Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

@Silesia

Ein sehr guter Beitrag der der überaus deutlich macht, dass der Wall von Kalkriese überhaupt nicht als Angriffsstellung, im Zusammenhang mit einem Hinterhalt taugen kann.

Dass die Römer ohne eine zuverlässige Aufklärung in unbekanntem Terrain operierten ist nahezu ausgeschlossen.
Interessante Einlassung. Ich mit meinem unbeweglichen Verstand bin davon ausgegangen, dass wir alle das Fundbild von Kalkriese zumindest soweit verstanden haben, dass wir über folgenden Punkt Einvernehmen herstellen können: Im Bereich vor dem Wall ist gekämpft worden; energisch und unter weitreichendem Kontrollverlust für die unterlegene Partei.

Wenn Du nun sagst, dass der Wall für so ein Unternehmen nicht taugte und dass die Römer ihn unmöglich übersehen haben können, bleibt nur der Schluss, dass dort nie eine Schlacht stattgefunden hat und dass alle Funde von einem Betrüger dort vorsätzlich deponiert wurden, um eine Rechtfertigung für den Bau eines Museums an jenem Ort zu konstruieren.

Mit erscheint diese Vorstellung ungefähr so glaubwürdig, wie die fundamental-religiöse Behauptung, dass Gott die Welt schon mit Dinosaurierfossilien unter der Erdoberfläche geschaffen hat. Meinen Mangel an Einsicht kannst Du der Unbeweglichkeit meines Verstandes zuschreiben...

MfG
 
Tut mir leid, wenn ich Eure Geduld strapaziere, aber...

Hier mal ein Höhenprofil der Engstelle:
Wirkt nicht besonders steil, wenn man vor einem Computer sitzt und auf eine Karte schaut, stimmts? Ich vermute nur, dass marschierende Legionäre, die zwischen 20 und 40 Kilo Gepäck schleppen mussten, eine etwas andere Sicht der Dinge hatten. Und dass die Trossknechte zuversichtlich waren, mit ihren Maultieren und Gespannen diesen vermutlich auch noch mit Bäumen und Gestrüpp bewachsenen Hang bewältigen zu können, würde ich auch eher bezweifelen. Zudem war ich schon mal auf größeren Freiluftveranstaltungen und habe gesehen, wie sich eine vormals feste Wiese unter den Füßen anfühlt, wenn ein paar tausend (oder auch nur hunderte) von Menschen drübergetrampelt sind.

Der Grund für meine Grafik war aber auch ein anderer. Dort sind neben Höhen auch Distanzangaben zwischen Moor und Wall angegeben. Demnach wäre dort zwischen (Heutigem) Moor und Wall 1,2 Km Raum gewesen.
Dazu schreibt Wolters: "Durch die etwa sechs Kilometer lange Senke führte ein alter Fernweg (...). Zwischen dem stark zerklüfteten Kalkrieser Berg im Süden (...) und dem nördlich vorgelagerten Großen Moor verengt sich die Senke an ihrer schmalsten Stelle auf ungefähr einen Kilometer. Starke Grundwasserbeeinflussung reduziert den begehbaren Untergrund noch einmal auf die Hangsandzone am Fuß des Kalkrieser Berges (...). Deutlich lässt die Gesamtkarte der bislang entdeckten römischen Funde die Flächen erkennen, die in römischer Zeit begehbar waren."

Besten Dank dafür, und das war Ausgangspunkt meiner Überlegung, die maelonn nicht als plausibel angesehen hat.

Der "Architekt" dieser Schlacht hatte, wenn man Varus in Kalkriese annimmt, folgendes Problem: Wie bekomme ich den Varus-Zug mit der Masse in den Engpass, wenn der Zug 5+ km lang war (was ich unterstelle), und der Wall nur einen Bruchteil erfasst?

Lösung: es muss ein Zusammenstauchen der Kolonne erfolgen, möglichst vor dem Wall, im Engpaß. Normale Marschgeschwindigkeit ohne Angriffe unterstellt, würde der Zug in 2 Stunden am Wall vorbeigezogen sein. Das verdeutlicht bereits das Problem.
Nimm es nicht persönlich, wenn ich Dir jetzt dünnfellig die gleiche Antwort gebe wie kürzlich @Maelo: Ich dachte, wir wären uns zumindest so weit einig, dass am Wall gekämpft wurde! Wir können gern darüber philosophieren, wie schnell die Truppen bei "normaler Marschgeschwindigkeit ohne Angriffe" da durchgekommen WÄREN. Genauso, wie man diskutieren kann, was sie wohl an dem Tag zu Mittag gegessen hätten, wenn sie in Italien geblieben WÄREN. Die Frage, was ohne Angriffe gewesen WÄRE, stellt sich überhaupt nicht, denn der Wall ist genau deshalb an jener Stelle errichtet worden, damit "ohne Angriffe" an jener Stelle nicht stattfindet.

Und selbst wenn man "ohne Angriffe" unterstellen WÜRDE, müsste ich mit meiner Alltagskenntnis antworten, dass ich bei erwähnten Freiluftveranstaltungen schon gesehen habe, wie sich Menschenmassen an unscheinbar wirkenden Verengungen des Weges plötzlich stauen - auch ohne dass von links irgendwelche Typen angerannt kommen und wahllos Leute totschlagen.

Die Diskussion löst sich immer mehr vom archäologischen Befund, der folgende Fakten beweist:

- Entlang des Walls wurde gekämpft.
- In jenem Abschnitt war der Kampf heftiger als überall sonst.
- In jenem "besonders heißen" Abschnitt haben die Angegriffenen jede Kontrolle verloren.
- Trotz der Heftigkeit des Kampfes sind Teile der Truppe durchgekommen.

Das alles ist Fakt - obwohl es einigen Diskutanten eigentlich unmöglich erscheint.

Es darf jetzt gerne diskutiert werden, dass die Römer den Wall rechtzeitig hätten entdecken müssen, dass sie vor dem Wall hätten stoppen können, dass sie an jenem Tag Fisch statt Brot hätten essen können oder sonstwas. Fakt bleibt aber: Es ist zu dem Gefecht am Wall gekommen. Zudem entgeht mir, wieso eine von Dir für wahrscheinlich gehaltene Sperre am westlichen (!) Ende des Engpasses diese Überlegungen überflüssig gemacht hätte. Wäre der Wall dann unentdeckt geblieben? Hätten die Legionen Halt gemacht, wenn es 500 Meter weiter so eine Sperre gegeben hätte? Wie kam es dann zur Schlacht vor dem Wall?

Man kann weiter darüber spekulieren, warum alles anders hätte kommen können oder müssen. Aber wäre es für das Verständnis der Umstände nicht hilfreicher, zu erklären, warum es NICHT anders gekommen ist?

Ergo: die taktische Verwendung des Walls erscheint mir ungeklärt.
Obwohl die Auswirkungen seiner archäologisch nachweisbaren Existenz sich archäologisch nachweisen lassen?

MfG
 
Wenn der Tacitusbericht über die Schlacht am Angrivarierwall auf das Gebiet von Kalkriese übertragen wird, dann lässt sich leicht eine große Übereinstimmung herstellen. Demnach fungierte der Wall, und demzufolge die Stellung der Angrivarier, sozusagen als Köder der die Römischen Legionen dazu verleiten sollte, die offensichtlich sichtbare Stellung der Germanen anzugreifen. Das waren die Absichten oder die Stellungen die nach Tacitus Aussage offen vor Augen lagen. Die nach Tacitus verborgenen Absichten der Germanen (oder das Hauptheer des Arminius) waren nördlich gegenüber dem Wall, jenseits des Oberesch im Großen Moor versteckt. Hätten die Römer nun ausschließlich versucht nur den Wall zu erstürmen, so hätten die Germanen die sich im Sumpf verborgen hielten, den vor dem Wall kämpfenden Römern in den Rücken fallen können. Hierin bestand die Strategie des Arminius. Germanicus vereitelte diesen Plan durch entsprechende Gegenmaßnahmen.

1.) Beim Angrivarierwall hatten die Germanen den Sumpf im Rücken.
:rechts: In Kalkriese hatten sie den Berg im Rücken.
Nach der Erstürmung des Walles und damit der Stellung an der Hangseite hatten die Römer nun den Berg und den Fluss im Rücken und das Hauptheer der Germanen den Sumpf hinter sich.

2.) Die Römer haben den Angrivarierwall beschossen.
:rechts: In Kalkriese gibt es keine Spuren eines Wallbeschusses.
Im Laufe der Jahrhunderte ist der Wall in sich zusammengefallen und quasi vollkommen eingeebnet, und bietet so keinen in dieser Hinsicht aussagekräftigen Fundkomplex mehr.

3.) Tacitus spricht von der Begrenzung des Schlachtfeldes durch einen flumen.
:rechts: Die nächsten Gewässer von Kalkriese aus, die die Bezeichnung flumen rechtfertigen, sind die Ems und die Weser, die jeweils etwa 50 km von Kalkriese entfernt fließen.
Die Niewedder Senke wird nach Osten hin von der Hunte eingefasst, die im Wiehengebirge entspringt und in das Große Moor fließt. Die Hunte ist nach heutiger geologischer Definition als Fluss anzusprechen. Warum sollte sie nicht auch in römischer Zeit ein Fluss gewesen sein. Selbst ein Fluss von nur 10 -20 Metern Breite, mit steilen oder versumpften Ufern hätte für einen überhasteten Rückzug der Römer fatale Folgen haben können.

4.) Die Anlage des Walls von Kalkriese von etwa 400 m Länge, ein taktisches Bauwerk.
:rechts: Dagegen der Angrivarierwall, der nach dem Tacitustext kein taktisches Bauwerk war, sondern als Grenzbauwerk zu verstehen ist. Warum sollte Tacitus, abgesehen davon, dass er mit dem Plusquamperfekt von extollere den Aufwurf des Angrivarierwalls in eine Zeit weit vor der Schlacht verlegt, betonen, dass der Wall zwischen den Angrivariern und den Cheruskern trennte? ("...nisi quod latus unum Angrivarii lato aggere extulerant quo a Cheruscis dirimerentur.")
Diese Tacitusstelle kann auch in einer anderen Hinsicht gedeutet werden. Zum Beispiel als Abgrenzung der germanischen Verbände untereinander innerhalb der Schlachtaufstellung. Es gab keine mit Wällen gesicherten Grenzen unter den Germanen (wenn doch, dann bitte Beispiele). Selbst wenn dem so gewesen wäre, so hätten diese Wallgrenzen sicherlich nach dem Beispiel späterer Jahrhunderte einen fast undurchdringbaren dichten Bewuchs auf der Wallkrone. Wo oder wie hätten sich dort die Germanen für eine Schlacht aufstellen sollen.

5.) Der Kalkrieser Wall ist für ein singuläres Ereignis vorbereitet worden, er stellt keine Fluchtburg dar und ist für einen räuberischen Überfall auf einzelne Durchreisende und kleinere Gruppen viel zu aufwändig.
:rechts: Die Schlacht am Angrivarierwall war aber ein Spontanereignis: Die Germanen hatten gerade eine Schlacht (Idistaviso) verloren, Arminius hatte mit Müh und Not und nur dank der Chauken, die seine Identität nicht offenbarten überlebt. So jedenfalls Tacitus. Sie wähnten aber die Römer im Siegesrausch und wagten daher einen erneuten Überfall, bei dem sie sich schließlich hinter den Angrivarierwall zurückzogen. Es ist doch bezeichnend, dass dieser die Schlacht am Angrivarierwall als spontanes Umdenken der Germanen beschreibt und die Varusschlacht in den Quellen als gut vorbereitetes Unternehmen beschrieben wird.
Der Wall von Kalkriese war ein Spontanbauwerk welches in kurzer Zeit errichtet wurde. Es gab nach der Schlacht bei Idistaviso genügend Zeit um den Wall zu errichten, zumal die Germanen die Römer durch kleinere Attacken aufhielten. Auch konnten die Germanen unter Arminius wissen, welchen Weg die Römer bei ihrer Rückkehr zur Ems nehmen würden.

6.) Die Anwesenheit von Frauen: Funde sprechen dafür, dass in Kalkriese Frauen anwesend waren.
:rechts: Dies entspricht eher einem Varus, der sich im Freundesland wähnte, als einem Germanicus, der sich auf einem Rachfeldzug tief im Feindesland befindet.
Ich vermute, dass bei jedem römischen Tross Frauen anwesend waren. Zudem haben die Knochengruben mit nur 17 nachgewiesenen Individuen kaum eine Aussagekraft gegenüber dem gesamten Ablauf des Ereignisses.
 
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Im Laufe der Jahrhunderte ist der Wall in sich zusammengefallen und quasi vollkommen eingeebnet, und bietet so keinen in dieser Hinsicht aussagekräftigen Fundkomplex mehr.
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In Alesia, in Massada, am Harzhorn und auch an weiteren Fundorten , hat man römische Geschosse -Steinkugeln und oder Bolzenspitzen- gefunden die von Beschuss auch ohne baulicher Relikte zeugen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Interessante Einlassung. Ich mit meinem unbeweglichen Verstand bin davon ausgegangen, dass wir alle das Fundbild von Kalkriese zumindest soweit verstanden haben, dass wir über folgenden Punkt Einvernehmen herstellen können: Im Bereich vor dem Wall ist gekämpft worden; energisch und unter weitreichendem Kontrollverlust für die unterlegene Partei.
Du brauchst Deinen Verstand in dieser Hinsicht nicht bewegen, denn bezüglich dieser Aussage besteht zwischen uns einvernehmen. Aber wer in Kalkriese die Kontrolle verloren hat und welche Partei unterlegen war, darüber können wir gerne trefflich streiten. Ich bestreite nicht, dass vor dem Wall römische Einheiten gekämpft haben. Dieser Umstand ist ja durch den Tacitusbericht über den Angrivarierwall belegt. Lässt sich aber durch das Ausgrabungsergebnis sicher auf eine römische Niederlage schließen? Bedeutet der Umstand der überwiegend römischen Funde auf dem Oberesch auch eine römische Niederlage an diesem Ort?

Wenn Du nun sagst, dass der Wall für so ein Unternehmen nicht taugte und dass die Römer ihn unmöglich übersehen haben können, bleibt nur der Schluss, dass dort nie eine Schlacht stattgefunden hat und dass alle Funde von einem Betrüger dort vorsätzlich deponiert wurden, um eine Rechtfertigung für den Bau eines Museums an jenem Ort zu konstruieren.
Ich sage, dass die Niewedder Senke bei den ergrabenen Befunden keinesfalls für eine sicher zuschnappende Falle taugt. Hier gibt es massive Unwägbarkeiten die einen geplanten Hinterhalt vereitelt hätten. Deinen Schluss kann ich nicht teilen, denn ich bin kein Verschwörungstheoretiker.
 
Zuletzt bearbeitet:
Im Laufe der Jahrhunderte ist der Wall in sich zusammengefallen und quasi vollkommen eingeebnet, und bietet so keinen in dieser Hinsicht aussagekräftigen Fundkomplex mehr.
Die Ausgrabungen haben bislang tausende von Kleinteilen zutage gefördert. Im Wallmaterial fand sich ein halbes Maultierskelett; sogar dessen Glocke hat sich gut genug erhalten, um noch eine Grasauspolsterung darin zu finden. Aber sämtliche Wurfgeschosse eines laut Quelle massiven Beschusses sind vollständig vergangen? Klingt nicht wirklich plausibel. Nebenbei: Waren nicht ein paar Schleuderbleie der Anlass dafür, dort ein Schlachtfeld zu vermuten?

Ich bestreite nicht, dass vor dem Wall römische Einheiten gekämpft haben. Dieser Umstand ist ja durch den Tacitusbericht über den Angrivarierwall belegt. Lässt sich aber durch das Ausgrabungsergebnis sicher auf eine römische Niederlage schließen? Bedeutet der Umstand der überwiegend römischen Funde auf dem Oberesch auch eine römische Niederlage an diesem Ort?
Die Sieger haben also ihre Gefallenen zur gefälligen Plünderung durch die Besiegten liegengelassen? Wie nobel von ihnen.

Ich finde es erstaunlich, wie man aus einem Schlachtfeld, das ausschließlich Spuren römischer Gefallener aufweist, herauslesen kann, dass dort römische Truppen gesiegt haben müssen.

Ich sage, dass die Niewedder Senke bei den ergrabenen Befunden keinesfalls für eine sicher zuschnappende Falle taugt. Hier gibt es massive Unwägbarkeiten die einen geplanten Hinterhalt vereitelt hätten. Deinen Schluss kann ich nicht teilen, denn ich bin kein Verschwörungstheoretiker.
Aber damit, auf ein Gefecht zu schließen, für das es keine Anhaltspunkte gibt, hast Du kein Problem. Wäre das der Ort, wo der Angrivarierwall stand, müssten beiderseits des Walls zahlreiche Spuren vorliegen. Alle Funde lassen aber nur den Schluss zu, dass ausschließlich zwischen Wall und Sumpf gekämpft wurde.

MfG
 
Ich vermute, dass bei jedem römischen Tross Frauen anwesend waren. Zudem haben die Knochengruben mit nur 17 nachgewiesenen Individuen kaum eine Aussagekraft gegenüber dem gesamten Ablauf des Ereignisses.

:confused:

Die Germanicus Feldzüge waren reine Kriegs- oder gar Vernichtungsfeldzüge. Das hierbei Frauen anwesend waren wage ich stark anzuzweifeln.

Ansonsten schließe ich mich Maelonn an. Der archäologische Befund schließt insbesondere im Hinblick auf die stattgefunden Plünderungen bzw. die vor Ort stattgefundene Verschrottung die Schlacht am Angrivarierwall wohl aus.
 
:confused:

Die Germanicus Feldzüge waren reine Kriegs- oder gar Vernichtungsfeldzüge. Das hierbei Frauen anwesend waren wage ich stark anzuzweifeln.
...

Moin

kann man nicht annehmen, dass auch bei reinen Kriegszügen Frauen im Tross mitzogen? Ähnlich den Marketenderinnen des Mittelalters oder des 30jährigen Krieges, als fester Bestandteil eines Trosses?!.

Oder gibt das die römische Überlieferung nicht her?

Gruß
Andreas
 
Gerade der Wall spricht eindeutig dagegen, dass hier die Krieger des Arminius einen perfekten Hinterhalt gelegt haben könnten. Bei dem Wall kann es sich nur um ein Verteidigungsbauwerk gehandelt haben, und hier ist besonders die Schlacht am Angrivarierwall das Szenario welches am wahrscheinlichsten ist.
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Der Befund von Kalkriese lässt sich in keinster Weise mit der Beschreibung des Tacitus über die Schlacht am Angrivarierwall in Übereinstimmung bringen. Wie man das nach Lektüre des Tacitus behaupten kann, ist mit ein Rätsel.

Will man beides gleichsetzen, ist mit Sicherheit der Wunsch der Vater des Gedankens!
 
Moin

kann man nicht annehmen, dass auch bei reinen Kriegszügen Frauen im Tross mitzogen? Ähnlich den Marketenderinnen des Mittelalters oder des 30jährigen Krieges, als fester Bestandteil eines Trosses?!.

Oder gibt das die römische Überlieferung nicht her?
Das Mittelalter und den Dreißigjährigen Krieg kann man mit dem römischen Heerwesen absolut nicht vergleichen. Die mittelalterlichen und frühneuzeitlichen europäischen Heere verfügten über einen umfangreichen Tross, weil er Versorgungsaufgaben zu erfüllen hatte. Die zahlreichen Frauen waren vor allem fürs Kochen, Putzen, Nähen, Gepäcktragen und auch zur Beteiligung am Plündern und der Nahrungsbeschaffung da. Professionelle Heere wie das römische Heer oder die neuzeitlichen Heere ab dem 18. Jhdt. brauchten keinen derartigen Tross, weil viele Versorgungsaufgaben (z. B. die Beschaffung von Kleidung und Ausrüstung, teilweise auch die Nahrungsversorgung - diese mitunter von spezialisierten Abteilungen) vom Staat übernommen wurden und die Soldaten diszipliniert genug waren, die restlichen Aufgaben (z. B. den Lagerbau, das Kochen im Lager) selbst zu erledigen.
 
Moin

kann man nicht annehmen, dass auch bei reinen Kriegszügen Frauen im Tross mitzogen? Ähnlich den Marketenderinnen des Mittelalters oder des 30jährigen Krieges, als fester Bestandteil eines Trosses?!.

Oder gibt das die römische Überlieferung nicht her?

Vermutlich als Reaktion auf die Niederlage der Varus-Legionen hat Tiberius nach Übernahme des Oberkommandos angewiesen, dass die Truppen bei Feldzügen innerhalb Germaniens im Tross nur das Nötigste mitführen dürfen und dass Frauen tabu sind. Vor der Varusschlacht war die Anwesenheit von Frauen also zumindest nicht unüblich, danach schon. Dass am Angrivarierwall Frauen dabei waren, ist zumindest unwahrscheinlich.

Aus dieser Anweisung kann man auch schließen, dass die Vernichtung der Varuslegionen ihre Ursache zumindest teilweise in seinem zu großen Tross hatte.

MfG
 
Das Argument, die Verdichtung würde durch den Engpass automatisch erfolge, finde ich nicht plausibel.

Ein weiterer Aspekt: ich halte es für unwahrscheinlich, dass der Zug keine seitlichen Sicherungsschleier hatte. Der Wall kann nicht unentdeckt geblieben sein. Seine Länge von 400+ Meter spricht - Versagen der Aufklärung unterstellt - für mind. 3 - 4000 Mann, die dahinter stehen könnten. Warum versagte dann vor dem Passieren die Aufklärung? Soll Varus in Kenntnis des Walls mit einer 5+ km langen Kolonne vorbeigezogen sein, wenn Teile des Zuges oder der Schluß des Zuges jederzeit vom Wall ausgehend überrannt werden konnten?

Ergo: die taktische Verwendung des Walls erscheint mir ungeklärt.

Doch.
Ich denke, daß durch die Geländesituation automatisch eine Verdichtung erfolgt. Es handelt sich um eine klassische Trichtersituation. Im Kalkrieser Museum gibt es ein recht interessantes Modell wo diese Situation mit rollenden Kugeln oder Murmeln dargestellt wird.

Bleibt die Frage warum Varus (oder wer auch immer) dadurch marschiert ist. Der Wall kann wohl nicht (sofern es eine Vorabaufkärung gegeben hat- wovon man ausgehen sollte) unentdeckt geblieben sein, zumal er zumindest teilweise mit einer Palisade versehen war. Aber was sollten die Römer machen? Welche Alternative hatten sie? Das Moor, welches sich bis zu den Dammer Bergen hinzog umgehen? Ausweichen ins Wiehengebirge? Ich denke, daß die Römer einfach dadurch mussten. Vielleicht hat Varus (oder wer auch immer:fs:) die Gesamtsituation auch unterschätzt.

Ich denke, das letztlich natürlich nur die Archäologie hier Licht ins Dunkel bringen kann. Genau das, also das Umfeld der Engstelle soll ja in den kommenden Jahren näher untersucht werden.

Ganz nebenbei noch eine Frage:
Weiß jemand ob der schon oft angesprochene Fernweg (Autobahn der Antike) der ja an Kalkriese entlanglief auch direkt durch den Engpass führte? Oder verlief dieser Weg entlang einer ganz anderen Stelle?
 
Bleibt die Frage warum Varus (oder wer auch immer) dadurch marschiert ist. Der Wall kann wohl nicht (sofern es eine Vorabaufkärung gegeben hat- wovon man ausgehen sollte) unentdeckt geblieben sein, zumal er zumindest teilweise mit einer Palisade versehen war. Aber was sollten die Römer machen? Welche Alternative hatten sie? Das Moor, welches sich bis zu den Dammer Bergen hinzog umgehen? Ausweichen ins Wiehengebirge? Ich denke, daß die Römer einfach dadurch mussten. Vielleicht hat Varus (oder wer auch immer:fs:) die Gesamtsituation auch unterschätzt.
Eine Alternative hätte es gegeben: Der Feldherr (wer auch immer das war :pfeif:) hätte den Zug vor dem Hindernis anhalten, Kampftruppen nach vorn holen und den Wall erobern können. Dass dies nicht geschehen ist, deutet darauf hin, dass er entweder den Zug nicht zum Halten bringen konnte oder dass der Sturm auf den Wall gescheitert ist. Angriffe scheint es ja gegeben zu haben (verschüttetes Maultier). Da ich Anhänger der Varusschlacht-Theorie bin, gehe ich davon aus, dass er es nicht geschafft hat, den Zug anzuhalten und Truppen und Tross zu entflechten. Angriffe gegen den Wall blieben deshalb wirkungslos, weil sie mangels Platz mit zu wenig Truppen vorgetragen werden mussten.

Ganz nebenbei noch eine Frage:
Weiß jemand ob der schon oft angesprochene Fernweg (Autobahn der Antike) der ja an Kalkriese entlanglief auch direkt durch den Engpass führte? Oder verlief dieser Weg entlang einer ganz anderen Stelle?
Laut Wolters gab es in der Senke zwei begehbare Bereiche: die Hangsandzone am Fuß des Höhenzugs und eine Flugsandzone entlang des großen Moores - also vielleicht einen Kilometer nördlich des Schlachtfelds. Wenn ich mich recht erinnere, soll der Fernweg über den Flugsandbereich verlaufen sein.

MfG
 
Eine Alternative hätte es gegeben: Der Feldherr (wer auch immer das war :pfeif:) hätte den Zug vor dem Hindernis anhalten, Kampftruppen nach vorn holen und den Wall erobern können. Dass dies nicht geschehen ist, deutet darauf hin, dass er entweder den Zug nicht zum Halten bringen konnte oder dass der Sturm auf den Wall gescheitert ist. Angriffe scheint es ja gegeben zu haben (verschüttetes Maultier). Da ich Anhänger der Varusschlacht-Theorie bin, gehe ich davon aus, dass er es nicht geschafft hat, den Zug anzuhalten und Truppen und Tross zu entflechten.

Oje, das ist wirklich schwierig. Vieleicht waren die Truppen des Feldherren (wer immer das war:pfeif:) garnicht mehr in der Lage so geordnet zu agieren. Wir wissen auch nicht wo der Feldherr sich gerade befand (Vorne oder mittig oder sonstwo im Tross). Ja vielleicht hat der Feldherr auch Kampftruppen nach vorne beordert, aber diese sind am Wall vernichtet worden.

Also ich bleibe mal bei meiner These:
Der römische Feldherr (wer immer...) hat keine großartigen Alternativen.
Er mußte dadurch.
 
Wirkt nicht besonders steil, wenn man vor einem Computer sitzt und auf eine Karte schaut, stimmts? Ich vermute nur, dass marschierende Legionäre, die zwischen 20 und 40 Kilo Gepäck schleppen mussten, eine etwas andere Sicht der Dinge hatten.

Gibt es einen archäologischen Befund, daß die vor dem Wall kämpfenden Römer ihr Marschgepäck dabei hatten ?

Und dass die Trossknechte zuversichtlich waren, mit ihren Maultieren und Gespannen diesen vermutlich auch noch mit Bäumen und Gestrüpp bewachsenen Hang bewältigen zu können, würde ich auch eher bezweifelen. Zudem war ich schon mal auf größeren Freiluftveranstaltungen und habe gesehen, wie sich eine vormals feste Wiese unter den Füßen anfühlt, wenn ein paar tausend (oder auch nur hunderte) von Menschen drübergetrampelt sind.

Ich denke das ist der Grund, warum die Römer breite geschotterte Heerstrassen bauten. ( Siehe Lutterdamm auf der Flugsandzone, also" ein schmaler Fussweg der zwischen Sümpfen als Damm ausgeführt wurde" Tac. I, 63)

Dazu schreibt Wolters: "Durch die etwa sechs Kilometer lange Senke führte ein alter Fernweg (...). Zwischen dem stark zerklüfteten Kalkrieser Berg im Süden (...) und dem nördlich vorgelagerten Großen Moor verengt sich die Senke an ihrer schmalsten Stelle auf ungefähr einen Kilometer. Starke Grundwasserbeeinflussung reduziert den begehbaren Untergrund noch einmal auf die Hangsandzone am Fuß des Kalkrieser Berges (...). Deutlich lässt die Gesamtkarte der bislang entdeckten römischen Funde die Flächen erkennen, die in römischer Zeit begehbar waren."

Das ist die Einleitung zur umfassenden Kalkriesekritik von Wolters. Wäre schön wenn du das erwähnt hättest.
Und ja, die von den Römern begehbaren Bereiche lassen sich in der Engstelle auf nahezu 1km ausdehnen.

Gruss
jchatt
 
Was diese ein km breite Engstelle anbelangt, da scheint es nach wie vor Verwirrung zu geben: Es handelt sich dabei nicht um einen ein km breiten Streifen trockenen und festen Bodens. Das eigentliche Moor ist zwar etwa einen km entfernt, aber die Binnendünen wurden von Tümpeln, sumpfigen Stellen und kleinen Bächlein unterbrochen.

Gepäck: Da gibt es naturgemäß ein Problem: Es ist kaum noch zu entscheiden, ob die Spuren eher als Kampfspuren oder als Plünderungsspuren zu deuten sind. Beim halbverschütteten Maultier kann man wohl von Kampfspuren ausgehen. Es gibt auch eine Kiste (bzw. die davon erhaltenen Beschläge), die in einem der Spitzgräben lag. Die Lage dieser Kiste wird dahingehend interpretiert, dass sie von den Legionären in den Spitzgraben verbracht wurde, um als Tritt für die Erstürmung des Walls zu dienen. Sie kann aber genausogut auch erst später, in der Plünderungsphase dort gelandet sein.
 
Mir würde reichen, wenn es innerhalb dieses einen Kilometer breiten Streifens eine Alternative zum Weg entlang des Walles gab.
Mit dem Lutterdamm auf der Flugsandzone wäre das machbar. Dazu muss er nicht mal römisch sein, da die Benutzung als Heerstrasse in späteren Zeiten dies auch für die Römer plausibel macht.

Dann wäre die Hauptkampflinie einem Entlastungsangriff aus der Marschformation auf der Flugsandzone durch den, wie silesia es ausdrückt "Sicherungsschleier?"

Dazu Tacitus (Tac Ann I,64):
"So fand er (Caecina) denn, überlegend, was kommen könnte, keinen anderen Ausweg, als den Feind in den Wäldern zurückzuhalten, bis die Verwundeten und der schwere Zug einen Vorsprung hätten"

Die Formation bei Ponteslongi war ja:
"Die Legionen, erhielten ihre Bestimmung, die 5. auf dem rechten Flügel, die 21. auf dem linken Stellung zu nehmen, die von der 1. den Zug zu führen, die der zwanzigsten sich gegen die Verfolgenden zu wenden"

Sicherlich wird es auf der Hauptkampflinie einen uralten Saumweg gegeben haben. Ihn dort nicht zu finden, wäre Anlass ihn zu suchen.
Aber das läßt noch nicht den Schluß zu, daß die Römer im Vorhinein die Absicht hatten Ihn zu benutzen. Eben auch deshalb, weil es mölicherweise eine bessere Alternativen gab.

Gruss
jchatt
 
Mir würde reichen, wenn es innerhalb dieses einen Kilometer breiten Streifens eine Alternative zum Weg entlang des Walles gab.
Mit dem Lutterdamm auf der Flugsandzone wäre das machbar. Dazu muss er nicht mal römisch sein, da die Benutzung als Heerstrasse in späteren Zeiten dies auch für die Römer plausibel macht.

Ich weiß leider nicht mehr, woher genau ich diese Information habe, jedoch ist wohl im Zusammenhang mit den Kampfhandlungen am Kalkrieser Berg ein alternativer Weg abgegraben worden.
 
Ich weiß leider nicht mehr, woher genau ich diese Information habe, jedoch ist wohl im Zusammenhang mit den Kampfhandlungen am Kalkrieser Berg ein alternativer Weg abgegraben worden.

Also Caecina sitzt auf dem verfallenen oder bewusst zerstörtem Lutterdamm fest. Dieser wird an dieser Stelle eventuell auch Holzbrücken aufweisen, um den vom Kalkrieser Berg herabfliessenden Bächen Gelegenheit zum Entwässern ins grosse Moor zu geben.
Um die Reparaturarbeiten zu schützen postiert er seine Sicherungstruppen um den Bautrupp im wahrscheinlich aufgeweichten Boden direkt neben dem Damm. Hier entsteht die verfahrene Situation in dem die in ihrer Bewegungsfreiheit gehemmten Sicherungstruppen, Bauarbeiter und angreifende Germanen durcheinander geraten.
Um wieder Herr der Lage zu werden wird ein Entlastungsangriff in Richtung der angreifenden Germanen unternommen. Am Waldrand und dem Wall bekommen die Legionen wahrscheinlich mit dem ansteigenden Gelände wieder festen Boden unter die Füsse.
Es gelingt nicht den Damm zu reparieren, weil die Germanen duch Umleiten von Bächen die Baumaßnahmen sabotieren. Andererseits gelingt es den Legionen am Wall nicht die zu diesem Zweck gebauten Dämme/Drainagegräben wirkungsvoll zu zerstören.
Irgendwann entscheidet Caecina den schweren Tross auf der einen Seite des Dammes aufzugeben und den Marsch wie geplant auf der anderen Seite des Lutterdammes fortzusetzen. Demnach sind die in Richtung Nordwest führenden römischen Funde keine Fluchtspuren kollabierender Truppen, sondern die Absetzbewegung der Angriffsformation vor dem Wall mit dem Ziel den ursprünglichen Marsch wieder aufzunehmen. Erst auf dem Damm kommt es wieder mit den nachsetzenden Germanen zu einem weiteren Treffen. Diese Funde im Nordwesten liegen grösstenteils entlang des heutigen Lutterdammes.

An dieser Stelle möchte ich mal bemerken, daß die Heeregruppe des Caecina bei Tacitus mehrmals mit Nennung der Legionen und den Formationen in denen sie agierte erwähnt wird. Für das zweite meist von Germanicus geführte Vierlegionenheer ist dies nicht der Fall.
Es könnte also sein, daß Tacitus hier ein Augenzeugenbericht eines Beteiligten dieser Heeresgruppe vorlag.
Das könnte die zum Teil sehr detaillierten Berichte erklären und macht sie deshalb für mich umso glaubhafter.

Gruss
jchatt
 
Wie schon gesagt, es kann sich bei Kalkriese nicht um Pontes longi handeln. Abgesehen von der Lage der Pontes longi südlich oder westlich der Ems und dem Umstand, dass der Kalkrieser Wall gegen die Römer gerichtet ist* -
Gebetsmuehle1.jpg
- muss es sich bei der Schlacht an den Pontes longi wie auch bei Angrivarierwall um eine spontane Schlacht gehandelt haben. Germanicus hatte Arminius mit seinen acht Legionen verfolgt, musste dann aber umkehren, teilte seine Truppen dann an der Ems auf. Caecina marschierte über die langen Brücken gen Rhein. Inzwischen hatten die Germanen unter dem Befehl des Arminius Caecina überholt und griffen ihn an. Längerfristige Vorbereitungen konnten sie nicht treffen, denn woher hätten sie längerfristig wissen sollen, welche Marschroute die halbierte römische Armee nahm? Längerfristige Vorbereitungen für einen Hinterhalt konnte man nur dann vornehmen, wenn man genau wusste, wie der Überfallene marschieren würde - und das konnte man nur, wenn man seinen Weg kontrollierte.


*Zur Erinnerung: die Pontes longi-Hypothese (auch wenn du sagst, es gibt nicht nur eine, letztlich sind es nur Varianten), dass Pontes longi bei Kalkriese gewesen sei, basieren auf dem archäologischen Befund Drainagegraben und der entsprechenden Tacitusstelle, dass die Germanen versuchten, die Erdwerke der Römer zu unterspülen. Da der Wall am Oberesch aber kein römisches Erdwerk ist, sind alle diese Überlegungen obsolet.
 
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