Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Die schriftlichen Quellen sind überhaupt sehr schwierig. Die vier wichtigsten sprechen zwar von Wäldern und Sümpfen, Tacitus und Cassius Dio auch von Bergen, bei Cassius ist auch von Schluchten die Rede - und er ist derjenige der von Regen und Sturm spricht, wobei der Sturm nur die Römer affektiert (herabstürzende Baumkronen), während die Germanen quasi einen Waldspaziergang machen, um die schon gegen das Wetter kämpfenden Römer noch zusätzlich zu piesacken.

Den Widerspruch von Bergen+Wäldern sowie Sümpfen kann daraus resultieren, auf welche Phase abgestellt wird und wie sich das durchmischt, ohne die Zuverlässigkeit in Frage zu stellen. Ein Teil des Kollapses an dieser Stelle (wieder unabhängig von der Frage Varus-Lokalisierung) muss in den Sümpfen stattgefunden haben, weil dorthin ein Ausweichen in Panik denkbar ist. Die entscheidende Phase kann am Kalkrieser Berg bei der Masse der Funstücke stattgefunden haben. Je nachdem, wer entkommen ist und wo er bei den Kämpfen positioniert gewesen ist, werden die Schilderungen ausfallen sein.

Das Schlechtwetter-Szenario ist doch für den Herbst sehr plausibel. Es wird sich bei den Flüchtigen/Überlebenden durch Traumatisierung + die wochenlange Rückkehr zu den eigenen Linien in der Wahrnehmung verstärkt haben, die bis in den Oktober/November hinein herumgeirrt sein könnten.

P.S. auch die Drainagegräben sprechen übrigens nicht für eine Trockenperiode bei Benutzung des Walls.
 
Die Widersprüche sehe ich auch nicht bei Wäldern und Sümpfen bzw. Bergen. Auch habe ich mit der Annahme von Regenwetter kein Problem. Ich habe insgesamt ein Problem mit der Schlachtbeschreibung bei Cassius Dio.
 
Ich habe sehr lange der pontus-longii Theorie angehangen. Inzwischen habe ich meine Meinung gewechselt. Dazu muss man auch stehen.
 
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Die V-förmigen Gräben befinden sich an den jeweiligen Enden des Walles. Sie sind nach innen (zum Berg) angelegt worden, also offensichtlich um zu verhindern, das mögliche Angreifer hinter den Wall einfallen. Auf dem Wall wurden tw. auch Pfostenlöcher entdeckt, die auf eine Palisade hinweisen.

Ja, ja das ist in der Eile wirklich komplett dumm ausgedrückt.:aua:

Der Wall war auf jeden Fall an beiden Enden durch einen Spitzgraben ergänzt, offensichtlich um ein Hinterlaufen zu verhindern.

Zu den Quellen möchte ich bemerken, daß sie natürlich zunächst einmal die typisch römische Vorstellung von Germanien wiedergeben. Allerdings zeichnen sie wohl auch ein durchaus realistisches Bild eines germanischen (heutigen deutschen) Mittelgebirges.

Ob das wirklich so unrealistisch ist wage ich zumindest zu bezweifeln.

Und dann (Dio) natürlich das Wetter. Das Wetter ist an allem schuld. Die Römer wurden nicht von Germanen, sondern vom germanischen Wetter besiegt. Allerdings ist das geschilderte Wetter für den germanischen Herbst wohl kaum unrealistisch. Ebenso die Tatsache, daß schwergepanzerte Legionäre mit diesen wetterbedingten Umständen schwieriger zurechtkommen als leichtgeschürzte Germanen.

Die (uneinhaltlichen) Drainagegräben geben vieleicht auch Zeugnis vom Wetter...
 
... Ebenso die Tatsache, daß schwergepanzerte Legionäre mit diesen wetterbedingten Umständen schwieriger zurechtkommen als leichtgeschürzte Germanen.

Ich meine mich zu erinnern, dass dazu schon Diskussionen liefen. Plausibel wäre das. Die Legionen bewegten sich doch aber schon einige Jahre nördlich der Alpen, zB Maingebiet ostwärts, Marbodreich.
 
Ich meine mich zu erinnern, dass dazu schon Diskussionen liefen. Plausibel wäre das. Die Legionen bewegten sich doch aber schon einige Jahre nördlich der Alpen, zB Maingebiet ostwärts, Marbodreich.

Richtig.

Die Darstellung des Dio ist tw. natürlich übertrieben.

Allerdings ändert das wohl nichts an der Feststellung, das die Germanen mit den Witterungsverhältnissen als auch mit den Gegebenheiten der Landschaft grundsätzlich besser vertraut waren als die Römer. Dies gilt auch wohl insbesondere für die Art der germanischen Kriegsführung. Landschaft und Wetter haben wohl eher den Germanen in die Hände gespielt.
 
Sobald man Varus zwischen Wiehengebirge und den Mooren nördlich davon hat, braucht man eigentlich nur noch dafür zu sorgen, dass er nicht durchs Moor oder über das Wiehengebirge entkommt. So bekommt man ihn beinahe automatisch nach Kalkriese, ohne ihn bis dorthin führen zu müssen, etwas positivistisch gesprochen.
Eben da sehe ich das größte Problem: Man muss "nur noch" dafür sorgen, dass er auf dem gewünschten Weg weiterzieht. Das dürfte selbst bei einem angeschlagenen Drei-Legionen-Heer nicht so leicht gewesen sein. Zudem hätten die Germanen dann bei Kalkriese genügend Truppen bereithalten müssen, um das eintreffende Heer zu besiegen. Und sie hätten zudem bei jeder möglichen Ausweichroute genügend Truppen stationieren müssen, um Ausbruchsversuche zu unterbinden. Deine Überlegung hat was für sich. Aber sie setzt eine weiträumige Abriegelung der ganzen Gegend voraus - und damit eine Übersicht eines germanischen Oberkommandos, von dem bisher zumeist angenommen wurde, dass es gar nicht existierte. Vielleicht hast Du Recht, aber ich halte es für unwahrscheinlich.

Das ist eine Vermutung zu Qualität und Quantität der Information, die Rom nach der Niederlage zur Verfügung gestanden haben könnten.
Eine Reihe von Anhaltspunkten haben wir schon. So wissen wir aus den Texten von Tacitus, dass Germanicus das Schlachtfeld aufgesucht hat (und zwar auf dem gleichen Weg, den Varus gegangen ist). Er kannte die Örtlichkeiten und die Spuren der Geschehnisse also aus eigener Anschauung. Wir wissen, dass er Überlebende dabei hatte, die den Ablauf geschildert haben. Deren Glaubwürdigkeit mag zwar zweifelhaft sein, aber die Aussagen mussten den sichtbaren Spuren schon standhalten. Wir wissen, dass Tacitus (mittels seiner Gleichsetzung Varus-Caecina-Schlachten) und Dio die Abläufe im Kern deckungsgleich schildern (z.B. mehrtägige Dauer). Wir wissen weiterhin, dass Tiberius nach der Übernahme der Herrschaft Vorgaben gemacht hat, wie militärische Operationen in Germanien geführt werden müssen (kleiner Tross, keine Frauen etc.). Daraus kann man ablesen, dass der Tross mit ursächlich für die Katastrophe war. Die Römer wussten also ganz gut, wie sich der Untergang des Varus abgespielt hat.

Zu den taktischen Fragen gleich mehr...

MfG
 
Eine Reihe von Anhaltspunkten haben wir schon. So wissen wir aus den Texten von Tacitus, dass Germanicus das Schlachtfeld aufgesucht hat (und zwar auf dem gleichen Weg, den Varus gegangen ist). Er kannte die Örtlichkeiten und die Spuren der Geschehnisse also aus eigener Anschauung. Wir wissen, dass er Überlebende dabei hatte, die den Ablauf geschildert haben. Deren Glaubwürdigkeit mag zwar zweifelhaft sein, aber die Aussagen mussten den sichtbaren Spuren schon standhalten.
MfG

Das ist grundsätzlich sehr interessant.
Warum hat Germanicus das Schlachtfeld (angeblich) auf dem gleichen Weg wie Varus aufgesucht? Hat er das wirklich? Wieso? Gab es keinen anderen Weg? Mußte er den Überlebenden folgen, weil die nur diesen einen Weg kannten? Aber Germanicus befand sich zwischen Ems und Lippe. Die Überlebenden kannten wohlmöglich nur den Weg vom Sommerlager des Vaus (Weser). Das ist eigenartig.
Wollte er (Germanicus) die Gebeine der Gefallenen bestatten und zwar über den gesamten Schlachtverlauf hinweg?
Wollte Germanicus nicht einfach nur Rache nehmen?
War es nicht viel wichtiger Arminius zu stellen und zu besiegen?

Oder will Tacitus nur den Konflikt (Germanicus/Tiberius) schüren?
War die Bestattungsaktion ein Erfolg für Germanicus oder aber in den Augen des Kaisers eher überflüssig? Gab es nicht eine viel kürzere Route zum Schlachtfeld für Germanicus?

Ach ja, das sind wieder viele Fragen........
 
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Das ist grundsätzlich sehr interessant.
Warum hat Germanicus das Schlachtfeld (angeblich) auf dem gleichen Weg wie Varus aufgesucht? Hat er das wirklich? Wieso? Gab es keinen anderen Weg? Mußte er den Überlebenden folgen, weil die nur diesen einen Weg kannten? Aber Germanicus befand sich zwischen Ems und Lippe. Die Überlebenden kannten wohlmöglich nur den Weg vom Sommerlager des Vaus (Weser). Das ist eigenartig.

Er müsste 14 von Lippe/Ems bzw. von Anreppen über den Teuto nach Minden gezogen sein, dann westwärts am Wiehengebirge entlang nach Kalkriese, dann zurück zu den Marsi. Wäre das in 15 passiert, könnte Kalkriese der Treffpunkt mit den über die Ems angelandeten Einheiten gewesen sein (zuvor wieder Anreppen - Teuto-Pass - Minden - entlang Wiehengebirge). In 16 wäre das gleiche Bild. In beiden Jahren wäre die Frage, wo der Treffpunkt mit den Schiffstransporten über die Ems gewesen ist. Beide Male könnte er ihnen von Minden aus - quasi auf dem Varus-Weg - entgegen gezogen sein.

Das man auf römischer Seite strategisch auf diesen Punkt fixiert war, kann man mit der Varus-Niederlage erklären - man unterstellt einen Sammlungspunkt des germanischen Widerstands nördlich des Wiehengebirges - the fog of war.

Jedenfalls ist ein Entgegenziehen zu den Schiffsanlandungen von Minden aus nachvollziehbar - schnellstmögliche Vereinigung, und ggf. bekommt man zuvor etwas "zwischen die Klammer".

Wenn Germanicus das Schlachtfeld mehrfach aufgesucht hat, könnten sich auch die Handlungen zeitlich verteilen und wurden lediglich von den Schriftquellen dramaturgisch zusammengefasst.

P.s. ich kann natürlich schlecht verbergen, dass ich vom Detaillierungsgrad der Schriftquellen wenig halte, wenn es um die Darstellung der Operationen geht. Ich würde sie gern im Groben akzeptieren (siehe Wetter etc.), aber nicht "auf den Punkt".
 
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Das ist so ein Punkt: Dafür kann es problemlos Erklärungen geben. Der Wall macht militärisch Sinn, wenn neben der Wallbesatzung eine Gefechtsformation quer zu ihm aufgestellt wurde, am westlichen Ende.
Dieser Sinn entgeht mir. Wieso hätte man den Bereich neben dem Zugweg des Gegners mit einem Wall befestigen sollen, während man eine Gefechtsformation, die den Hauptdruck jenes Gegners abbekommen würde, mitten ins unbefestigte Gelände stellt? Feldbefestigungen haben den Sinn, die eigenen Kräfte genau an den Stellen zu stärken und zu schützen, wo sie potenziell dem größten Druck ausgesetzt sind. Deinem Szenario nach wäre es sinnvoll gewesen, mit dem Wall den Weg zu sperren und die Gefechtsformation entlang der Flanke zu postieren. Es umgedreht zu machen, wäre widersinnig.

Das wesentlich Problem des Walls ist mE: wie wurde der östliche Teil gesichert, von dem an die Linie hätte aufgerollt werden können. Da muss es neben stärkerer Besatzung irgend etwas gegeben haben...
Stimmt. Da muss es was gegeben haben. Dem Grabungsbefund nach gab es da Spitzgräben. Und hinter denen standen mit Sicherheit Verteidiger. Ob das alles war oder ob es noch mehr gab? Wer weiß. Was dort war, reichte jedenfalls, um die Flanken des Walls zu sichern. Den Funden nach steht fest, dass mögliche Versuche, die Stellung von der Flanke aufzurollen, entweder nicht unternommen wurden oder nicht erfolgreich waren.

Neben der Stärke der Besatzung ist Walls ist zu kalkulieren, welche Konzentration des Angreifers gegen den Wall überhaupt denkbar ist. Hier wurde ein Schlachtfeld sorgfältig von jemandem vorbereitet, dem eine "Bewegungsschlacht" entlang des Bergfußes vorschwebte. Der Wall muss daher eine sich gegen ihn wendende, auseinander gezogene Kolonne aushalten, bei der es in keiner Phase zu einer "Verdichtung" der 3 Legionen kommt, die dann "an einer Stelle" einen konzentrierten Stoß führen können.
Genau das ist des Pudels Kern. Insbesondere der Satz: "Hier wurde ein Schlachtfeld sorgfältig von jemandem vorbereitet, dem eine "Bewegungsschlacht" entlang des Bergfußes vorschwebte."

Welche Funktion der Wall erfüllen sollte und welche er erfüllt hat, können wir doch an den Funden, die in der Gegend gemacht wurden, erkennen: Die Römer zogen von Osten nach Westen durch den Engpass. An dessen Ende befand sich die schmalste begehbare Stelle, diese Stelle wurde durch einen mindestens 400 Meter langen Wall noch enger gemacht. Im ganzen, mehrere Kilometer langen Engpass gibt es Spuren von Kampfhandlungen. Entlang des Wegs bis zum Wall deuten diese Spuren auf eine noch kontrollierte Gefechtsführung durch die Angegriffenen hin. Dort, wo durch den Wall der "Flaschenhals" geschaffen worden war, ging diese Kontrolle so nachhaltig verloren, dass es zu hohen Verlusten kam und die Angegriffenen ihre Gefallenen nicht mehr bergen konnten. Kurz danach öffnet sich die Landschaft. Dort gibt es weitere Spuren, die erkennen lassen, dass Material nicht mehr unkontrolliert (durch Plünderung) verlorenging, sondern eher bewusst weggeworfen oder versteckt wurde. Die Angegriffenen hatten also Kontrolle zurückerlangt. Fazit: Für den Kontrollverlust war der Wall ausschlaggebend. Dieser Kontrollverlust erstreckte sich über die ganze Länge des Walls und konzentrierte sich nicht etwa auf eine mögliche "Infanteriesperre" quer zu seinem westlichen Endpunkt. Entlang der ganzen Länge des Walls wurden auch Spuren von Trossmaterial gefunden. Tross und Kampftruppen sind dort also durchmischt durchgezogen.

Was wissen wir noch? Vorausgesetzt, es handelte sich um die Legionen des Varus, dann war der Heereszug mehrere Kilometer lang. Über eine Zahl mag ich nicht spekulieren, aber er dürfte auf jeden Fall einen großen Teil der fünf oder sechs Kilometer langen Engstelle ausgefüllt haben. Die für sie begehbare Trasse war entlang des ganzen Weges schmal, vor dem Abschnittswalls dann sogar mörderisch schmal. Dort fehlte schlicht der Platz. Es war nicht möglich, eine ausreichend starke Formation zu bilden, um den Wall anzugreifen, und gleichzeitig dem Tross genug Raum zum Durchziehen zu lassen. Man konnte höchstens eine dünne Kampflinie bilden, hinter der Truppen vorbeizogen. Zu dünn, um Ausfälle von der Wallstellung wirksam abzuwehren. Den Römern blieb kaum etwas anderes übrig, als dort so schnell wie möglich durchzuziehen und währenddessen die Schläge von der Seite hinzunehmen. Anhalten war unmöglich, weil - meinem Szenario zufolge - währenddessen laufend Angriffe gegen die Nachhut erfolgten und die Heersäule dadurch in den Engpass hineingepresst und in Bewegung gehalten wurde. Außerdem dürfte es zu damaliger Zeit gut eine halbe Stunde gedauert haben, den Befehl zum Anhalten überhaupt von der Spitze des Zuges bis zu seinem Ende durchzugeben.

So sah die Lage für die Römer aus. Den Weg mit einem Wall oder mit ungeschützter Infanterie abzuriegeln, war aus Sicht der Germanen gar nicht erforderlich. Es wäre sogar kontraproduktiv gewesen, denn: Wegen der Bewegungsrichtung der römischen Truppen wäre der Druck auf diesen Riegel ständig größer geworden. Von hinten rückten ja immer weitere Truppen (und Trossteile) an. Irgendwann hätte die schiere Masse der Leiber jede Sperre einfach weggeschoben. Den Römern wäre überhaupt keine andere Wahl geblieben, als eine solche Sperre zu beseitigen. An der Spitze hätten sie dabei sicher schwere Verluste erlitten. Aber danach wäre die Sperre (sprich: die Krieger) nicht mehr existent gewesen und der Rest der Legionen wäre unbeschadet durchmarschiert. Ohne harte Absperrung war dagegen die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Legionen während des gesamten Durchzugs Verluste erleiden und dass die germanischen Truppen danach noch weitgehend intakt sind.

Unter dem Strich war das für die römischen Truppen ein "schlechtes" Geschäft. Aber jeder Legionär, jede Centurie hat an der Stelle keine Gesamtrechnung im Blick gehabt, sondern nur ihre "interne" Gewinn- und Verlustrechnung. Für jede Centurie war das Durchziehen "billiger" als ein Sturm auf den eigentlich abseits des Weges liegenden Wall. Das ist wie die Sache mit dem Frosch und dem heißen Wasser.

Deshalb liegst Du mit der folgenden Aussage gänzlich falsch:

Der Wall unterstützt dann die langgestreckte "schwächste" Stelle des Planes, die gehalten werden muss, bis an der Spitze und am Ende die Lage entschieden ist.

Das war nicht die schwächste Stelle. Es war die stärkste, die durch den Wall noch stärker gemacht wurde. Dort lag der Schlüssel zum Erfolg. Dort passierte das "Hauen und Stechen". Ablesbar an den Spuren. Davor und dahinter konnten die Römer sich noch einigermaßen behaupten. Beim Wall selbst nicht. Die Schlacht wurde am Wall entschieden, nirgendwo sonst. Genau deshalb stand er an dieser besonderen Stelle und hatte diese besondere Form.

MfG
 
Das ist grundsätzlich sehr interessant.
Warum hat Germanicus das Schlachtfeld (angeblich) auf dem gleichen Weg wie Varus aufgesucht? Hat er das wirklich? Wieso? Gab es keinen anderen Weg? Mußte er den Überlebenden folgen, weil die nur diesen einen Weg kannten? Aber Germanicus befand sich zwischen Ems und Lippe. Die Überlebenden kannten wohlmöglich nur den Weg vom Sommerlager des Vaus (Weser). Das ist eigenartig.
Wollte er (Germanicus) die Gebeine der Gefallenen bestatten und zwar über den gesamten Schlachtverlauf hinweg?
Wollte Germanicus nicht einfach nur Rache nehmen?
War es nicht viel wichtiger Arminius zu stellen und zu besiegen?

Oder will Tacitus nur den Konflikt (Germanicus/Tiberius) schüren?
War die Bestattungsaktion ein Erfolg für Germanicus oder aber in den Augen des Kaisers eher überflüssig? Gab es nicht eine viel kürzere Route zum Schlachtfeld für Germanicus?

Ach ja, das sind wieder viele Fragen........

Wer weiß, wie die Antworten lauten. Wenn man Tacitus nicht als Lügner abstempeln will, hat Germanicus jedenfalls den gleichen Weg genommen. Möglicherweise war es von seinem damaligen Aufenthaltsort einfach eine sinnvolle Route für den Rückmarsch. Möglicherweise hat er auch Varus Bewegungen nachvollzogen, weil er den Auftrag bekommen hatte, die Ursachen für die Niederlage zu erforschen (einer der Autoren, deren Bücher ich im Regal stehen habe, vertritt diese Auffassung; hab aber vergessen, welcher es ist...).

MfG
 
Dieser Sinn entgeht mir. Wieso hätte man den Bereich neben dem Zugweg des Gegners mit einem Wall befestigen sollen, während man eine Gefechtsformation, die den Hauptdruck jenes Gegners abbekommen würde, mitten ins unbefestigte Gelände stellt?

Das Stichwort ist "Verzögerung im Gefecht". Das Auflaufen auf eine rückweichende Riegelstellung dient dazu, die Kolonne komplett in den Kessel zu stecken, und dann der von rückwärts kollabierenden Masse den Weg zu versperren. Das war die Grundidee. Wenn die Riegelstellung fehlt -was man natürlich ebenso unterstellen kann - entwichen große Teile nach Westen.

Es geht eigentlich nur um eine Art Bremseffekt für den Varus-Zug. Wenn man die Kräftegruppierungen so nach Karte einteilt: 40% rückwärtig in der Verfolgung, ein Viertel am langgestreckten Wall, der Rest in der Riegelstellung. Alle drei Gruppen unterstützen sich, und die Römer sind von 3 Seiten - Ausnahme Moor - umschlossen. Irgendwas muss sich demnach nördlich des westlichen Wall-Endes aufgehalten haben.

Feldbefestigungen haben den Sinn, die eigenen Kräfte genau an den Stellen zu stärken und zu schützen, wo sie potenziell dem größten Druck ausgesetzt sind. Deinem Szenario nach wäre es sinnvoll gewesen, mit dem Wall den Weg zu sperren und die Gefechtsformation entlang der Flanke zu postieren. Es umgedreht zu machen, wäre widersinnig.
Sehe ich nicht so. Der Wall spart bei der Kräfteverteilung auf die drei notwendigen Gruppen eben genau an der langgestreckten Seite die Kräfte ein. Das Kollabieren des Kessel besorgen Hammer und Amboß (wie sich Halder auszudrücken pflegte).

Stimmt. Da muss es was gegeben haben. Dem Grabungsbefund nach gab es da Spitzgräben. Und hinter denen standen mit Sicherheit Verteidiger. Ob das alles war oder ob es noch mehr gab? Wer weiß.
Die Ostseite muss aufwärts der Kuppe des Kalkrieser Berges gesichert worden sein. Die Idee wäre, den Wald und das Unterholz zu verdichten und quasi unpassierbar zu machen. Jedenfalls für organisierte Aktionen in der ersten Phase der Einschließung. Dürfte von Sicherungsschleiern kaum entdeckt worden sein.

Dort gibt es weitere Spuren, die erkennen lassen, dass Material nicht mehr unkontrolliert (durch Plünderung) verlorenging, sondern eher bewusst weggeworfen oder versteckt wurde.
Wenn man sich so Kesselschlachten der Weltgeschichte anschaut, liegen die größten Trümmerberge am letzten Durchbruchsende der Bewegung des Eingeschlossenen. Das ist nordwestlich des Walls der Fall. Das Kollabieren dieses Zuges - welcher Zug auch immer das war - setzte nach derzeitigem Fundbild von rückwärts ein. In der Verfolgung würde ich die stärkste Kräftegruppe sehen, die das auch einige Tage bis zum Engpass "vorbereitet" hat.

Tross und Kampftruppen sind dort also durchmischt durchgezogen.
Die Trümmer vermischen sich auch, wenn es erst vorrangig Legionäre, dann Troß gewesen sein sollten. Wahrscheinlcih wird da jeder was vom Boden aufgegriffen haben, wenn eine Panikflut nach Westen schwappt.

Anhalten war unmöglich, weil - meinem Szenario zufolge - währenddessen laufend Angriffe gegen die Nachhut erfolgten und die Heersäule dadurch in den Engpass hineingepresst und in Bewegung gehalten wurde. Außerdem dürfte es zu damaliger Zeit gut eine halbe Stunde gedauert haben, den Befehl zum Anhalten überhaupt von der Spitze des Zuges bis zu seinem Ende durchzugeben.


Das Zusammenpressen funktioniert übrigens nur, wenn es die Riegel-Truppe gab, das lediglich das schnelle Entweichen nach Westen hemmte. Der Mechanismus ist der, dass hinten schneller kollabiert, als vorn die Fortschritte erzielt werden können.

Das war nicht die schwächste Stelle. Es war die stärkste, die durch den Wall noch stärker gemacht wurde. Dort lag der Schlüssel zum Erfolg. Dort passierte das "Hauen und Stechen". Ablesbar an den Spuren.
Die Schwachstelle war auf die "Längsseite" des Kessels bezogen, bzw. wörtlich auf die längste Seite.

Siehe oben zur Verteilung. Da bleibt - gemessen an der Besetzung/Besatzung der diversen Stellen pro Meter - relativ nicht viel für den Bergfuß des Kalkrieser Berges übrig. Die einfallsreiche Lösung: man verstärkt die langgestreckte Kesseleinschließung durch Befestigung, spart hier Truppen, die man für Hammer und Amboß besser einsetzen kann.

Was dann dem Fundbild etwas entgegen läuft: es bleibt trotz dieser Aufstellung bei der Dramaturgie vor dem Wall. Da sollte man aber "hineinlesen", weil das Fundbild ansonsten in die Irre führt.
 
Das Stichwort ist "Verzögerung im Gefecht". Das Auflaufen auf eine rückweichende Riegelstellung dient dazu, die Kolonne komplett in den Kessel zu stecken, und dann der von rückwärts kollabierenden Masse den Weg zu versperren. Das war die Grundidee. Wenn die Riegelstellung fehlt -was man natürlich ebenso unterstellen kann - entwichen große Teile nach Westen.
Dann vermischt Du hier zwei Dinge. Verzögerung ist eine Technik, die in Bewegungsgefechten eingesetzt wird und für die zahlen-/kräftemäßig unterlegene Seite geboten erscheinen kann. Sie erfordert, dass die verzögernden Kräfte auf keinen Fall zu enge Verzahnung mit dem Feind zulassen, sondern nur kurzzeitig Stellung beziehen und dann schnell wieder ausweichen, um der eigenen Vernichtung zu entgehen. Die mit der Analogie von Hammer und Amboss beschriebenen Manöver können aber nur sehr starke, überlegene Kräfte einsetzen, denn wenn der "Amboss" zu schwach ist und zerschlagen wird, ist die ganze Taktik den Bach runter.

Wie auch immer man es betrachten will, bleibt folgender Punkt: Wäre eine Abriegelung des Durchgangs taktisch erforderlich gewesen, dann hätte man diese Sperre so stark wie nur möglich machen müssen. Es wäre widersinnig gewesen, mit einem Wall einen Abschnitt des Gefechtsfelds zu befestigen, in dem Feindvorstöße unwahrscheinlich (Hanglage, Bewuchs, schlecht passierbar) oder relativ leicht abzuwehren sind, gleichzeitig aber den Abschnitt, an dem es zwingend zur massiven Konfrontation kommen musste, unbefestigt zu lassen.

Es geht eigentlich nur um eine Art Bremseffekt für den Varus-Zug.
Dieser Bremseffekt ergab sich von selbst, weil der Wall den Weg stark verengt hat und die durchziehenden Truppen dort wie in einen Trichter gepresst wurden. Zusätzlich wurden vom Wall aus Angriffe in die Flanke der Marschsäule geführt, die zusätzlich verlangsamten.

Wenn man die Kräftegruppierungen so nach Karte einteilt: 40% rückwärtig in der Verfolgung, ein Viertel am langgestreckten Wall, der Rest in der Riegelstellung. Alle drei Gruppen unterstützen sich, und die Römer sind von 3 Seiten - Ausnahme Moor - umschlossen.
Auch das sind Überlegungen, die in Bewegungsgefechten Sinn machen. Hier geht es aber um eine Schlacht an einer festen Stellung und in einem Gelände, das aufgrund natürlicher Gegebenheiten Bewegungen der Römer ohnehin stark eingeschränkt hat. Nach Norden ausweichen konnten sie nicht, weil dort Sumpf war. Nach Süden konnten sie nicht, weil dort der bewaldete und unwegsame Hang war, der mit relativ leichten Kräften gehalten werden konnte. Deshalb war es auch unnötig, 40 Prozent der germanischen Kräfte für die Verfolgung einzusetzen. Die mussten dort nicht die ganzen Legionen besiegen, sondern nur stärker sein als die Nachhut, denn die übrigen römischen Truppen konnten gar nicht an sie ran. Also führten die Gegebenheiten dieses Gefechtsfelds dazu, dass die Germanen am Wall nicht bloß 25 Prozent ihrer Kräfte einsetzen konnten, sondern ihre Hauptmacht. 60 Prozent? 80 Prozent? Damit haben sie diesen Abschnitt sicher beherrscht.

Wie gesagt: Kein Riegel. Damit war klar, dass die Römer dort durchbrechen würden. Aber das war egal. Hauptsache sie würden vorher schwer gebeutelt. Vor allen Dingen würden sie einen Großteil ihres Trosses verlieren. Das war der Schlüssel zum Erfolg.

Die Trümmer vermischen sich auch, wenn es erst vorrangig Legionäre, dann Troß gewesen sein sollten. Wahrscheinlcih wird da jeder was vom Boden aufgegriffen haben, wenn eine Panikflut nach Westen schwappt.
Zugegeben, mit der Äußerung habe ich mich auf Dios Bericht gestützt, wonach Varus den Tross aufgelöst im Heer mitgeführt haben soll. Bei "normaler" gefechtsmäßiger Marschformation wäre der Tross zwischen massiven Legionsblocks marschiert und geschützt gewesen. Im Flaschenhals beim Wall wäre das in der Tat nicht durchzuhalten gewesen.


Das Zusammenpressen funktioniert übrigens nur, wenn es die Riegel-Truppe gab, das lediglich das schnelle Entweichen nach Westen hemmte.
Es funktioniert auch, wenn die Nachhut rennt, um den Angriffen von hinten auszuweichen, während die Hauptkolonne langsamer wird, weil sie sich unter schweren Angriffen durch eine Engstelle quälen muss.

Wenn man sich so Kesselschlachten der Weltgeschichte anschaut, liegen die größten Trümmerberge am letzten Durchbruchsende der Bewegung des Eingeschlossenen. Das ist nordwestlich des Walls der Fall.
Fundkonzentrationen werden von den Ausgräbern damit erklärt, dass dort Orte waren, an denen die Sieger geplünderte Wertsachen gesammelt und nach Materialien getrennt haben. Spuren der Plünderungen selbst zeigen sich anhand von Kleinteilen, die beim Fleddern der Gefallenen von deren Ausrüstung losgerissen wurden und liegen blieben. Solche Spuren finden sich in allen Abschnitten vor dem Wall, die bislang ergraben worden sind.

MfG
 
Hier mal ein Höhenprofil der Engstelle:

engstelle.jpg

Gruss
jchatt
 
Hier mal ein Höhenprofil der Engstelle:

Besten Dank dafür, und das war Ausgangspunkt meiner Überlegung, die maelonn nicht als plausibel angesehen hat.

Der "Architekt" dieser Schlacht hatte, wenn man Varus in Kalkriese annimmt, folgendes Problem: Wie bekomme ich den Varus-Zug mit der Masse in den Engpass, wenn der Zug 5+ km lang war (was ich unterstelle), und der Wall nur einen Bruchteil erfasst?

Lösung: es muss ein Zusammenstauchen der Kolonne erfolgen, möglichst vor dem Wall, im Engpaß. Normale Marschgeschwindigkeit ohne Angriffe unterstellt, würde der Zug in 2 Stunden am Wall vorbeigezogen sein. Das verdeutlicht bereits das Problem.

Das Argument, die Verdichtung würde durch den Engpass automatisch erfolge, finde ich nicht plausibel. Welche Marschbreite soll der Zug bis Schwagstorf gehabt haben, welche Verdichtung wird dann durch das Gelände unterstellt, welche Verringerung der Marschgeschwindigkeit soll durch das Gelände im Engpaß unterstellt werden. Gegenthese: der Engpaß bewirkt hier mE gar nichts, weder eine Stauchung noch eine Verlangsamung. Wäre die Prämisse korrekt, hätte der Wall nur einen Bruchteil des Varus-Zuges vor sich, woraus sich die Frage stellt, warum der Durchmarsch durch die Falle nicht sehr früh - rechtzeitig! - abgebrochen wurde.

Ein weiterer Aspekt: ich halte es für unwahrscheinlich, dass der Zug keine seitlichen Sicherungsschleier hatte. Der Wall kann nicht unentdeckt geblieben sein. Seine Länge von 400+ Meter spricht - Versagen der Aufklärung unterstellt - für mind. 3 - 4000 Mann, die dahinter stehen könnten. Warum versagte dann vor dem Passieren die Aufklärung? Soll Varus in Kenntnis des Walls mit einer 5+ km langen Kolonne vorbeigezogen sein, wenn Teile des Zuges oder der Schluß des Zuges jederzeit vom Wall ausgehend überrannt werden konnten?

Bei der Überlegung entstand der Gedanke, ob der Wall vor dem Einmarsch vielleicht nicht besetzt war. Wenn Varus dann arglos mit dem Vorbeizug beginnen würde - vielleicht nicht einmal mit einer Meldung über das dubiose Bauwerk - , wäre die rasche Besetzung des Walls durch den Sturmlauf von der Kuppe (oder knapp südlich davon) des Kalkrieser Berges durchaus möglich, bevor die Römer begreifen, was passiert. Der Plan ist riskant, wenn die Römer den Wall in Befürchtung einer Falle jedenfalls vorsorglich für den Durchmarsch besetzen, bis Abschluss der Passage.

Dieses Risiko könnte der Architekt dadurch erheblich reduzieren, dass eine Riegelformation die Spitze beschäftigt, wenn der Zug mit den vorderen 500 Meter im Sack ist, und außerdem das Zugende durch intensivere Kämpfe beschäftigt wird (überraschender Vorstoß durch die Enge zwischen Osterkappel und Schwagstorf auf die Nachhut). Wenn das fast gleichzeitig passiert - von der Kuppe sichtbar - dürfte sich wenig mehr als der Sicherungsschleier am Wall aufgehalten haben, der eine Weile mit der Inspektion des Bauwerks beschäftigt gewesen ist. Der Sicherungsschleier wird in 10 Minuten hinweg gefegt, ohne dass im Engpass jemand die Übersicht behält, und ... es öffnet sich das oben schon beschriebene Szenario der dreiseitigen Umschließung.

Wie gesagt, das mag eine Vorstellung von dem Ablauf sein. Natürlich kann man nicht ausschließen, dass in der anderen Variante die Masse der Germanen hinter dem Wall stand, und Varus mit dem langen und dünnen Zug vorbei in den Engpass eilte. Wenn von germanischer Seite nun etwas passieren sollte, musste man über den Wall vorstoßen. Die Frage wäre, zu welchem Zeitpunkt (nach Passage des ersten Drittels)?

Ergo: die taktische Verwendung des Walls erscheint mir ungeklärt.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Silesia

Ein sehr guter Beitrag der der überaus deutlich macht, dass der Wall von Kalkriese überhaupt nicht als Angriffsstellung, im Zusammenhang mit einem Hinterhalt taugen kann.

Dass die Römer ohne eine zuverlässige Aufklärung in unbekanntem Terrain operierten ist nahezu ausgeschlossen. Die Annahme, die für die Aufklärung zuständigen Hilfstruppen könnten mit den Germanen des Arminius gemeinsame Sache gemacht haben, wird durch die Aussage des Sueton entkräftet: (Augustus23) ...waren doch drei Legionen und ihr Führer, die Legaten und alle Hilfstruppen niedergemacht worden. Demnach muss bei der Varuskatastrophe eine Aufklärung vorhanden gewesen sein, diese konnte aber die Falle in der das Varusheer marschierte nicht ausmachen. Der Wall von Kalkriese wäre jeder Vorhut sofort ins Auge gefallen und hätte jeden Heerführer zur besonderen Vorsicht gemahnt.

Obwohl der Engpass in der Niewedder Senke an der schmalsten Stelle nur etwa 100-200 Meter breit war, hätten die Römer diesen Bereich in einem gebührenden Abstand passieren können ohne von den Germanen auf dem Wall behelligt zu werden. Salopp ausgedrückt hätten die Römer den Germanen beim Vorbeizug eine „Lange Nase“ zeigen können. Die Germanen hätten sich massiv vom Wall herab auf den Varuszug stürzen müssen um die Marschkolonne in Verlegenheit zu bringen. Allerdings sprechen die Verhaue auf der Wallkrone gegen eine derartige Angriffstaktik, denn sie behinderten einen Angriffssturm vom Wall herab und durch die Durchlässe in dem Wall konnten nicht in kurzer Zeit genügend germanische Krieger das Schlachtfeld betreten um die römischen Legionen in Verlegenheit zu bringen. Zudem hätten dann die Germanen ihren eigenen Wall im Rücken gehabt und hätten sich dadurch gegebenenfalls den eigenen Rückzug verbaut.

Gerade der Wall spricht eindeutig dagegen, dass hier die Krieger des Arminius einen perfekten Hinterhalt gelegt haben könnten. Bei dem Wall kann es sich nur um ein Verteidigungsbauwerk gehandelt haben, und hier ist besonders die Schlacht am Angrivarierwall das Szenario welches am wahrscheinlichsten ist.
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Eine Verlangsamung des Zuges hätte man vielleicht auch durch Unpassierbarmachung der Engstelle für die Trossfahrzeuge erreichen können.

Mit der Verriegelungstruppe und dem plötzlichen Besetzen des Walles habe ich so meine Probleme, da sie schon eine straffe Organisation bedurft hätten.
Aber im Prinzip hat Arminius das bei Idistaviso in vergleichbarer Ausgangslage und im grösserem Stil ja auch so praktiziert. Also undenkbar scheint mir das nicht.

Der Grund für meine Grafik war aber auch ein anderer. Dort sind neben Höhen auch Distanzangaben zwischen Moor und Wall angegeben. Demnach wäre dort zwischen (Heutigem) Moor und Wall 1,2 Km Raum gewesen.
Die Aussage der Archäologen, daß das Moor sich früher unmittelbar bis zum Wall erstreckte, halte ich aus folgenden Gründen für anfechtbar:

  1. Die Spur des sich von der Engstelle nach Nordwest absetzenden Zuges würde also schon im Moor verlaufen.
  2. An der heutigen Moorgrenze, mitten durch das Nördliche Fundgebiet, verläuft ein uralter Heerweg "Lutterdamm" der bei manchen Autoren aufgrund seines geraden Verlaufs unter Römerverdacht steht. Das Wittlager Land: Geschichten aus ... - Google Bücher
Lutterdamm:
lutterdamm.jpg

Dieser Weg führt von Westen in östlicher Richtung nach Hunteburg, da wo man die auf das Jahr 15n Chr datierten und gewaltsam zerstörten Bohlenwege gefunden hat, und weiterhin ein ebenso misteriöser schnurgerader Damm durchs Große Moor führt, von dem niemand weiß wer ihn gebaut hat. Auch wenn es keine Beweise für eine römische Urheberschaft gibt, fällt es mir schwer späteren Generationen diese Bauleistung zu unterstellen.

Wenn also jemand für die Kalkriese-Pontes-Longi-Hypothese einen Damm braucht, dann wäre es wahrscheinlich eher dieser "Lutterdamm".

Während wir an der Lippe bis zu 40m breite Vormarschstrassen haben, wird in Kalkriese aber unterstellt die Römer hätten 20 Jahre nach der Eroberung sich an dieser strategischen Stelle mit ein paar Metern begnügt. Obwohl zumindest Ahenobarbus ja wohl infrastrukturell in der Gegend tätig war.
Es ist doch vielmehr wahrscheinlicher anzunehmen daß versucht wurde diesen Engpass passierbar zumachen bevor man hindurchmarschiert.

Gruss
jchatt
 
Ich stelle mal 4 Krackelbilder ein, wie ich mir das vorstelle.

Dass die Passage durch Hindernisse erschwert gewesen ist, daran habe ich auch schon gedacht. Es wird davon nichts erwähnt. Allerdings gefährdet das vor/während der Passage den Überraschungseffekt.


Bild1: Anmarsch der Römer, unbesetzter Wall
Bild2: die germanischen Versammlungsräume und der Riegel
Bild3: a) Spitze im Gefecht verwickelt, b) Nachhut wird überraschend angegriffen, c) Versammlung auf Kalkrieser Kupee besetzt den Wall
Bild4: ggf. Spitze, mind. aber Nachhut unterliegt und wird zurückgedrückt - der Wall wird mittig unterdessen angegriffen, Kollaps erfolgt von rückwärts und erfasst alle Bereiche.
 

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Gerade der Wall spricht eindeutig dagegen, dass hier die Krieger des Arminius einen perfekten Hinterhalt gelegt haben könnten. Bei dem Wall kann es sich nur um ein Verteidigungsbauwerk gehandelt haben, und hier ist besonders die Schlacht am Angrivarierwall das Szenario welches am wahrscheinlichsten ist.[FONT=&quot][/FONT]

Die Topographie des Schlachtfelds am Angrivarierwall stimmt nur leider mit der Topographie von Kalkriese genauso wenig überein, wie der von Tacitus beschriebene Wall, der zwischen den Angrivariern und den Cheruskern aufgeworfen war, dem Wall am Obersch in Kalkriese entspricht. Auch sonst entspricht der archäologische Befund nicht den Beschreibungen der Schlacht am Angrivarierwall.

1.) Beim Angrivarierwall hatten die Germanen den Sumpf im Rücken.
:rechts: In Kalkriese hatten sie den Berg im Rücken.
2.) Die Römer haben den Angrivarierwall beschossen.
:rechts: In Kalkriese gibt es keine Spuren eines Wallbeschusses.
3.) Tacitus spricht von der Begrenzung des Schlachtfeldes durch einen flumen.
:rechts: Die nächsten Gewässer von Kalkriese aus, die die Bezeichnung flumen rechtfertigen, sind die Ems und die Weser, die jeweils etwa 50 km von Kalkriese entfernt fließen.
4.) Die Anlage des Walls von Kalkriese von etwa 400 m Länge, ein taktisches Bauwerk.
:rechts: Dagegen der Angrivarierwall, der nach dem Tacitustext kein taktisches Bauwerk war, sondern als Grenzbauwerk zu verstehen ist. Warum sollte Tacitus, abgesehen davon, dass er mit dem Plusquamperfekt von extollere den Aufwurf des Angrivarierwalls in eine Zeit weit vor der Schlacht verlegt, betonen, dass der Wall zwischen den Angrivariern und den Cheruskern trennte? ("...nisi quod latus unum Angrivarii lato aggere extulerant quo a Cheruscis dirimerentur.") Das ergibt doch für den geschilderten Schlachtverlauf überhaupt gar keinen Sinn... Hieraus ergibt sich der nächste Punkt:
5.) Der Kalkrieser Wall ist für ein singuläres Ereignis vorbereitet worden, er stellt keine Fluchtburg dar und ist für einen räuberischen Überfall auf einzelne Durchreisende und kleinere Gruppen viel zu aufwändig.
:rechts: Die Schlacht am Angrivarierwall war aber ein Spontanereignis: Die Germanen hatten gerade eine Schlacht (Idistaviso) verloren, Arminius hatte mit Müh und Not und nur dank der Chauken, die seine Identität nicht offenbarten überlebt. So jedenfalls Tacitus. Sie wähnten aber die Römer im Siegesrausch und wagten daher einen erneuten Überfall, bei dem sie sich schließlich hinter den Angrivarierwall zurückzogen. Es ist doch bezeichnend, dass dieser die Schlacht am Angrivarierwall als spontanes Umdenken der Germanen beschreibt und die Varusschlacht in den Quellen als gut vorbereitetes Unternehmen beschrieben wird.
6.) Die Anwesenheit von Frauen: Funde sprechen dafür, dass in Kalkriese Frauen anwesend waren.
:rechts: Dies entspricht eher einem Varus, der sich im Freundesland wähnte, als einem Germanicus, der sich auf einem Rachfeldzug tief im Feindesland befindet.

Also mit Tacitus' Beschreibung der Schlacht am Angrivarierwall - und das ist bzgl. des Angrivarierwalls die einzige Quelle - lässt sich Kalkriese überhaupt nicht in Übereinstimmmung bringen.
 
@Silesia

Ein sehr guter Beitrag der der überaus deutlich macht, dass der Wall von Kalkriese überhaupt nicht als Angriffsstellung, im Zusammenhang mit einem Hinterhalt taugen kann.

Das hast Du völlig missverstanden.

Der Wall hat zumindest temporär defensiven Charakter - wobei die Position für jeden Verlauf mit dem Berg im Rücken keinen weiteren Sinn ergibt, und somit (nur!) für die Frühphase der Schlacht gedient haben muss - , er taugt aber hervorragend als Angriffsposition, wenn die Voraussetzungen an den Enden (s.o. 3 und 4) geschaffen sind.

1. In der Frühphase dient der Wall zu Absicherung einer größeren Längslinie, die nur mit den vertretbar geringsten Kräften gesichert werden soll.

2. oben ist die Alternative vorgetragen, dass er zur Deckung/Tarnung der Hauptkräfte dienen sollte. Das halte ich für weniger plausibel, bzw. den Wall aufgrund der Topographie für diese Idee völlig verzichtbar. Man hätte sich auch mit minus 10 bzw. 15 Min (getarnt!) auf der Kuppe versammeln können. Dafür braucht man also keinen Wall. Ausnahme: man ist zu Beginn (in diesem Abschnitt) ganz erheblich unterlegen, was aber gegen eine parallel Marschkolonne nicht schlüssig erscheint.

Die Signalgebung von der Kalkrieser Kuppe aus nach Nordwesten und Osten zu den Gruppierungen dürfte kein Problem sein.
 
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