China oder Meissen liefern lässt, oder doch auf dem Markt um die Ecke kauft. Beim Gros der Bevölkerung war es ein halbes Drama wenn ein Teller, oder die Suppenschüssel zerbrochen wurde, weil man nicht wusste, von welchem Geld neue kaufen.

Ich kann nunmal nicht nachvollziehen, wie man die jahrhundertelang schwierigen Lebensumstände für das Gros der Bevölkerung romantisieren kann. Hunger entbehrt jeder Romantik.


Ein Drama wenn ein Teller zerbrach.....
Der Betrachtumszeitraum ist das 18. Jahrhundert?
Und für die Zeit halte ich den Porzellanteller für nicht so verbreitet.
Im Bürgertum Zinn sonst Holz, oder die gemeinsame Schüssel mit dem eigenen Löffel für jeden.
 
Ich gehe mal anders herum vor:

Zu [3]: Auf welche Daten (Quellen) wird hier Bezug genommen?
V.a. ein Vergleich zu anderen Staaten Europas wäre hier interessant. Gerade eine Großmacht wie Frankreich hatte es sicherlich schwerer als andere, kleinere Staaten durch die Kunst "reich" zu werden, da das Käuferklientel natürlich begrenzt war und man erstmal 26 Mio. Franzosen über Wasser halten muss. Hier wären Vergleiche zu anderen Staaten ganz gut. Mir fiele jetzt Venedig ein, wo aber trotz des anhaltenden Erfolgs auf dem Gebiet der Herstellung von Luxusgütern (dem Muranoglas erwuchs allerdings schon im 18.Jh. in Böhmen und Schlesien eine gefährliche Kongurrenz) die Zahl der Armen zum Ende des 18.Jh. hin schreckliche Ausmaße annahm.
Gerade Frankreich war allerdings noch durch das ganze 18.Jh. agrarisch geprägt. Exportschlager wie Seide (wobei Frankreich damit immer noch eine Rolle im internationalen Vergleich besitzt), Möbel, Sèvres-Porzellan fielen mir auf Anhieb ein. Das änderte aber nichts daran, dass die Physiokraten Frankreichs selbst in der Landwirtschaft einen Hauptmotor erkannten. Ihr Wirtschaftsmodell war natürlich von den Gegebenheiten beeinflusst, welche sie in ihrer Heimat vorfanden.
 
Ein Drama wenn ein Teller zerbrach.....
Der Betrachtumszeitraum ist das 18. Jahrhundert?
Und für die Zeit halte ich den Porzellanteller für nicht so verbreitet.
Im Bürgertum Zinn sonst Holz, oder die gemeinsame Schüssel mit dem eigenen Löffel für jeden.
Ich glaube, es geht um die ganze Zeit von 1648-1789 oder so, aber dazu konnte sich simplicissimus nicht genau auslassen, wie es scheint.

Beim Adel denke ich an Teller und Platten sowohl von Porzellan, als auch von Silber wie auf de Troys "Austernmahlzeit" (1734) zu sehen.

Beim Bürgertum kommt einiges in Betracht, eigentlich beim gehobenen Bürgertum das Gleiche wie beim Adel und dann hinab bis zum Zinn, das auch bei Bauern zu finden ist. Das kommt aber natürlich auf die Region an, wie Du richtig sagtest, war auch das gemeinsame Essen aus einer Schüssel (ich glaube auch eingelassen in einem Tisch) kam vor. Ansonsten ist neben Holz- auch Tongeschirr benutzt worden. Die Bezeichnung "Bauern" ist natürlich auch hier wieder wegen der Vielschichtigkeit diferenziert zu betrachten.

Vor allem scheint es allerdings um die Verhältnisse im HRR zu gehen, wobei die Bezeichnung "Fürst" einen anderen Stellenwert hat, da die Fürsten des Reiches ja Souveräne waren und eigene Staaten regierten.
Dass die Fürsten in Folge des 30-jährigen Krieges an Luxus zulegten, war auch eine der Eingangsbehauptungen bzw. -vermutungen.
Hierzu würde ich sagen dass die Entwicklung indirekt vielleicht vom Westfälischen Frieden und der Zunahme des fürstlichen Selbstbewusstseins gefördert wurde - vom erst nach 1648 einsetzenden französischen Beispiel, welches von der Ausstrahlung des Hofes des Sonnenkönigs ausging ganz zu schweigen...
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich glaube, es geht um die ganze Zeit von 1648-1789 oder so, aber dazu konnte sich simplicissimus nicht genau auslassen, wie es scheint.

Beim Adel denke ich an Teller und Platten sowohl von Porzellan, als auch von Silber wie auf de Troys "Austernmahlzeit" (1734) zu sehen.

Beim Bürgertum kommt einiges in Betracht, eigentlich beim gehobenen Bürgertum das Gleiche wie beim Adel und dann hinab bis zum Zinn, das auch bei Bauern zu finden ist. schweigen...


Und genau da habe ich meine Bedenken.
Porzellan wurde Anfang des 18. Jahrhunderts erfunden.
In Stückzahlen ab ca. 1720
War Anfangs natürlich schwer geheim.
Also ich zweifle.
Steingut, warum nicht, aber ich denke Holzteller wird eher stand der Dinge gewesen sein.
 
Und genau da habe ich meine Bedenken.
Porzellan wurde Anfang des 18. Jahrhunderts erfunden.
In Stückzahlen ab ca. 1720
War Anfangs natürlich schwer geheim.
Also ich zweifle.
Steingut, warum nicht, aber ich denke Holzteller wird eher stand der Dinge gewesen sein.

Seit den Chinareisenden ab dem 13. Jahrhundert gab es Porzellan in Europa.
Das spanische Königshaus hatte im 17. Jahrhundert allein ca. 3000 Porzellan-Geschirrteile im Besitz.
 
Steingut, warum nicht, aber ich denke Holzteller wird eher stand der Dinge gewesen sein.
Eine für mich einleuchtende Überlegung, über die wir vielleicht wieder zum Kern der Diskussion gelangen könnten:

Die Hypothese von Caro1 lautet, dass das Budget einer "armen" Familie zur Zeit Ludwigs XIV. - meinetwegen auch im weiteren 18. Jahrhundert - so gering war, dass bereits das Zu-Bruch-gehen (Unbrauchbarwerden) gewöhnlicher Haushaltsgegenstände ein Problem darstellen konnte.

Um dies prüfen zu können, müsste man nach Informationen über das verfügbare Einkommen und dessen Kaufkraft sowie zu den Anschaffungskosten von Gebrauchsgegenständen zu jener Zeit suchen. Aus den Rahmendaten, wie ich Sie gefunden habe, spricht einiges für die Hypothese, aber man wüsste es halt genauer.

Hat jemand entsprechende Daten zur Hand?
 
Holz- und Metallwaren gehen nicht so leicht zu Bruch, jedenfalls nicht so, dass sie gleich unbrauchbar werden. Zinn kann leicht gelötet werden. Irdenware, also Gebrauchskeramik, ist ein Massenprodukt und daher billig.
 
@hurvi: Seit den Chinareisenden ab dem 13. Jahrhundert gab es Porzellan in Europa.
Das spanische Königshaus hatte im 17. Jahrhundert allein ca. 3000 Porzellan-Geschirrteile im Besitz.

Weil die Philippinen spanisch waren und von Dschunken angelaufen wurden. 1580-1640 gehörte Portugal außerdem zu Spanien und damit auch die chinesische Stadt Macau. Kleinere Fürstenhöfe oder gar "gewöhnliche Leute" konnten nicht mal im Traum an Porzellangeschirr denken. Nicht umsonst nannte man es "Weißes Gold".
 
Eine für mich einleuchtende Überlegung, über die wir vielleicht wieder zum Kern der Diskussion gelangen könnten:

Die Hypothese von Caro1 lautet, dass das Budget einer "armen" Familie zur Zeit Ludwigs XIV. - meinetwegen auch im weiteren 18. Jahrhundert - so gering war, dass bereits das Zu-Bruch-gehen (Unbrauchbarwerden) gewöhnlicher Haushaltsgegenstände ein Problem darstellen konnte.

Um dies prüfen zu können, müsste man nach Informationen über das verfügbare Einkommen und dessen Kaufkraft sowie zu den Anschaffungskosten von Gebrauchsgegenständen zu jener Zeit suchen. Aus den Rahmendaten, wie ich Sie gefunden habe, spricht einiges für die Hypothese, aber man wüsste es halt genauer.

Hat jemand entsprechende Daten zur Hand?


Stimmungsbild:
Ludwig der 14., einer der Erbfolgekriege, zieht Melac durch Südwestdeutschland, und Brandschatzt, das heißt, er besetzt die Stadt geht zum Schultheiß, sagt "ich krieg soundsoviel Gulden, sonst zünde ich dein Städtlein an," wird gehandelt worden sein usw. ein Argument hat aber bei Melac nicht gezogen, "wir haben kein Geld"
Denn Melac hat mit zB Schweizer Geldinstituten zusammengearbeitet, die dem Städtlein das Geld vorgestreckt haben und ihm ausbezahlt haben.

Sprich, das Leben war damals schon deutlich komplizierter und verwickelter, wie wir uns das heute gemeinhin vorstellen.

Auch damals gab es ein auf und ab in der Konjuktur.

Es wurde keineswegs ständig gehaungert
 
Wie ich bereits schrieb, bin ich nun wahrlich alles andere als Experte für das 18. Jh., aber ich muß mich hier trotzdem nochmals einmischen...

Ich denke, bei dem Vergleich ging es nicht nur um die Bauern. Zumindest sind die kleinen Bauern (im Gegensatz zu Großgrundbesitzern) gute Stellvertreter für den "kleinen Mann" im allgemeinen...
...
Wenn du 4-5 kinder hast und einen Beruf, der kaum die Familie ernährt, macht es keinen (oder kaum einen) Unterschied Wer oder Was du bist.
Alltag im 18. Jahrhundert | Hintergrund | radioWissen | BR

Da dort im verlinkten als Beispiel der Bergarbeiter im Erzgebirge aufgeführt wurde, müssen wir uns dabei - ohne die Armut der Menschen verharmlosen oder gar beschönigen zu wollen - aber auch vor Augen halten, daß das Erzgebirge im 18. Jh. eine wirtschaftliche Krisenregion war, da sich der erzgebirgische Bergbau seit dem 17. Jh. erheblich im Abschwung befand und das Ausweichen auf andere Erwerbszweige längst begonnen hatte (Textilindustrie, Holz- und Spielwarenfertigung), welche jedoch auch nicht gerade zum Erwirtschaften von Wohlstand beitragen konnten. Dazu kommt noch, daß andere Erwerbsformen wie bspw. die Landwirtschaft aufgrund der natürlichen Gegebenheiten (größtenteils schwere und steinige Böden) weitgehend ausschieden.
Anm.: Erst mit dem Kobaltabbau bzw. der Steinkohleförderung im Erzgebirgischen Becken ging es im 19. Jh. dann mit dem erzgebirgischen Bergbau - wenn auch nur für relativ kurze Zeit - wieder aufwärts.

Aus diesem Beispiel deshalb allgemeine Schlüsse für das Kurfürstentum Sachsen, die Schönburger Ländereien oder gar das Heilige Römische Reich Deutscher Nation überhaupt abzuleiten, würde ich zumindest mit einem kleinen Fragezeichen versehen...



Die Bezeichnung "Bauern" ist natürlich auch hier wieder wegen der Vielschichtigkeit diferenziert zu betrachten.

... wobei die Bezeichnung "Fürst" einen anderen Stellenwert hat, da die Fürsten des Reiches ja Souveräne waren und eigene Staaten regierten.
Dass die Fürsten in Folge des 30-jährigen Krieges an Luxus zulegten, war auch eine der Eingangsbehauptungen bzw. -vermutungen...

Das möchte ich ganz dick unterstreichen!
Die Differenzierung der gesellschaftlichen Stände muß dabei unbedingt betont werden; auf die Bauern - hier ist insbesondere die Thematik der Vollbauern (die deswegen aber nicht gleich Großgrundbesitzer o. dgl. sind) wichtig - wurde ja von Dir bereits verwiesen. Aber auch neben dem äußerst differenzierten Bauernstand war der 3. Stand (einfache Leute, gemeines Volk) sowohl sozial als auch materiell-ökonomisch weitaus differenzierter (schon weil auch das wiederum äußerst vielschichtige Bürgertum dazugehört), als daß man einfach dabei von den Armen sprechen könnte - ohne freilich zu verschweigen, daß ein nicht geringer Teil davon in Armut lebte.
Aber genausowenig läßt sich für den 2. Stand (Adel) eine Verallgemeinerung treffen; und daß die Gleichsetzung von adlig mit reich immer und überall gelten würde, war bereits im Spätmittelalter überholt: so mancher verarmte und/oder gar über die Maßen verschuldete Adlige stand - gerade auch im 17./18. Jh.; die Komödien eines Moliere oder Goldoni karikieren desöfteren einen solchen Typen des verarmten Mannes von altem Adel, der allerorts lautstark seinen Titel ins Feld führt, aber sonst nirgendwo auch nur irgendetwas bezahlen kann - materiell-ökonomisch schlechter da als bspw. nicht wenige Bauern oder Bürger. Relativierend muß ich auch hier natürlich hinzufügen, daß derart verarmte Adlige von Standesgenossen wohl desöfteren unterstützt wurden...
Und selbst wenn wir nur die Fürsten i.S.v. Reichsunmittelbaren Souveränen, die eigene Territorien regierten, betrachten, so wäre auch hier von Fall zu Fall zu prüfen, inwieweit sich auch da für jeden Fürsten eine luxuriöse Hofhaltung und/oder Lebensführung in exzessivem Maße ergeben bzw. inwieweit sich sogar Sorge um die Untertanen wie bspw. durch Förderung von schulischen und sozialen Einrichtungen nachweisen lassen - als Anhaltspunkt dafür Liste der Territorien im Heiligen Römischen Reich ? Wikipedia
Erklärende Anmerkung zu den Ständen: Der 1. Stand ist übrigens in der Ständeordnung, welche vom Mittelalter bis ins 18. Jh. weitgehend Bestand hatte, der Klerus...

Kurzum: Ich darf mich hier - auch wenn ich den Thread eigentlich nur lesend mitverfolge - ganz ausdrücklich Brissotin anschließen, daß bei dieser Diskussion unbedingt differenziert werden muß; und das sowohl innerhalb sozialer Schichten wie auch regionaler Gegebenheiten.
 
Kurzum: Ich darf mich hier - auch wenn ich den Thread eigentlich nur lesend mitverfolge - ganz ausdrücklich Brissotin anschließen, daß bei dieser Diskussion unbedingt differenziert werden muß; und das sowohl innerhalb sozialer Schichten wie auch regionaler Gegebenheiten.
Als ein Hauptproblem der Geschichtsbetrachtung wird heute erkannt, dass eben gerade in der Frühen Neuzeit die Einteilung in 1., 2. und 3. Stand kaum noch genügend die gesellschaftliche Situation dieser Zeit widerspiegelt.

"Die geläufige Vorstellung von drei Ständen, also einer schlichten Dreiteilung der Gesellschaft - Adel, Bürger, Bauern etwa oder Klerus, Adel, Dritter Stand - ist der komplexen Wirklichkeit zu keiner Zeit gerecht geworden. Es handelt sich vielmehr um ein auf das Hochmittelalter zurückgehendes Deutungsschema, ein Modell, mit dem die Zeitgenossen die soziale Wirklichkeit zu vereinfachen suchten."
*

In Wahrheit bildete der Rechtsstatus des Einzelnen dessen "Stand". Man spricht bei einer großen Gruppe der Menschen (auch im HRR) vom Dienstbotenstand, während dieser übrigens im Unterschied zu Bauern oder Patriziern keinerlei Mitbestimmungsrechte in den Gemeinwesen hatten (was nicht bedeutet, dass sie nicht durchaus aus diesem Stand aufsteigen konnten, bzw. dieser von Beginn an nur als ein temporärer für sie angelegt war).
Gerade der Klerus, als ein Stand der sich sowohl aus dem 2. wie 3. Stand rekrutierte, war natürlich im HRR sehr unterschiedlich besetzt. In den katholischen Gegenden konnten sich die Landgeistlichen kaum durch Herkunft oder akademische Ausbildung sondern eher durch Ehelosigkeit und Weihe von der dörflichen Gesellschaft abheben, während die protestantischen Geistlichen eher eine umfassende Bildung für ihre Tätigkeit genossen hatten und sich durch ihre bürgerliche Herkunft von der Dorfgemeinschaft abhoben.

Der Adel an sich reklamierte als "der Geburtsstand par excellence" natürlich innerhalb der Gesellschaft der letzten zwei Jahrhunderte eine hervorragende Rolle. Das änderte auch nichts daran, dass er wohl wie nur der Klerus in ähnlicher Form der Kritk ausgesetzt war.
Hiermit kämen wir zurück zum Hauptthema, dem des Luxus an den Höfen.

"Aus der Sicht der Kritiker erschien das Hofleben sowohl wirtschaftlich als auch moralisch verwerflich. Müßiggang und demonstrative Verschwendung, erotische Libertinage, getrennte Sphären der Eheleute, Kinderaufzucht durch Bedienstete, verfeinerte und stilisierte Formen des Umgangs, ja schon das äußere Erscheinungsbild des Höflings, all das wurde als unvernünftig und unnatürlich verworfen. ...
Die Repräsentationskultur des Hofes galt als falscher, bloß äußerlicher Schein, dem man allerdings eine politische Funktion zubilligte - die einfachen Untertanen müssten sinnlich beeindruckt werden, um desto williger zu gehorchen, so hieß es."
**

Diese Kritk an den Umtrieben, auch den Intrigen und der Heuchelei etc., des Hofadels war aber nicht so neu im 18.Jh.; schon während der Renaissance wurde dem Hofedelmann der schlichte, aber aufrichtige Landedelmann als positives Beispiel entgegen gehalten.

Dass die Wirkung, welche Frau Stollberg-Rilinger für die einfachen Leute erklärt, ihr Ziel nicht verfehlte, wurde in vielen Berichten von prunkvollen Ankünften von Herrschern oder deren Gesandten, von Festlichkeiten und so weiter und der Begeisterungsfähigkeit des kleinen Mannes dabei bewiesen.

Sehr schöne Beispiele zur Gegenüberstellung bürgerlicher Tugenden und Umgangsformen im Gegensatz zu den angeblichen "Affektionen" des Adels lieferte die Literatur gerade der 2. Hälfte des 18. Jh.. Geeignetes Beispiel war wieder die Mode, wobei der Zierrat höfischer Mode der Schlichtheit der Bürgerlichen gegenüber gestellt wurde.
So kann man "Gout" eines schlicht gekleideten Paares (1) und "Gout" eines höfischen (2) sehr schön in Lichtenbergs und Chodowieckis "Göttinger Taschenkalender" vergleichen.

(1)
"Natur ist hier der Affektion nicht in dem Grade entgegengesetzt, in welchem sie ihr auf den übrigen Blättern entgegensteht, wenigstens nicht auf denen, wo von Oberfläche die Rede ist. ...
Natürliche Tracht erscheint hier ungefähr wie die Unschuld im Bilde nackender Voreltern. ..."
***

(2)
"... In der Tat fängt sich bei der Dame auf dem Kopf ein dem Reifrock ähnlicher Körper zu entspinnen an, der es bei fernerem Wachstum, in manchen Fällen, nötig machen möchte, das Frauenzimmer wie die Glaskisten mit oben zu bezeichnen, wo oben ist. ..."
****

Dabei karikieren und kritisieren die Stiche beinahe besser als die spitze Feder Lichtenbergs.

Bei aller Kritik am Hofadel gab es ein kleines Problem bei der Argumentation lange Zeit. Der Herrscher selbst wurde in der Kritik, auch bei anonymen Schriften in der Regel ausgenommen. Angeblich, so war der Grundlaut vieler Pamphlete, wurde der Herrscher von schlechten Ratgebern oder Mätressen zu Müßiggang, einer schlechten Politik oder oft Verschwendung, je nach dem, was man gerade vorwerfen wollte, verleitet - dem Hofadeligen wurde sie sowieso oft übel genommen. Dem Herrscher also als Person billigte man Repräsentation und derlei noch zu. Der Haken dabei war, dass die Auffassung der Zeit dazu führte, dass Gesandte u. ähnlich direkt für den Herrscher in Vertretung auftretende Personen, was einen erheblichen Teil des Hofadels ausmachte (Kammerherren, Hofmarschälle etc.), ebenso wie der Herrscher selbst aus der Logik der damaligen Zeit herraus repräsentieren mussten. Anders ließ sich, gegenüber Gästen oder dann in der Ferne an fremden Höfen, nicht der eigene Herrscher entsprechend seiner Wünsche darstellen. Diese Auffassung führte natürlich zu einem Multiplikator an Aufwand für die höfische Repräsentation - kurz: es förderte das Verlangen nach Luxus auf breiterer Ebene. (Von dem persönlichen Wunsch der Hofadeligen mit den Vorgesetzten zu wetteifern ganz abgesehen.)

Das mal "kurz" zum Thema Luxus an Höfen.:rotwerd:

* Barbara Stollberg-Rilinger: "Europa im Jahrhundert der Aufklärung" Reclam, Stuttgart, 2006
Hier: "Ein Jahrhundert des Bürgertums? - Die Ständische Gesellschaftsstruktur" S. 70
** ebenda: hier: "Ein Jahrhundert des Bürgertums? - Adel und höfisches Leben" S. 85-86
*** "Der Fortgang der Tugend und des Lasters - Daniel Chodowieckis Monatskupfer zum Göttinger Taschenkalender mit Erklärungen Georg Christoph Lichtenbergs 1778-1783" Buchverlag Der Morgen, Berlin, k.J.A.
hier: "Natürliche und affektierte Handlungen" S. 57
**** ebenda: S. 60
 
Eine für mich einleuchtende Überlegung, über die wir vielleicht wieder zum Kern der Diskussion gelangen könnten:

Die Hypothese von Caro1 lautet, dass das Budget einer "armen" Familie zur Zeit Ludwigs XIV. - meinetwegen auch im weiteren 18. Jahrhundert - so gering war, dass bereits das Zu-Bruch-gehen (Unbrauchbarwerden) gewöhnlicher Haushaltsgegenstände ein Problem darstellen konnte.

Um dies prüfen zu können, müsste man nach Informationen über das verfügbare Einkommen und dessen Kaufkraft sowie zu den Anschaffungskosten von Gebrauchsgegenständen zu jener Zeit suchen. Aus den Rahmendaten, wie ich Sie gefunden habe, spricht einiges für die Hypothese, aber man wüsste es halt genauer.

Hat jemand entsprechende Daten zur Hand?


Ein Haushaltsgegenstand wird unbrauchbar, die Familie kommt deshalb in ernsthafte Schwierigkeiten. Ein Szenario das es durchaus gegeben haben wird.
Was bei dieser Betrachtung aber außen vor bleibt, der kaputte Haushaltsgegenstand wurde irgendwann angeschafft, mit etlichen anderen.
Ergo: Auch damals können die Zeiten nicht immer so schlecht gewesen sein.

Um dies prüfen zu können, müsste man nach Informationen über das verfügbare Einkommen und dessen Kaufkraft sowie zu den Anschaffungskosten von Gebrauchsgegenständen zu jener Zeit suchen. Aus den Rahmendaten, wie ich Sie gefunden habe, spricht einiges für die Hypothese, aber man wüsste es halt genauer.

Hat jemand entsprechende Daten zur Hand?

Da scheint es tatsächlich nichts zu geben.

OT: Vor kurzem blätterte ich in einem regionalgeschichtlichen Buch. Waren Fotografien aus einem Bauernhof vom Beginn der 60er abgebildet, neben solchen die die gleichen Dinge aus der Zeit um 1910 zeigten.
In diesen 50 Jahren offensichtlich schwer abgewirtschaftet.
Der Autor will damit aufzeigen, wie sehr die Landwirtschaft in diesen Jahrzehnten ausgesaugt wurde, zum Wohl der anderen Bürger unseres Landes.
Dem spricht aber entgegen, dass in den Notjahren des 1. Weltkrieges und danach und nach dem 2. Weltkrieg, Unsummen in die Landwirtschaft geflossen sind, insbesondere "schwarz". Mittel zur Instandhaltung des Hofes also zumindest zeitweilig durchaus dagewesen wären.
Die These des Verfassers so nicht stimmen kann.

TT:
Ich folge meinen Vorrednern, man muss sehr differenzieren. Im 18. Jahrhundert ebenso.
 
Sehr schöne Beispiele zur Gegenüberstellung bürgerlicher Tugenden und Umgangsformen im Gegensatz zu den angeblichen "Affektionen" des Adels lieferte die Literatur gerade der 2. Hälfte des 18. Jh.. Geeignetes Beispiel war wieder die Mode, wobei der Zierrat höfischer Mode der Schlichtheit der Bürgerlichen gegenüber gestellt wurde.
So kann man "Gout" eines schlicht gekleideten Paares (1) und "Gout" eines höfischen (2) sehr schön in Lichtenbergs und Chodowieckis "Göttinger Taschenkalender" vergleichen.
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Fallen mir die "Josephinischen-Reformen" ein.
Denen die Musikfans zu "verdanken" haben, dass Mozarts Grab für immer unauffindbar ist.
 
Und was noch garnicht gesagt wurde:
Der Aufwand für den Luxus an den Höfen war auch ein Preis für den inneren Frieden in einigen Staaten. Die Bändigung des Adels lief in verschiedenen Staaten natürlich unterschiedlich. Aber die Bildung der höfischen Gesellschaft wie in Versailles vorgemacht, band auch Oppositionelle unter der Kontrolle des Herrschers in ein gemeinsames System ein, welches vom Zeremoniell als äußerer Form u.a. gekennzeichnet war. Nicht von ungefähr nahm höfisches Gepränge oftmals zu, wenn der Absolutismus des Landesherren Erfolge zeigte. Der Absolutismus wiederum erstickte Bürgerkriege, welche ehedem vom Adel oder besser gesagt adeligen Parteien angezettelt wurden, im Keim. Geschickteren Herrscher gelang es mächtige Grundherren in das Hofleben zu integrieren bzw. wenigstens von den bereits integrierten Adeligen fern zu halten. Denn der Adel als Machtfaktor und finanzstarker Konkurrent des Landesherren war ja noch immer nicht zu unterschätzen.
 
Fallen mir die "Josephinischen-Reformen" ein.
Denen die Musikfans zu "verdanken" haben, dass Mozarts Grab für immer unauffindbar ist.
Joseph II. ist ein gutes Beispiel für einen Herrscher, der für sich selbst, in dem Falle sicherlich getragen von den Gedanken der Aufklärung, keinen Luxus oder überschäumenden Aufwand jedweder Art betrieb. König Friedrich II. in Preußen, Friedrich Wilhelm I. in Preußen, die Kurfürsten Friedrich Christian und Friedrich August III. von Sachsen wären auch zu nennen, welche dem Hof Sparen auferlegten oder zumindest für sich persönlich kein luxeriöses Leben betrieben.
Das Urteil der Zeitgenossen darüber war aber gespalten, wenn sich der Fürst selbst eher ein bürgerliches Leben auferlegte. Man war die prachtvollen Höfe gewöhnt und so fragte sich die Gemahlin Friedrich Wilhelm I. mit dessen spartanischer Hofhaltung sicherlich ob dies einem Königshof angemessen war. Die Berliner atmeten auf, als mit Friedrich Wilhelm II. wieder eher ein Herrscher auftrat, der den Sinnenfreuden, auch dem Luxus, Mätressen inklusive, zugeneigt war, während die Vermeidung jeglichen Aufwands und Zurückgezogenheit Friedrich II. die Berliner gelegentlich brüskiert hatte.
 
Seit den Chinareisenden ab dem 13. Jahrhundert gab es Porzellan in Europa.
Das spanische Königshaus hatte im 17. Jahrhundert allein ca. 3000 Porzellan-Geschirrteile im Besitz.
Und ich habe hier einen schönen Link zur Geschichte des Steingutes. Leider wieder eine englische Steingutfirma, was daran lag, dass die Engländer als erste begannen Steingut für die breite Bevölkerung herzustellen, das so "schön" war wie Porzellan. Interessant ist der Link allemal Firma Wedgwood Keramik Sammeln
Ironie am Rande, dass dem Königshaus das "Steingut des Bürgertums" so gut gefiel, dass sich Wedgwood bald "königlicher Hoflieferant" schimpfen durfte.
 
Grundsätzlich ganz anschaulich bleiben zu dem Thema Konsum und auch Luxusgüter das Werk von Michael North: "Genuss und Glück des Lebens" Böhlau, Wien, 2003
Hier erkennt man auch dass selbst Handwerker in den Städten einen erstaunlichen Wohlstand und eine gewisse Zahl an Luxusgütern besitzen konnten.

Dem gegenüber steht natürlich die zunehmende Zahl der Menschen in der unterbürgerlichen Schicht in den Städten: Bettler, stellungslose Handwerksgesellen, Vaganten, ehem. Dienstboten, deren Bedürfnisse von der traditionellen Armenfürsorge in den Städte kaum noch befriedigt werden konnten. In ihnen schlummerte im 18.Jh. wie auch in den nicht mehr als Bauern auf dem Lande ihr Brot verdienenden Menschen ein großes Konfliktpotenzial. Denn in Stadt wie auf dem Land hatten sich bestimmte Gesellschaftsformen über die Jahrhunderte etabliert, wo diese Menschen nicht mehr hinein passten.
 
Das allgemeine Verhalten gegenüber Kindern und Dienstboten kann man ja auch als Gradmesser für den allgemeinen Zustand einer Gesellschaft ansehen.

Bei Recherchen zu Ammenwesen und Kindersterben bin ich auf ein gescanntes Buch gestossen, mit dem Thema
"Findelkinder, Waisenkinder, Kindsmord - Unversorgte Kinder in der frühneuzeiltlichen Gesellschaft"
Findelkinder, Waisenhäuser ... - Google Buchsuche

und auch das gescannte Buch "Gesinde im 18. Jahrhundert" birgt eine Fülle von Informationen.
Interessant fand ich unter anderem die Bemerkung, ein Arbeitgeber habe Strafe befürchten müssen, wenn er sein Gesinde besser entlohnte, als ortsüblich war. Das heisst, selbst einem wohlmeinenden Dienstherren waren da die Hände gebunden.
Gesinde im 18. Jahrhundert Gesinde ... - Google Buchsuche
 
Und ich habe hier einen schönen Link zur Geschichte des Steingutes. Leider wieder eine englische Steingutfirma, was daran lag, dass die Engländer als erste begannen Steingut für die breite Bevölkerung herzustellen, das so "schön" war wie Porzellan. Interessant ist der Link allemal Firma Wedgwood Keramik Sammeln
Ironie am Rande, dass dem Königshaus das "Steingut des Bürgertums" so gut gefiel, dass sich Wedgwood bald "königlicher Hoflieferant" schimpfen durfte.

Ihr habt es immer mit der Qualitätsspitze.:D

Ich hatte eigentlich mehr die Terracotta gemeint.
Nach deren Scherben, heute noch in Mengen aufzufinden, datieren die Burgenforscher die "Burgställe", Ruinen zu denen es im Schrifttum keine zuordenbaren Quellen gibt.
Und da im Hochmittelalter alltägliche Massenware, im 18. Jahrhundert für alle Schichten bezahlbar
 
Da ging es nicht um die Frage, setzen wir uns in die Loge, oder können wir uns nur Parkett leisten, oder gehen wir in die alternative Oper statt nach Bayreuth.
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........so ändern sich die Zeiten :fs: ...Bayreuth war damals die alternative Oper und Wagner wollte 1876 ursprünglich überhaupt kein Entritt von Arbeitern und Angestellten erheben. Das dies nicht durchzuführen war liegt an den inzwischen gegebenen gesellschaftl. Entwicklungen und auch am Umfang des Unternehmens.
Ähnlich den Ruhrfestspielen, deren Trägerschaft ua. die Gewerkschaften heute sind, gibt es in Bayreuth sog. Gewerkschaftsaufführungen, ein Überbleibsel aus einer Idee, die nichts dafür kann, dass in unserer eventgeilen Gesellschaft die Konsumtempel -und nicht die Kulturtempel das große Geld abschöpfen .
 
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