Repo schrieb:
Ich habe in anderem Zusammenhang schon meine Überzeugung geäußert, dass die "wilhelminische" Flottenpolitik eine überaus verhängnissvolle Rolle zwischen 1900 und 1918 gespielt hat.
1. hat sie Deutschland völlig unnötig die Feindschaft Englands eingebracht.
2. die USA zum Kriegseintritt genötig.
3. während der Waffenstillstandverhandlungen zur Revolution und zum Zusammenbruch Deutschlands mit entsprechend harten Bedingungen geführt.
Ich würde das etwas weiterfassen und zugleich präzisieren wollen:
1.a) Liegt die Wurzel des deutsch-britischen Antagonismus tatsächlich in der Flottenpolitik? Oder ist die Flottenpolitik lediglich eine der Auswirkungen?
2.a) War es die Flottenpolitik oder deren Scheitern (U-Boot-Krieg), die die USA zum Kriegseintritt bewegten?
3.a) Wie wirkt sich das Verhalten der Seekriegsleitung (SKL) auf die Waffenstillstandsverhandlungen aus?
4. Welche Rolle spielt die Flottenpolitik in der deutschen Außenpolitik vor 1914?
5. Welche Faktoren definieren die britische Außenpolitik vor 1914?
zu 1.) Ich denke, die Flottenpolitik war ein Punkt, an dem der Antagonismus zwischen dem britischen Weltreich und dem Deutschen Reich am deutlichsten wurde. Als aufstrebende Wirtschaftsmacht drängte Deutschland zu "Weltgeltung", was notwendigerweise auf Kosten Großbritanniens gehen mußte. Die Flottenpolitik hatte m.E. ihre Wurzeln in innenpolitischen Problemstellungen, die mittels imperialer Expansion gelöst werden sollten, was zum Konflikt, nicht nur mit Großbritannien führte.
zu 2.) Seit der Jahrhundertwende hatten sich die USA stärker in die internationale Politik eingemischt. Während es mit Großbritannien eine gewisse Interessengemeinschaft gab, war Deutschland zunehmend in Mißkredit gekommen, was nicht zuletzt mit der unglücklichen Außenpolitik Wilhelm II. zusammenhing. Hinzukam die wirtschaftliche Konkurrenz zwischen Deutschland und den USA, die, kompliziert durch deutsche Versuche in Südamerika Einfluß zu gewinnen (Monroe-Doktrin), zur außenpolitischen Konfrontation führten. Als dann die SKL als Resultat der verfehlten Flottenpolitik zum U-Boot-Krieg überging, wurde eine weitere fundamentale Doktrin der US-Außenpolitik (Freiheit der Meere) verletzt, was schließlich zum Kriegseintritt führte. Hier würde ich die Flottenpolitik eher als Anlaß, denn als Ursache sehen.
zu 3.a) Die November-Revolution hatte verschiedene Ursachen. Eine war die allgemeine Kriegsmüdigkeit, die sich bereits in mehreren Streiks ausgedrückt hatte. Die Verhandlungen über einen Waffenstillstand liefen bereits, als die Hochseeflotte zum letzten Gefecht auslaufen sollte ("Stirb und werde!"). Inwiefern sich die revolutionären Verhältnisse auf die Verhandlungen auswirkten, müßte am konkreten Verhandlungsverlauf nachvollzogen werden.