Großer Aufmarsch Ost - praktikabel?

Aus der älteren Literatur beschreibt Gröner, Testament des Grafen Schlieffen, sowohl die Defensiv- wie auch die Offensivpläne im Osten. Sehr ausführlich werden neuerdings die Pläne bei Zuber, Inventing the Schlieffenplan, geschildert.

Man hat eine Offensive im Osten nicht für sinnvoll angesehen, weil eine Überflügelung und Einkreisung (also Vernichtung) des russischen Heeres bei der Geographie und Infrastruktur Russlands zumindest sehr riskant, vermutlich sogar unmöglich war. Eine Besetzung der wirtschaftlich entscheidenden Regionen (Wirtschaftskrieg) wäre ohne die Vernichtung des russischen Heeres auch nicht möglich gewesen.

Zu einer wirklichen Abstimmung zwischen Deutschland und Ö-U ist es auch nicht gekommen. Conrad versuchte auf ein äußerst wage gehaltenes Versprechen bzgl. deutsche Unterstützung seine Offensive, die den Offizierskader seiner Armee stark schwächte. Ö-U war danach eher Belastung wie Hilfe.

Der Krieg im Osten sollte defensiv mit überraschenden Gegenoffensiven, immer auf isolierte russische Armeeeinheiten geführt werden. Die Planspiele umfassten viele denkbaren Szenarien, für die Situation bereits der ersten Schlacht, Gumbinnen, wollte Max Hoffman die Gedanken von Schlieffens Planspiel 1898 anwenden. Prittwitz, so wird geschrieben, verlor die Nerven. Als aussichtsreichste Möglichkeit wird die gegen die im Weichselbogen eingeklemmte 2. Russische Armee geplante Operation bezeichnet, vgl. thread Marneschlacht #21,29. Die dahinterstehende grundsätzliche Frage war die, ob der Schwerpunkt im Westen verbleiben soll oder nach Osten verlagert wird.
 
Aus der älteren Literatur beschreibt Gröner, Testament des Grafen Schlieffen, sowohl die Defensiv- wie auch die Offensivpläne im Osten.
Hier würde ich das Reichsarchiv vorziehen.

Man hat eine Offensive im Osten nicht für sinnvoll angesehen, weil eine Überflügelung und Einkreisung (also Vernichtung) des russischen Heeres bei der Geographie und Infrastruktur Russlands zumindest sehr riskant, vermutlich sogar unmöglich war.
"Man" ist Schlieffen, allerdings hatte Moltke d.Ä. dieselbe Meinung und - anders als seine Nachfolger bzgl. der politischen Führung - plazierte er diese erfolgreich bei Bismarck. Schlieffen verwarf die Narew-Strategie aus verschiedensten Gründen, u.a. auch militärgeographischen Erwägungen.

Zu einer wirklichen Abstimmung zwischen Deutschland und Ö-U ist es auch nicht gekommen. Conrad versuchte auf ein äußerst wage gehaltenes Versprechen bzgl. deutsche Unterstützung seine Offensive, die den Offizierskader seiner Armee stark schwächte.
Ö-U wurde selbst über das Versprechen der 18 Divisionen und die Abstockung im unklaren gelassen, von abgestimmten Planungen der Stäbe ganz zu schweigen. Da stimme ich zu.


Als aussichtsreichste Möglichkeit wird die gegen die im Weichselbogen eingeklemmte 2. Russische Armee geplante Operation bezeichnet, vgl. thread Marneschlacht #21,29. Die dahinterstehende grundsätzliche Frage war die, ob der Schwerpunkt im Westen verbleiben soll oder nach Osten verlagert wird.
Wer bezeichnet das so?
Ich würde ja immer noch gerne über diese verpasste außerordentliche Gelegenheit aufgekärt werden, deshalb auch schon die Nachfrage beim Marne-Thema. Bislang ist da nichts gekommen. Immerhin sind wir jetzt im richtigen Thema.
Interressant wäre übrigens eine Präzisierung zur russ. 2. Armee
 
Auch die Militärs Österreich-Ungarns hingen an dem Offensivgedanken. Das große Etappenspiel des Jahres 1913/14 sah die Bearbeitung von Versorgungsfragen für eine Offensive mehrerer Korps gegen Rußland aus Ostgalizien heraus vor. Theodor Körner; Kriegschullehrer für operativen Generalstabsdienst, wies nach, das die schlechten Nachschubwege die vorgesehene Offensive in Richtung Norden nicht erlaubten. Der Generalstab würdigte Körner mit keinem Wort. (1) Wer Gehör finden wollte, der mußte sich im Rahmen der Vorgaben von Generalstabchef und Operationsbüro, dort war der Offensivgedanke domminierend, bewegen.
 
Auch die Militärs Österreich-Ungarns hingen an dem Offensivgedanken. Das große Etappenspiel des Jahres 1913/14 sah die Bearbeitung von Versorgungsfragen für eine Offensive mehrerer Korps gegen Rußland aus Ostgalizien heraus vor. Theodor Körner; Kriegschullehrer für operativen Generalstabsdienst, wies nach, das die schlechten Nachschubwege die vorgesehene Offensive in Richtung Norden nicht erlaubten. Der Generalstab würdigte Körner mit keinem Wort. (1) Wer Gehör finden wollte, der mußte sich im Rahmen der Vorgaben von Generalstabchef und Operationsbüro, dort war der Offensivgedanke domminierend, bewegen.


Hier fehlt doch glatt die Quelle:

(1) Kronenbitter, Krieg im Frieden


@silesia

Was soll man zu dieser Wikiaussage ausführen?, außer vielleicht :aua: :D.
 
Ich bin per Google auf 1914 von Karlheinz Schonauer gestolpert. Auf S. 402ff wird gesagt, dass die Eisenbahnlinien in Russland der Grund für die Aufgabe des Aufmarschplans Ost seien und stattdessen ein Präventivkrieg im Westen gesucht werden sollte. Daher greife ich diesen Strang noch einmal auf.

Von zentraler Bedeutung ist ja wohl der Kriegsrat vom 8.12.1912. Allerdings habe ich immer noch einige Punkte offenbar nicht verstanden.

  • Im Rahmen der Heeresvermehrung 1913, meinte man jetzt genügend Truppen für den Schlieffenplan zu haben?
  • Wenn ja, dann muss doch der logistische Alptraum für so viele Truppen auf engstem Raum während der Planung aufgefallen sein, oder?
  • Hätten die zusätzlichen Truppen nicht im Osten gegen Narevlinie so viel Nutzen gebracht, dass die Festungen neutralisiert würden?
  • Wäre es nicht eine planenswerte Alternative, wenn man der beschleunigten russischen Mobilmachung aktiv mit großer Truppenzahl entgegen wirkt? Immerhin wurden ja auch die deutschen Truppenwege verbessert.
  • Bei aller Verachtung ÖUs in militärischen Fragen, warum wurde nicht stärker zusammen gearbeitet? Stattdessen wurden die festen Zusagen bezüglich deutscher Truppen im Osten seit 1909 zunehmend wage und geringer.
  • Warum dauerte es offenbar noch vier Monate bis die Planungen für den Aufmarsch Ost eingestellt wurden? Was passierte noch nach dem 8.12?

Die letzten Planungen gingen von 44 Divisionen im Osten aus. Mit welcher Zahl aus dem tatsächlichen Kriegsverlauf kann man dies vergleichen?
 
Solwac schrieb:
Wenn ja, dann muss doch der logistische Alptraum für so viele Truppen auf engstem Raum während der Planung aufgefallen sein, oder?

Der preußisch-deutsche Generalstab ist davon ausgegangen, das belgisch-französische Eisenbahnnetz weitestgehend unzerstört in die Hände zu bekommen. Niemand sah, warum auch immer, die umfassende und gründliche Zerstörung von Brücken, Tunneln etc. voraus. In der täglichen Praxis bedeutete dies in der wichtigen Eröffnungsphase des Krieges, dass die Eisenbahnen den Truppen nicht hinreichend schnell beim Vormarsch nicht folgen konnten. Es musste der Nachschub häufig genug aus den Zügen in Lkw, sofern vorhanden, und Pferd und Wagen verladen werden. Das war ein zeitintensives Geschäft.
 
Niemand sah, warum auch immer, die umfassende und gründliche Zerstörung von Brücken, Tunneln etc. voraus. In der täglichen Praxis bedeutete dies in der wichtigen Eröffnungsphase des Krieges, dass die Eisenbahnen den Truppen nicht hinreichend schnell beim Vormarsch nicht folgen konnten. Es musste der Nachschub häufig genug aus den Zügen in Lkw, sofern vorhanden, und Pferd und Wagen verladen werden. Das war ein zeitintensives Geschäft.
Un das verwundert bis zum Unverständnis. Die Erfahrungen, welche die deutschen Armeen 1870/71 sammelten, waren genau diese. In dem Buch "Krieg und Sieg", herausgegeben 1896, schreibt Georg Cardinal von Widdern, damals Oberst a.D. und Militärhistoriker:
"Große Heere suchen für ihre rückwärtigen Verbindungen mit den Hilfsquellen der Heimat nicht so sehr den gesicherten Besitz von Landstraßen, als den von Eisenbahnen. In dem Maße, als die französischen Eisenbahnen durch Festungen gesperrt waren, entzogen sie sich in den eroberten Gebieten unserer Benutzung. Erst nach und nach erfolgende Überwältigung dieser Waffenplätze ließ uns streckenweise die innerhalb des deutschen Besatzungsgebiets liegenden französischen Eisenbahnen gewinnen.
"In großartiger, patriotischer Opferwilligkeit hatten die Franzosen die Schienenwege, welche sie uns überlassen mußten, gründlich zerstört: alle Brücken, viele Tunnels und Viadukte gesprengt. Da galt es für unsere Eisenbahntruppen erst in wochen- und monatelanger Arbeit die Schienenstraße wieder fahrbar zu machen. In dem Maße, als dies geschah, erfolgte dann auch die Besetzung der Eisenbahnen durch die deutschen Etappentruppen an sämtlichen Bahnhöfen, Brücken, Tunnels u.s.w. sowohl zur Verhinderung ihrer Wiederzerstörung, als auch zur Sicherung des Betriebes gegen feindliche Unternehmungen."
Mit diesen Erfahrungen war der vorgegebene, straffe Zeitplan nie einzuhalten.
1870 gab es im deutschen Heer u.a. zwei Straßenlokomotiven, die man von der englischen Firma Flower gekauft hatte. Mit diesen bewältigte man einige Transporte, wo keine Schienen zur Verfügung standen. Allerdings fielen die Einsatzberichte nicht günstig aus. Trotzdem wurden ab 1878 weitere Straßenlokomotiven angeschaft. 1898 legte die Versuchsabteilung der Eisenbahnbrigade eine Denkschrift über den Stand der Automobilentwicklung in Deutschland heraus. Im Jahr darauf nahmen 6 Personenkraftwagen am Kaisermanöver teil. Darauf wurden zwei Lastkraftwagen Daimler für Versuchszwecke in Dienst gestellt.
Es gab auch Versuche mit Straßengüterzügen. Diese besaßen sechs Anhänger und konnten 30 Tonnen über eine Strecke von 100 km mit 6 km/h Geschwindigkeit transportieren. Dafür benötigten sie 800 Liter Teeröl und 1750 Liter Wasser.
 
Groß hat nun gerade eine umfassende Schrift zum deutschen Generalstab vorgelegt.

Darin trägt er Schlieffens und Moltkes Einschätzungen vor, dass die "große Umfassung Ost" als Kulmination des "Großen Aufmarsches Ost" (eine Art Super-Cannae) wegen der russischen Rückzugsmöglichkeiten und den begleitenden Zerstörungen nicht zu leisten sein würde. Die Auffassungen bestätigten sich in der Praxis.

Genau das passierte nämlich mehrfach 1915, als Ludendorff und Hindenburg von dieser Grossumfassung träumten und der Streit um Reserven zwischen Ost- und Westfront ausgebrochen war.
 
Welche politischen Ziele hat man, einen Sieg im Osten unterstellt, in Bezug auf das zaristische Russland eigentlich verfolgt?

Wurde der Aufmarsch Ost nur aufgrund militärischer Überlegungen verworfen oder auch, weil er politisch eigentlich sinnlos war?

Nicht zuletzt aufgrund grundsätzlicher "dynastischer" Überlegungen zur Stabilität des Zarenreichs.

Gab es derartige politische Szenarien? oder wurde nur militärisch gedacht?
 
thanepower schrieb:
Wurde der Aufmarsch Ost nur aufgrund militärischer Überlegungen verworfen oder auch, weil er politisch eigentlich sinnlos war?

War das nicht primär eine Folge des Kriegsrates vom 08.Dezember 1912? Dort waren sich doch die Herrschaften einig darüber, das man einen Präventivkrieg führen wolle; am besten sofort. Es war Tirpitz, der bremste, weil die Marine noch nicht so weit sei. (1)

Jedenfalls wurden im kommenden Jahr 1913 die Planungen für den großen Aufmarsch Ost eingestellt. In der Literatur ist auch der Hinweis auf die Eisenbahnabteilung, die angeblich hoffnungslos überlastet sei und deshalb nicht zwei Aufmärsche bearbeiten könne, anzutreffen.

Fischer, Krieg der Illusionen S.241
 
Mir ging es auch um die Frage, ob neben militärischen oder logistischen Überlegungen auch politische Aspekte die Priorisierung beeinflusst haben.
 
Meines Wissens nach nicht.

Dito.

Es waren wohl rein strategische Aspekte, denen die Überlegung zugrunde lag, ob an der gedachten Ostfront gegen Russland eine Entscheidung möglich sei. Dabei stellte sich wie beim Vorbild 1812 die Frage der Tiefe des Raumes und der Rückzugsmöglichkeiten.

Eine Umfassung wurde, beginnend von Schlieffen und fortgesetzt von Moltke, als immer unwahrscheinlicher angesehen. Der russischen Armee wurde die Flexibilität unterstellt, sich zurückziehen zu können. Die Umfassungsmöglichkeiten wurden, beginnend mit den Erkenntnissen über die Narew-Linie und den russischen Festungsbau, als immer schlechter eingeschätzt. Zeitpunkte lassen sich hierbei schlecht fixieren, die Entwicklung dieser Einschätzung zieht sich von 1891 bis 1912, wobei zunächst in den jeweiligen Mob-Jahresplänen noch zweigleisig gedacht wurde.

Insofern war es konsequent, auf den "Großen Aufmarsch Ost" zu verzichten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich bin nochmal auf einen Punkt gestupst worden: Die Flottenrüstung in der Ostsee. Inwieweit hat es Pläne für den Kampf zur See gegen Russland gegeben und welche Rolle spielten die Insel- und Küstenbefestigungen dabei?

Die deutschen Erfolge im späteren Verlauf des Krieges und die Transportkapazitäten wie sie gegen Ende des 2. Weltkriegs genutzt wurden zeigen ja auf, dass es nicht nur auf Zahl und Stärke der Großkampfschiffe ankam.

Und wie sah die Gegenseite die Möglichkeiten? War Russland auf einen Durchbruch aus der Ostsee heraus angewiesen oder wurden den Dreadnought ausreichend Einsätze in der begrenzten Ostsee zugetraut?
 
Ich bin per Google auf 1914 von Karlheinz Schonauer gestolpert. Auf S. 402ff wird gesagt, dass die Eisenbahnlinien in Russland der Grund für die Aufgabe des Aufmarschplans Ost seien und stattdessen ein Präventivkrieg im Westen gesucht werden sollte.

Um so verwunderlicher ist es, das auf der deutschen Seite das Eisenbahnnetz in Ostpreußen ausgebaut wurde. Es existierten lediglich 2 zweispurige Linien an die russische Grenze. Der Rest war einspurig und auch nicht immer militärischen Bedürfnissen entsprechend. Auch Festungen, die an der Weichsel mal ausgeklammert, beispielsweise Königsberg, wurden nicht modernisiert bzw. instandgesetzt. Es wurden irre Summen für eine Flotte lockergemacht, wobei vergessen wurde, das der Krieg, zumindest für Deutschland, zu Lande in der Hauptsache zu führen ist.
 
Ich bin nochmal auf einen Punkt gestupst worden: Die Flottenrüstung in der Ostsee. Inwieweit hat es Pläne für den Kampf zur See gegen Russland gegeben und welche Rolle spielten die Insel- und Küstenbefestigungen dabei?
Entlang der Ostsee ist im Zeitraum 1885 (Brisanzkrise) bis 1914/18 insgesamt weniger fortifiziert worden als an der (eigentlich kürzeren) Nordseeküste.
Groß ausgebaut und modern fortifiziert bzw. modernisiert (Beton) war Kiel als großer Kriegshafen mit Fortgürtel und Küstenbatterien.
Fehmarn erhielt kaum Fortifizierung, mir sind keine Küstenbatterien bekannt.
Swinemünde, schon vor 1885 preußische Festung, erhielt modernisierte Küstenbatterien.
Die Festung "Weichselmünde" spielte keine Rolle mehr.
Königsberg wurde massiv zur Gürtelfestung ausgebaut, bis in den ersten Weltkrieg hinein permanent modernisiert. Ob auch als Kriegshafen, weiß ich nicht.

Insgesamt scheint mir, dass man Küstenverteidigung im Kaiserreich entlang der Ostsee für weniger relevant als an der Nordsee hielt, aber mit Kiel einen gewaltigen Stützpunkt für maritime Operationen in der Ostsee haben wollte, um flottenmäßig für die Ostsee aufrüsten zu können
 
Zur Küstenverteidigung an der Ostsee von 1908:
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Also wenig Küstenverteidigung, hauptsächlich wegen der starken Flotte.
 

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Um so verwunderlicher ist es, das auf der deutschen Seite das Eisenbahnnetz in Ostpreußen ausgebaut wurde.

Es soll natürlich nicht ausgebaut... heißen.

Aber auch der Bahnhof Königsberg war in keinster Weise wie Otto Below berichtet, für die Kriegsfall ausgebaut worden. Dabei hatte Moltke doch spätestens seit dem Jahre 1912 die Bedrohungslage aus dem Osten immer schlimmer gezeichnet.

Zur Flotte:
Der Reichskriegshafen Kiel lag ziemlich weit weg vom potenziellen Operationsgebiet in der östlichen Ostsee; rund 1000 Kilometer, was Unternehmen zur See nicht gerade vereinfacht haben dürfte. Und 1914 war der Seekrieg in der Ostsee primär ein Minenkrieg.
 
Zuletzt bearbeitet:
Um so verwunderlicher ist es, das auf der deutschen Seite das Eisenbahnnetz in Ostpreußen nicht ausgebaut wurde. Es existierten lediglich 2 zweispurige Linien an die russische Grenze.

Aber auch der Bahnhof Königsberg war in keinster Weise wie Otto Below berichtet, für die Kriegsfall ausgebaut worden. Dabei hatte Moltke doch spätestens seit dem Jahre 1912 die Bedrohungslage aus dem Osten immer schlimmer gezeichnet.

Fragen wir mal anders: Hätte es großartigen Sinn gemacht, das Eisenbahnnetz in Ostpreußen auszubauen? Für das manövrieren mit Truppenkontingenten von eher geringer Größe, gemäß dem West-Aufmarsch, reichten die Eisenbahnkapazitäten im Osten doch vollkommen hin.

Welchen Vorteil hätte man bei einer Ost-Kampagne daraus ziehen können? Auf Grund der anderen russischen Spurbreite kam man mit den eigenen Truppen hüben wie drüben mit der Bahn ja doch nur bis zur Grenze und musste dann zu Fuß und zu Pferde weiter.
Weiß nicht wie es zu dieser Zeit mit der Möglichkeit aussah, Züge auf die andere Spurbreite umzustellen, respektive andere Achsen zu montieren etc. aber selbst wenn man diese Möglichkeiten im zivilen Grenzverkehr schon hatte, werden die Kapazitäten eher begrenzt gewesen sein und keineswegs darauf ausgelegt auf die Weise das Material für ganze Feldzüge durchzuschleusen.
Wenn die aber fehlten, zu was wären mehr Bahntrassen in den Osten dann gut gewesen? Das hätte doch nur dazu geführt, schneller mehr Truppen an die Grenze zu bekommen, die man aber gleichsam dan über unzureichende Infrastruktur hätte schicken müssen und die man erst nach Umbau der russischen Bahntrassen für die eigenen Bedürfnisse einigermaßen hätte versorgen können.

Damit hätte man wahrscheinlich nicht viel mehr Durschlagskraft erziehlt, wohingegen die Russen aber schneller Gegenkräfte hätten mobilisieren und in Stellung hätten bringen können.
Für einen Schwerpunkt im Osten hätten besser ausgebaute Bahnen zur Grenze nicht viel gebracht, so lange man für das Problem mit den Spurbreiten keine Lösung hatte, sondern es hätte nur dazu geführt, dass sich um so mehr Truppen auf dafür nicht geeigneten Straßen gestaut hätten und der Naschschub es um so schwerer gehabt hätte nach vorne zu kommen, wohingegen der Mobilisierungsvorsprung angesichts der langsamen Geschwindigkeit potentieller Vorstöße immer unbedeutender werden musste.

Der Rest war einspurig und auch nicht immer militärischen Bedürfnissen entsprechend. Auch Festungen, die an der Weichsel mal ausgeklammert, beispielsweise Königsberg, wurden nicht modernisiert bzw. instandgesetzt.

Da wäre jetzt die Frage, warum Festungen dort ausbauen? Im Rahmen einer dezidierten Ost-Operation würden die Russen kaum Gelegenheit gehabt haben irgendwo in Ostpreußen einzufallen.
Bei dem, was man an Truppen im Falle eines Westaufmarsches in Ostpreußen aufbieten konnte, war eine Verteidigung ohne die Inkaufnahme mindestens zeitweiliger territorialer Verluste doch ohnehin nicht denkbar?

Das man den Weichselabschnitt so bevorzugt befestigte, erscheint mir auch ein deutliches Anzeichen dafür dass man im Generalstab die Möglichkeit Ostpreußen weitgehend aufzugeben, durchaus einkalkulierte.

Dann wären die Fragen zu stellen:

1. Welche Punkte und Räume hätte man überhaupt sinnvoll befestigen können?
2. Konnte es überhaupt erstrebenswert sein, die Russen aus Ostpreußen heraushalten zu wollen?

Was genau hätte man damit bezwecken wollen Königsberg modernisiert zu befestigen? Welche strategische Bedeutung hatte die Stadt, vorausgesetzt, dass man die Entscheidung in Frankreich suchen wollte und auf diese Weise die Russen überhaupt imstande gewesen wären, in Ostpreußen offensiv zu werden?

Wegen des Problems mit der Spurbreite war die Stadt als Eisenbahnknotenpunkt für die Russen, wohl eher von geringer Bedeutung und der Königsberger Hafen der deutschen Flottenüberlegenheit in der Ostsee und des Haffs wegen, wohl auch eher von geringer Bedeutung für russische maritime Aktionen gewesen.
Kriegswichtige Industrie gab es dort nicht oder kaum und modernisierte Befestigung würde vielleicht eine Einnahme der Stadt durch die Russen verhindert haben aber wohl kaum ihre Beschießung und Beschädigung, wenn es die Russen tatsächlich darauf angelegt hätten.

Warum aber hätten sie das in Ermangelung gesonderter strategischer Bedeutung für die Russen tun sollen? Nachdem die das Bahnnetz ohnehin nicht so ohne weiteres nutzen konnten und es dort nicht wirklich etwas interessantes gab, hätte das Vorgehen der Russen, Modernisierungen hin oder her, doch wahrscheinlich darin bestanden, die Stadt weitgehend rechts liegen zu lassen, vielleicht ein kleineres Detachement zur Belagerung abzustellen und sich sonst auf die bedeutenderen Ziele zu konzentrieren.
Warum hätten sie sich mit Gewalt in einer Weise darauf stürzen sollen, dass Modernisierungen Sinn gemacht hätten?

Einen weiteren strategisch wichtigen Raum schirmte Königsberg ja nun auch nicht ab.

Ich denke, wenn man auf Basis von Befestigungen eine sinnvolle Verteidigung Ostpreußens hätte organisieren wollen, wäre im Osten eine Befestigungslinie Angerburg-Insterburg, entlang der Angerapp und darüber hinaus, wenn man die Gegend nördlich des Pregel hätte schützen wollen, eine Befestigungslinie Insterburg-Tilsit Sinn gemacht, mit dann entweder dem Pregel oder der Memel als natürliche Barriere im Norden.

Eine Befestigung Königsbergs hätte wohl allenfalls im rahmen einer solchen Verteidigungslinie Sinn ergeben, wenn man sich auf den Pregel als nördliche Barriere verlegt, auf die Memel verzichtet und damit sowohl Memel als auch Tilsit und ganz Kleinlitauen, so wie Samland potentiell aufgegeben hätte.
Ob eine solche Linie gegenüber einer unter Einschluss einer Befestigungslinie Insterburg-Tilsit, bei der eine Preisgabe wenigstens Tilsits, des Tilsiter Umlands und Samlands vermieden worden und auf die Memel als Nordbarriere gestützt Königsberg deutlich weiter weg von der Gefahrenzone gelegen hätte, vorzuziehen gewesen wäre, sei mal dahin gestellt.
 
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