Hier mal ein Höhenprofil der Engstelle:
Besten Dank dafür, und das war Ausgangspunkt meiner Überlegung, die maelonn nicht als plausibel angesehen hat.
Der "Architekt" dieser Schlacht hatte, wenn man Varus in Kalkriese annimmt, folgendes
Problem: Wie bekomme ich den Varus-Zug mit der Masse in den Engpass, wenn der Zug 5+ km lang war (was ich unterstelle), und der Wall nur einen Bruchteil erfasst?
Lösung: es muss ein Zusammenstauchen der Kolonne erfolgen, möglichst vor dem Wall, im Engpaß. Normale Marschgeschwindigkeit ohne Angriffe unterstellt, würde der Zug in 2 Stunden am Wall vorbeigezogen sein. Das verdeutlicht bereits das Problem.
Das Argument, die Verdichtung würde durch den Engpass automatisch erfolge, finde ich nicht plausibel. Welche Marschbreite soll der Zug bis Schwagstorf gehabt haben, welche Verdichtung wird dann durch das Gelände unterstellt, welche Verringerung der Marschgeschwindigkeit soll durch das Gelände im Engpaß unterstellt werden. Gegenthese: der Engpaß bewirkt hier mE gar nichts, weder eine Stauchung noch eine Verlangsamung. Wäre die Prämisse korrekt, hätte der Wall nur einen Bruchteil des Varus-Zuges vor sich, woraus sich die Frage stellt, warum der Durchmarsch durch die Falle nicht sehr früh - rechtzeitig! - abgebrochen wurde.
Ein weiterer Aspekt: ich halte es für unwahrscheinlich, dass der Zug keine seitlichen Sicherungsschleier hatte. Der Wall kann nicht
unentdeckt geblieben sein. Seine Länge von 400+ Meter spricht - Versagen der Aufklärung unterstellt - für mind. 3 - 4000 Mann, die dahinter stehen könnten. Warum versagte dann
vor dem Passieren die Aufklärung? Soll Varus in Kenntnis des Walls mit einer 5+ km langen Kolonne vorbeigezogen sein, wenn Teile des Zuges oder der Schluß des Zuges jederzeit vom Wall ausgehend überrannt werden konnten?
Bei der Überlegung entstand der Gedanke, ob der Wall vor dem Einmarsch vielleicht
nicht besetzt war. Wenn Varus dann arglos mit dem Vorbeizug beginnen würde - vielleicht nicht einmal mit einer Meldung über das dubiose Bauwerk - , wäre die rasche Besetzung des Walls durch den Sturmlauf von der Kuppe (oder knapp südlich davon) des Kalkrieser Berges durchaus möglich,
bevor die Römer begreifen, was passiert. Der Plan ist riskant, wenn die Römer den Wall in Befürchtung einer Falle jedenfalls vorsorglich für den Durchmarsch besetzen, bis Abschluss der Passage.
Dieses Risiko könnte der Architekt dadurch erheblich reduzieren, dass eine Riegelformation die Spitze beschäftigt, wenn der Zug mit den vorderen 500 Meter im Sack ist, und außerdem das Zugende durch intensivere Kämpfe beschäftigt wird (überraschender Vorstoß durch die Enge zwischen Osterkappel und Schwagstorf auf die Nachhut). Wenn das fast gleichzeitig passiert - von der Kuppe sichtbar - dürfte sich wenig mehr als der Sicherungsschleier am Wall aufgehalten haben, der eine Weile mit der Inspektion des Bauwerks beschäftigt gewesen ist. Der Sicherungsschleier wird in 10 Minuten hinweg gefegt, ohne dass im Engpass jemand die Übersicht behält, und ... es öffnet sich das oben schon beschriebene Szenario der dreiseitigen Umschließung.
Wie gesagt, das mag eine Vorstellung von dem Ablauf sein. Natürlich kann man nicht ausschließen, dass in der anderen Variante die Masse der Germanen hinter dem Wall stand, und Varus mit dem langen und dünnen Zug vorbei in den Engpass eilte. Wenn von germanischer Seite nun etwas passieren sollte, musste man über den Wall
vorstoßen. Die Frage wäre, zu welchem Zeitpunkt (nach Passage des ersten Drittels)?
Ergo: die taktische Verwendung des Walls erscheint mir ungeklärt.