Zwar ist der Höhepunkt der Diskussion in diesem Thread schon ein Jahr alt (und älter), und ich weiß nicht, ob wichtige Diskussionsteilnehmer wie Quintus Fabius, Tib. Gabinius und Princeps noch an Bord sind; ich möchte dennoch noch ein Posting anfügen (ein längeres...).
Zuerst: Ich bin bisher immer davon ausgegangen, dass die klassische griechische Phalanx den Speer einhändig mit der Rechten führte, den Schild in der Linken (und habe das auch in allen Darstellungen und Rekonstruktionen so gesehen).
Die Argumente, die von Quintus Fabius und Tib. Gabinius angeführt wurden, sind allerdings recht überzeugend. Sie haben mir einen neuen Einblick in die Funktion und mehr noch die Entwicklung der Phalanx gewährt.
Der Behauptung von Quintus Fabius allerdings, der zweihändig geführte Speer sei „die Norm“ gewesen, muss ich widersprechen. Ich werde mich allerdings ganz auf das 5. Jh. Und auf die nichtspartanischen Poleis konzentrieren; zu den Spartiaten komme ich ganz zum Schluss.:
Die Eigentümlichkeit der Phalanx
Der Hauptvorteil, ihre Eigentümlichkeit, wenn man so will, liegt nicht in den Offensivwaffen (Speere), sondern in den Defensivwaffen, also Rüstung und Schild. Standen die Hopliten eng beisammen, so wurde jeder einzelne nicht nur durch den eigenen Schild gedeckt, sondern auch durch den seines rechten Nachbarn. Es entstand eine Schutz, der praktisch gesamten Körper umfasste (Rumpf durch den Schild, Kopf durch den Helm, Idealerweise einen korinthischen mit Gesichts- und Halsschutz, Beine durch Beinschienen).
Dieser Ganzkörperschutz war entscheidend für die Funktion der Phalanx.
In der Phalanx tritt uns zum erstmalig ein Heer auf, dass ausschließlich als geschlossener Truppenkörper agiert (wurde ja immer wieder drauf hingewiesen, war die Phalanx durchbrochen, war die Schlacht verloren). Etwaige Vorläufer in Mesopotamien mag es gegeben haben, sie sind aber nicht so dokumentiert, dass man sie auswerten könnte.
Kämpfen in Formation ist nicht leicht, sie bedarf der Übung und der Disziplin. Außerdem verliert der einzelne Kämpfer hier vieles, was ihm vorher das Leben retten konnte (z.B die Möglichkeit zur individuellen Flucht). Ausgeglichen wurde das mE durch den erhöhten Schutz, den die Formation bot. Dieser würde durch Schrägstellung der Schilde verloren gehen (zumindest teilweise).
(Anm.: Dies war erst möglich, als genug Kämpfer den Reichtum hatten, sich eine entspr. Rüstung auch leisten zu können, aber auf soziale & wirtschaftliche Punkte will ich nicht eingehen).
Dass dieser Schutz einen sehr hohen Stellenwert hatte, zeigen mE (neben dem Schild selbst) auch die Tatsache, dass zur Ausrüstung jedes Hopliten Beinschienen gehörten (eine Schuitzwaffe von sonst eher untergeordneter Bedeutung).
Der Kampf zwischen Phalangen
Wie wurde nun der Kampf zwischen zwei Phalangen geführt und wie wurden die Speere gehalten? Zweiteres halte ich für zweitrangig. Wie oben dargestellt kommt es auf die Waffenwirkung nicht an, zumal ja beide Seiten den fast perfekten Schutz der Phalanx besaßen. Das Gefecht wurde als Geschiebe geführt, Schild an Schild stehend. Der Speer konnte schon wegen seiner Länge in dieser Situation überhaupt nicht helfen (und könnte in aufrechter Position gehalten worden sein; oder er wurde fallen gelassen und dafür zum Schwert gegriffen). War eine Formation durchbrochen, so war die Schlacht verloren, und wurden die Geschlagenen hart verfolgt entstanden nun die großen Verluste.
Solange der große Schild (Ich kenn dafür auch die Bezeichnung Hoplon, neben Aspsi; ist das wirklich falsch?) verwandt wurde muss man davon ausgehen, dass nur eine maximale Deckung (keine Schrägstellung) dessen Gebrauch rechtfertigt (die Dinger sind groß, schwer und sperrig!).
Die Entwicklung hin zur Sarissa
Interessant finde ich die Möglichkeit, den Speer zweihändig zu führen, im Hinblick auf die Entwicklungslinien, die von klasisch-griechischen Phalanx über die Hopliten bei Iphikrates bis zur makedonischen Phalanx reicht. Dabei ist die Tendenz klar (immer kleinere Schilde, immer längere Speere, die schon im 4. Jh. Bei Iphikrates nur zweihändig geführt werden können). Wie kann es dazu gekommen sein?
Hierzu die (oben versprochene) Betrachtung Spartas. Die Spartiaten unterschieden sich durch die griechisch „Norm“ durch hervorragende Ausbildung, also größere Disziplin und mehr Übung beim Waffengebrauch. Hier wird das von Quintus Fabius geschilderte Bild anschaulicher, denn diesen Spartiaten ist eher zuzutrauen, auf den erhöhten Schutz der geschlossenen Phalanx zu verzichten. Auch der Versuch, oben beschriebenes Geschiebe mehr in die Form eines Kampfes zu verwandeln wäre logisch, da hier die Spartaner einen natülich Vorteil hatten.
Vielleicht (Vorsicht, These!) haben spartanische Hopliten wirklich irgendwann angefangen, den Speer zweihändig zu führen (die Messenischen Kriegen halte ich für sehr früh angesetzt, da gab’s de ganze Sachen mit den überlappenden Schilden ja erst kurze Zeit, aber das ist wirklich Spekulation).Der zweihändige Einsatz hätte den Spartanern erlaubt, ihre Speere zu verlängern, was wiederum ein Vorteil war.
Ich glaube nicht, dass andere diese Kampfweise übernommen haben (außer „Elitetruppen“ wie Thebens Heilige Schar vielleicht), da ich (wie oben dargestellt) hierfür die Voraussetzungen nicht sehe. Erst die durch die Reformen des Iphikrates konnte diese Kampfform adaptiert werden, wenn auch mit einer leicht differierenden Ausrüstung.
Der Schild wurde kleiner. Vielleicht, weil für nicht bestens geschulte Kämpfer eine Kampf mit großem Schild und zweihändig geführter Lanze zu kompliziert war; vielleicht hätten die Hopliten auch weiterhin den Speer nicht doppelhändig gefasst, wenn sie immer noch die Möglichkeit hatten, sich hinter ihrem großen Schild einigermaßen sicher zu fühlen. Dafür wurden, als Ausgleich, die Speere länger, um den Verlust an Sicherheit zu kompensieren.