Zumindest in der Legende wird der Ortsname Fatima mit einem arabischen Mädchennamen in Verbindung gebracht, und warum sollen Lúcia dos Santos, Jacinta Marto und Francisco Marto diese Legende nicht gekannt haben? Dazu braucht man keine Schulbildung. Die drei sind doch aus Fatima oder der Umgebung, da werden sie sicher mit der Legende um die namensgebende Königstochter aufgewachsen sein.
Und deshalb hatten sie dann eine Marienerscheinung?
Das stellt ja auch niemand in Abrede, im Gegenteil. Die Frage ist, woher der Ortsname etymologisch kommt. Anders als in den vielen seit dem 16. Jahrhundert verbreiteten Legenden, die leider allerorts voneinander als wahr abgeschrieben werden, besteht die einzige Plausibilität der Herleitung darin, dass es eine phonetische Ähnlichkeit zwischen Fāṭimah und Fátima gibt.Soweit ich es beurteilen kann (nach den Beiträgen hier), hieß der Ort jedenfalls bereits viele Jahre vor 1917 Fatima.
Eine phonetische Ähnlichkeit besteht auch zwischen dem italienischen aceto und dem spanischen aceite. Beides tut man an den Salat, aber das eine, aceto, ist Essig und kommt vom lateinischen acetum und das andere, aceite, ist Olivenöl und kommt vom arabischen az-zait. In der Traduktologie nennt man das einen false friend, und das ist er nicht nur für Italiener und Spanier. Den meisten von uns ist das engl. acid ('Säure') bekannt und wohl in jedem zweiten deutschen Haushalt steht eine Flasche Aceto Balsamico. Unser Olivenöl, obwohl es meist aus Tunesien oder Spanien stammt, hat meist italienische Etiketten (die Italiener füllen importiertes Öl in Flaschen ab und exportieren es dann weiter), weshalb das spanische aceite wohl dem Durchschnittsdeutschen eher selten unterkommt, allenfalls solchen, die bereit sind, auch mal etwas mehr Geld auszugeben und besseres Olivenöl zu kaufen. Aber die Deutschen sind nun mal leider das Volk in Europa, welches in Relation zu seinem Reichtum am wenigsten bereit ist, Geld für gutes Essen auszugeben (weshalb wir gerade bei Südfrüchten häufig nur die dritte Wahl bekommen).
Kulturgeschichtlich ist es einfach mehr als unwahrscheinlich, dass in den muslimischen und katholischen Macho-Gesellschaften ein Ort nach einer Frau benannt wurde. Linguistisch ist es unwahrscheinlich, dass das Anthroponym ohne toponymischen Zusatz als Ortsname verwendet wurde. Die ganze Geschichte trieft so vor Romantik, dass sie geradezu mit dem Scheunentor, auf dem in großen roten Lettern ÄTIOLOGISCHE LEGENDE steht, winkt.
Auch, dass es sich um das Wandermotiv der moura encantada handelt, wird ignoriert:
The moura encantada is a supernatural being from the fairy tales of Portuguese and Galician[1] folklore.
[...]
The fairy tales featuring Mouras Encantadas are thought to be of pre-Roman, Indo-European Celtic origin. They are related to other Indo-European, and especially Celtic, female divinities of the water. Almost every Portuguese or Galician town has a tale of a Moura Encantada.[10]
[...]
Moura is a homonym word with two distinct roots and meanings; one from Celtic *MRVOS, the other from Latin maurus. [...] *MRVOS and the indo-european mr-tuos that originated in Latin the word mortuus and in Portuguese/Galician the word morto (dead). Some authors think that the mouras are the deceased. But the word 'mouro' is also an synonym of Muslim.
[...]
Princesa moura - She appears as a snake with long blond hair. In some fairy tales, the beings are beautiful muslim princesses (princesa moura) who live in castles at the time of the Reconquest, and fall in love with a Portuguese Christian knight. In other fairy tales, a moura encantada lives in a castle under the earth and falls in love with a Moor instead of the Christian knight. These two variations are found only in Portugal.[17] Many of these legends try to explain the origins of a city or invoke historical characters, other legends present a religious context. In the historical context, these places, people and events are situated in the real world and in a specific time frame. It is believed that real historic facts have merged with old legend narrations.[1
Ja, das ist so, hat aber mit der Namensfrage nur insofern etwas zu tun, als dass das die Erklärung ist, warum sich eine Pseudoetymologie so durchsetzen kann. Die geringe Größe des Orts ist der Grund, warum dieser dokumentarisch so schlecht belegt ist. Wir haben eben keinen (bekannten) Nachweis über die Namensform im 12. Jhdt. oder früher. Wäre der Ort vor 1917 bedeutender gewesen, wäre die Dokumentation dichter.Außerdem dürfte er es erst durch die Marienerscheinungen überhaupt zu Bekanntheit gebracht haben, die Geschichte zuvor liegt im Dunkeln. (Mein persönlicher Eindruck: vor den Marienerscheinungen war dieses Fatima eine unbedeutende Ortschaft, bestand vielleicht nur aus einigen Häusern.)
Der Frauenname Fátima taucht - außer vor der Reconquista bzw. vor den letzten Vertreibungen von Muslimen von der iberischen Halbinsel 1609 - nicht auf, erst nach 1917. Es handelt sich, wie bei Rocío oder auch Lourdes, letztlich um eine Variante des allseits beliebten Mariennamens.Gibt es in Portugal so etwas wie Pfarrmatriken? In diesem Fall könnte vielleicht überprüft werden, ob der Frauenname Fatima vor 1917 in dieser Gegend vielleicht gelegentlich verwendet wurde oder ob es Familiennamen gibt?
Dann wäre ein *Benifadimi o.ä. zu erwarten.Bei den arabischen Herrscherhäusern gab eine Familie der Fatimiden, die von ca. 900 bis 1170 im heutigen Maghreb, in Ägypten und in Syrien herrschte. Insofern würde ich nicht ausschließen, dass der Name Fatima, wenn schon nicht auf eine bestimmte Frau, vielleicht auf den Namen einer maurischen Sippe zurückgeht, die hier einmal ansässig war.
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