Um so verwunderlicher ist es, das auf der deutschen Seite das Eisenbahnnetz in Ostpreußen nicht ausgebaut wurde. Es existierten lediglich 2 zweispurige Linien an die russische Grenze.
Aber auch der Bahnhof Königsberg war in keinster Weise wie Otto Below berichtet, für die Kriegsfall ausgebaut worden. Dabei hatte Moltke doch spätestens seit dem Jahre 1912 die Bedrohungslage aus dem Osten immer schlimmer gezeichnet.
Fragen wir mal anders: Hätte es großartigen Sinn gemacht, das Eisenbahnnetz in Ostpreußen auszubauen? Für das manövrieren mit Truppenkontingenten von eher geringer Größe, gemäß dem West-Aufmarsch, reichten die Eisenbahnkapazitäten im Osten doch vollkommen hin.
Welchen Vorteil hätte man bei einer Ost-Kampagne daraus ziehen können? Auf Grund der anderen russischen Spurbreite kam man mit den eigenen Truppen hüben wie drüben mit der Bahn ja doch nur bis zur Grenze und musste dann zu Fuß und zu Pferde weiter.
Weiß nicht wie es zu dieser Zeit mit der Möglichkeit aussah, Züge auf die andere Spurbreite umzustellen, respektive andere Achsen zu montieren etc. aber selbst wenn man diese Möglichkeiten im zivilen Grenzverkehr schon hatte, werden die Kapazitäten eher begrenzt gewesen sein und keineswegs darauf ausgelegt auf die Weise das Material für ganze Feldzüge durchzuschleusen.
Wenn die aber fehlten, zu was wären mehr Bahntrassen in den Osten dann gut gewesen? Das hätte doch nur dazu geführt, schneller mehr Truppen an die Grenze zu bekommen, die man aber gleichsam dan über unzureichende Infrastruktur hätte schicken müssen und die man erst nach Umbau der russischen Bahntrassen für die eigenen Bedürfnisse einigermaßen hätte versorgen können.
Damit hätte man wahrscheinlich nicht viel mehr Durschlagskraft erziehlt, wohingegen die Russen aber schneller Gegenkräfte hätten mobilisieren und in Stellung hätten bringen können.
Für einen Schwerpunkt im Osten hätten besser ausgebaute Bahnen zur Grenze nicht viel gebracht, so lange man für das Problem mit den Spurbreiten keine Lösung hatte, sondern es hätte nur dazu geführt, dass sich um so mehr Truppen auf dafür nicht geeigneten Straßen gestaut hätten und der Naschschub es um so schwerer gehabt hätte nach vorne zu kommen, wohingegen der Mobilisierungsvorsprung angesichts der langsamen Geschwindigkeit potentieller Vorstöße immer unbedeutender werden musste.
Der Rest war einspurig und auch nicht immer militärischen Bedürfnissen entsprechend. Auch Festungen, die an der Weichsel mal ausgeklammert, beispielsweise Königsberg, wurden nicht modernisiert bzw. instandgesetzt.
Da wäre jetzt die Frage, warum Festungen dort ausbauen? Im Rahmen einer dezidierten Ost-Operation würden die Russen kaum Gelegenheit gehabt haben irgendwo in Ostpreußen einzufallen.
Bei dem, was man an Truppen im Falle eines Westaufmarsches in Ostpreußen aufbieten konnte, war eine Verteidigung ohne die Inkaufnahme mindestens zeitweiliger territorialer Verluste doch ohnehin nicht denkbar?
Das man den Weichselabschnitt so bevorzugt befestigte, erscheint mir auch ein deutliches Anzeichen dafür dass man im Generalstab die Möglichkeit Ostpreußen weitgehend aufzugeben, durchaus einkalkulierte.
Dann wären die Fragen zu stellen:
1. Welche Punkte und Räume hätte man überhaupt sinnvoll befestigen können?
2. Konnte es überhaupt erstrebenswert sein, die Russen aus Ostpreußen heraushalten zu wollen?
Was genau hätte man damit bezwecken wollen Königsberg modernisiert zu befestigen? Welche strategische Bedeutung hatte die Stadt, vorausgesetzt, dass man die Entscheidung in Frankreich suchen wollte und auf diese Weise die Russen überhaupt imstande gewesen wären, in Ostpreußen offensiv zu werden?
Wegen des Problems mit der Spurbreite war die Stadt als Eisenbahnknotenpunkt für die Russen, wohl eher von geringer Bedeutung und der Königsberger Hafen der deutschen Flottenüberlegenheit in der Ostsee und des Haffs wegen, wohl auch eher von geringer Bedeutung für russische maritime Aktionen gewesen.
Kriegswichtige Industrie gab es dort nicht oder kaum und modernisierte Befestigung würde vielleicht eine Einnahme der Stadt durch die Russen verhindert haben aber wohl kaum ihre Beschießung und Beschädigung, wenn es die Russen tatsächlich darauf angelegt hätten.
Warum aber hätten sie das in Ermangelung gesonderter strategischer Bedeutung für die Russen tun sollen? Nachdem die das Bahnnetz ohnehin nicht so ohne weiteres nutzen konnten und es dort nicht wirklich etwas interessantes gab, hätte das Vorgehen der Russen, Modernisierungen hin oder her, doch wahrscheinlich darin bestanden, die Stadt weitgehend rechts liegen zu lassen, vielleicht ein kleineres Detachement zur Belagerung abzustellen und sich sonst auf die bedeutenderen Ziele zu konzentrieren.
Warum hätten sie sich mit Gewalt in einer Weise darauf stürzen sollen, dass Modernisierungen Sinn gemacht hätten?
Einen weiteren strategisch wichtigen Raum schirmte Königsberg ja nun auch nicht ab.
Ich denke, wenn man auf Basis von Befestigungen eine sinnvolle Verteidigung Ostpreußens hätte organisieren wollen, wäre im Osten eine Befestigungslinie Angerburg-Insterburg, entlang der Angerapp und darüber hinaus, wenn man die Gegend nördlich des Pregel hätte schützen wollen, eine Befestigungslinie Insterburg-Tilsit Sinn gemacht, mit dann entweder dem Pregel oder der Memel als natürliche Barriere im Norden.
Eine Befestigung Königsbergs hätte wohl allenfalls im rahmen einer solchen Verteidigungslinie Sinn ergeben, wenn man sich auf den Pregel als nördliche Barriere verlegt, auf die Memel verzichtet und damit sowohl Memel als auch Tilsit und ganz Kleinlitauen, so wie Samland potentiell aufgegeben hätte.
Ob eine solche Linie gegenüber einer unter Einschluss einer Befestigungslinie Insterburg-Tilsit, bei der eine Preisgabe wenigstens Tilsits, des Tilsiter Umlands und Samlands vermieden worden und auf die Memel als Nordbarriere gestützt Königsberg deutlich weiter weg von der Gefahrenzone gelegen hätte, vorzuziehen gewesen wäre, sei mal dahin gestellt.