Hunnen und die kimbrische Halbinsel

Irgendwie weichst Du beharrlich meiner Frage aus, wieso Ammianus ein so wichtiges zeitgenössisches Ereignis wie den Angriff der Hunnen auf das Greutungenreich einfach erfunden haben sollte.
 
Irgendwie weichst Du beharrlich meiner Frage aus, wieso Ammianus ein so wichtiges zeitgenössisches Ereignis wie den Angriff der Hunnen auf das Greutungenreich einfach erfunden haben sollte.

Irgendwie scheinst du meine Beiträge nicht zu lesen. Ich habe nie abgestritten, dass Hunnische Gruppen um 375 westlich der Wolga aufgetaucht sind, wo damals Gotische Völker siedelten. Bestritten habe ich die Existenz eines Großreiches unter Ermanarich. Möglicherweise war dieser einer von etlichen Kleinkönigen, aber niemals der Herrscher über alle Greutungen. Und eine Familienbande zu Valamirs und damit Theoderichs Sippe ist sehr unwahrscheinlich.
Ein einheitliches Hunnenheer unter gemeinsamer Führung gab es wohl auch kaum, damit auch nicht "den" Angriff auf die Goten.

Was ich dir keinesfalls beantworten kann, ist die Frage nach Motivation und Quellen des Ammianus. Das wäre auch erstaunlich.
 
Wenn Ermanarich nur ein unbedeutender Kleinkönig war, wieso sollte Ammianus dann so ein Großereignis aus dem Angriff der Hunnen auf dessen Gebiet machen? Immerhin lag das bei der Abfassung seines Werkes erst ein paar Jahre zurück. Ein nicht existentes Großreich und seine Zerstörung kann man erfinden, wenn das schon ein paar Jahrhunderte her sein soll, aber nicht in einem so kurzen Zeitraum. Er schrieb schließlich nicht für irgendwelche bildungsferne Schichten, sondern für ein gebildetes Publikum, das sich großteils wohl einigermaßen für die aktuelle Politik interessierte. Die einzig denkbare Motivation wäre, dass er seine Leser für dumm verkaufen wollte, aber dazu ist der Rest seines Werkes zu seriös.

Man kann nicht einfach den zeitgenössischen Bericht eines ansonsten seriösen Autors für eine Erfindung erklären, bloß weil er nicht ins eigene bzw. Heathers Geschichtsbild passt. Wenn schon, dann muss man eine Begründung dafür liefern, wieso Ammianus in diesem Punkt unglaubwürdig sein soll.
Sofern man eine Quelle nicht mit guten Gründen für unglaubwürdig erklären kann, muss man die Theorie an die Quellen anpassen, aber man kann nicht einfach eine Theorie formulieren und alle Quellen für unglaubwürdig erklären, nur weil sie nicht zur Theorie passen.
 
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Wenn schon, dann muss man eine Begründung dafür liefern, wieso Ammianus in diesem Punkt unglaubwürdig sein soll.

Wenn Ammianus so ein seriöser Autor war, dann stimmen alos auch seine Behauptungen, dass Hunnen sich von rohem Fleisch ernährten und so etwas wie Familien nicht kannten?

Du kannst dir nicht einfach etwas herauspicken und für seriös erklären, weil es eben gerade deinem Geschichtsbild entspricht. Gerade der gesamte Hunnenexkurs besteht fast ausschließlich aus Topoi und Ammenmärchen, basiert zum Teil auf den Skythenbeschreibungen des Aristheas.
Stickler meint dazu:
Stickler schrieb:
Wer "die Hunnen" wirklich gewesen sind, erfahren wir durch Ammianus' gehässige Darstellung gerade nicht. Sie verstellt unseren Blick auf die Sache eher, als dass sie ihn erklärt
 
Wenn Ammianus so ein seriöser Autor war, dann stimmen alos auch seine Behauptungen, dass Hunnen sich von rohem Fleisch ernährten und so etwas wie Familien nicht kannten?

Das ist durchaus denkbar. In den Überlieferungen heißt es ja, daß die Hunnen das Fleisch unter den Sattel legten und stundenlang darauf ritten. Wissenschaftler haben das einmal in der Praxis überprüft und das Ergebnis war, daß das Fleisch danach auch für Probanden in der heutigen Zeit absolut genießbar ist. Es nicht dann nicht mehr wie roh.
 
Wenn Ammianus so ein seriöser Autor war, dann stimmen alos auch seine Behauptungen, dass Hunnen sich von rohem Fleisch ernährten und so etwas wie Familien nicht kannten?

Du kannst dir nicht einfach etwas herauspicken und für seriös erklären, weil es eben gerade deinem Geschichtsbild entspricht.
Es macht doch wohl einen Unterschied, ob Details über das Leben der Hunnen (möglicherweise) fehlerhaft sind oder ob der komplette Bericht über die Zerschlagung eines von einem König Ermanarich beherrschten Greutungenreiches durch die Hunnen erfunden ist. (Genausogut könnte man aus dem Umstand, dass die Darstellung der Lebensweise der Germanen bei den römischen Historikern im Detail mitunter fehlerhaft ist, schließen, dass es die Kriege der Römer gegen die Germanen nie gab.) Ammianus hing nicht persönlich bei den Hunnen herum, er kannte ihre Lebensweise also vermutlich nicht aus eigener Anschauung. Sehr wohl aber gehörte er zur gebildeten Oberschicht und hatte Kontakt zur Führung des Reiches, da wird er wohl mitbekommen haben, was sich in der Umgebung des Reiches so tut - und seine gebildeten Leser auch. Generell gilt Ammianus als einer der zuverlässigsten Historiker der Antike.

Gerade der gesamte Hunnenexkurs besteht fast ausschließlich aus Topoi und Ammenmärchen, basiert zum Teil auf den Skythenbeschreibungen des Aristheas.
Die Hunnen waren ebenso wie die Skythen ein Reitervolk in der Steppe. Warum also soll es nicht Ähnlichkeiten im Lebensstil gegeben haben? Da muss man nicht gleich annehmen, dass Ammianus einfach den Aristeas in sein Werk kopiert hat.
 
Goten, Amaler und Peter Heather

@tejason
Warum sollte Heathers Ansatz zur "Fraktionierung" der Goten falsch sein? Wie anders sind die vielen unabhängig voneinander operierenden Einheiten an allen Ecken des Reiches zu erklären?
Ob Ermanarich wirklich "Amaler" war? Heute wird meist davon ausgegangen, dass erst mit Valamir die Amaler an die Macht kamen, nach 454. Jordanes (bzw. Cassiodor?) scheut sich ja auch nicht, als Echo einen Hunnenkönig Balamir zu erfinden, den er in Ermanarichs Nähe rückt.
Natürlich war die Loyalität der Germanen zu den Hunnen gekauft, genau davon ist ja oben die Rede. Der Preis war hervorragend!

Heather steht mit solchen Aussagen zu den Goten im Widerspruch zu anderen Experten, darunter auch Herwig Wolfram, der von einer gewissen Geschlossenheit der östlichen Goten vor Auftauchen der Hunnen ausgeht. Wer außer Heather lässt denn die Amaler ebenfalls erst mit Valamir beginnen? Eher wird zwischen „älteren“ und „jüngeren“ Amalern unterschieden. Es spricht doch eigentlich kaum etwas gegen diese klassische Annahme, einer weiter verzweigten Amalersippe? Die offensichtlichen Auflösungserscheinungen und Sonderwege, diverser gotischer Gruppierungen (vor allem der Östlichen!) traten in diesem Ausmaß erst nach dem Auftauchen der Hunnen auf. Vorher sind derartig tiefgreifende Fraktionierungen eben nicht überliefert und es gibt keinen Grund sie anzunehmen. Einzig die Krimgoten sind offensichtlich ein etablierter Sonderfall. Doch wenn das Reich des Ermanarich auf persönlicher Gefolgschaft und Bindungen beruhte, warum hätte es ähnliches nicht auch unter früheren Anführern geben sollen, wie bei Jordanis überliefert?

Mich hat das Thema doch einigermaßen beschäftigt und das Ergebnis sprengt deutlich diesen Thread. Er hat sich sowieso schon längst vom ursprünglichen Thema "Hunnen & Jütland" zu einem beachtenswerten Hunnenthread entwickelt. Hier die Goten & Amaler reinzupacken wäre zu viel, so dass ich mir erlaube einen eigenen Faden darüber zu eröffnen. Ob er auch so wachsen wird? Mal sehen? Auch im Bezug auf Hunnen und Attila scheint hier noch längst nicht alle Munition verschossen zu sein. Dabei muss ich zugeben, dass ich bei Heather Bezug nehme auf sein populärstes Buch "Der Untergang des Römischen Weltreichs".

Hier der link zu meinen Aussagen zum Thema Goten, die Amaler und "Fraktionierung" der Goten.
http://www.geschichtsforum.de/f35/goten-und-amaler-von-einem-traditionskern-37849/#post574635
 
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Von Attilas Reich und Erbe

@tejason
Warum sollte Heathers Ansatz zur "Fraktionierung" der Goten falsch sein? Wie anders sind die vielen unabhängig voneinander operierenden Einheiten an allen Ecken des Reiches zu erklären?…
Natürlich war die Loyalität der Germanen zu den Hunnen gekauft, genau davon ist ja oben die Rede. Der Preis war hervorragend!
Und die Person Attila sollte man nicht unterschätzen. Erst sein politisches Geschick hielt diese Koalition zusammen. Weder vorher noch nachher hatten die Römer abgesehen von ein paar kleineren Scharmützeln ernsthafte Probleme mit den Hunnen. Auf die von Attila aufgebaute Großmacht mussten sie allerdings reagieren.

Die angebliche Flucht der Terwingen vor den Hunnen passt zeitlich da auch nicht so recht hinein. Da erscheint Heathers Argumentation, dass die Hunnen 395 noch am Kaukasus saßen, recht überzeugend. Hier scheinen doch eher die wirtschaftlichen Verlockungen des römischen Reiches die Hauptrolle gespielt zu haben. ALs die Hunnen wirklich die Bühne betreten, stand Alarich bereits vor Rom.

Und die fehlende hunnische Grabkultur in Ungarn ist schon auffällig. In Verbindung mit den überlieferten Namen spricht sie schon für eine "Gotisierung" der Hunnen. Ein schönes Beispiel für die Gemengelage der Zeit ist auch die Herrschaft Odoakers, der Sohn Edikons, der sich überhaupt nicht zuordnen lässt, ob man seine Armee nun skirisch, thüringisch, herulisch oder auch hunnisch nennen möchte.

Schließlich war es eben Theoderich, der versuchte, Attilas Reich fortzuführen, unter anderer Führung, aber mit durchaus ähnlichen Mitteln.



1. Ich bestreite nicht die starke Fraktionierung der Goten. Sein Ansatz diese Fraktionierung bis weit vor Einfall der Hunnen zurück zu projizieren halte ich aber für zu gewagt in dem Ausmaß, in dem er dies besonders im Kontext mit den Amalern praktiziert. Dass ich Heather i.d.r. schätze muss ich wohl nicht erst betonen?

2. Schon vor Attila beherrschten die Hunnen andere Völker in Osteuropa und brachten weitere in Bewegung. Und das ohne eine zentral greifbare Herrschergestalt. Es „funktionierte also auch ohne“, wenn ich das mal so knapp feststellen darf!

3. Dass Attila den Kumulisationspunkt der Hunnen verkörpert kann niemand abstreiten. Er hat aus den vorherigen Bindungen ein Reich geschaffen, vor dem Rom und alle anderen Völker erzitterten. Gerade die Balkankriege gegen Ostrom, von Heather mit interessanten Schlussfolgerungen auf eine spektakuläre Auseinandersetzung im Jahre 447 zusammenreduziert, zeigen einen Höhepunkt der Machtentfaltung. Im Gegensatz zu allen anderen Völkern seit Jahrhunderten war er in der Lage sowohl einen „Blitzkrieg“ zu führen, als auch befestigte Städte relativ rasch einzunehmen!

4. Stellt denn Heather die Flucht der Terwingen/Westgoten im Vorfeld der Schlacht von Adrianopel 378 in Abrede? Er betont (gut nachvollziehbar), dass die Hunnen den Schwerpunkt ihres Lebensraumes noch weit im Osten hatten. Er schildert jene Angriffe, welche die Terwingen in Bewegung brachten als Raubzüge der Hunnen. Den („West-„)Goten wird’s egal gewesen sein ob die Hunnen ungemütlich nahe an ihren Grenzen plünderten, oder ob sie das Land selbst besiedeln wollten. Sie verließen ihre Heimat und waren dabei nicht alleine. Neben gotischen Gruppen stießen in jener Zeit über die römischen Grenzen etwa auch Taifalen, Alanen und andere Sarmaten vor. Bei Adrianopel beteiligte sich (auch laut Heather) zumindest eine kleine Gruppierung von Hunnen auf Seiten der Goten! Die Goten kamen mit Mann und Maus ins Reich, wobei die Gruppe von Alaviv und Fritigern sogar die Erlaubnis Kaiser Valens dazu erhalten hatte. Gänzlich in Abrede stellt Heather dagegen die in deutschen Abhandlungen vorkommende „Drei Völker Koalition“ unter Alatheus und Saphrax, bestehend aus Ostgoten, Alanen und Hunnen aus der "Konkursmasse" des Ermanarich-Reiches. Alatheus - Wikipedia, the free encyclopedia
Die Terwingen kamen bereits in Bewegung, kaum dass hunnische Raubzüge sie berührt hatten. Das ist nur durch die Vorgeschichte eines längeren, römisch-terwingischen Krieges nach dem Usurpator Procopius verständlich, welche diese Goten stark geschwächt hatte. Der hierbei noch erfolgreiche gotische Oberführer (Iudex) Athanarich hatte bei dieser neuen Bedrohung schmählich versagt und seine Rivalen Fritigern und Alaviv boten mit ihrem Anhang eine Alternative als christianisierte Verbündete Roms auf den scheinbar sicheren Boden des Imperiums übersiedeln zu können. Die Hunnen brauchten also nicht einmal nachhaltig vor den „Türen der Terwingen“ zu stehen, sie waren sowieso bereits zermürbt genug, als ihre Ordnung nun zusammenbrach. Athanarich hatte als Iudex keineswegs nur Terwingen und Goten vorgestanden, sondern auch Taifalen, sowie sarmatischen und dakischen Gruppen (die vorher offensichtlich unter gotischer Vorherrschaft gestanden hatten!). Diese Bande zerbrachen nun. Jene Terwingen, die weiterhin dem Athanarich folgten zogen sich mit ihm in die Berge zurück, wo sie vorher tributpflichtige Sarmaten angriffen! Die Römer hatten also die Vorherschaft der Goten in jenem Bereich schon tief erschüttert gehabt als plötzlich hunnische Plünderer und ostrogothische Flüchtlinge in ihrem Rücken auftauchten und ihr Land von den mehrjährigen Kriegszügen Kaiser Valens bereits nachhaltig ausgelaugt worden war.

5. Mag sein dass Alarich vor Rom stand, als die Hunnen begannen in/beim heutigen Ungarn zu siedeln. Trotzdem haben sie die Grundlage dafür geschaffen, dass sich die Westgoten nun unter Alarich im Römischen Reich formieren konnten! Um eine gefährliche Militärmacht zu fliehen kann es den Opfern doch egal sein, was die Gefürchteten anschließend mit dem Land machen: Ob sie es unter den Pflug nehmen (die Hunnen gewiss nicht!), oder ob sie ihr Vieh zum Weiden über verödete Felder und Dörfer treiben sollten…

6. Zur Grabkultur hatte ich bereits geschrieben. Ach in früheren Zeiten (schon bei den Skyten Jahrhunderte vor der Zeitenwende) pflegten Steppenkrieger sich teils mit prestigeträchtigen Dingen aus Fertigung anderer Völker begraben zu lassen. Die von dir erwähnte "Gotisierung" der Hunnen erschwert jede ethnische Deutungen "pro/contra Hunnen" zum Glücksspiel. Auch Heather beteiligt sich daran nicht. Er schreibt sogar von "verkleideten" Hunnen in den Gräbern.

7. Die Herrschaft des Odoaker lässt sich nicht mit den Hunnen in Verbindung bringen. Sein Vater wurde wohl durch die Hunnen zum König der Skiren. Die Skiren waren mächtig geworden, verspielten ihre Stellung aber im Kampf mit amalischen Goten und flohen ins Reich, wo der Königssohn Odoaker römischer Offizier wurde. [Immer waren es die Unterlegenen der Auseinandersetzungen im „Barbaricum“, welche als Foederaten unter die Fittiche des Imperiums flohen! Dieser Mechanismus ist während der ganzen „Völkerwanderungszeit“ zu beobachten.] Als er „Romulus Augustulus“ stürzte, führte er nicht „seine Armee“, sondern eine Koalition der unzufriedenen und unterprivilegierten „Leiharbeiter“ in der römischen Armee, die aus verschiedensten Völkern formiert war und er wurde letztlich auch von „nationalrömischen“ Truppen (wenn es sowas überhaupt geben konnte) sowie dem römischen Senat (ein archaisierender Zug) schließlich anerkannt.

8. Theoderich führte keinesfalls das „Reich des Attila“ irgendwie fort. Attila beherrschte ein Großreich nördlich der Donau und damit außerhalb des Imperiums. Theoderich „sammelte“ die Goten an der Donau unter seiner Führung und errichtete eine Herrschaft in engster Anlehnung an Ostrom, wobei er sich als Foederatenführer sah, ohne jede Ambition über Reichsgebiet auszugreifen. Attila hatte sich beschränkt darauf außerhalb des Reiches zu herrschen und lediglich Schläge gegen das Reich ohne Absicht der „Landnahme“ zu führen. Dazu übernahm Theoderich die römische Verwaltung und herrschte im offiziellen Auftrag der Kaiser in Konstantinopel. Also eher das Gegenteil von jenem, was Attila jemals tat!

to be continued... jedenfalls eine interessante Diskussion, ty Stilicho
 
Dabei muss ich zugeben, dass ich bei Heather Bezug nehme auf sein populärstes Buch "Der Untergang des Römischen Weltreichs".

Sehr empfehlen kann ich da auch sein neueres Buch "Invasion der Barbaren - Die Entstehung Europas", wo er intensiv auf die gesellschaftlichen Veränderungen und vor allem die Migrationsbewegungen zur Völkerwanderungszeit eingeht, auch wenn man nicht unbedingt allen seinen Thesen folgen muss.
 
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Vielleicht kommt man auch weiter, wenn man Attilas Imperium mit einigen der besser dokumentierten Folgereiche vergleicht, die ähnliche Strukturen aufwiesen.

Das Imperium des Awarenkhans z.B. beruhte ebenfalls auf einem Kern vermutlich turksprachiger Steppenkrieger, sowie einem zahlenmäßig deutlich überlegen gepidischen, provinzialrömischen, bulgarisch/hunnischen und vor allem slawischen Anteil. Walter Pohl beschreibt Awarenfeldzüge, die wohl nur von Slawen getragen wurden, ohne Beteiligung des Khans. Man führte sie als Untertanen des Khans eben erfolgreicher unter dem prestigeträchtigen Namen "Awaren".

Auch das Bulgarenreich bestand bald nur noch aus einer dünnen bulgarischen Oberschicht, und einem dominierenden slawischen Anteil.

Ebenso dürften sich die Kroaten als slawisches Volk um einen iranischsprachigen Kern von Reiterkriegern gesammelt haben.

Alle diese Reiche funktionierten ohne blutige Unterdrückung der unterworfenen Völker, vielmehr mit langsamer Assimilation der Oberschicht. Dazu konnte es bei den Hunnen auf Grund der Kürze der Zeitspanne nicht kommen - aber was hindert uns eigentlich anzunehmen, dass das hunnische Reich sehr vergleichbar gewesen sei?

Auch bei den Hunnen dürften abhängige Völker unter dem prestigegeladenen Hunnennamen operiert haben, eventuell also auch sogenannte "Hunen" oder "Heunen" in Mitteldeutschland, womit wir uns wieder der kimbrischen Halbinsel nähern.....
 
Ebenso dürften sich die Kroaten als slawisches Volk um einen iranischsprachigen Kern von Reiterkriegern gesammelt haben.
Das ist sehr fraglich. Letztlich ist die Ethnogenese der Kroaten ungeklärt.

Alle diese Reiche funktionierten ohne blutige Unterdrückung der unterworfenen Völker, vielmehr mit langsamer Assimilation der Oberschicht. Dazu konnte es bei den Hunnen auf Grund der Kürze der Zeitspanne nicht kommen - aber was hindert uns eigentlich anzunehmen, dass das hunnische Reich sehr vergleichbar gewesen sei?
Du schreibst es doch selbst: Für eine Verschmelzung wie bei den Bulgaren war die Zeit zu kurz.

Auch bei den Hunnen dürften abhängige Völker unter dem prestigegeladenen Hunnennamen operiert haben
Wenn das so toll war, wieso verzichteten die meisten der unterworfenen Völker bald nach Attilas Tod bei der erstbesten Gelegenheit wieder auf den prestigegeladenen Hunnennamen und dieses Erfolgsmodell?
Im Übrigen wird bei den spätantiken Autoren in der Regel sehr wohl unterschieden, ob es sich bei hunnischen Heeren um Hunnen oder unterworfene Germanen handelte.
 
Im Übrigen wird bei den spätantiken Autoren in der Regel sehr wohl unterschieden, ob es sich bei hunnischen Heeren um Hunnen oder unterworfene Germanen handelte.

Wird es das? Da wird ja noch nicht mal zwischen Goten und Skythen unterschieden, die Awaren, Bulgaren und andere wurden noch jahrhundertelang als Hunnen bezeichnet.

Du schreibst es doch selbst: Für eine Verschmelzung wie bei den Bulgaren war die Zeit zu kurz.

Wenn das der einzige Unterschied war, so weicht das aber stark von der Behauptung eines übermächtigen Hunnenheeres, das alles unter seiner Knute hatte, ab.

Wenn das so toll war, wieso verzichteten die meisten der unterworfenen Völker bald nach Attilas Tod bei der erstbesten Gelegenheit wieder auf den prestigegeladenen Hunnennamen und dieses Erfolgsmodell?

Steht doch hier schon x-mal. Weil es auf die Person Attilas fixiert war. Und weil z.B. ein Theoderich lieber selber großer Chef werden wollte, statt sich einem Dengezich oder wem auch immer anzuschließen.
 
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Ich verweise z. B. auf die Schilderung der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern bei Iordanes: Da schreibt er (40), dass der Westgotenkönig Theoderid einer Version zufolge vom Ostgoten Andag getötet wurde, der für die Hunnen kämpfte - und nicht, dass er von einem Hunnen getötet wurde. (Dabei hätte Iordanes doch eigentlich Grund gehabt, zu kaschieren, dass die Ostgoten für die Hunnen kämpften.)

Wenn das der einzige Unterschied war, so weicht das aber stark von der Behauptung eines übermächtigen Hunnenheeres, das alles unter seiner Knute hatte, ab.
Wieso? Auch die ursprünglichen Bulgaren müssen stark genug gewesen sein, um ihre slawischen Untertanen gefügig zu halten. Ebenso die Awaren, zumal diese ihre Untertanen durch Einquartierungen ganz besonders bedrückt haben sollen.

Steht doch hier schon x-mal. Weil es auf die Person Attilas fixiert war. Und weil z.B. ein Theoderich lieber selber großer Chef werden wollte, statt sich einem Dengezich oder wem auch immer anzuschließen.
Als Theoderich König wurde, war Dengizich bereits tot. Zu Theoderichs Zeit gab es keinen bedeutenden Hunnenführer mehr, sie waren bereits völlig zersplittert.
Außerdem: Meinst Du, zu Attilas Zeiten wollten die germanischen Fürsten keine großen Chefs werden, sondern lieber unter Attila die zweite und dritte Geige spielen? Attila ließ ihnen bloß keine Wahl ...
 
Ich verweise z. B. auf die Schilderung der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern bei Iordanes: Da schreibt er (40), dass der Westgotenkönig Theoderid einer Version zufolge vom Ostgoten Andag getötet wurde, der für die Hunnen kämpfte - und nicht, dass er von einem Hunnen getötet wurde. (Dabei hätte Iordanes doch eigentlich Grund gehabt, zu kaschieren, dass die Ostgoten für die Hunnen kämpften.)

Es wäre etwas albern, dort nur Hunnen zu nennen. Und zudem war es eine gute Gelegenheit, das Supremat der Ost- über die Westgoten zu betonen. Was ist der historische Wert dieser seiner Aussage?

Wieso? Auch die ursprünglichen Bulgaren müssen stark genug gewesen sein, um ihre slawischen Untertanen gefügig zu halten. Ebenso die Awaren, zumal diese ihre Untertanen durch Einquartierungen ganz besonders bedrückt haben sollen.

Einquartierungen??
Das Zahlenverhältnis ist jedenfalls bei Bulgaren und Awaren gegenüber den Slawen eindeutig.

Als Theoderich König wurde, war Dengizich bereits tot. Zu Theoderichs Zeit gab es keinen bedeutenden Hunnenführer mehr, sie waren bereits völlig zersplittert.

Dengizich soll 469 gestorben sein, sein Kopf wurde in Konstantinopel ausgestellt. "Zufällig" das gleiche Jahr, in dem Theoderich von eben dort aufbrach, um die Führung seines Teilstammes zu übernehmen.
 
@Zusammenbruch der Hunnen & gekaufte Loyalität:
Ich dachte mein Vorpost- Zitat aus „Goldener Horizont“ würde genug erklären. Die Macht Attilas beruhte nicht zuletzt auf jenen Bindungen, Geschenken und dergleichen, mit welchen er die „Vasallenkönige“ an sich band und deren Völker ihren geminderten Status verdrängen half. Als dessen Söhne eben diese Bindungen mit festen Strukturen verwechselten und „für jeden Bruder ein Reich und ein paar Vasallenvölker“ zuschustern wollten, widersprach das allen Gepflogenheiten einer gefolgschaftlich organisierten Reichs-Bindung. Wir sehen das noch im Mittelalter, wie die Germanen erwarteten behandelt zu werden: Mit Respekt und Gefragt wollten sie werden – nicht in eine Ecke befohlen. Es könnte denkbar sein, dass die geplante Aufteilung hätte funktionieren können. Aber nur, wenn die Attilasöhne um Anerkennung geworben hätten UND wenn sie sich nicht offensichtlich zerstritten hätten! Selbst wenn die „Vasallenkönige“ bereit gewesen sind/wären zu folgen, war doch schon die Parteinahme schwierig für sie. Wenn sie A wählten, was passierte, wenn sie Sohn B zugewiesen worden wären? Persönliche Gefolgschaft als Haupt-Bindeglied in der germanischen Gesellschaft war auf diese Weise nicht möglich. So orientierte man sich letztlich anders… Einige früher, andere vielleicht niemals, wie jene Goten die mit einem der Attilasöhne und seinen Hunnen noch später gegen Ostrom antraten?

Hierher passt auch eine anschauliche Passage aus Heathers Buch. Dabei bitte mit dem letzten Abschnitt der Vorseite beginnen.
Der Untergang des Römischen Weltreichs - Google Bücher

Gerade bei Peter Heather ist ein hervorragender Punkt zu finden, der gegen eine leichte „Entflechtung“ der von Attila geschaffenen Herrschaftsstruktur zugunsten einer Aufteilung unter seine Söhne: Er betont, dass Attila im nächsten Umfeld seiner ostpannonischen Kernprovinzen die schlagkräftigsten Vasallenkönige mit ihren Krieger-Gefolgschaften konzentrierte! Man sehe sich nur die Karten in seinem Buch „Der Untergang des Römischen Weltreichs“: S 383 zeigt die Situation zu Attilas Lebzeiten, S 412 die Situation um 465 nach Vertreibung der Attila-Söhne an. In beiden Fällen findet sich eine deutliche Konzentration der kriegerischsten Völker nahe dem Zentrum Attilas. Dagegen ist schon östlich und nördlich des Dnjepr weitgehend unklar wer dort wohnte – jedenfalls fehlen dort Volksnamen. Thronwirren im Zentrum dieses Machtbereichs konnte keine der dortigen Gruppen unberührt lassen, eine echte Neutralität war gar nicht möglich, die Krieger standen sich sozusagen gegenseitig auf den Füßen, dass die im Umfeld vielleicht noch lebenden „Bauern“ gewiss nicht genug produzieren konnten, diese Konzentration auf längere Sicht aufrecht zu erhalten! Hier finden sich auch die reichen Fürstengräber des „Donaustils“, die Heather zu Recht mit den hunnischen Machtstrukturen in Verbindung bringt.
Warum nicht Heather selbst zu Wort kommen lassen? (Quelle siehe oben)
Peter Heather schrieb:
S 375: Hinter Attilas europäischer Schreckensherrschaft steckte jedoch viel mehr als sein persönliches Charisma und seine wohlüberlegten Machtdemonstrationen….
S376ff: [Bezug auf den Besuch Priskos am Hofe Attilas] Wie wir sehen gab es… einen engeren Führungszirkel, zu dem zunächst einmal Onegesius gehörte, und dann andere wie Edeco, Scottas und Berichus…., aber keiner von ihnen besaß die Königswürde oder kam ihm annähernd gleich… gibt nicht den geringsten Hinweis darauf, daß die Hunnen mehr als einen Herrscher hatten. An die Stelle der Vielzahl von Königen… war ein Monarch im wörtlichen Sinne… getreten: Attila. Wir verfügen über keinen Bericht über [diesen Konzentrations-] Prozeß… Alles deutet… darauf hin, daß es sich hier nicht um eine friedliche Entwicklung handelte. Der letze Akt [dazu]war Attilas Mord an seinem Bruder Bleda […]
[Dann] deutet die permanente Zentralisierung der… Macht bei den Hunnen stark darauf hin, daß sie… nicht mehr von den Produkten ihrer Herden abhängig waren.
S379 Der erste Vertrag zwischen Attila, Bleda und [Ostrom] legte einen Jahrestribut von 700 Pfund Gold fest… Die Kriegführung der Hunnen… brachte [weitere Beute]: Kriegsbeute, Sklaven und Lösegelde, wie jenes, das Priskos [aushandelte]… Um ein System hierarchisch geordneter, aber mehr oder weniger gleicher Könige umzustürzen, mußte [wer die höchste Macht wollte] die Anhänger anderer Könige überzeugen, daß sie ihre Loyalität auf ihn übertragen sollten. Den gesamten Kapitalfluß aus dem Reich zu beherrschen war die ideale Methode… um die alten politischen Strukturen [bei den Hunnen]überflüssig zu machen.
Im folgenden überlegt Heather, dass die Hunnen in dem von ihnen direkt bewohnten Raum wohl nur noch Pferde züchten konnten um ihre Kriegsmaschinerie aufrecht erhalten zu können – was ähnlich auch bei den nahebei konzentrierten Vasallenkrieger der Fall gewesen sein könnte. Die Ökonomie dieser Konzentration von Vasallen musste bedient werden und dazu dienten besonders die Tribute aus dem Römischen Reich.

Sie konnte sich nicht mehr aus dem näheren Umland selbst versorgen. Wenn sich in dieser Situation der stete Nachschub an Versorgungs- wie Prestigegütern verknappen sollte, musste es zu einem Konflikt kommen. In dieser Situation begannen die Nachfolgekämpfe um das Erbe Attilas und die Empörung der Gepiden als Erste gegen die hunnische Vorherrschaft.
Jordanis Kap L schrieb:
Nun rüstete man sich zum gegenseitigen Vernichtungskrieg. In Pannonien… kam es zum Kampf. Hier stießen die verschiedenen Völker aufeinander, welche Attila in seiner Botmäßigkeit gehalten hatte. Die Reiche spalteten sich mit den Völkern, und aus einem Körper wurden verschiedene Glieder, […] nach Vernichtung des Hauptes gegeneinander wüteten; die tapfersten Stämme, die nie auf einen ebenbürtigen Feind gestoßen waren, wenn sie sich nicht selbst zerfleischten, wollten sich selbst aufreiben.
[….]So unterlagen die Hunnen, vor denen nach allgemeiner Erwartung die Welt hätte unterliegen sollen.


Im Ende des Hunnenreiches finden sich Faktoren wieder, die in dieser Form bei Awaren oder anderen späteren Reitervölker in Europa nicht anzutreffen sind. Parallelen zu den Awaren sind daher eher in frühen Stadien hunnischer Oberherrschaft zu finden, obwohl auch die Awaren eine zentrale Monarchie, eben das Khaganat kannten! Dagegen haben wohl die frühen Hunnen trotz ihrer Erfolge nur ein Bündnis zusammengehalten und eben nicht zentrale Führungspersönlichkeiten und ihre Stammesstruktur scheint sich erst in Pannonien sehr stark zentralisiert zu haben. Also die Parallelen halten sich sehr stark in Grenzen...
 
Keine Kontinuität des "Systems Attila"

Steht doch hier schon x-mal. Weil es auf die Person Attilas fixiert war. Und weil z.B. ein Theoderich lieber selber großer Chef werden wollte, statt sich einem Dengezich oder wem auch immer anzuschließen.

Auch vor Attila musste der Hunnenname bereits sehr prestigeträchtig gewesen sein. Wie schon einmal betont war Theoderich d.Gr. ganz gewiss kein ideeller "Nachfolger" Attilas. Er steht deutlich eher für einen Ausgleich mit Rom und der Romanitas, während bei Attila Rom nur als Tributzahler eine Rolle spielt und seine Kultur eine völlig Andere ist.

Aus meinem Vorpost sollte auch deutlich werden, dass es ohne den Streit zwischen den Attila-Söhnen wohl kaum zum Aufstand der Unterdrückten gekommen wäre. Die Person des Attila, so überragend sie auch sein mag, war wohl nicht zwingend für den Erhalt seiner Reichs-Schöpfung erforderlich. Notwendig war ein starkes, sichtbares Zentrum in Form eines anerkannten Nachfolgers bei den Hunnen, der dann gewiss die Ergebenheitsbekundigungen der wichtigsten Vasallenvölker hätte einholen können. Und wer dann noch aus der Reihe getanzt wäre,....:haue:

Bleibt noch anzumerken, dass gerade die Ostgoten anscheinend sehr lange noch auf Seiten der Attilasöhne gestanden hatten. Nicht nur H. Wolfram nimmt an, dass sie zu den Verlierern der Schlacht am Nedao gehört haben. Wichtigstes Indiz dazu ist, dass die Ostgoten nach dieser Schlacht das übliche Schicksal der Verlierer antraten und als Foederaten auf den Boden des Römischen Imperiums übertreten mussten. Sie wurden vom oströmischen Kaiser im längst ausgelaugten Pannonien angesiedelt, wobei dieses Gebiet eigentlich zum Westömischen Reich gehörte, mit welchem Ostrom in Spannung lag, weil es den dortigen Kaiser nicht anerkannte. Eine "windigeres Rückzugsgebiet" hätte sich kaum finden können für Theoderichs Onkel und seinen Anhang! Im Barbaricum die siegestrunkenen "Gegner vom Nedao" und im Rücken ein unwilliges Westrom, dazu einen Kaiser in Konstantinopel, der nicht nur auf eine ostgotische Karte setzte, sondern auch auf die "thrakischen Ostgoten" unter einem anderen amalischen Rührer, dem Vater des Theoderich Strabo
 
Zuletzt bearbeitet:
Und zudem war es eine gute Gelegenheit, das Supremat der Ost- über die Westgoten zu betonen.
Supremat? Dir ist aber schon klar, dass die Hunnen und ihre Untertanen auf den Katalaunischen Feldern nicht gesiegt haben?

Einquartierungen??
Ich habe mal gelesen, dass die awarischen Krieger sich in den Wintermonaten in den Häusern der slawischen Untertanen einquartierten, kann im Moment aber keine Quelle dafür benennen.

Das Zahlenverhältnis ist jedenfalls bei Bulgaren und Awaren gegenüber den Slawen eindeutig.
Es kommt ja nicht nur auf die Zahl an, sondern vor allem auf die militärische Stärke. Die Slawen werden sich den Awaren und Bulgaren auch nicht gerade freiwillig unterworfen haben.

Dengizich soll 469 gestorben sein, sein Kopf wurde in Konstantinopel ausgestellt. "Zufällig" das gleiche Jahr, in dem Theoderich von eben dort aufbrach, um die Führung seines Teilstammes zu übernehmen.
Da lebte noch sein Vater Thiudimir, der erst 474 starb.
 
Ich wiederhole gerne noch mal meine Frage von vor ein paar Tagen: Was hat die ostgotische Suprematie mit einer angeblichen Herrschaft der Hunnen über die kimbrische Halbinsel zu tun?
 
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