Im Jahre 1906 wurde ein neuer Chef des russischen Außenministeriums ernannt. Eine Personalie, die man gar nicht überschätzen kann.
Da mit dem Amtsantritt Iswolskys die russische Außenpolitik komplett neu ausgerichtet worden war, lohnt es sich durchaus ein Blick auf diese Persönlichkeit zu werden.
Alexander Iswolsky wurde im Jahr 1856 geboren, war also gerade einmal 50 Jahre jung, als er zum Chef der Sängerbrücke befördert wurde. Seinem Amtsvorgänger Lamsdorff wurde keine Träne nachgeweint; im Gegenteil, in den Zeitungen wurde ihm sein „Sündenregister“ vor Augen gehalten.
Iswolsky war als Diplomat in der Türkei, Rumänien, USA, Belgrad und auch Tokio. Gemäß seinen posthum veröffentlichen Erinnerungen wollte er als Gesandter in Tokio eine andere Politik, eine versöhnlichere Haltung vor allem mit einer Einigung bezüglich Koreas. Nun wissen seine damaliger französischer Kollege Dubail über andere, deutlich aggressivere, Töne zu berichten. Auch Äußerungen des österreichisch-ungarischen Gesandten Ambro sind geeignet Zweifel an Iswolskys Erinnerungen wach zu rufen.
Iswolsky galt in Russland als einer der besten Köpfe der russsichen Diplomatie, was nicht viel heißen mang, denn zu jenem Zeitpunkt gab es nicht viel Konkurrenz für Iswolsky. Die Kaiserinwitwe Maria, gebürtige Prinzessin Dagmar von Dänemark, förderte Iswolsky Karriere nach Kräften, da diese mit dessen Ehefrau eng befreundet war.
Nach Tokio wurde Iswolsky Gesandter in Kopenhagen, welches gemeinhin als Sprungbrett für eine der großen Botschaften oder gar den Chefsessel der Sängerbrücke galt. So war beispielsweise der langjährige russische Botschafter in London Benckendorff, übrigens ein Cousin von Lichnowksy, ebenfalls vorher in Kopenhagen als Vertreter seines Landes tätig.
1906 zeichnete sich der Abgang von Lamsdorff ab und Iswolsky kam automatisch auf die Kandidatenliste. Am 12.Mai 1906 wurde Iswolsky zum Außenminister ernannt.
Zeitgenosse bezeichneten Iswolsky als eitel, feige, als Snobist, Opportunist, Verschwender.
Iswolsky war entschlossen die traditionellen Balkanpolitik wieder aufzunehmen. Er betrachtete es als seine Hauptaufgabe, eine deutsche Welthegemonie zu verhindern. (1)
Wenn Russland England und Frankreich den Rücken kehre, so heisst es in seinen Erinnerungen, und sich in einem Kampf um die Führung in Asien einlasse, müsse es nicht nur seine historische Rolle in Europa, sondern auch jede ökonomische und moralische Unabhängigkeit Deutschland gegenüber aufgeben.
Also Iswolksky hatte anscheinend keine Sympathien für Deutschland; die galten den Demokratien England und Frankreich.
Später vielleicht mehr.
Iswolsky, Memoires, S.90ff