Geschichte des Punk

Diese ist nun deshalb aus musikwissenschaftlicher Perspektive sehr interessant, weil sie einen immensen Spagat wagt: einerseits die radikale Reduktion (gegen die ambitionierte Konkurrenten der 70er 80er Jahre) des musikalischen Materials (freilich ein Rekurs auf express. und avant. Techniken) - andererseits die Ambition, einen unverwechselbaren Stil zu kreieren. […]
Diese Behauptung solltest Du aber näher erklären. Dein Beitrag ist zwar schön mit Fremdwörtern und einer erklärenden Schreibweise dargelegt, doch reicht dies nicht aus, diesen genannten Spagat zu erklären.
Was ist an Punk eine radikale Reduktion? Aus musikalischer Sicht, wirken die Stilelemente das Punk minimalistisch und werden oft als Gegensatz der langen „Rockhymnen“ der 70iger Jahre gewertet. Aber der Punk in seinem musikalischen Grundaufbau entsprach jeder anderen Musikrichtung, mit den Grundelementen bei Gesang und den Instrumenten.
Und der Punk ist nicht einfach vom Himmel gefallen, sondern eine stetige Entwicklung, unabhängig der sozialen Komponente, im musikalischen Bereich, der durch die Entwicklung derer Musiker beeinflusst wurde, die sich später des Punk annahmen. Dabei werden viele Musiker und Bands als Punkbands bezeichnet, die sich aber in keinster Weise als solche dargestellt sehen wollte, z.B. die Ramones.
Aber zur zu „radikalen Reduktion“ die ich nicht für das Erkennungsmerkmal des Punk halte, denn es gibt zuviele Musikrichtungen, auch in der Klassik[1], bei der diese Element zum tragen kommt. Beim Punk ist es die Direktheit und Unmittelbarkeit die ihm eine Erkennungsmerkmal verleihen [2]. Dadurch entstand ein Musikstil, der sich auch in der Lebensphilosophie des Punk vereinte. Einen Wettbewerb mit Konkurrenten wurde sicherlich nur von den Medien und der Unterhaltungsbranche kreiert.
Der Punk und dessen Musik, waren nie darauf aus, einen Stellenwert in der Gesellschaft zu erreichen oder auch nur im geringsten einen Vergleich standzuhalten. Wie nun schon von vielen hier beschrieben, war der Punk frei von allen Werten und gab auch keinen Cent darauf .
Eine Änderung trat ein, als der Punk als Teil der modernen Kultur und Kunst einen Stellenwert erreichte, der seine Einflüsse bzw. seine o.g. Merkmale der Direktheit und Unmittelbarkeit stilisiert und diese Art der Kunst auch als Punk bezeichnet wurde. Ob dieses dann aber noch mit dem Ursprung des Punk in Verbindung zu setzen ist, mag ich nicht beurteilen.
(ich habe versucht, den rein musikalisch-fachlichen Anteil so einfach und allgemeinverständlich wie mir möglich darzustellen)
dekumatland, wenn Du möchtest, kannst Du deine Betrachtungsweise vielleicht nicht mit den Augen und der Rhetorik eines Kunstkritikers darlegen, sondern die Augen für dass, was den Punk ausmacht zu öffnen. Niemand möchte Dir etwas nahe bringen, nur mit Abstand auf eine Sache zu blicken, lässt einem das Detail nicht erkennen. Ansonsten Danke für deine jetzt klarere Darstellung.

1 Morton Feldman: KlassikInfo.de
2 Badischer-Kunstverein Presse
 
Da wir nunmal im Geschichtsforum über Historie diskutieren, möchte ich die Diskussion aber mal auf die gesellschaftlichen Auswirkungen des Punk lenken.
Hat die Punkbewegung tatsächlich so viel verändert oder bewirkt ?

Na klar, ich erinnere an den Spruch: Macht kaputt was Euch kaputt macht von den Ton Steine Scherben.

Macht kaputt, was euch kaputt macht ? Wikipedia

Der Punk spielt in seinem politischen Wesen bei der Linken Seite eine wichtige Rolle, auch wenn der Ursprung des Punk nichts mehr damit zu tun hat und mehr so ein Synonym darstellt.
Wie in der Kunst, wird auch in der politischen Gesellschaft der Punk genutzt.

Die andere Frage, die bleibt, wollte die Punkbewegung etwas verändern?
 
Die andere Frage, die bleibt, wollte die Punkbewegung etwas verändern?

Während des Beginns der "Power-Flower"-Bewegung (Woodstock etc.) gab es eine relaiv große Nähe zwischen der Musik (Dylan etc.), sozialen Lebensformen (Hippies und Kommunen etc.) und politischen Aussagen (Anti-Vietnam und Apo etc.).

Ende der siebziger bzw. anfang der achtziger Jahre hatte sich dieses weitgehend ausdifferenziert und es gab eigenständige Entwicklungen in den einzelnen Bereichen (Musik, Gesellschaft und Politik).

Natürlich gab es auch Überschneidungen. Beispielsweise in West-Berlin symbolisiert beispielsweise durch die Hausbesetzungen (80er), die Neue Deutsche Welle (Spliff, Ideal, Neon Babies etc.) Punk bzw. NW und auch durch Punker als einem Teil der Hausbesetzer. Allerdings auch eingebettet in die buntschillernde Alternativ-Kultur West-Berlins, wie man es den "Statt-Büchern" der damaligen Zeit entnehmen kann.

Das waren aber eher zufällgie geographische und / oder personelle Überschneidungen, die nur noch Teil-Milieus umfaßten und sich damit deutlich von der Situation in den sechziger Jahren unterschied.

Viele andere Milieus der Neuen Sozialen Bewegungen hatten sich losgelöst von der Einheit zur Musik und man konnte genausogut Dire Straits oder Bob Seeger hören.

Auch weil die Rock-Musik und auch in starkem Maße der Punk / New Wave, also der Protest, in dieser Zeit stark kommerzialisiert wurde. Eine Entwicklung gegen die sich ja gerade der Punk / NW ursprünglich gerichtet hatte.

Neue Soziale Bewegungen ? Wikipedia

In diesem Sinne war es eher eine ambivalente Haltung, die durchaus im Anfang einen Protest darstellte, wie beispielsweise B. Idol / GenX mit seinem "Rebell Yell", aber sehr schnell durch die Plattenlabels kooptiert wurde und mit dem muskalischen Erfolg an Glaubwürdigkeit im politischem und gesellschaftlichem Protest verlor. Und vom ursprünglichen Protest gegen die Kommerzialisierung der Musik eigentlich nur noch ein ritualisierter Protest der "wilden" Phrasen, der pinkgefärbten Irokesen-Looks und der Sicherheitsnadel, inklusive Leder-Stachelarmband, geblieben ist.

Allerdings auch hervorragende Musik hervorgebracht hat, mit Police, Patty Smith und vielen anderen und meinem persönlichen Lieblingsalbum der damaligen Zeit, "London Calling".

Als Reaktion auf die Kommerzialisierung gründeten manche Gruppen alternative Labels, die allerdings für die wenigstens Gruppe zum wirtschaftlichen Erfolg führte.

Und es ist vermutlich auch kein Zufall, dass als musikalischer Mainstream in der folgenden Jugendgeneration der "Pop" folgte und in der Form der "Popper" seine personelle Verkörperung fand.
 
Diese Behauptung solltest Du aber näher erklären. Dein Beitrag ist zwar schön mit Fremdwörtern und einer erklärenden Schreibweise dargelegt, doch reicht dies nicht aus, diesen genannten Spagat zu erklären.
Was ist an Punk eine radikale Reduktion? Aus musikalischer Sicht, wirken die Stilelemente das Punk minimalistisch und werden oft als Gegensatz der langen „Rockhymnen“ der 70iger Jahre gewertet. Aber der Punk in seinem musikalischen Grundaufbau entsprach jeder anderen Musikrichtung, mit den Grundelementen bei Gesang und den Instrumenten.http://www.badischer-kunstverein.de/index.php?Direction=Presse

Das sind sehr gewichtige Fragen.

ein Spagat wenn nicht gar ein Widerspruch besteht zwischen dem Anspruch bzw. Programm und der musikalisch-technischen Realisierung. Zwar wird im Vergleich mit den "Rockhymnen" instrumentaler Aufwand reduziert, aber es verbleiben dennoch recht artifizielle und komplizierte musikalische Techniken an Bord: da wäre zunächst die Rhythmik zu nennen.

Um das zu erklären, muss ich ein wenig weiter ausholen: die Unterhaltungsmusik des frühen 20. Jh. begann, afrobrasilianische Elemente zu integrieren - Synkopierungen der melodisch zentralen Zieltöne und innerhalb des alla breve wie auch vier Vierteltaktes asymetrische Aufteilungen (das ist jetzt wirklich ganz furchtbar allgemein gesagt, ich will vermeiden, zu viel zu technisch zu erklären). Parallel hierzu etablierte sich ausgehend vom frühen Jazz eine Bevorzugung von Septimakkorden (hierbei hat sich das Bluesschema zu einem eigenen Kadenzersatz entwickelt). Finden sich in den Roaring Twenties diese Elemente in so heterogenen Bereichen wie Operette, Tanzmusik, Jazz, Blues, Sinfonik, auch "Schlager" und Filmmusik, so entwickelten sich diese Musikrichtungen dennoch auseinander: die Operette versimpelte und wurde vom Musical abgelöst, die Tanzmusik wurde standardisiert, der Schlager setzte nur sehr vorsichtig die afrobrasilianische Rhythmik ein (um sich bzgl. seiner Adressaten von einer anderen Musiksorte abzugrenzen, die grob gesagt nach dem Zweiten Weltkrieg auftauchte: die Rockmusik, auf die ich noch zu sprechen komme), Jazz und Blues gingen immer eigenere Wege (sehr verkürzt gesagt), auch die Sinfonik (etc) war schon seit dem späten 19. Jh. in zahlreiche Richtungen aufgeteilt. --- auf jeden Fall aber blieb die übrigens recht komplexe, da prinzipiell polyrhythmische afrobrasilianische Anregung bestehen, allerdings nun nicht mehr quasi koloristisch oder folkloristisch. Vereinfacht gesagt unterstützt durch die neuen Medien (Rundfunk, Schallplatte) waren diese rhythmischen Modelle und etliche Musiksorten schon sehr weit verbreitet und wurden vor dem Zweiten Weltkrieg oft mit "amerikanisch" assoziiert (über Jazz und lateinamerikan. Musik im bürgerlichen Konzertsaal, in Oper und Kammermusik nur die Anmerkung, dass sich das bei vielen der "frühmodernen" Komponisten findet, Ravel, Hindemith, Strawinski, Weill, Krenek u.v.a) - nach dem Zweiten Weltkrieg dann eroberte die neue (sic!) Musikrichtung Rock`n`Roll weltweit (sic!) große Marktanteile an der immer umfangreicher gewordenen Musikindustrie. Für unser Thema relevant hierbei: auch diese neue populäre Richtung innerhalb der zunehmend mehr von Platte und Rundfunk verbreiteten Unterhaltungsmusik wurzelt rhythmisch in der erwähnten afrobrasilianischen Herkunft. Fatalerweise (sic!!) ist diese Rhythmik sehr komplex und kompliziert -- wer hobbymäßig ein Instrument halbwegs spielt, wird verärgert feststellen, dass es alles andere als einfach ist, gleichzeitig ein Taktmetrum oder off-Beat-Metrum zu halten und eine kompliziert synkopierte Melodie zu bringen!! In der Praxis trennte sich die oft (nicht immer) in kleinerer Besetzung aufgeführte Unterhaltungsmusik konsequent in Rhythmusgruppe und Akkordik/Melodik/Instrumentalgruppe, was die Überlagerung von rhythmischen Strukturen vereinfachte. Hierbei etablierte es sich in der Praxis insgesamt, dass lustigerweise die Rhythmusgruppe für den eisern gehaltenen Takt zuständig war, während Instrumentalparts und Gesang die komplizierten Synkopierungen und asymetrischen Teilungen ausführten.
Dass sich musikalisch Punk aus dem Rock- und Popbereich der späten 60er frühen 70er Jahre des 20. Jhs. entwickelte, dürfte überwiegend auf relative Übereinstimmung hier stoßen (also aus der Dodekaphonie oder der Kirchenmusik kommt Punk gewiß nicht) und hatte das musikalische Programm bzw. den Anspruch, sich von der weltweit etablierten Rock- und Popmusik abzugrenzen bzw. eine neue Alternative zu bieten. Hierbei wurden die musikalischen Formen (prinzipiell eine schlichte Liedform mit Strophen und Refrain) beibehalten --- hier nochmals zur Erinnerung: sehr weit verbreitete Unterhaltungsmusik bedarf der Wiedererkennbarkeit, wozu überschaubare Form und gestisch-melodische Typisierung zuständig sind --- aber "entschlackt", ebenso wurde das reduktionistische Programm der "three Chords" als Vereinfachung der Harmonik benannt, aber die Rhythmik blieb weiterhin in der Melodik/Gesang kompliziert synkopiert.

Nun könnte man einwenden, dass die lange Erfolgsgeschichte bzw. praktische Geschichte von Rhythmen bzw. rhythmischen Mustern wie Swing, Groove, afrobrasil. Synkopierung etc sich gleichsam eingeprägt und verslebständigt haben -- dem aber widerspricht generationenlang die Praxis: mitklatschen, mitsingen funktioniert ohne weiteres, aber auf einem Instrument diese Rhythmen spielen entzieht sich dem einfachen ersten Zugriff.

Innerhalb der populären Untrhaltungsmusik hat sich aber Punk dennoch als eigenständige Variante oder Seitenzweig etabliert - wiedererkennbar und einflussreich. Das liegt musikalisch nicht in Rhythmik, Form und Harmonik, sondern in der durchaus extremen Darstellung bzw. Spielweise. Aber wie sich gezeigt hat, sind die Grundlagen und rhythmischen Muster eben doch nicht soooo einfach, dass man mit Blick in die Noten von einer tatsächlichen minimalistischen Reduktion überzeugt sein kann. Weitere, teils absichtliche, teils unbeabsichtigte typische Merkmale legen den Vergleich mit Fauvismus und art brute nahe wie auch mit dem musikal. Minimalismus. Den nicht unerheblichen Rest an Typisierung besorgen außermusikalische Wirkungsmittel.

Und diese Mixtur kam an! Das erstaunliche ist, dass sicher nicht allein der musikalischen Verarbeitung, sondern der Mischung aus Haltung, Text und Musik geschuldet dieser Seitenzweig der populären Unterhaltungsmusik identitätsstiftend für nicht unerhebliche Bevölkerungsanteile gewirkt hat. Und wie sich gezeigt hat, steckt mehr musikal. und instrumentales Können in dieser Musik, als die programmatischen Absichtserklärungen vermuten lassen.

Natürlich ist eine Überbetonung der rhythmischen Elemente (hämmernde Taktmetrik mit asymetrischen Akzenten) gerne als musikal. Mittel zur Darstellung von unbändiger Wildheit, Agression eingesetzt und gedeutet worden - man denke an Berlioz marche au supplice oder Strawinskis Tanz der jungen Männer (sacre du printemps) - und natürlich sind es gerade bei populären einfachen Formen die Rhythmen, das Mitreissen durch Rhythmen, das in Bewegung versetzen durch Rhythmen, welche zum Erfolg und zur Beliebtheit beitragen --- wie erklärt sind diese Rhythmen nicht unbedingt "einfach".

Ansonsten gilt für alle Musik, egal ob Sonate oder Rocksong, Sinfonie oder Punkmusik: es gibt gelungene und es gibt mehr misslungene Werke. Das generationenüberdauernde Prädikat "Kunst" hat freilich nicht jede Musiknummer automatisch erworben :D
 
In diesem Sinne war es eher eine ambivalente Haltung, die durchaus im Anfang einen Protest darstellte, wie beispielsweise B. Idol / GenX mit seinem "Rebell Yell", aber sehr schnell durch die Plattenlabels kooptiert wurde und mit dem muskalischen Erfolg an Glaubwürdigkeit im politischem und gesellschaftlichem Protest verlor. Und vom ursprünglichen Protest gegen die Kommerzialisierung der Musik eigentlich nur noch ein ritualisierter Protest der "wilden" Phrasen, der pinkgefärbten Irokesen-Looks und der Sicherheitsnadel, inklusive Leder-Stachelarmband, geblieben ist.

Allerdings auch hervorragende Musik hervorgebracht hat, mit Police, Patty Smith und vielen anderen und meinem persönlichen Lieblingsalbum der damaligen Zeit, "London Calling".

Als Reaktion auf die Kommerzialisierung gründeten manche Gruppen alternative Labels, die allerdings für die wenigstens Gruppe zum wirtschaftlichen Erfolg führte.

und hier ist treffend der biographische Spagat beschrieben!
 
Na klar, ich erinnere an den Spruch: Macht kaputt was Euch kaputt macht von den Ton Steine Scherben.
Wobei das nicht Punk- sondern AgitProp und Politrock war
Und das ist genau der Punkt:
Die gesellschaftverändernden und prägenden Strömungen wie 68er Bewegung,
Ökologie-, Anti-Atomkraft- oder Friedensbewegung bringe ich eher mit Rockmusik oder mit Folk (Liedermacherszene) in Verbindung als mit Punk.
Die Ablehnung bürgerlicher Werte und gesellschaftlicher Regeln sowie die Auflehnung dagegen gab es bereits vorher und m-E. sogar in stärkerem Maße .
Auch eine gewisse Anti-Establishment-Mentalität war keine Erfindung des Punk.

Eine eigenständige sozio-politische Stoßkraft at die Punkbewegung m.E. nicht entwickelt -was vermutlich an der relativ schnellen Kommerzialisierung und Assimilierung des Punk durch die Gesellschaft gelegen haben kann.
 
Wobei das nicht Punk- sondern AgitProp und Politrock war
Und das ist genau der Punkt:
Die gesellschaftverändernden und prägenden Strömungen wie 68er Bewegung,
Ökologie-, Anti-Atomkraft- oder Friedensbewegung bringe ich eher mit Rockmusik oder mit Folk (Liedermacherszene) in Verbindung als mit Punk.
Die Ablehnung bürgerlicher Werte und gesellschaftlicher Regeln sowie die Auflehnung dagegen gab es bereits vorher und m-E. sogar in stärkerem Maße.
Auch eine gewisse Anti-Establishment-Mentalität war keine Erfindung des Punk.

Genau das hat der Punk zum Teil auch abgelehnt. Punk ging es zunächts mal um Provokation (Sid Vicious mit Hakenkreuz). Erst als diese Provokation tatsächlich politisch zu werden drohte, gab es dagegen eine Wende: Z.B. DKs Nazipunks fuck off.
Ansonsten galt im Punk eher eine No future-Mentalität, die mit der eher grundoptimistischen friedensbewegten Anti-Atomkraft- und Ökologiebewegung nicht recht zusammenpasste. Zudem störte sich der Punk an der tendenziell eher friedlichen Protestkultur. "Macht kaputt, was euch kaputt macht", auch wenn zurecht betont wurde, dass dieser Spruch nicht in originäre Punk-Szene gehört, passt sehr gut zu dem Glauben, dass man mit Sit-ins, Teach-ins und anderen -ins nichts erreichen könne.
 
Endlich handelt der Thread wieder von der Geschichte bzw. den Auswirkungen des Punk, als davon, ob das Thema nun hier reinpasst oder nicht.

Sehr schöne Beitrage zhapod und Elquijote.
Aber noch eine Anmerkung:
Dass sich in den Anfangstagen der Punkszene da etwas gebildet hat, dass (in veränderter Form natürlich) bis heute besteht, zudem sich bis heute Menschen bekennen, ist doch auch eine Art social impact.
Vielleicht nicht von der Bedeutung einer Ökologiebewegung, aber solange sich Menschen als "PunK" bekennen, ist doch allein durch die Existenz der Subkultur der social impact zu erkennen.
 
Ich habe diese politischen Ambitionen der Musik sowieso nie verstanden, ich höre Musik wenn sie mir gefällt und nicht wegen meiner politischen Meinung.
 
Genau das hat der Punk zum Teil auch abgelehnt. Punk ging es zunächts mal um Provokation (Sid Vicious mit Hakenkreuz). Erst als diese Provokation tatsächlich politisch zu werden drohte, gab es dagegen eine Wende: Z.B. DKs Nazipunks fuck off.
Ansonsten galt im Punk eher eine No future-Mentalität, die mit der eher grundoptimistischen friedensbewegten Anti-Atomkraft- und Ökologiebewegung nicht recht zusammenpasste. Zudem störte sich der Punk an der tendenziell eher friedlichen Protestkultur. "Macht kaputt, was euch kaputt macht", auch wenn zurecht betont wurde, dass dieser Spruch nicht in originäre Punk-Szene gehört, passt sehr gut zu dem Glauben, dass man mit Sit-ins, Teach-ins und anderen -ins nichts erreichen könne.

Wobei ich den Bruch zwischen "Punks" und "Hippies" (als grob verallgemeinernde Kategorien) zumindest hierzulande weder als scharf, noch als wirklich existent, betrachte. Die "außerparlamentarische Opposition" starb ja nie so wirklich aus, in Form der Spontis und der Hausbesetzer-Bewegung lebte es ja weiter, und die verband sich ja auch recht schnell mit der Punk-Szene. "Slime" als wohl wichtigste frühe Deutschpunk-Band coverten schon auf ihren frühen Alben etliche Scherben-Songs und waren sehr politisch im klassisch antiimperialistischen Geist der 68er-Bewegung.
Im Grunde gibts auch so eine Art politischen Mininmalkonsens innerhalb der deutschen Punkszene, was sich besonders in den 90er Jahren bei den Fehden zwischen den drei erfolgreichsten härteren Rockbands in den 1990er Jahren - Hosen und Ärzte auf der einen, Böhse Onkelz auf der anderen Seite - äußerte. Obwohl sie musikalisch aus der gleichen Ecke kamen und politisch ihrer rechten Phase abgeschworen hatte, wurde sozusagen den Onkelz die Absolution verweigert.

Auch in den USA waren schon die frühen Punkbands sehr politisch, darunter manchmal sogar auch die Ramones, die trotz ihrer eindeutigen Funpunk-Ausrichtung auch einige ernst gemeinte politische Songs schrieben ("Bonzo goes to Bitburg" z.B.). Bei den Dead Kennedys war das sowieso von Anfang an gegeben.

Etwas anders sehe ich die Sache beim englischen "Urpunk". Dort blieb die Musik wie auch die politische Einstellung heterogener, die Bands grenzten sich auch schärfer politisch voneinander ab. Das erklärt vermutlich auch den Widerspruch, dass aus England zwar die kommerziell wohl erfolgreichsten Bands der ersten Phase kamen, aber im Vergleich zu vielen anderen Ländern seit Mitte der 1980er Jahre nur eine "schwache" Szene existiert, die auch seither nur sehr wenige weltweit erfolgreiche Bands hervorbrachte.
 
Im Grunde gibts auch so eine Art politischen Mininmalkonsens innerhalb der deutschen Punkszene, was sich besonders in den 90er Jahren bei den Fehden zwischen den drei erfolgreichsten härteren Rockbands in den 1990er Jahren - Hosen und Ärzte auf der einen, Böhse Onkelz auf der anderen Seite - äußerte. Obwohl sie musikalisch aus der gleichen Ecke kamen und politisch ihrer rechten Phase abgeschworen hatte, wurde sozusagen den Onkelz die Absolution verweigert.
ist das ein Hinweis darauf, dass die musikalische Verarbeitung (bzw. das, was als typischer musikalischer Punkstil wahrgenommen wird) austauschbar ist, d.h. dass inhaltlich bestimmend die außermusikalischen Zutaten sind?
 
Eher ein Hinweis darauf, dass es in punkbasierter Musik auch stark auf lyrics ankommt, um die jeweilige Strömung zuzuordnen.
 
ist das ein Hinweis darauf, dass die musikalische Verarbeitung (bzw. das, was als typischer musikalischer Punkstil wahrgenommen wird) austauschbar ist, d.h. dass inhaltlich bestimmend die außermusikalischen Zutaten sind?

Schwer zu beantwortende Frage.
Es gibt musikalisch schon bestimmte Minimalvorstellungen, andererseits bin ich der Meinung, dass Punkrock als musikalisches Genre nicht entscheidend mit den Konventionen der damaligen Rockmusik brach. Auch hier wird der Gegensatz zu den "filigranen" Glam- und Progrockbands etwas übertrieben (bei denen es genau genommen einige auch schon recht derbe Vertreter, z.B. Slade, gab) dargestellt. Immerhin behielt die Masse aller Punkbands das klassische Rockbandschema mit Gitarre, Bass, und Schlagzeug bei.
Klar versuchten sie alles schneller, härter und lauter zu spielen; das konnten aber die Heavy-Metal-Bands spätestens Anfang der 1980er besser.


Was ich bis heute für das wesentliche Verdienst der Punk-Bewegung im Hinblick auf die Musik halte, ist, dass eine Einstellung dafür geweckt wurde, dass wirklich jeder Musik machen kann. Eines der generischsten Punkalben überhaupt ist für mich das erste Ramones-Album. Melodische, einfach gespielte 1-2 Minutensongs mit knappen, zynisch-humoristischen Texten, das vor allem vom Gesang der Gruppe lebte. Nicht mal besonders schnell war das gespielt, und ein Gitarrist, der Power Chords kann, kann diese Musik rasch lernen. Und trotzdem war es ein gutes Rockalbum.

Und während viele der zeitgenössischen Rockbands immer komplizierter wurden (hier sei z.B. an das gesamte Genre des Krautrocks erinnert), bot Punk einen Anstoß für Jugendliche, sich billige Instrumente zu besorgen, und selbst Musik zu machen. Das erst mal zum Musikalischen.

Dies hat (bis heute) aber auch zur Folge, dass viele Musiker des Genres (auch wenn sie sich später deutlich weiterentwickeln oder ganz andere Musik machen, wie z.B. der heutige Bass-Virtuose von den Chili Peppers, Flea Balzary) musikalisch mit demselben "Material" anfangen. Man setzt sich mit ein paar Freunden zusammen, und bastelt sich aus einer Strophe mit vier Akkorden und einem Refrain mit zweien (z.B.) seine ersten Punkrocksongs zusammen.
Bei denen, die unter solchen Bands herausstechen, kommen dann eben noch andere Elemente dazu - ein "hartes" Image, vielleicht, oder besonders auffällige Texte, eine politsche Sendung etc.

Bevor diese Diskussion wieder aufgewärmt wird - mir ist bewusst, dass es auch unter den frühen Punkbands musikalisch sehr ausgetüftelte Alben gab, besonders denke ich da an die Dead Kennedys. Aber die Ramones finde ich einfach typischer für die Masse der Punkbands.
 
(...) Den nicht unerheblichen Rest an Typisierung besorgen außermusikalische Wirkungsmittel. (...)

Eher ein Hinweis darauf, dass es in punkbasierter Musik auch stark auf lyrics ankommt, um die jeweilige Strömung zuzuordnen.

da tuten wir ja ins selbe Horn :yes:

die Frage wäre dann, wie sehr es überhaupt auf die mehr oder weniger typische Musik ankommt - etwa ob sie nur modisches populäres Mittel zum Zusammenhalt ist, oder ob sie tatsächlich die von den Texten produzierte Stimmung ebenfalls ausdrückt. Anders gefragt: drückt die Musik die entsprechende Stimmung aus, oder wird ihr diese zugeschrieben?

...mich stimmt skeptisch, und deswegen schaue ich genau hin, dass die musikalische Verarbeitung dem oft wiederholten "Programm" (three chords, Reduktion etc) widerspricht (das hatte ich ja ausführlich am Beispiel der Rhythmik erklärt - übrigens bezeichnend ist, dass gelegentlich Hauptakteure quasi klammheimlich durch professionellere Musiker ersetzt werden mussten, weil dieser oder jener instrumentale Part zu schwierig war)
 
(...)
Was ich bis heute für das wesentliche Verdienst der Punk-Bewegung im Hinblick auf die Musik halte, ist, dass eine Einstellung dafür geweckt wurde, dass wirklich jeder Musik machen kann. Eines der generischsten Punkalben überhaupt ist für mich das erste Ramones-Album. Melodische, einfach gespielte 1-2 Minutensongs mit knappen, zynisch-humoristischen Texten, das vor allem vom Gesang der Gruppe lebte. Nicht mal besonders schnell war das gespielt, und ein Gitarrist, der Power Chords kann, kann diese Musik rasch lernen. Und trotzdem war es ein gutes Rockalbum.

Und während viele der zeitgenössischen Rockbands immer komplizierter wurden (hier sei z.B. an das gesamte Genre des Krautrocks erinnert), bot Punk einen Anstoß für Jugendliche, sich billige Instrumente zu besorgen, und selbst Musik zu machen. Das erst mal zum Musikalischen.
(...)

hier muss ich dir einerseits widersprechen, andererseits aber auch zustimmen:
zustimmen kann ich, dass tatsächlich ein Anlaß zum selber machen gegeben war, und das probierten auch viele;
widersprechen muss ich, dass sich die rhythmischen Bedingungen ohne weiteres für jeden hätten machen lassen können - hier kommt noch hinzu, dass zu dilletantische Produktionen keine Chance bei den Plattenlabels hatten, d.h. ein gewisses musikalisch-technisches Können war auch hier Voraussetzung.

natürlich: Besetzung, Form und Harmonik waren/sind so einfach oder bsser gesagt schlicht wie nur möglich - mit den Rhythmen zurechtkommen und womöglich auch noch eine prägnante Melodie erfinden, das war und ist schon gar nicht mehr so einfach.
 
Ich habe diese politischen Ambitionen der Musik sowieso nie verstanden, ich höre Musik wenn sie mir gefällt und nicht wegen meiner politischen Meinung.

OT: Mit Musik kann ganz viel Information übertragen werden, also nicht durch die Musik, sondern auch mit entsprechenden Texten. Musik verbleibt im Ohr, ja nach gefallen, der Text dazu prägt sich gleich in dem Zusammenhang leichter ein.

Musik als Informationsmittel wird schon seit tausenden Jahren praktiziert.
 
ist das ein Hinweis darauf, dass die musikalische Verarbeitung (bzw. das, was als typischer musikalischer Punkstil wahrgenommen wird) austauschbar ist, d.h. dass inhaltlich bestimmend die außermusikalischen Zutaten sind?

Das verstehe ich nicht? Was möchtest Du damit sagen bzw. Hinterfragen.

Eins sollte klar sein, der Punk als musikalische Ausrichtung ist eine Übergruppe diese Musikstils. Variieren kann daß in alle Richtungen!

Die Herkunft musikalischer Elemente des Punk hast Du ja schon beschrieben, grob gesagt, über den Rock´n´Roll bzw. Rockabilly sowie auch die Einflüsse der Beatmusik und Rockmusik der 60iger, sowie des Psychedelic.

Also keine neuen Erkenntnisse hier, darum meine Nachfrage auf das o.g.
 
OT: Mit Musik kann ganz viel Information übertragen werden, also nicht durch die Musik, sondern auch mit entsprechenden Texten. Musik verbleibt im Ohr, ja nach gefallen, der Text dazu prägt sich gleich in dem Zusammenhang leichter ein.

Musik als Informationsmittel wird schon seit tausenden Jahren praktiziert.

Für die Sprengkraft der Musik als politisches Medium, gerade unter repressiven Regimen gibt es ja mehr als genug Beispiele.

Ich habe diese politischen Ambitionen der Musik sowieso nie verstanden, ich höre Musik wenn sie mir gefällt und nicht wegen meiner politischen Meinung.
Ich vermute, du hast nie in einer Diktatur gelebt.
 
widersprechen muss ich, dass sich die rhythmischen Bedingungen ohne weiteres für jeden hätten machen lassen können - hier kommt noch hinzu, dass zu dilletantische Produktionen keine Chance bei den Plattenlabels hatten, d.h. ein gewisses musikalisch-technisches Können war auch hier Voraussetzung..

Deswegen wurden ja Ende der 70er Jahre überall Independent-Labels gegründet, die Produktion und Vertrieb von Musik abseits der großen kommerziellen Labels zu organisieren versuchten. Die Entstehung der Independent-Szene und der mit ihr verbundenen Fanzine-Kultur war ein enorm wichtiger Aspekt des Punk.
 
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