Tut mir leid, wenn ich Eure Geduld strapaziere, aber...
Hier mal ein Höhenprofil der Engstelle:
Wirkt nicht besonders steil, wenn man vor einem Computer sitzt und auf eine Karte schaut, stimmts? Ich vermute nur, dass marschierende Legionäre, die zwischen 20 und 40 Kilo Gepäck schleppen mussten, eine etwas andere Sicht der Dinge hatten. Und dass die Trossknechte zuversichtlich waren, mit ihren Maultieren und Gespannen diesen vermutlich auch noch mit Bäumen und Gestrüpp bewachsenen Hang bewältigen zu können, würde ich auch eher bezweifelen. Zudem war ich schon mal auf größeren Freiluftveranstaltungen und habe gesehen, wie sich eine vormals feste Wiese unter den Füßen anfühlt, wenn ein paar tausend (oder auch nur hunderte) von Menschen drübergetrampelt sind.
Der Grund für meine Grafik war aber auch ein anderer. Dort sind neben Höhen auch Distanzangaben zwischen Moor und Wall angegeben. Demnach wäre dort zwischen (Heutigem) Moor und Wall 1,2 Km Raum gewesen.
Dazu schreibt Wolters: "
Durch die etwa sechs Kilometer lange Senke führte ein alter Fernweg (...). Zwischen dem stark zerklüfteten Kalkrieser Berg im Süden (...) und dem nördlich vorgelagerten Großen Moor verengt sich die Senke an ihrer schmalsten Stelle auf ungefähr einen Kilometer. Starke Grundwasserbeeinflussung reduziert den begehbaren Untergrund noch einmal auf die Hangsandzone am Fuß des Kalkrieser Berges (...). Deutlich lässt die Gesamtkarte der bislang entdeckten römischen Funde die Flächen erkennen, die in römischer Zeit begehbar waren."
Besten Dank dafür, und das war Ausgangspunkt meiner Überlegung, die maelonn nicht als plausibel angesehen hat.
Der "Architekt" dieser Schlacht hatte, wenn man Varus in Kalkriese annimmt, folgendes Problem: Wie bekomme ich den Varus-Zug mit der Masse in den Engpass, wenn der Zug 5+ km lang war (was ich unterstelle), und der Wall nur einen Bruchteil erfasst?
Lösung: es muss ein Zusammenstauchen der Kolonne erfolgen, möglichst vor dem Wall, im Engpaß. Normale Marschgeschwindigkeit ohne Angriffe unterstellt, würde der Zug in 2 Stunden am Wall vorbeigezogen sein. Das verdeutlicht bereits das Problem.
Nimm es nicht persönlich, wenn ich Dir jetzt dünnfellig die gleiche Antwort gebe wie kürzlich @Maelo: Ich dachte, wir wären uns zumindest so weit einig, dass am Wall gekämpft wurde! Wir können gern darüber philosophieren, wie schnell die Truppen bei "normaler Marschgeschwindigkeit ohne Angriffe" da durchgekommen WÄREN. Genauso, wie man diskutieren kann, was sie wohl an dem Tag zu Mittag gegessen hätten, wenn sie in Italien geblieben WÄREN. Die Frage, was ohne Angriffe gewesen WÄRE, stellt sich überhaupt nicht, denn der Wall ist genau deshalb an jener Stelle errichtet worden, damit "ohne Angriffe" an jener Stelle nicht stattfindet.
Und selbst wenn man "ohne Angriffe" unterstellen WÜRDE, müsste ich mit meiner Alltagskenntnis antworten, dass ich bei erwähnten Freiluftveranstaltungen schon gesehen habe, wie sich Menschenmassen an unscheinbar wirkenden Verengungen des Weges plötzlich stauen - auch ohne dass von links irgendwelche Typen angerannt kommen und wahllos Leute totschlagen.
Die Diskussion löst sich immer mehr vom archäologischen Befund, der folgende Fakten beweist:
- Entlang des Walls wurde gekämpft.
- In jenem Abschnitt war der Kampf heftiger als überall sonst.
- In jenem "besonders heißen" Abschnitt haben die Angegriffenen jede Kontrolle verloren.
- Trotz der Heftigkeit des Kampfes sind Teile der Truppe durchgekommen.
Das alles ist Fakt - obwohl es einigen Diskutanten eigentlich unmöglich erscheint.
Es darf jetzt gerne diskutiert werden, dass die Römer den Wall rechtzeitig hätten entdecken müssen, dass sie vor dem Wall hätten stoppen können, dass sie an jenem Tag Fisch statt Brot hätten essen können oder sonstwas. Fakt bleibt aber: Es ist zu dem Gefecht am Wall gekommen. Zudem entgeht mir, wieso eine von Dir für wahrscheinlich gehaltene Sperre am westlichen (!) Ende des Engpasses diese Überlegungen überflüssig gemacht hätte. Wäre der Wall dann unentdeckt geblieben? Hätten die Legionen Halt gemacht, wenn es 500 Meter weiter so eine Sperre gegeben hätte? Wie kam es dann zur Schlacht vor dem Wall?
Man kann weiter darüber spekulieren, warum alles anders hätte kommen können oder müssen. Aber wäre es für das Verständnis der Umstände nicht hilfreicher, zu erklären, warum es NICHT anders gekommen ist?
Ergo: die taktische Verwendung des Walls erscheint mir ungeklärt.
Obwohl die Auswirkungen seiner archäologisch nachweisbaren Existenz sich archäologisch nachweisen lassen?
MfG