Gegenstempel und Varus-Schlachtfeld

@Ostfale: aus deiner farbigen Erzählung entnehme ich, dass du Zeitzeuge des Geschehens warst. Würde mich freuen, sozusagen aus erster Hand zu erfahren, was wirklich damals geschehen ist. Dann müssen sich Althistoriker, Archäologen, Heimatforscher und andere Interessierte nicht mehr weiter bemühen und diskutieren!
Und die haben tatsächlich auf ihren Germanicus-Feldzug ein Jahr nach dem Aufstand 14 AD die gesamte Legionskasse mit VARUS-Gegenstempeln mitgenommen (der Mann war schließlich tot, wer weiss ob das noch ein Zwölftel eines Aureus wert war ...), also diese wütenden, zornigen, bewaffneten Kampfprofis hatten ein Jahr später immer noch tausende Schuldscheine in der Kasse, und Caecina hat die verloren (die Germanen wussten also nicht, dass die viel wert waren, sonst hätten sie die ja verkleidet versuchen können einzutauschen), so ärgerlich, obwohl er doch gewonnen hat bei den pontes longi, und Arminius und sein Heer geflohen ist. Da blieb doch Zeit, die Kasse zu suchen, wenn die Germanen das Weite gesucht haben...
Komisch ist schon, dass dem Germanicus der Stift ging, obwohl nach Tacitus die Legionen in den germanischen Provinzen ihn mit Kusshand begrüßten und die Veteranen ihn zum Imperator erheben wollten - was geben die Quellen nicht alles her! Und obwohl sie in den Winterquartieren die Schenkung (Tacitus, du Schlawiner, wer erfindet denn sowas! Annales 1, 37) erhalten sollten, und doch schon aus der Reisekasse der Entourage des Germanicus erhalten hatten - da schleppen sie ein Jahr später immer noch ihre ZwölftelAureus-Schuldmünzen mit wie als gings zum Casino von Monte Carlo und nicht in germanische Wälder? Großartig unberechenbar diese Römer!
 
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Dann mach bitte einen Vorschlag: Wie soll man finanzpolitischen Irrsinn anders nennen? Gib dem Kind einen freundlicheren aber ebenso präzisen Namen.
Ich mahne doch lieber etwas Zurückhaltung an. Es gab nämlich durchaus Münzaufwertungen per Gegenstempel:
Nikaia in der römischen Kaiserzeit, 307. Sitzung am 17. Sept.1986:
"Ein sachgemäßigerer Weg war, das Kleingeld der Städte gegenüber dem angeblichen Silbergeld der Regierung aufzuwerten. Dies ist geschehen. Man hat dazu kleine Gegenstempel benutzt."
"Die rechts unten abgebildete Münze hatte nach der Gegenstempelung denselben Nennwert wie die Münze links oben, obwohl sie nur ein Viertel des Gewichtes hat"
 
Wird der Teil der Diskussion über Gegenstempel herausgenommen?
Ich wäre dafür, da ich den Eindruck habe, dass dies Diskussionen sich festfahren, hier sind von den Kalkriesekritikern (ich zähle mich mal zu den neutralen Skeptikern) in kurzer Zeit mehrere Diskussionsthemen gegen Kalkriese angeführt worden - geographische Argumente (Amisia-Diskussion), dann eine numismatische Begründung (fehlender Germanicus-Horizont), dann die Diskussion der Gegenstempel, und jetzt landeten wir bei der Schlachtfeldarchäologie. Alle diese Diskussionen enthalten den Bedarf nach gründlicherer Analyse und Forschung, durch die Sprunghaftigkeit der Diskussionen, bei der es am Ende darum zu gehen scheint, sich durchzusetzen, und nicht tiefer einzusteigen, endet dann die Auseinandersetzung, um kurz später von vorne loszugehen....
Ich habe einen interessanten Text gefunden, der die Gegenstempel als Garantierung des Nominalwertes einer Münze anführt, besonders wenn sie abgegriffen ist, als Möglichkeit für die Steuer - und Militärkasse, irreguläre Nachprägungen und Fälschungen auszusortieren - anscheinend sind Sesterzen, die keinen Stempel erhielten, nur noch als Asse im Umlauf gewesen. Ein weiteres Beispiel für einen Grund der Stempel auf Münzen ist ein Stempel Neros, der selbst keine Asse prägen ließ, sondern auf alte Asse seinen Stempel Nero Caesar Augustus Populo Romano (abgekürzt N C A P R) 57 AD auf Asse mit dem Drususkopf (Prägung unter Claudius für seinen Vater Nero Claudius Drusus Germanicus) schlagen ließ, vielleicht für eine Schenkung (!) oder Spende des Nero an das römische Volk / Bewohner Roms („Das Volk bekam den Betrag von 400 Sesterzen je Mann als Spende“: Tacitus, Annales13,2.)
Für EQ interessant einige Beispiele von gefälschten / irregulären Münzen, die ebenso angeführt sind.
Der volle Text mit schönen Münzbildern:
http://www.moneytrend.at/numismatikportal/pdf_bibliothek/npfcf34e7113539c39c72919758e55e17d.pdf
 
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Wird der Teil der Diskussion über Gegenstempel herausgenommen?
Ich wäre dafür, da ich den Eindruck habe, dass dies Diskussionen sich festfahren, hier sind von den Kalkriesekritikern (ich zähle mich mal zu den neutralen Skeptikern) in kurzer Zeit mehrere Diskussionsthemen gegen Kalkriese angeführt worden - geographische Argumente (Amisia-Diskussion), dann eine numismatische Begründung (fehlender Germanicus-Horizont), dann die Diskussion der Gegenstempel, und jetzt landeten wir bei der Schlachtfeldarchäologie. Alle diese Diskussionen enthalten den Bedarf nach gründlicherer Analyse und Forschung, durch die Sprunghaftigkeit der Diskussionen, bei der es am Ende darum zu gehen scheint, sich durchzusetzen, und nicht tiefer einzusteigen, endet dann die Auseinandersetzung, um kurz später von vorne loszugehen....
Ich habe einen interessanten Text gefunden, der die Gegenstempel als Garantierung des Nominalwertes einer Münze anführt, besonders wenn sie abgegriffen ist, als Möglichkeit für die Steuer - und Militärkasse, irreguläre Nachprägungen und Fälschungen auszusortieren - anscheinend sind Sesterzen, die keinen Stempel erhielten, nur noch als Asse im Umlauf gewesen. Ein weiteres Beispiel für einen Grund der Stempel auf Münzen ist ein Stempel Neros, der selbst keine Asse prägen ließ, sondern auf alte Asse seinen Stempel Nero Caesar Augustus Populo Romano (abgekürzt N C A P R) 57 AD auf Asse mit dem Drususkopf (Prägung unter Claudius für seinen Vater Nero Claudius Drusus Germanicus) schlagen ließ, vielleicht für eine Schenkung (!) oder Spende des Nero an das römische Volk / Bewohner Roms („Das Volk bekam den Betrag von 400 Sesterzen je Mann als Spende“: Tacitus, Annales13,2.)
Für EQ interessant einige Beispiele von gefälschten / irregulären Münzen, die ebenso angeführt sind.
Der volle Text mit schönen Münzbildern:
http://www.moneytrend.at/numismatikportal/pdf_bibliothek/npfcf34e7113539c39c72919758e55e17d.pdf
Die Gegenstempelei hat aber eine wichtige und unmittelbare Bedeutung für Kalkriese. Es geht auch nicht ums Rechthaben, sondern um das Ausloten aller möglichen Querverbindungen, die im Lauf der Diskussion hochkommen. Es ist ja fast alles hier schon zur Sprache gekommen. Etwas habe ich aber noch gefunden: Es tauchen immer wieder Asse mit VAR-Gegenstempel auf, die mit Dolchen zerstochen wurden, und zwar so, dass der Gegenstempel auch betroffen ist, also zwingend vorher vorhanden gewesen sein muss. Unter Varus wäre eine solche Freveltat undenkbar gewesen. Die Münzen müssen also auch später noch im Umlauf gewesen sein. Wer hatte sie, und wer hat sie zerstochen?
 
"Ebenso wichtig für die Datierung von Waldgirmes ist das Fehlen von Exemplaren der zweiten Altarserie von Lugdunum, die ab 9/10 n. Chr. geprägt wurden. Ein Teil der Münzen dieser Serie haben auf der Vorderseite das Porträt des Tiberius zusammen mit Legenden, die seine 5.,6. und 7. imperatorische Akklamationen feiern. Diese fanden mit ziemlicher Sicherheit in den Jahren 9, 11 und 13 statt. In den Lagern am Rhein, die über das Katastrophenjahr 9 n. Chr. hinaus belegt waren, sind die Bronzemünzen der zweiten Altarserie ungleichmäßig vertreten. In Nijmegen Kops Plateau liegt das Verhältnis zwischen der ersten und der zweiten Altarserie bei 4,86: 1 (Ausgrabungen ROB, FMRN 111 12001). Aber in Neuss und Mainz liegt der Anteil der zweiten Serie höher und das Verhältnis beträgt 2,09: 1 (Novaesium VIII) bzw. 2,06: 1 (FMRD IV 1258). In anderen Worten, auch wenn die zweite Altarserie nicht so zahlreich ist wie die erste, sie wurde in großen Mengen an den Rhein geliefert und ihr Fehlen in Haltern, Kalkriese und Waldgirmes ist - angesichts des Vorhandenseins von fast 2000 Exemplaren der ersten Serie auf den drei Fundplätzen - signifikant und ein deutlicher Hinweis, dass die drei Fundplätze nicht mehr in der bisherigen Form über das Jahr 9 n. Chr. hinaus begangen wurden bzw. belegt waren. Eventuelle spätere Besucher der Fundplätze haben keine erkennbaren numismatischen Spuren hinterlassen."

Quelle: D. Wigg-Wolf, Waldgirmes - Eine augusteische Stadtgründung in Germanien; 2009

Da man ja germanicuszeitliche Münzfunde aus dem Brandhorizont von Köln und der Germania Magna hat, ist es umso unwahrscheinlicher das Germanicus in Kalkriese war.
 
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"The absence of evidence ist not the evidence of absence."

Das belegt nur, dass bei den Bestattungsarbeiten keine Münzen verloren gingen, weshalb auch immer.

Meine private Erfahrung: Ich habe mal einem Freund dabei geholfen, eine nachweislich über hundertjährige Almhütte auseinander zu nehmen und wieder aufzubauen. Während der Arbeiten, bei der wir das Gebäude gründlich in seine Bestandteile zerlegten und auch den Untergrund aufgruben, fanden wir nur eine Münze: Ein Pfennig mit Hakenkreuz aus den 30.er Jahren. Nach deiner Theorie hätte die Hütte weder vorher noch nachher bewohnt oder besucht werden dürfen, dass wurde sie jedoch und zeitweilig sogar recht intensiv.

Und schrieb nicht weiter oben irgendjemand, dass man in Kalkriese zumindest 1 Münze aus der Germanicuszeit gefunden hätte?

...
2. In einem Moor in der Nähe von Osnabrück fand man die Überreste drei römischer Legionen (ca. 1000 Mann).Vermutlich erlitten die Römer damals eine Niederlage bei dem Versuch Landteile der Germanen zu erobern. Es gibt verschiedene Spekulationen, warum die Römer im Moor versanken. Entweder haben die Germanen die Römer ins Moor gelockt oder die Germanen haben nach ihrem Sieg die Leichen der Römer im Moor versenkt. Dafür gäbe es den Grund, dass sie sie den Göttern schenken wollten oder dass sie die Leichen beseitigen wollten. Auszuschließen aber ist, dass sich ein Moor über den Leichen bildete, da bevor dies passieren könnte die Leichen schon längst verrottet wären. (Abendblatt 2007)"
Moorleichen Kultur
Also tausend Römer statt der von mir vermuteten Einzelfälle. Man weiß nicht, ob man darüber lachen oder weinen soll.

Ich habe davon noch nie gehört (was nichts heissen soll) und finde auch nirgends etwas dazu.
 
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Das Militärlager auf dem Nijmegen Kops Plateau wurde aber erst nach dem Bataveraufstand, also ab 70 nach Chr., dort neu angelegt. Da würde mich das Fehlen der zweiten Altarserie schon sehr wundern, ebenso in Neuss und Mainz, welche noch Jahrhunderte römisch genutzt wurden.
Viel interessanter ist doch die Frage: Ab wann genau tauchte denn die zweite Altarserie dort in Massen auf? Zumindest in solcher Anzahl, dass es möglich gewesen wäre, das doppelte Erbe des Augustus noch im Spätsommer 14 an vier komplette Legionen auszuzahlen. Den Mainzer Legionen wurde das ja auch zugesagt, aber die waren vermutlich mit der Winterlagerauszahlung einverstanden.
Weiß denn der gute David W.-W. darüber auch was substanzielles?

Grüße
Ostfale
 
Eine Münze, die Du verlierst, landet ja in aller Regel nicht im Erdboden, sondern die hat dann halt jemand anders.

Das ist ganz besonders dann der Fall, wenn Du die Münze auf einem Areal verlierst, auf dem zur selben Stunde gerade 12.000 Mann dabei sind, den Erdboden nach Gegenständen abzusuchen.

Das ist sehr treffend kombiniert und dargestellt! :yes:
 
Zitat:
"Eine Münze, die Du verlierst, landet ja in aller Regel nicht im Erdboden, sondern die hat dann halt jemand anders. Das ist ganz besonders dann der Fall, wenn Du die Münze auf einem Areal verlierst, auf dem zur selben Stunde gerade 12.000 Mann dabei sind, den Erdboden nach Gegenständen abzusuchen."

Und lassen die anderen ca. 3000 Münzen liegen ???

Erst überlegen und dann schreiben - sorry. Eher ein Argument was gegen Kalkriese spricht.
 
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Und lassen die anderen ca. 3000 Münzen liegen ???

Überleg doch mal selber, bevor Du drauflosschreibst.

Die 3000 Münzen können ja nur ein kläglicher Rest der ursprünglich verlorenen Münzmenge sein.
Das sind die Münzen, die bei den Kampfhandlungen so tief in den Matsch getreten wurden, dass sie dort 2000 Jahre lang verschwunden blieben.

Was noch gut sichtbar auf der Erdoberfläche lag, wurde beim Plündern des Schlachtfeldes aufgesammelt.

Und was davon eventuell übersehen wurde, spätestens bei der Bestattungsaktion.
 
Viel interessanter ist doch die Frage: Ab wann genau tauchte denn die zweite Altarserie dort in Massen auf? Zumindest in solcher Anzahl, dass es möglich gewesen wäre, das doppelte Erbe des Augustus noch im Spätsommer 14 an vier komplette Legionen auszuzahlen. Den Mainzer Legionen wurde das ja auch zugesagt, aber die waren vermutlich mit der Winterlagerauszahlung einverstanden.
Weiß denn der gute David W.-W. darüber auch was substanzielles?

Grüße
Ostfale
Liegt vielleicht eine Fehlinterpretation der Quelle Tacitus vor?
Annales 1,35: Einige forderten sogar das vom göttlichen Augustus vermachte Geld unter Glück verkündenden Andeutungen für Germanicus. Ja offen erklärten sie ihre Bereitwilligkeit, wenn er die Herrschaft wolle."
und Annales 1,37: Die Vermächtnisse, die sie verlangt hätten, würden ausgezahlt und verdoppelt...die Entlassung wurde durch die Tribunen beschleunigt, die Schenkung bis zum Winterquartier eines jeden verschoben. Doch nicht eher zogen die Soldaten der 5. und 21.Legion ab, bis ihnen noch eben da im Sommerlager das aus der Reisekasse der Freunde Cäsars (Germanicus) und seiner eigenen zusammengeschossene Geld ausgezahlt war"
- meiner Ansicht nach ist das depositum, die Konten bzw. das Ersparte der Legionäre gemeint, siehe meinen Beitrag 4460 vom 25.6. im gleichen Thread.
Ist es nicht überhaupt notwendig, dass die Legionen auf diesem kurzen Sommerfeldzügen ihre Barschaften bzw. Legionskasse dabei haben - anders als in den Lagern konnte man sich davon nicht verpflegen oder etwas kaufen, vielleicht beim Würfeln gewinnen, aber sonst?
 
Zuletzt bearbeitet:
Überleg doch mal selber, bevor Du drauflosschreibst.

Die 3000 Münzen können ja nur ein kläglicher Rest der ursprünglich verlorenen Münzmenge sein.
Das sind die Münzen, die bei den Kampfhandlungen so tief in den Matsch getreten wurden, dass sie dort 2000 Jahre lang verschwunden blieben.

Was noch gut sichtbar auf der Erdoberfläche lag, wurde beim Plündern des Schlachtfeldes aufgesammelt.

Und was davon eventuell übersehen wurde, spätestens bei der Bestattungsaktion.

Ein kläglicher Rest ???? Ist das dein ernst ? Da erübrigt sich jeglicher weiterer Kommentar.

Und die 12.000 Germanicus-Soldaten hinterlassen einen piekfeinen Boden. Hör bloß auf.
 
@ Sepiola

warst du bei der Armee? Hast du mal ein Feldlager mit deiner Kompanie (oder wie in meinem Fall ein ganzes Bataillon) aufgeschlagen? Weißt du was da an kleinen Dingen verloren gegangen ist ? Und wie das Gelände nach 4 Tagen aussah ?

PS: Wieviel Geld lag denn in Kalkriese ? Warst du dabei ? Auf dieser Basis, da gebe ich einigen hier Recht, brauchen wir nicht weiter zu diskutieren. Das ist sinnlos.
 
Eh´ ich das vergesse...

Hallo Biturigos,
Du hattest einige Seiten zuvor einige Zeilen an mich gerichtet:

"@Ostfale: aus deiner farbigen Erzählung entnehme ich, dass du Zeitzeuge des Geschehens warst. Würde mich freuen, sozusagen aus erster Hand zu erfahren, was wirklich damals geschehen ist. Dann müssen sich Althistoriker, Archäologen, Heimatforscher und andere Interessierte nicht mehr weiter bemühen und diskutieren!"

Nein, mein Lieber, Zeitzeuge war ich leider nicht. Ich bin zwar schon recht alt, aber biblisch kann ich mein Alter trotzdem nicht nennen.

Aber helfen kann ich Dir!
Lies einfach in Ruhe den Tacitus, Ann I, ab 31 bis 39.
Da reist der Germanicus ins Sommerlager der 1., 5., 20. und 21. Legion (nach Neuss?) und wird gleich von den Legionen begrüßt. Jedoch stellen sie sich nicht wie befohlen auf. tragen lediglich murrend ihre Fahnen nach vorn. Nach der beschwichtigenden Rede von Germanicus tragen sie ihre Forderungen (Veteranenentlassung, reichlichere Entlohnung, keine Mißhandlungen mehr) vor. Einige, so Tacitus, fordern das Erbe des Augustus und zeigten sich bereit, falls er das Imperium wolle. Daraufhin will Germanicus empört das Gelände verlassen, was die Legionäre nicht gestatten. Als Germanicus sich deshalb mit einem Schwert das Leben nehmen will, wollen das Umstehende verhindern, andere hatten nichts dagegen. Der Legionär Calusidius reicht ihm sogar sein Schwert, da es schärfer sei.
Es gelang den Freunden von Germanicus jedoch, selbigen in das Feldherrenzelt zu bringen und man überlegte das weitere Handeln. Ergebnis war der bekannte Brief mit den Versprechungen der zeitigen Dienstentlassung und dem Auszahlen des Augustuserbes in doppelter Höhe!
Das reichte erstmal zur Beruhigung, nur das Erbe sollte sofort ausbezahlt werden, verlangten die Legionen und zogen danach Richtung Köln und Vetera ab.

Germanicus reiste zur anderen Rheinarmee, wo er weniger Probleme hatte.

Zurück in Ara Ubiorum ging der Ärger weiter. Die Legionäre stürmten nachts sogar des Haus des Germanicus und drohten ihm mit dem Tod, so er die Fahne nicht herausgibt ("extractum cubili Caesarem tradere vexillum intento mortis metu subigunt.").
Soweit Tacitus...

Dio (57, 5 f.) berichtet noch, dass Germanicus seine Gattin und Sohn heimlich aus dem Lager entfernen will. Aber die Soldaten halten die Flüchtlinge an. Auf Bitten des Germanicus lassen sie die schwangere Agrippina wieder frei, während sie den kleinen Caligula bei sich zurückbehalten. In der Folgezeit beruhigen sie sich dann.

Ganz anders schildert Tacitus dann in Ann. I, 40 bis 44,6 nochmal das selbe Geschehen wie vorher, nur plötzlich stellt er Germanicus als strahlenden Helden dar, auf dessen Strafrede, und des jämmerlichen Anblicks seiner zu Fuß fliehenden Familie, die Legionäre umgehend bereuen und sich quasi vor ihm in den Staub werfen.
Nach Gerhard Kessler hat hier Tacitus eine andere Quelle (eine offizielle wohl, die die Schmach des Feldherrn gewaltig abmildert) verwendet und damit eine Doppelung fabriziert, bewußt oder unbewußt.

Wieviel von letzterer Schiderung zu halten ist, sieht man spätestens, als der erwachsene Caligula 23 Jahre später als Kaiser an den Rhein kommt.
Kessler schreibt: "In Suet. Cal. 48 will Caligula als Kaiser die rheinischen Legionen niederhauen lassen, quod et patrem suum Germanicum et se infantem tum obsedissent.
Obsessio ist hier wohl nichts als ein starker Ausdruck für die jämmerliche Lage des Germanicus, wie sie auch bei Tac. (I 39) und Dio deutlich ist."

Die Schmach dieser "Gefangenschaft" steckte also noch sehr tief in der Familie.
Das damalige Angebot, Germanicus zum Kaiser auszurufen, war wohl doch nur eine Randnotiz im Geschehen...

weiter schriebst Du:
"Und die haben tatsächlich auf ihren Germanicus-Feldzug ein Jahr nach dem Aufstand 14 AD die gesamte Legionskasse mit VARUS-Gegenstempeln mitgenommen (der Mann war schließlich tot, wer weiss ob das noch ein Zwölftel eines Aureus wert war ...), also diese wütenden, zornigen, bewaffneten Kampfprofis hatten ein Jahr später immer noch tausende Schuldscheine in der Kasse, und Caecina hat die verloren (die Germanen wussten also nicht, dass die viel wert waren, sonst hätten sie die ja verkleidet versuchen können einzutauschen), so ärgerlich, obwohl er doch gewonnen hat bei den pontes longi, und Arminius und sein Heer geflohen ist. Da blieb doch Zeit, die Kasse zu suchen, wenn die Germanen das Weite gesucht haben...
Komisch ist schon, dass dem Germanicus der Stift ging, obwohl nach Tacitus die Legionen in den germanischen Provinzen ihn mit Kusshand begrüßten und die Veteranen ihn zum Imperator erheben wollten - was geben die Quellen nicht alles her! Und obwohl sie in den Winterquartieren die Schenkung (Tacitus, du Schlawiner, wer erfindet denn sowas! Annales 1, 37) erhalten sollten, und doch schon aus der Reisekasse der Entourage des Germanicus erhalten hatten - da schleppen sie ein Jahr später immer noch ihre ZwölftelAureus-Schuldmünzen mit wie als gings zum Casino von Monte Carlo und nicht in germanische Wälder? Großartig unberechenbar diese Römer!"


Ja, finde ich spaßig, aber ich schrieb nicht von Varus-Gegenstempeln, schon gar nicht, dass die in der Legionskasse waren. Aber warum diese vermutlich als Wertmarken umgewidmeten Asse auch Monate später noch mitgeführt wurden, kann ich Dir schreiben. Sie hatten allesamt einen weit höheren Wert und waren damit - bis zum Rücktausch in den gestempelten Wert - kein eigentliches Zahlungsmittel mehr! Eine Art Pfandschein, mehr nicht.
"Frisches" Geld ließ sich möglicherweise nicht so schnell beschaffen, zumal der Prinzeps nach dem Ende der Meuterei seine Truppen quasi ständig mit Feldzügen beschäftigte (Herbst 14, Frühjahr 15, Sommer 15).
Außerdem bestehe ich ja nun nicht darauf, dass VAR nun unbedingt als UAR zu lesen ist. Wie Du selbst oben schriebst, hat die Entourage des Germanicus selbigen finanziell unter die Arme gegriffen. Vielleicht wurden die Münzen auch mit dem Namen der "Spender" versehen, also AUC für das normale Erbe des Augustus, IMP für die Verdoppelung durch Germanicus, C VAL für (Gaius?)Valerius Maximus - der sich vermittelt durch den Literaturmäzen Sextus Pompeius in der Nähe dessen literaturbegeisterten Freundes Germanicus aufhielt, vielleicht ist er sogar die detailtreue Quelle, die Tacitus und Dio vorlag? - und VAR kann tatsächlich das Zeichen vom Sohn des unglücklichen Feldherren sein, der sich (als Verwandter) ebenfalls bei Germanicus befand, können wir das wirklich ausschließen?
Jaja ich weiß, reine Vermutung, wissen können wir weder das, auch ist die Gegenstempelung als Geldgeschenk des Varus nicht mehr als eine mittelwahrscheinliche Vermutung - die nur schon 10.000-mal wiederholt wurde und daher als wahr vorausgesetzt wird, ist es nicht so?

Grüße
Ostfale

Edit: Sorry Biturigos, hatte Deinen letzten Post nicht gelesen!
 
Es ist ja immer noch zu fragen, warum die Soldaten des Germanicus ihre Münzen in die Gegend werfen sollten. Eine plausible Antwort auf diese Frage und ob die Vertreter solcher Geldverlusthypothesen, dass die Legionäre des Germanicus beim Besuch des Varusschlachtfeldes, ohne dass es dort zu Kampfhandlungen gekommen wäre, selber ständig Geld verlören, wird leider verweigert. Hermundure: Wie häufig verlierst du Geld? Und ich meine jetzt physischen Geldverlust, dadurch dass dir Geld unbemerkt aus der Tasche fällt.
Wie oft findest du verlorenes Geld auf der Straße? Denn wenn es häufig vorkommt, dass Geld verloren wird, dann muss ja auch häufig welches gefunden werden, gerade bei unseren versiegelten Böden heute. Ich hab früher alle paar Jahre mal' nen Pfennig oder heute mal nen Cent gefunden. Und da muss man sich fragen, ob die nicht noch wegen ihres geringen Kaufkraftwerts überhaupt abgestoßen wurden. Aber so geringe Werte kannten die Römer mit ihrem Geld ja gar nicht. Das meiste Geld fällt doch beim umgeschickten Öffnen des Portemonnaies an der Kasse herunter und wird deshalb auch von den Verlierenden bemerkt und aufgesammelt.
Also noch mal die Frage: Wie häufig passiert es dir oder den Leuten aus deinem Umfeld, dass du/sie Geld verlierst/verlieren?
 
Soweit das möglich war, sind die Beiträge zu dem Komplex "Gegenstempel" aus dem Kalkriese-Thema abgespalten worden.

Die eine oder andere Ungenauigkeit des verwickelten Themas bitte wir nachzusehen oder mit neuen Beiträgen zu korrigieren.
 
@Ostfale:
Guten Abend, zugegeben war meine (verärgerte) Übertreibung der Harmlosigkeit des Aufstandes der Rheinlegionen eine Replik auf ein in meinen Ohren relativ überhebliches Posting von dir. Tacitus war ein historischer Parteigänger Germanicus und seine Erzählung wird dadurch eingefärbt sein - insbesondere die Darstellung als moralisches Vorbild an Treue, Rechtschaffenheit und Aufrichtigkeit gegen die Verdächtigungen seines Onkels Tiberius, zugespitzt in der theatralischen Szene, in der Germanicus sich in sein eigenes Schwert stürzen will , um zu zeigen, wie fern ihm der Anspruch auf das Imperium ist- trotzdem beschreibt Tacitus sehr dicht die Atmosphäre und die Ursachen des Aufbegehrens. Natürlich war der Tumult und Aufstand der Legionen gefährlich und bedrohlich, doch diente die Zuspitzung von dir, dass es dadurch keine andere Wahl mehr gab, als hastig den Wert der Asse auf ein Zwölftel Aureus zu erhöhen, zur Begründung einer relativ wilden und hastigen Gegenstempelei - alles dies gibt die Quelle nicht her, sondern die Bezahlung aus der Reisekasse von Germanicus und seiner Freunde war ausreichend - du ziehst nun andere Möglichkeiten der Interpretation vom Gegenstempel VAR heran, dies müsste doch eigentlich leicht festzustellen sein: wenn die VAR-Gegenstempel aus Kalkriese den VAR-Stempel in Syrien (hier noch einmal der komplette Katalog von U.Werz, rechte Leiste -> OPUS 4 | Gegenstempel auf Aesprägungen der frühen römischen Kaiserzeit im Rheingebiet : Grundlagen, Systematik, Typologie ) entsprechen, allerdings sind die Formen sehr vielfältig, siehe Katalog II Seite 823, kann man eine alternative Interpretation doch ausschließen (bei dir Varus Sohn, Valerius Maximus). Das der Name des Schriftstellers und Rhetorikers Valerius Maximus, der keinerlei Verwaltungsaufgaben wahrnahm, und nicht zum innercircle des Regimes gehörte (Die Berechtigung zum Gegenstempeln mit eigenem Namen muss ein Hoheitsrecht gewesen sein) für das VAR steht, halte ich für nicht haltbar. ich kann weiterhin nicht sehen, dass Tacitus von einer verdoppelten Auszahlung Augustus Erbe spricht, meiner Ansicht nach assozierst du zwei unterschiedliche Passagen - wahrscheinlich wird den Dienstbefreiten und den Legionären ihre Rücklagen verdoppelt (siehe mein Beitrag 4460), hier sein Soldkonto (depositum), oder sein Guthaben (ad signa deponere - sepositum, auszahlbar am Dienstende oder an die Erben im Todesfall).
Ich habe in Numismatikforen nachgeschaut, bisher bin ich auf keinen Beitrag gestoßen, der Gegenstempel als Aufwertung betrachtet, im Gegenteil, bei Neutarifierung wird eher von einer Abwertung gesprochen - dementgegen habe ich eine Quelle gebracht (Beitrag 84), die aussagt, dass Gegenstempel auch dazu dienten, Münzen im Umlauf zu halten, d.h. wenn sie zum Beispiel sehr abgegriffen waren, garantierte ein Stempel ihren Nominalwert, damit bleibt der Wert jedoch gleich und nicht erhöht.
Und eine Frage hatte ich gestellt, ob es überhaupt wahrscheinlich ist, dass auf den kurzen Sommerfeldzügen 14/15/16 AD die gefüllte Legionskasse mitgenommen wird - im Gegensatz zur Situation von Varus, der in einer scheinbar befriedeten Region unterwegs war.
 
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