Deutsch ist eine der schwersten zu erlernenden Sprachen. Allein schon die Artikel, die das Russische beispielsweise überhaupt nicht, oder selbst das Englische in wesentlich verminderter Anzahl kennt.
Nicht die Anzahl der Artikel - die tatsächlich die slawischen Sprachen und auch das Lateinische nicht kennen - ist das Problem, sondern die Genera. Warum ist etwa das Mädchen sächlich, aber die Gurke weiblich? Dies bereitet Deutschlernern Schwierigkeiten, weil die Sprache hier absolut nicht logisch ist.
Ich meinte nicht nur die Geschlechter, sondern eben auch die Artikel an und für sich.
Beispiel:
Ich gehe auf der Straße. = deutsch
(Leider fehlt mir die russische Tastatur, darum nur wörtliche Übersetzung)
Ich gehe auf _ Straße. Den Artikel gibt es einfach nicht. Ist bei anderen Sprachen ähnlich. Das Englische ist mit dem "the" auch wesentlich einfacher zu handhaben, da es nur sehr wenige Wörter mit einem Geschlecht gibt und "the" gleich der, die oder das bedeuten kann.
Auch das ist erlernbar. Das Russische müsste hier eher zur Flektion neigen. Im Deutschen ist die Flektion demgegenüber geschliffen. Ich weiß nicht, über wie viele Flektionsmorpheme das Russische verfügt, aber die zu lernenden Artikel im Deutschen sind doch eher marginal:
der - des - dem - den
die - der - der - die
das - des - dem - das
Das ist immer gleich und Flektion findet eigentlich nur noch im maskulinen und neutralen Genitiv, in poetischen oder veralteten Texten auch im Dativ (dem Manne, dem Pferde) statt.
Ich gehe auf der Straße.
Я иду на улице.
Und noch ein kleines Beispiel:
Das Messer, die Gabel und der Löffel liegen auf der Tischdecke.
Нож, вилка и ложка лежат на скатерти
Der Tag ist schön.
День прекрасен.
Dieser Tag ist schön.
Этот день прекрасен.
Ich hoffe, es wird korrekt angezeigt.
Die Beipiele sind so wenig hilfreich. Sinnvoller wäre es, ein Kasusschema niederzuschreiben:
Der Mann
Des Mannes
Dem Mann(e)
Den Mann
Denn dann könnte man erkennen, wie stark die Flektion im Russischen ist - und sie muss stark sein, denn sonst könnte das Slawische ja nicht seine sechs bis acht Kasus haben.
Um das mal am Polnischen zu exerzieren. Das Polnische kennt wie das deutsche drei Genera: Maskulinum, Femininum und Neutrum, im Maskulinum kennt es zusätzlich noch den Unterschied zwischen belebt und unbelebt.
Hier das Beispiel
Ritter:
Nominativ: Der Ritter - rycerz
Genitiv: Des Ritter
s - rycerz
a
Dativ: Dem Ritter - rycerz
owi
Akkusativ: Den Ritter - rycerz
a
Instrumental: XXXXXXX - rycerz
em (diese Form wird in manchen Lautumgebungen auch diphthongiert: -iem)
Lokativ: XXXXXXX - rycerz
u
Vokativ: XXXXXXX - rycerz
u!
Nominativ: Die Ritter - rycerz
e
Genitiv: Der Ritter - rycerz
y
Dativ: Den Ritter
n - rycerz
om
Akkusativ: Die Ritter - rycerz
y
Instrumental: XXXXXXX - rycerz
ami
Lokativ: XXXXXXX - rycerz
ach
Vokativ: XXXXXXX - rycerz
e
Wo das Deutsche seine Artikel, die man nur für die drei Geschlechter im Singular und Plural lernen muss, und dann sein sehr reduziertes Inventar an Flexionsmorphemen gebraucht, greift das Polnische nur auf Flexionsmorpheme zurück, es braucht mehr Kasus (+3x2), es braucht die Unterscheidung belebt/unbelebt im Maskulinum (+7x2) und alle Genera müssen mit drei multipliziert werden, da die Flektionsmorpheme von der Endung des Grundmorphems abhängig sind und es hier jeweils drei Klassen gibt.
Dies ist natürlich nicht in allen slawischen Sprachen gleich, aber wenn wir das Urslawische, worum es hier ja an sich geht, betrachten und nach dem Grund seiner Verbreitung fragen, dann muss man diese Formenvielfalt eben mitberücksichtigen. Dieser Formenreichtum ist es nämlich, der das Erlernen des Slawischen bedeutend erschwert.
Man kann nun natürlich zu Recht fragen, ob nicht Bulgarisch und Mazedonisch slawische Pidginsprachen sind, weil sie diesen Formenreichtum aufgegeben haben. Dies könnte auf Substrat/Superstrateinflüsse zurückgehen.