Hattische Sprache

Leider bin ich erst jetzt auf eure interessante Diskussion gestoßen. Entschuldigt also, wenn ich einiges erneut aufwärme.

Das Hattische gilt meines Wissens als Sprache, welche die Bevölkerung Anatoliens – also die von "Chatti" – vor Einwanderung der Hethiter sprach. Es ist überliefert in einigen Keilschrifttexten der Hethiter, zum Teil mit stark fehlerhaften hethitischen Übersetzungen, sowie indirekt durch Lehnwörter und Namen in hethitischen, palaischen und altassyrischen Texten.

Danach gehört das Hattische zu keiner bekannten Sprachfamilie, und ist weder mit dem hethitischen, noch dem palaischen, luwischen oder sonstigen anatolischen, d.h. indoeuropäischen Sprachen, verwandt.

Hattisch zählt somit zu den altkleinasiatischen Sprachen, d.h. also zu solchen, die weder indoeuropäisch noch semitisch sind. Ich halte es daher für die Sprache der autochthonen kleinasiatischen Bevölkerung vor Einwanderung indoeuropäisch sprechender Bevölkerungsteile.

Ich bin auch nicht der Meinung, dass Anatolien zum Ursprungsraum indoeuropäisch sprechender Völker zählt und halte demzufolge auch wenig von der Anatolien-Theorie. Meines Erachtens spricht nach wie vor vieles für die Kurgan-Theorie der Marija Gimbutas, die ebenso wie die Anatolien-Spekulation noch immer diskutiert wird, ohne dass man genug Beweismaterial für oder gegen diese oder jene Theorie hätte.

Ich vermute, dass erste Indoeuropäer (um einmal vereinfacht zu sprechen) bereits um 2500 v. Chr. in Kleinasien auftauchten und zwar aus dem Raum zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer. Wahrscheinlich gab es mehrere Einwanderungswellen, bis schließlich die Hethiter die Macht übernahmen und die hattisch sprechenden Bevölkerugsteile verdrängten und/oder assimilierten.

Leider muss ich jetzt weg und beteilige mich gern später erneut an eurer Diskussion.
 
Dieter schrieb:
Ich bin auch nicht der Meinung, dass Anatolien zum Ursprungsraum indoeuropäisch sprechender Völker zählt und halte demzufolge auch wenig von der Anatolien-Theorie. Meines Erachtens spricht nach wie vor vieles für die Kurgan-Theorie der Marija Gimbutas, die ebenso wie die Anatolien-Spekulation noch immer diskutiert wird, ohne dass man genug Beweismaterial für oder gegen diese oder jene Theorie hätte.

Genau genommen sind es zwei Anatolien-Theorien; darüber hinaus sind diverse Theorien, die Südost- und Mitteleuropa zum Ursprungsraum zählen, zwar derzeit wenig populär, aber keineswegs widerlegt.
Auf einer Karte, welche die allein zwischen 1960 und 1989 aufgestellten 14 Ursprungstheorien (ohne Atlantis-Spinnereien und dergleichen) darstellt, reichen die hypothetischen "Ursprungsgebiete" von Skandinavien und dem Baltikum bis ins östliche Kasachstan und im Süden sogar bis Ägypten.

Keine einzige dieser Theorien hat es zu einem annähernd lückenlosen und glaubhaften Szenario gebracht.

Aber dies wäre Diskussionsstoff für ein eigenes Thema. (Früher hatten wir das schon öfter, ich weiß nicht, ob noch jemand Lust darauf hat.)





Dieter schrieb:
Ich vermute, dass erste Indoeuropäer (um einmal vereinfacht zu sprechen) bereits um 2500 v. Chr. in Kleinasien auftauchten und zwar aus dem Raum zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer. Wahrscheinlich gab es mehrere Einwanderungswellen, bis schließlich die Hethiter die Macht übernahmen und die hattisch sprechenden Bevölkerugsteile verdrängten und/oder assimilierten.

Von "wahrscheinlich" zu sprechen, scheint mir etwas euphemistisch, solange für diese Wahrscheinlichkeit nur Spekulationen, aber keine handfesten Belege beigebracht werden können.

Ich versuche, mir dieses Szenario vorzustellen:

Unter den "ersten Indoeuropäern" müssen wir uns nicht irgendwelche Indoeuropäer (Proto-Griechen, Proto-Iraner), sondern ganz konkret Proto-Anatolier vorstellen. Und diese müßten dann von einer Region nördlich des Kaukasus ins zentrale Anatolien gekommen sein. (Von dort aus sind sie dann Jahrhunderte später nordwärts vorgestoßen und haben die Zentren der Hatti erobert.)

Also stellen wir uns vor, wie die erste Wanderung der Protoanatolier 2.500 v. Chr. vonstatten gegangen sein muß:

Wenn wir nicht annehmen wollen, daß sie über den Kaukasus kraxeln, müssen wir sie wohl am Ostufer des Schwarzen Meers wandern lassen. In Georgien angelangt, könnten sie nun weiter Kurs halten und nach Aserbaidschan wandern (das tun sie nicht); sie könnten auch Richtung Süden marschieren (das tun sie auch nicht); vielleicht wandern sie auch durch die ostanatolischen Gebirge (da sind Bergpässe von alpinen Dimensionen zu überqueren), oder aber sie bleiben am Ufer des Schwarzen Meeres und wandern westwärts. Nun könnten sie ja immer so weiter wandern - Richtung Bosporus, Richtung Europa, doch nun biegen sie plötzlich nach links ab, durchziehen das Gebiet der Hatti und machen nach ein paar Hundert Kilometern halt. Ende der Wanderung.

100 (bzw. beliebige Zahl einsetzen) Jahre später kommt die zweite Welle. Erneut zieht - nicht irgendwelche Indoeuropäer, keine Proto-Iraner, keine Proto-Griechen, nein - ein Troß Proto-Anatolier das Ostufer des Schwarzen Meers entlang nach Süden. Erneut entschließt sich die Gruppe, nicht nach Osten, nicht nach Süden, sondern nach Westen zu ziehen, und erneut biegen sie auf ihrem Weg nach Westen plötzlich nach links ab, durchziehen das Gebiet der Hatti und treffen dort auf die Auswanderer von anno Dazumal.

Etwelche Jahre später macht sich die nächste Gruppe aus dem Gebiet nördlich des Kaukasus auf den Weg...

Ich halte ein solches Szenario nicht für sehr einleuchtend. Oder wie sollte man sich die Einwanderung "in Wellen" von nördlich des Kaukasus bis ins zentrale Anatolien sonst erklären?
 
hyokkose schrieb:
Ich halte ein solches Szenario nicht für sehr einleuchtend. Oder wie sollte man sich die Einwanderung "in Wellen" von nördlich des Kaukasus bis ins zentrale Anatolien sonst erklären?

1. Wieso müssen wir von drei vollkommen unabhängigen Wellen ausgehen? Reicht es nicht, dass sich die drei Gruppen, die später als Hethiter, Luwier und Palaer auftauchen sollten, irgendwo auf halbem Wege getrennt haben? Sie scheinen sich ja als Proto-Anatolier gemeinsam von der PIE-Restmenge gelöst zu haben ...

2. Die Anatolien-These löst nicht das Problem, dass die restlichen PIEs ja irgendwo anders hingezogen sein müssen. Von dort haben sich dann die Proto-Griechen in die eine, die Indo-Iraner in die andere Richtung begeben.

3. Wären die "Inder" durch Mesopotamien gezogen, hätte das doch eine der Schriftkulturen "dort unten" mitbekommen, oder?

4. Vor dem Reich der Hethiter gab es Tausend Jahre lang kleine Machtzentren mit ziemlich enger und geradliniger Entwicklung. Mit der Reichsgründung kommt plötzlich die Schrift nach Anatolien, der Streitwagen, ein Verwaltungswesen, und das geschmiedete Eisen ... seltsam, oder?
 
Wir wissen es nicht, und können meist auch keine Ahnung haben wer wem, und ob überhaupt "kulturell Überlegen" war.
Wenn wir uns hier nicht wom Wunschdenken verleiten möchten, wäre es evtl. klug, wenn wir die regionale kulturänderungen etwa als "Spiel der Zeit", und nicht als "Game of Winner" behandeln.
Aus der heutigen Aspekt sind auch Kulturen mit weniger Inhalt nicht weniger wertvoll, und emanzipiert. Also, um bestimmen zu können, wer "damals Kulturell im Führung war" , müssen wir erst zwangslaufig einen kulturellen Rückschritt akzeptieren, um überhaupt so eine Aussage machen zu können.

Das ist und bleibt wertend, auch wenn wir es nicht so meinen. Sumer ist plötzlich "verschwunden", trotzdem lebte es im Akkadischen weiter. Das tat es sogar bereits, wo es noch gar nicht verschwunden war.
Hier wurde auch niemand verdrängt, sodern vielmehr: Die Zeit war um, weil das ein kulturhöhenflug auch beinhaltet.
Mohamed Ali wurde auch nicht verdrängt,nur seine Zeit als Boxer war um, andere kamen, nicht bessere, jüngere. So bleibt es sportlich-fair, und trotzdem die Wahrheit.
 
Pope schrieb:
1. Wieso müssen wir von drei vollkommen unabhängigen Wellen ausgehen? Reicht es nicht, dass sich die drei Gruppen, die später als Hethiter, Luwier und Palaer auftauchen sollten, irgendwo auf halbem Wege getrennt haben? Sie scheinen sich ja als Proto-Anatolier gemeinsam von der PIE-Restmenge gelöst zu haben ...

Die einen wären dann an der Ostküste des Schwarzen Meers entlang, die Alpinisten wären in die Berge gekraxelt, die dritte Gruppe wäre am Westufer das Schwarze Meer entlang gewandert und hätte den Bosporus überquert, und in Anatolien hätten sie sich wie verabredet wieder getroffen?


Pope schrieb:
2. Die Anatolien-These löst nicht das Problem, dass die restlichen PIEs ja irgendwo anders hingezogen sein müssen.

Richtig. Es gibt bisher überhaupt keine These, die das Problem löst.


Pope schrieb:
3. Wären die "Inder" durch Mesopotamien gezogen, hätte das doch eine der Schriftkulturen "dort unten" mitbekommen, oder?

Die "Inder" (Indo-Iraner) haben im nordwestlichen Mesopotamien ihre ersten schriftlichen Spuren hinterlassen, nämlich das sogenannte "Mitanni-Arisch".


Pope schrieb:
4. Vor dem Reich der Hethiter gab es Tausend Jahre lang kleine Machtzentren mit ziemlich enger und geradliniger Entwicklung. Mit der Reichsgründung kommt plötzlich die Schrift nach Anatolien, der Streitwagen, ein Verwaltungswesen, und das geschmiedete Eisen ... seltsam, oder?
Nun ja, woher die Schrift kam, ist ja eindeutig. Und da, wo sie herkam, gab es auch schon länger ein Verwaltungswesen.
Die Eisenzeit kam erst später. Bei einem Zeitrahmen, der 1000 Jahre umspannt, ist das Wort "plötzlich" ein bißchen fehl am Platz.
 
tamas schrieb:
Das ist und bleibt wertend, auch wenn wir es nicht so meinen.

Ich meine es wirklich nicht so. Das Beispiel mit der "englischen" Popkultur sollte es Dir gezeigt haben. Aber ich sehe, daß Du da emotionale Probleme damit hast.


tamas schrieb:
Hier wurde auch niemand verdrängt, sodern vielmehr: Die Zeit war um, weil das ein kulturhöhenflug auch beinhaltet.

Das ist ja nun wirklich keine Erklärung. Wer bestimmt denn, wann die "Zeit um" ist? Pfeift ein Schicksals-Schiri ab, oder läuft ein unerbittlicher Countdown?
 
hyokkose schrieb:
Ich meine es wirklich nicht so. Das Beispiel mit der "englischen" Popkultur sollte es Dir gezeigt haben. Aber ich sehe, daß Du da emotionale Probleme damit hast.
Habe ich nicht, und du warst gar nicht gemeint.
Ich glaube auch nicht, das du dich hier emotional (wie auch immer) mitreissen lässt,allerdings habe ich nicht den Eindruck, das es jeden kalt lässt.
Meine "emotionale Verbindlichkeiten" (probleme habe ich keine) liegen gänzlich anderswo, und unter Kontrolle.

hyokkose schrieb:
Das ist ja nun wirklich keine Erklärung. Wer bestimmt denn, wann die "Zeit um" ist? Pfeift ein Schicksals-Schiri ab, oder läuft ein unerbittlicher Countdown?
Es ist keine Erklärung, sondern eine beschreibung. Jede Kultur dankt irgenwann ab. Daran muss kein anderer schuld sein, es kann einfach an "überreife" sein, was letztlich schwächt. Ist doch wirklich nichts fremdes...
 
Ein eigener Thread für die Indoeuropäer fände ich auch am besten und würde mich natürlich auch interessieren.

Pope schrieb:
2. Die Anatolien-These löst nicht das Problem, dass die restlichen PIEs ja irgendwo anders hingezogen sein müssen. Von dort haben sich dann die Proto-Griechen in die eine, die Indo-Iraner in die andere Richtung begeben.
Cavalli-Sforza hat meiner Meinung nach die bisher beste These für die Ausbreitung der indoeuropäischen Sprache aufgestellt. Die Anatolien-These muß die Kurgan-These eben nicht ausschließen. Wie Renfrew behauptet, könnten die ersten Indoeuropäer in der Verlängerung des fruchtbaren Halbmondes im anatolischen Hochland gelebt haben und dort den Ackerbau eingeführt sowie Catal Hüyük erbaut haben. Von dort haben sie sich langsam über die restlichen Teile Anatoliens nach Europa ausgebreitet und entwickelten zusammen mit der einheimischen Bevölkerung die neu entstehenden Kulturen (wie Bandkeramik oder auch die Kurgan-Kultur). Von den indoeuropäischsprachigen Steppennomaden kann dann eine zweite Wanderung ausgegangen sein, die vielleicht nochmal nach Europa führte aber auf jeden Fall die Indo-Arier in die drawidisch sprechenden Gebiete führte.
 
tamas schrieb:
Habe ich nicht, und du warst gar nicht gemeint.

Dann nehme ich die Bemerkung zurück, ich will nicht persönlicher werden als nötig.

tamas schrieb:
Es ist keine Erklärung, sondern eine beschreibung.

Dann sind wir uns soweit einig.

Gesucht war allerdings nach Erklärungen, warum sich eine neue Sprache gegenüber einer alteingesessenen durchsetzt. Da hilft die Beschreibung, daß so etwas nun einmal von Zeit zu Zeit vorkommt, nicht wirklich weiter.
 
hyokkose schrieb:
Die einen wären dann an der Ostküste des Schwarzen Meers entlang, die Alpinisten wären in die Berge gekraxelt, die dritte Gruppe wäre am Westufer das Schwarze Meer entlang gewandert und hätte den Bosporus überquert, und in Anatolien hätten sie sich wie verabredet wieder getroffen?

Wieso verabredet? Gruppe ABC spaltet sich von X ab und wandert an den Bosporus. A überquert ihn 3.200 v.Chr., B 2.900 v.Chr., C 2.600 v.Chr. Während C sich länger mit der Urbevölkerung am Bosporus vermengte, vermischte sich A länger mit der Bevölkerung Anatoliens... Alle drei Sprachen haben sich also gleich "weit" vom Ursprung X entfernt, jede trotzdem eine eigene Entwicklung durchgemacht. (Ob sich das empirisch am Luwischen, Palaischen und Hethitischen auch belegen lässt, weiss ich nicht)

hyokkose schrieb:
Die "Inder" (Indo-Iraner) haben im nordwestlichen Mesopotamien ihre ersten schriftlichen Spuren hinterlassen, nämlich das sogenannte "Mitanni-Arisch".

Ist "Mitanni-Arisch" ein direkter Vorläufer des Indo-Iranischen?

hyokkose schrieb:
Nun ja, woher die Schrift kam, ist ja eindeutig. Und da, wo sie herkam, gab es auch schon länger ein Verwaltungswesen.
Die Eisenzeit kam erst später. Bei einem Zeitrahmen, der 1000 Jahre umspannt, ist das Wort "plötzlich" ein bißchen fehl am Platz.

Über die 1000 Jahre könnten wir streiten, vielleicht waren es "nur" 500. Aber was Du sicherlich nicht bestreiten wirst, ist die Tatsache, dass mit der Machtübernahme der Hethiter eine fortschrittsorientierte, innovative und expansionistische Gesellschaft aufgetaucht ist, die sich doch stark von jener der Vorgeschichte abhebt.
 
Pope schrieb:
Über die 1000 Jahre könnten wir streiten, vielleicht waren es "nur" 500. Aber was Du sicherlich nicht bestreiten wirst, ist die Tatsache, dass mit der Machtübernahme der Hethiter eine fortschrittsorientierte, innovative und expansionistische Gesellschaft aufgetaucht ist, die sich doch stark von jener der Vorgeschichte abhebt.
Die Alaca-Alischar-Kultur hatte um 3000 v.Chr. seine Anfänge und entwickelte sich quasi kontinuirlich weiter bis zu den hethitischen Fürstentümern.
Der einzige mögliche Zeitpunkt einer indoeuropäischen Invasion wäre 2300 v.Chr. wegen den gefundenen Brandspuren, welcher aber keinen kulturellen Bruch erzeugte. Genau so gut könnte es einen Krieg untereinander gegeben haben, wie auch zur Zeit der von den Assyrern belegten Fürstentümer.
Das Ende der Fürstentümer kam um 1700 v.Chr. als sich das hethitische Großreich zu bilden begann.

Die ersten Versuche Erz aus Eisen herzustellen fanden schon um die Mitte des 3. Jahrtausends in Alaca statt. In größerem Ausmaß wurde sie aber erst um 1500 v. Chr. bekannt.

Von einem plötzlichen erscheinen der Hethiter und der Eisenwaffen kann man also wirklich nicht reden, es liegen wohl wirklich eher 1000 Jahre dazwischen.
Dass die Hethiter so plötzlich expansionistisch wurden ist auch nicht so verwunderlich. Nach der Vereinigung der Fürstentümer, die mehr oder weniger ständig im Krieg lagen, konnten sich die Hethiter auf andere Gegner konzentrieren.
 
Zuletzt bearbeitet:
In dieser Diskussion kommen die Hattier entschieden zu kurz, die meines Erachtens die alteingesessene nichtindogermanische Bevölkerung Anatoliens repräsentierten.

Hyokkose hat "Einwanderungswellen" der Indoeuropäer bezweifelt, sodass man vielleicht von einem kontinuierlichen Einsickern indoeuropäischer Bevölkeungselemente sprechen sollte, die etwa um 1800 v. Chr. ihr Reich gründeten, nachdem sie zuvor die einheimischen kleinen hattischen Fürstentümer ausgeschaltet hatten. Vielleicht bestanden diese Fürstentümer auch noch eine gewisse Zeit in tributärer Abhängigkeit fort, bis die Hattier schließlich ihre Sprache und Identität im Verlauf eines längeren Zeitraums aufgaben.

Die Einwanderung der Indoeuropäer nach Kleinasien – um auch das einmal versuchsweise durchzuspielen – erfolgte möglicherweise von ihren von mir postulierten Sitzen in den Steppengebieten nördlich des Schwarzen Meers entlang der östlichen Schwarzmeerküste. Das wäre in der Phase der Maikopkultur geschehen, d.h. in der zweiten Hälfte des 3. Jahrtausends, die unter anderem durch Grabhügel bzw. "Kurgane" gekennzeichnet ist. Nachdem diese Bevölkerungsgruppen ihren Weg vielleicht über Maikop entlang der östlichen Schwarzmeerküste genommen hatten, ließen sie sich im Raum des mittleren Kleinasien nieder. Fassbar werden diese Gruppen später aufgrund ihrer Sprachreste als Luwier, Palaer und natürlich Hethiter, die gewiss alle eng zusammengehörten. Jüngeren Datums ist Lydisch und Lykisch, das auch zur hethitisch-luwischen Sprachgruppe zählt.

Überhaupt nicht vorstellbar ist für mich die These, dass die seit dem 6. Jahrtausend von Vorderasien/Kleinasien nach Europa strömenden Bauernvölker – die Bandkeramiker – Indoeuropäer gewesen sein sollen, die auf diesem Wege ihre indoeuropäische Sprache in Europa verbreitet hätten. Aber diese Diskussion müsste wohl in einem neuen Thread "Urheimat der Indoeuropäer" geführt werden.
 
Pope schrieb:
Wieso verabredet?

Nicht verabredet, sondern "wie" verabredet.


Pope schrieb:
Gruppe ABC spaltet sich von X ab und wandert an den Bosporus. A überquert ihn 3.200 v.Chr., B 2.900 v.Chr., C 2.600 v.Chr.

Das ist aber nicht das Szenario, das Dieter beschreibt.

Sein bisheriges Szenario ging so, daß die ersten Indoeuropäer in Kleinasien 2.500 aufgetaucht sind, und zwar aus dem Raum zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer. Nicht vom Bosporus.

Nun haben wir folgende neue Variante:

Dieter schrieb:
Hyokkose hat "Einwanderungswellen" der Indoeuropäer bezweifelt, sodass man vielleicht von einem kontinuierlichen Einsickern indoeuropäischer Bevölkeungselemente sprechen sollte, die etwa um 1800 v. Chr. ihr Reich gründeten, nachdem sie zuvor die einheimischen kleinen hattischen Fürstentümer ausgeschaltet hatten.
[...]
Die Einwanderung der Indoeuropäer nach Kleinasien – um auch das einmal versuchsweise durchzuspielen – erfolgte möglicherweise von ihren von mir postulierten Sitzen in den Steppengebieten nördlich des Schwarzen Meers entlang der östlichen Schwarzmeerküste. Das wäre in der Phase der Maikopkultur geschehen, d.h. in der zweiten Hälfte des 3. Jahrtausends, die unter anderem durch Grabhügel bzw. "Kurgane" gekennzeichnet ist. Nachdem diese Bevölkerungsgruppen ihren Weg vielleicht über Maikop entlang der östlichen Schwarzmeerküste genommen hatten, ließen sie sich im Raum des mittleren Kleinasien nieder.

Anstelle der Einwanderungswellen wäre mit einem kontinuierlichen Einsickern zu rechnen. Wir hätten also eine feste Route, auf der jahrhundertelang (?), Jahr für Jahr Trecks mit protoanatolischen Einwanderer nach Süden ziehen und dann zielstrebig ins anatolische Hochland abzweigen.

Bemerkenswerterweise sammeln sie sich nicht im Norden und im Osten Anatoliens an, wie eigentlich zu erwarten wäre, sondern sie sickern an den Hatti vorbei oder gar durch das Land der Hatti hindurch, bis sie am anderen Ende wieder herauskommen: Die Hethiter südlich der hattischen Kerngebieter, die Palaier westlich der hattischen Kerngebiete, und die Luwier noch weiter südlich und westlich.

Sehr viel plausibler ist das nicht.



Dieter schrieb:
In dieser Diskussion kommen die Hattier entschieden zu kurz, die meines Erachtens die alteingesessene nichtindogermanische Bevölkerung Anatoliens repräsentierten.

Womit belegst Du die These, daß die Hattier alteingesessen sind?

Soweit ich informiert bin, werden die Hattier um 2.300 v. Chr. archäologisch faßbar, und zwar als eine Gesellschaft mit deutlich aristokratischen Zügen.

Ich behaupte mal, sie sind um 2.300 v. Chr. eingewandert (dazu würden die von Witege erwähnten Brandspuren passen) und haben sich zu Herren der einheimischen Bevölkerung aufgeschwungen.

Das klingt doch viel plausibler als die Sickertheorien von der jahrhundertelangen klammheimlichen Unterwanderung.


Was das eigentliche Thema "Hattische Sprache" betrifft, muß ich diesmal leider passen. Es gibt dazu nur wenige wissenschaftliche Bücher, und die sind für mich nur per Fernleihe erreichbar.
 
Meine Vermutung, dass es sich bei den Hattiern um die eingesessene Bevölkerung handelt, resultiert aus der völlig unbekannten und nirgends zuzuordnenden Sprache.

Es muss vor allen Indoeurpäern eine mittelmeerische Sprache gegeben haben, die ja auch in Griechenland als Substrat fassbar ist, und die wohl auch in Kleinasien gesprochen wurde. Zu diesen Autochthonen, deren Sprachen nur noch schemenhaft aufscheinen und zu denen vielleicht auch die Kreter und das Minoische gehören, möchte ich auch die Hattier zählen.

Wir wissen doch von Stätten hoher Kultur wie Catal Hüyük oder Hacilar, die bereits weit entwickelt waren, und die – wenn auch nicht bruchlos – in die Zeit um 2000 v. Chr. hineinragen könnten. Warum sollten die Hattier von irgendwoher gekommen sein und nicht Autochthone sein?
 
Dieter schrieb:
Es muss vor allen Indoeurpäern eine mittelmeerische Sprache gegeben haben, die ja auch in Griechenland als Substrat fassbar ist, und die wohl auch in Kleinasien gesprochen wurde.

Mir ist der Sinn dieser Argumentation nicht ganz klar. Wir haben es mit einer ganzen Reihe von Sprachen zu tun, die z. T. wohl gar nichts miteinander zu tun haben. Die Frage "autochthon oder nicht" ist in jeder Region bei jeder Sprache einzeln zu stellen, die kann man nicht gut in einen Topf werfen.


Dieter schrieb:
Warum sollten die Hattier von irgendwoher gekommen sein und nicht Autochthone sein?

Dieselbe Frage habe ich ja immer bei den Altanatoliern gestellt: Warum eigentlich nicht?

Doch diesmal möchte ich wissen, warum ausgerechnet die Hattier, deren Sprache sich keiner anderen bekannten am Mittelmeer zuordnen läßt, autochthon gewesen sein sollen.
 
hyokkose schrieb:
Gesucht war allerdings nach Erklärungen, warum sich eine neue Sprache gegenüber einer alteingesessenen durchsetzt. Da hilft die Beschreibung, daß so etwas nun einmal von Zeit zu Zeit vorkommt, nicht wirklich weiter.

Ich dachte eigentlich , gesucht wird nach der Sprachliche zugehörigkeit der Hattier , aber die "Kulturelle verdrängung durch Indogermanen" scheint manche mehr zu kitzeln als die Ursprüngliche Fragestellung.
Oder wie auch Dieter schreibt:
Dieter schrieb:
In dieser Diskussion kommen die Hattier entschieden zu kurz,...
Dieter hat es besser ausgedrückt, ich wollte vorsichtiger sein.
 
tamas schrieb:
Ich dachte eigentlich , gesucht wird nach der Sprachliche zugehörigkeit der Hattier , aber die "Kulturelle verdrängung durch Indogermanen" scheint manche mehr zu kitzeln als die Ursprüngliche Fragestellung.

Nun ja, über die sprachliche Zugehörigkeit der Hattier läßt sich eben nichts bestimmtes sagen.

Daß die Kultur der Hattier von den (zufälligerweise indoeuropäischen) Hethitern weitgehend übernommen wurde, während die hattische Sprache verdrängt wurde, ist immerhin ein historisches Faktum.
 
Dieter schrieb:
Ich bin auch nicht der Meinung, dass Anatolien zum Ursprungsraum indoeuropäisch sprechender Völker zählt und halte demzufolge auch wenig von der Anatolien-Theorie. Meines Erachtens spricht nach wie vor vieles für die Kurgan-Theorie der Marija Gimbutas, die ebenso wie die Anatolien-Spekulation noch immer diskutiert wird, ohne dass man genug Beweismaterial für oder gegen diese oder jene Theorie hätte.

Ich vermute, dass erste Indoeuropäer (um einmal vereinfacht zu sprechen) bereits um 2500 v. Chr. in Kleinasien auftauchten und zwar aus dem Raum zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer. Wahrscheinlich gab es mehrere Einwanderungswellen, bis schließlich die Hethiter die Macht übernahmen und die hattisch sprechenden Bevölkerugsteile verdrängten und/oder assimilierten.

Lieber Dieter,

ich sehe es ähnlich wie Du. Keine der anderen Theorien sind bisher bewiesen worden, auch nicht die Anatolientheorien.
Bis zum Beweis des Gegenteils sollte man sich an das halten, was man bisher schon weiß. Die Ausgrabungen in Osteuropa und Mittelasien stehen aufgrund des früher herrschenden Ost/Westkonfliktes erst am Anfang.:grübel:
 
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